Lebensdaten
1898 – 1933
Geburtsort
Nürnberg
Sterbeort
Durchholzen (Tirol)
Beruf/Funktion
SA-Aktivist ; Agent ; Publizist
Konfession
evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 119084791 | OGND | VIAF: 67268066
Namensvarianten
  • Bell, Georg Emil
  • Bell, Georg
  • Bell, Georg Emil

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Bell, Georg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119084791.html [25.04.2024].

CC0

  • Bekannt durch seine Verwicklung in die „Tscherwonzen-Affäre“ 1927, wurde Georg Bell 1931 zu einem der wichtigsten Mitarbeiter des SA-Stabschefs Ernst Röhm (1887–1934). 1932 wandte er sich vom Nationalsozialismus ab und versorgte Fritz Gerlich (1883–1934) mit internen Informationen über die NSDAP. Im März 1933 floh er nach Österreich, wo er kurz darauf von einem SA- und SS-Kommando ermordet wurde.

    Lebensdaten

    Geboren am 27. Juli 1898 in Nürnberg
    Gestorben am 3. April 1933 in Durchholzen (Tirol)
    Grabstätte Friedhof in Durchholzen
    Konfession evangelisch-lutherisch
    Georg Bell, Stadtarchiv Rosenheim (InC)
    Georg Bell, Stadtarchiv Rosenheim (InC)
  • Lebenslauf

    27. Juli 1898 - Nürnberg

    1916 - 1918 - Suezkanal (Ägypten); Westfront

    Kriegsdienst (1917 Unteroffizier)

    Bayerische Armee

    1919 - 1921 - Nürnberg

    Studium der Elektrotechnik (abgeschlossen)

    Höhere technische Staatslehranstalt

    1919 - 1921

    Mitglied

    Wehrverband Reichsflagge

    1921 - 1927 - Nürnberg; München

    Elektro-Ingenieur (häufige Stellenwechsel)

    u. a. Siemens-Schuckert-Werke, Sachsenwerke

    1927 - 1928

    Verwicklung in die „Tscherwonzen-Affäre“

    1.10.1928 - Berlin

    Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Bell

    Landgericht I

    6.1.1930 - Berlin

    Beginn des Tscherwonzenprozesses

    21.7.1930 - Berlin

    Verurteilung im Berufungsverfahren zu einer Geldstrafe in Höhe von 1 500 Reichsmark

    Landgericht I

    1931

    Eintritt

    SA

    1931 - 1932

    Persönlicher Agent des SA-Stabschefs Ernst Röhm (1887–1934)

    1932

    Austritt

    NSDAP

    1932 - 1933 - München

    Informant des Journalisten Fritz Gerlich (1883–1934) in dessen Kampf gegen die NSDAP

    1933

    Flucht nach Österreich und Ermordung

    3. April 1933 - Durchholzen (Tirol)
  • Genealogie

    Vater Julius Emil Bell 1867–1932 Direktor einer Uhrenfabrik in Laufamholz bei Nürnberg
    Mutter Margaretha Babette Bell, geb. Seiferth 1874–1920
    Stiefmutter Karoline Bell, geb. Rieger, gesch. Haack geb. 1891
    Geschwister keine
    Verlobte (seit Ostern 1931) Hildegard Huber
    Kinder keine
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Bell, Georg (1898 – 1933)

    • Vater

      Julius Emil Bell

      1867–1932

      Direktor einer Uhrenfabrik in Laufamholz bei Nürnberg

    • Mutter

      Margaretha Babette Bell

      1874–1920

  • Biografie

    Nach dem Besuch der Oberrealschule in Nürnberg meldete sich Bell im April 1916 als Kriegsfreiwilliger und diente im Ersten Weltkrieg als Funker in der Bayerischen Armee. 1919 schloss er sich dem paramilitärischen Wehrverband Reichsflagge an, dessen Leiter Adolf Heiß (1882–1945) ihn mit Ernst Röhm (1887–1934) bekannt machte. Im selben Jahr begann er ein Studium der Elektrotechnik und arbeitete anschließend von 1921 bis 1927 als Elektro-Ingenieur bei mehreren Unternehmen in Nürnberg und München.

    Öffentlich bekannt wurde Bell 1927 durch seine Verwicklung in die „Tscherwonzen-Affäre“: Von 1928 bis 1930 musste er sich mit weiteren Angeklagten vor dem Landgericht I in Berlin gegen den Vorwurf verteidigen, massenhaft gefälschte Zehn-Rubel-Scheine („Tscherwonzen“) hergestellt zu haben, mit denen eine verheerende Inflationskrise in der Sowjetunion ausgelöst werden sollte. Die Affäre wurde v. a. von dem KPD-Journalisten Albert Norden (1904–1982) propagandistisch ausgeschlachtet.

    Seit März 1931 arbeitete Bell als Agent für den zum Stabschef der SA aufgestiegenen Röhm, der ihn beauftragte, einen Nachrichtendienst der SA aufzubauen, eine Pressestelle mit eigener Zeitung und Propagandastelle zu schaffen sowie in- und ausländische Finanziers zu finden. Die SA sollte so organisatorisch und wirtschaftlich von der NSDAP unabhängig werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kam Bell eine zentrale Rolle bei der Finanzierung der SA zu: Laut einer eidesstattlichen Erklärung Erich von Waldburg-Zeils (1899–1953) vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 1946 schloss Röhm auf Vermittlung Bells mit dem niederländischen Öl-Magnaten Henri Deterding (1866–1939) einen – nicht überlieferten – Vertrag, der der SA 1,5 Millionen englische Pfund eingebracht habe. Deterding seien dafür Vorteile beim Absatz von Erdölprodukten nach einer NS-Machtübernahme in Deutschland zugesichert worden. 1937 hielt Joseph Goebbels (1897–1945) in seinem Tagebuch fest, Deterding habe „40 Millionen [Reichsmark] gestiftet“.

    Durch seine Arbeit für Röhm kam Bell in München mit Fritz Gerlich (1883–1934) in Kontakt, dem Schriftleiter der Zeitung „Der gerade Weg“, die den Nationalsozialismus vehement bekämpfte. Bell versorgte Gerlich seit Anfang 1932 mit internen Informationen über die NS-Bewegung. Belegt ist, dass Informationen Bells in Gerlichs Artikel „Provokateure in der SA“ (26. Februar 1933) und „Aufmarschbefehl der SA gegen Berlin“ (1. März 1933) eingeflossen sind. Besondere Bedeutung erhielt Bells Wissen im März 1933, als Gerlich und Waldburg-Zeil vergeblich versuchten, die Ministerpräsidenten Bayerns und Württembergs durch Geheiminformationen davon zu überzeugen, die noch bestehende föderalistische Eigenständigkeit ihrer Länder zu nutzen, um die NS-Machtübernahme in Süddeutschland zu verhindern.

    Unter Gerlichs Einfluss entfernte sich Bell zunehmend von der NS-Bewegung. Am 8. Oktober 1932 erklärte er öffentlich seinen Austritt aus der NSDAP, wobei er der NS-Führung u. a. vorwarf, die homosexuelle Orientierung Röhms akzeptiert und geduldet zu haben. Nach der NS-Machtübernahme floh Bell am 10. März 1933 nach Österreich, wo er trotz mehrerer Ortswechsel am 3. April von zwei „Rollkommandos“ der SA und SS in Durchholzen (Tirol) aufgespürt und erschossen wurde. Der Täter war wahrscheinlich der kurz darauf im Rahmen des „Röhm-Putschs“ ebenfalls ermordete SA-Standartenführer Julius Uhl (1903–1934). Nach Bells Tod vertraten kommunistische Kreise um Willi Münzenberg (1889–1940), der Bell Ende März 1933 in der Schweiz traf, die These, dieser sei erschossen worden, weil er Insiderwissen über die Hintergründe des Reichstagsbrands vom 27. Februar 1933 besessen habe. Es sind indes keine zuverlässigen Quellen überliefert, die diese These stützen.

  • Auszeichnungen

  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv, Koblenz, N 1049. (Nachlass Arnold Rechberg)

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, NS 8/20 u. 116 (Erinnerungen Alfred Rosenbergs u. Schriftwechsel Alfred Rosenberg-Arno Schickedanz); NS 19/2669 (Briefwechsel Ernst-Röhm-Heinrich Himmler 1929/30); R 3001/12130 (Reichsjustizministerium, Verfahren gegen den Ingenieur Georg Bell wegen Verratsmilitärischer Geheimnisse).

    Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin, Rm-Handakten, Bd. 59 (Russland-Politik); Referat Deutschland Inland IIA/B, Bd 2. (Akten betreffend deutsche Emigranten, Tätigkeit im Ausland).

    Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Sonderabgabe 1608 (Mordsache Georg Bell); MJu 17418 (Ministerium der Justiz, Überwachung der Presse; Abt. Sammlungen (AS), P 1493 (Sir Henri Deterding); AS, P 3134 (Paul Schulz); AS, P 3203 (Karl Mayr); AS, P 3428 (Walter Buch); AS, P 3653 (Ernst Röhm); AS P 3678 (Hermann Ehrhardt); AS, P 5174 (Rolf Reiner); AS, P 7447 (Georg Bell).

    Staatsarchiv München, Polizeidirektion (PD) München 6787 (Varia, u. a. Fall Johann Loedel, „Boxheimer Dokumente“); PD München 10020 (Akte Wilhelm Brückner); PDMünchen 10146 (Akte August Schneidhuber); PD München 10150 (Akte Franz Xaver Schwarz); PD München 11998 (Akte Karl Léon Graf Du Moulin Eckart); PD München 15513 (Akte Agnes Danzeisen).

    Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München, Gt 01.02 (Akten des Landgerichts Traunstein den Fememord der SA an Georg Bell betreffend); Sp 2/1 (Spruchkammerakten Karl Léon Graf Du Moulin Eckart); MA-734 (Akten des NSDAP-Hauptarchivs).

    Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg (Nachfolgeinstitution der Höheren Technischen Staatslehranstalt Nürnberg, Akten zu Georg Bell, sein Studium betreffend.

    Familien-Archiv-Sammlung Aschl, Rosenheim, Varia Georg Bell betreffend. Auszüge in der Sammlung Dornheim.

  • Literatur

    Hans-Günter Richardi/Klaus Schumann, Geheimakte Gerlich/Bell. Röhms Pläne für ein Reich ohne Hitler, 1993.

    Andreas Dornheim, Röhms Mann fürs Ausland. Politik und Ermordung des SA-Agenten Georg Bell, 1998.

    Andreas Dornheim, Nachrichtenhandel im Machtkampf – Röhms Mann fürs Ausland: Georg Bell, in: Fritz-Achim Baumann/Helmut Rannacher/Helmut Roewer (Hg.), In guter Verfassung. II. Erfurter Beiträge zum Verfassungsschutz, 1998, S. 11–25.

    Eleanor Hancock, Ernst Röhm. Hitler’s SA Chief of Staff, 2008.

  • Porträts

    Fotografie, ca. 1929, Stadtarchiv Rosenheim.

  • Autor/in

    Andreas Dornheim (Bamberg)

  • Zitierweise

    Dornheim, Andreas, „Bell, Georg“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119084791.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA