Lebensdaten
um 1435 – 1494
Geburtsort
Seligenstadt/Main
Sterbeort
Brügge
Beruf/Funktion
Maler
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118580647 | OGND | VIAF: 36926265
Namensvarianten
  • Hemling (fälschlich auch)
  • Hemeling (fälschlich auch)
  • Memling, Hans
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Zitierweise

Memling, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118580647.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Der Familienname, d. aufgrund e. falsch interpretierten Inschrift auf e. Rahmen auch als Hemling od. Hemmeling erscheint, leitet sich wahrsch. v. d. Dorf Mömlingenb. Aschaffenburg her. V Hermann;
    M N. N.;
    Brügge um 1466 Anna de Valkenaere ( 1487) aus B.;
    3 S.

  • Biographie

    Nur wenige Daten erhellen M.s äußere Lebensumstände. Im Januar 1465 tritt er erstmals in Erscheinung, als er das Bürgerrecht von Brügge empfängt. Vermutlich hat er seine erste Ausbildung in Mainfranken erhalten und ist dann in jungen Jahren rheinabwärts gewandert. Köln mag ihn angezogen haben, wo er prägende Eindrücke empfing, vor allem durch Stephan Lochner. Enge motivische Beziehungen seines späteren Schaffens zum Werk des führenden niederländ. Meisters jener Zeit, Rogier van der Weyden, lassen vermuten, daß M. für einige Zeit als Gehilfe in dessen Brüsseler Werkstatt tätig war. Unmittelbar nach Rogiers Tod ist M. erstmals in Brügge faßbar. Hier fand er offenbar rasch Erfolg und Ansehen. Zu seinen Auftraggebern zählten die eingesessenen Patrizier, die Mitglieder der Korporationen und Bruderschaften ebenso wie die Vertreter der großen ausländischen Handelshäuser und Banken, die Filialen in Brügge unterhielten. M. war Gildemeister und Mitglied der Bruderschaft „Unserer lieben Frau vom Schnee“, der einflußreiche Bürger und hochgestellte Persönlichkeiten des Adels angehörten. 1480 erwarb er ein „großes steinernes Haus“; bei der steuerlichen Taxierung wurde er den vermögenden Einwohnern zugezählt.

    M. war zu seiner Zeit der führende Maler in Brügge. In seiner Werkstatt entstanden Altartafeln für Kirchen und Klöster, Heiligen- und Madonnenbilder für den privaten Bereich sowie bürgerliche Porträts. Als etwa 30jähriger scheint er den ersten bedeutenden Auftrag erhalten zu haben; für Angelo Tani, den|Agenten der Medici in Brügge, schuf er ein dreiteiliges Altarwerk mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts auf der Mitteltafel und den Innenseiten der Flügel, dem knienden Stifter und seiner Frau vor der Madonna und dem Erzengel Michael auf den Außenseiten. Die enge Abhängigkeit der Hauptszene mit dem richtenden Christus, dem seelenwägenden Michael und den auferstehenden Toten von Rogiers Weltgerichtsaltar in Beaune gab neuerdings zu der Vermutung Anlaß, der Altar sei von Rogier begonnen und von M. vollendet worden. Neben den erwähnten Anklängen an Rogier werden aber auch thematische Beziehungen zu Stephan Lochner und dem in Löwen tätigen Dieric Bouts deutlich. Seinen Bestimmungsort Florenz hat das Werk nie erreicht, da das Schiff, das es nach Italien bringen sollte, im April 1473 von einem hanseatischen Kaper aus Danzig aufgebracht wurde. Die kostbare Beute kam dann als Stiftung in die Danziger Marienkirche und befindet sich heute im dortigen Nationalmuseum.

    M. hat, wie damals üblich, seine Bilder nicht signiert, auch die schriftlichen Quellen geben nur unzureichend Auskunft. Bei der Zusammenstellung seines Œuvres ist man daher fast gänzlich auf Zuschreibungen angewiesen. Nur in wenigen Fällen geben Rahmeninschriften einen konkreten Hinweis. So erfahren wir etwa bei einem kleinen Triptychon, das im geschlossenen Zustand die Hll. Johannes der Täufer und Veronika, geöffnet die Geburt Jesu, die Anbetung der Könige und die Darbringung im Tempel zeigt, dass es 1479 von Bruder Jan Floreins, Profeß am Johannesspital in Brügge, in Auftrag gegeben und von M. gemalt wurde. Es ist eines von mehreren bedeutenden Werken, die M. als Stiftungen vermögender Bürger für das Spital (heute im dort eingerichteten Memling-Museum) geschaffen hat. Während das erwähnte Floreins-Triptychon in einigen Partien noch deutlich an den Erfindungen Rogiers orientiert ist, erscheinen in dem großformatigen, den Namensheiligen des Spitals gewidmeten Johannes-Altar, einem Triptychon von 1479, eigene Züge in unverwechselbarer, ausgereifter Prägung. Die Stifter und Stifterinnen, Ordensangehörige, die leitende Funktionen am Spital innehatten, knien auf den Außenseiten, begleitet von ihren Patronen. Die Schlichtheit und farbliche Zurückhaltung dieses „Präludiums“ steht in bewußtem Gegensatz zur festlichen Pracht und zum erzählerischen Reichtum, die der geöffnete Altar bietet. Die Mitteltafel mit der in einer offenen Säulenhalle thronenden, von Heiligen und Engeln umgebenen Madonna ist ein Bild voller Stille und Harmonie; auf den Flügeln hingegen, die in handlungsreichen Abläufen die Enthauptung Johannes des Täufers und die apokalyptischen Visionen des Evangelisten auf Patmos schildern, entfaltet sich M.s erzählerische Begabung.

    Der Erfindungsreichtum und die Breite seiner Erzählweise gehören zu den wesentlichen Elementen seiner Kunst. Exemplarisch tritt dieser Aspekt in der Tafel mit den „Sieben Freuden Mariae“ (München, Alte Pinakothek) in Erscheinung. Der Lohgerber Pieter Bultync hatte sie 1480 als Altarbild für die Kapelle seiner Gilde in der Brügger Frauenkirche gestiftet. Das ungewöhnliche, gestreckte Breitformat ebenso wie die vom Herkömmlichen abweichende Komposition, die eine Fülle miniaturhaft gemalter Einzelepisoden in einer Landschaft simultan vereinigt, legen Zeugnis ab von M.s Bereitschaft, auch neue Wege zu gehen. Der wohl 1489 vollendete „Ursulaschrein“, vermutlich von zwei Ordensfrauen für das Johannesspital in Auftrag gegeben und noch heute am ursprünglichen Ort, wurde sein bekanntestes Werk. Es ist ein in seiner äußeren Gestalt von den bekannten mittelalterlichen Vorbildern hergeleitetes Reliquiar, dessen Wände und Dach anstelle des üblichen plastischen Schmucks mit miniaturhaften Gemälden versehen sind. In den sechs Bildern der Längsseiten hat M. die Legende der hl. Ursula und ihrer 11 000 Jungfrauen, die in Köln das Martyrium erlitten, detailliert erzählt, mit wachem Blick für die unterschiedlichen menschlichen Verhaltensweisen, für Licht- und Farbwirkungen, für Einzelheiten der Kleidung und der Architektur mit zeitgenössischen Ansichten bekannter Kölner Bauwerke.

    Als Porträtisten ging es M. um genaue, lebensnahe Schilderung der äußeren Erscheinung, wobei häufig die natürliche Umgebung als wesentlicher Faktor in die Darstellung einbezogen ist. Besonders eindrucksvoll gelang ihm dies im Bildnis des 23jährigen Maarten van Nieuwenhove (1487, Brügge, Johannesspital), das mit einer Madonnentafel zu einem Diptychon verbunden ist. Irdische und himmlische Sphäre sind in einem Raum vereinigt, gehen ineinander über. Eine in sich ruhende, auf die faßbare Wirklichkeit bezogene, vertrauensvolle Menschlichkeit spricht aus diesen Bildern, die zweifellos dem Selbstverständnis und der Weltsicht der bürgerlichen Klientel M.s entsprachen.

    M.s Bedeutung innerhalb der altniederländ. Malerei ist nicht der exponierten Stellung eines Jan van Eyck, Rogier van der Weyden, Dieric Bouts oder Hugo van der Goes gleichzustellen. Er übernahm vorgeprägte Formen, die er mit unverwechselbar eigenständigem Leben auszufüllen wußte. M. vertrat eine Kunstrichtung, die den Zenit ihrer Entwicklung bereits überschritten hatte, seinem künstlerischen Wollen und Vermögen und den Wünsche und Bedürfnissen der Gesellschaft jedoch in idealer Weise entsprach. Im Vergleich mit dem aristokratisch anmutenden, auf Vergeistigung zielenden Schaffen von Rogier van der Weyden ist M.s Kunst betont bürgerlich, lebensnah und weltzugewandt. M. hatte keine bedeutenden Schüler, und sein Schaffen fand nur geringe Resonanz, gleichwohl hat sich, vor allem seit der romantischen Wiederentdeckung des mittelalterlichen Brügge im 19. Jh., die Begeisterung für diese Stadt mit seinem Werk und seiner Person verbunden, und er ist zum Inbegriff für die Brügger Malerei im „Herbst des Mittelalters“ geworden.

    Die Frage, ob M.s deutsche Wurzeln in seinem Schaffen erkennbar seien oder ob sich sein Werk nahtlos in die niederländ. Tradition einfüge, wurde unterschiedlich beurteilt. Auffällig jedenfalls sind deutliche Übereinstimmungen mit charakteristischen, stilbildenden, konstant zu beobachtenden Merkmalen, die die Kunst der Mittelrheingegend kennzeichnen. M.s Bedürfnis nach Harmonie, seine Empfänglichkeit für die Poesie des Stofflichen, seine heitere Gelassenheit und Erzählfreude könnten in seiner mittelrhein. Heimat ihren Ursprung haben.

  • Werke

    Weitere W Dreikönigs-Triptychon, um 1470 (Madrid, Prado);
    Passionstafel, um 1470 (Turin. Galleria Sabauda);
    Hl. Johannes d. T., um 1470 (München, Alte Pinakothek);
    Hl. Veronika, um 1470 (Washington, Nat. Gallery of Art);
    Donne-Triptychon, um 1478 (London, Nat. Gallery);
    Moreel-Triptychon (Brügge, Groeninge-Mus.);
    Bathseba u. David, um 1485 (Stuttgart, Staatsgal.);
    Portinari-Triptychon, 1487 (Berlin-Dahlem, Gem.gal., u. Florenz, Uffizien);
    Kreuzigungs-Triptychon, 1491 (Lübeck, St. Annen-Mus.);
    Bildnisse e. alten Mannes u. e. alten Frau (Berlin-Dahlem, Gem.gal., u. Paris, Louvre);
    Bildnisse Tommaso u. Maria Portinari (New York, Metropolitan Mus.);
    Bildnis e. jungen Mannes (Madrid, Slg. Thyssen-Bornemisza);
    Bildnis e. Mannes mit Mütze (Antwerpen, Kon. Mus. voor Schone Künsten).

  • Literatur

    ADB 21;
    M. Kämmerer, M., 1899;
    F. Bock, M.-Stud., 1900;
    W. H. J. Weale, H. M., 1901;
    A. Warburg, Flandr. Kunst u. florentin. Frührenaissance, in: Jb. d. Kgl. Preuß. Kunstslgg. 23, 1902;
    K. Voll, M., Des Meisters Gemälde, 1909;
    G. Hulin de Loo, Chronologie de l'oeuvre de M., in: FS f. M. J. Friedländer, 1927;
    M. J. Friedländer, Die altniederländ. Malerei VI, M. u. G. David, 1928;
    ders., M., 1949;
    ders., Early Netherlandish Painting VI, 1. M., 1971;
    M., Ausst.kat. Brügge 1939;
    P. Lambotte, H. M., d. Meister d. Schreins d. hl. Ursula, 1939;
    W. Drost, H. M., Das Jüngste Gericht in d. Marienkirche in Danzig, 1941;
    L. v. Baldass, H. M., 1942;
    J. Lavalleye, M. à l'hospital Saint-Jean, 1953;
    A. P. de Mirimonde, Les anges musiciens chez M., in: Jaarboek van het Kon. Mus. voor Schone Kunsten, 1962/63;
    M. Hass, H. M.s Lübecker Altarschrein, 1967;
    M. Corti u. G. T. Faggin, L'opera completa di M., 1969;
    K. B. McFarlane, H. M., 1971;
    N. Schneider, Zur Ikonographie v. H. M.s „Sieben Freuden Mariae“, in: Münchner Jb. d. bild. Kunst 24, 1973;
    W. Jahn, Der Maler H. M. aus Seligenstadt, Burger zu Pruck in Flandern gewest, in: Archiv f. hess. Gesch. u. Altertumskde., NF 38, 1980, S. 45-94;
    F. Battenberg, Zeit u. Umwelt d. Malers H. M. aus Seligenstadt, Zur Situation d. Reichs u. Flanderns im Spät-MA, ebd., NF 46, 1988, S. 11-72;
    V. J. Hull, M.s Paintings frorn the Hospital of Saint John in Bruges, 1981;
    A. Zöller, H. M., 1983;
    Kindlers Malerei-Lex.;
    ThB;
    BBKL.

  • Porträts

    Selbstbildnis (?) auf d. linken Flügel d. Donne-Triptychons (London, Nat. Gallery).

  • Autor/in

    Peter Eikemeier
  • Zitierweise

    Eikemeier, Peter, "Memling, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 29-31 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118580647.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Memling: Hans M., durch falsche Lesart seines Namens früher lange Hemling genannt, bedeutender Maler der van Eyck’schen Schule, geb. um 1430, zu Brügge 1495. Was man früher über seine Jugend berichtete, daß er, nachdem er sich zum Maler ausgebildet hatte, als Soldat im Heere Karls des Kühnen gekämpst, in der Schlacht bei Nancy 1477 verwundet, sich nach Brügge geschleppt und da im Johanneshospitale verpflegt wurde, hat sich als Fabel erwiesen, die wahrscheinlich dem Umstande ihre Entstehung verdankt, daß sich viele seiner Gemälde in diesem Hospitale befanden. Da Rogier van der Weyden ausdrücklich als sein Lehrer genannt wird, so wird M. seine Jugend in Brüssel verlebt haben. In der Kunst muß er bald große Fortschritte gemacht haben, da ihn sein Lehrer als Mitarbeiter bei seinen Werken verwendete; so wissen wir namentlich, daß er zu einem Mittelbilde der Pietà seines Meisters die Flügel ausführte. Ob er dann Italien besuchte, läßt sich nicht beweisen, bleibt auch unwahrscheinlich. In Brügge wohnte er seit 1470; im J. 1478 malte er für die Buchhändler ein Votivbild und 1479 trat er in die Lucasgilde ein. Zwischen Italien und den Niederlanden bestand damals ein reger Handelsverkehr, der sich selbst auf Gemälde erstreckte. Memling's Bilder wanderten vielfach nach dem Süden; Cardinal Bembo besaß ein kleines Flügelbild unseres Meisters vom Jahre 1470, auf dem Maria mit dem Kinde einerseits und der heilige Johannes Baptista anderseits dargestellt waren. Drei Jahre später wurde durch Portinari, den Agenten des Hauses Medici, der in Brügge residirte, ein großes Bild bei M. bestellt. Das Mittelbild enthält eine Darstellung des jüngsten Gerichtes, unten steht im ritterlichen Anzug die Riesengestalt des Erzengels Michael mit der Waage, auf den Schall der Posaune gibt die Erde ihre Todten zurück. Die Flügelbilder setzen die Geschichte des Gerichtes fort; auf dem linken Flügel (rechts von Christus) werden die Seligen in das himmlische Paradies aufgenommen, auf dem anderen Flügel die Verdammten in die Hölle verstoßen. Die Außenseiten zeigen Maria und Michael, als Statuen gedacht,|grau in grau gemalt und das knieende Donatorenpaar. Nach dem Wappen glaubt man auf die mailändische edle Familie Branda Castiglione schließen zu dürfen, für welche das Bild gemalt war. Diese erhielt es aber nie. Das Schiff, auf dem es verladen war, hatte das Unglück, daß es von einem Danziger Schiffer gekapert wurde, denn die Niederlande befanden sich eben im Krieg mit der Hansa. Das Bild wurde der Marienkirche in Danzig geschenkt, wo es sich noch befindet, nachdem es 1807—1815 in Paris gewesen. Das Johanneshospital in Brügge bewahrt viele Werke unseres Meisters. Eines stellt die Vermählung der heiligen Katharina vor; diese geht in bekannter üblicher Form in einer gothischen Halle vor; zwei Engel und die beiden Johannes (Bapt. und Evang.) stehen gleichsam als Zeugen des Vorgangs zu beiden Seiten der Madonna. Auf den Flügeln sind apokalyptische Scenen dargestellt und auf den Außenflügeln sieht man die Stifter des Werkes: Anton Zeghers und Jacob van Kueninc, die Spitalschwestern Agnes Casembrood und Clara van Hulsen, alle mit ihren Schutzheiligen. Das Bild ist vom J. 1479 und voll bezeichnet. Derselben Zeit gehört noch ein zweiter Flügelaltar mit der Anbetung der Könige, gestiftet von Jan Floreins van der Rijst. Das am meisten bewunderte Kunstwerk unseres Meisters, welches das genannte Hospital besitzt, ist der sogenannte „Ursulakasten“, ein Reliquienschrein zur Aufnahme der Ueberreste der heiligen Ursula und ihrer Schaar. Er stellt eine gothische Kapelle im Kleinen vor; jede Langseite ist in drei Felder getheilt, denen am Deckel drei Medaillons entsprechen; da die Schmalseiten auch je ein Feld haben, so ist Raum für acht Bilder. Die sechs der Langseiten erzählen bildlich die Legende der Heiligen, an den beiden Schmalseiten aber sieht man die Madonna und Ursula, ihre Gefährtinnen unter dem Mantel beschützend, und dies mit einer Naivetät, mit einem Ausdruck der herrlichsten Formen- und Farbenschönheit, mit einer Anmuth bei aller Raumbeschränkung, daß M. nur dieses Werk hinterlassen konnte, um doch als einer der ersten vlämischen Künstler zu gelten. Der Schrein, auf Anregung des Spitalbruders van der Rijst hergestellt, ist im J. 1486 vollendet worden. In demselben Spitale befand sich sonst auch eine Tafel Memling's, auf welcher im Rahmen einer Landschaft die sieben Schmerzen der Maria dargestellt sind. Es wurde 1624 verkauft, um eine Orgelbühne bauen zu können und befindet sich jetzt in Turin. Wie es hinkam, läßt sich nicht nachweisen. Die wahrscheinlich dem Künstler durch den Besteller vorgeschriebene Art, verschiedene, im Laufe der Zeit sich abwickelnde Begebenheiten in einem Raume nebeneinander darzustellen, die übrigens der Kunst des Mittelalters nicht unbekannt ist, muß Anklang gefunden haben, da im J. 1480 Peter Bultynck und dessen Gemahlin beim Meister ein Gemälde herstellten, welches in gleicher Weise die sieben Freuden der Maria zum Ausdruck bringen sollte. Das Bild wurde der Gerberzunft überwiesen, die es in der Liebfrauenkirche in Brügge aufstellte. Nach mannigfachen Wanderungen kam es nach München, wo es sich jetzt befindet. Gewissermaßen derselben Auffassungsweise gehört noch ein drittes Altarmerk des Meisters aus dem Jahre 1491, also aus seiner letzten Zeit. Das Hauptbild zeigt, oberflächlich betrachtet, die Kreuzigung, enthält aber über den landschaftlichen Hintergrund vertheilt die ganze Passionsgeschichte, vom Gebete am Oelberg bis zur Himmelfahrt. Die äußeren Flügel zeigen die Verkündigung der Maria, die inneren vier lebensgroße Heilige. Das Altarwerk befindet sich im Dome zu Lübeck; wie es dahin kam, ist unbekannt. Es werden noch viele Bilder in öffentlichen Sammlungen unserem Meister zugeschrieben, doch werden ihm in der That nur wenige angehören; zu den echten und vorzüglichsten aber wird die Madonna in den Uffizien zu Florenz gerechnet. Sie sitzt mit dem Kinde auf dem Throne, von vier Engeln umgeben. Eine belebte Landschaft bildet den Hintergrund. Auch als Bildnißmaler ist M. hervorzuheben, die Bildnißmalerei ist als Vermächtniß J. van Eyck's in der vlämischen Schule stets mit großem Geschick gepflegt worden. Wir haben bereits mehrere Bildnisse von Donatoren erwähnt. Ein Hauptbild dieser Art ist das von Willem Moreel 1484 für die St. Jacobskirche in Brügge gestiftete Altarwerk mit dem heiligen Christoph; auf dem linken Flügel ist der Stifter mit fünf Söhnen, auf dem anderen dessen Frau mit 13 Töchtern dargestellt; alle in Lebensgröße und von größter künstlerischer Durchführung. Im J. 1575 verbarg man es vor den Bilderstürmern, jetzt ist es ein Juwel der Akademie zu Brügge. Derselbe Stifter mit seiner Frau sind vom Meister nochmals als selbständige Porträts in betender Stellung gemalt worden (Museum von Brüssel). Das männliche, leider unbekannte Bildniß eines Betenden in den Uffizien dürfte ursprünglich auch dem Flügel eines Altarwerkes angehört haben. Zu den vollendetsten Bildnissen des Meisters wird aber das des Martin Newenhoven gerechnet, das die eine Hälfte eines von diesem 1487 gestifteten Diptychons bildet, während auf der anderen Maria mit dem Kinde zu sehen ist. Newenhoven war ein Patrizier von Brügge (wie die Inschrift meldet, auf dem Bilde im Alter von 23 Jahren), der später viele Aemter seiner Vaterstadt verwaltete. Das Bild befindet sich im Johanneshospital zu Brügge. Nach dem Zeugnisse des Anonymus des Morelli soll M. auch Miniaturen für das berühmte Brevier des Cardinals Grimani in Venedig geliefert haben. Da keine Bezeichnung vorhanden ist, dürfte es schwer werden die ihm gehörigen Darstellungen zu bestimmen. M. repräsentirte nach R. van der Weyden's Tode den Hauptmeister der vlämischen Schule. Als solcher war er von nah und fern anerkannt und mit Aufträgen überhäuft. Von seinen Lebensschicksalen wissen wir sehr wenig; er besaß in Brügge zwei Häuser und ein Stück Land. Im J. 1487 verlor er seine Frau Anna, die ihm drei Kinder schenkte. Diese waren, als der Meister acht Jahre später starb, noch nicht volljährig, da ihnen Vormünder bestellt wurden.

  • Autor/in

    Wessely.
  • Zitierweise

    Wessely, Joseph Eduard, "Memling, Hans" in: Allgemeine Deutsche Biographie 21 (1885), S. 307-309 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118580647.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA