Lebensdaten
1789 – 1876
Geburtsort
Glückstadt
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Theologe ; Professor für systematische Theologie in Kiel und Berlin
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117439312 | OGND | VIAF: 25379997
Namensvarianten
  • Twesten, August Detlev Christian
  • Twesten, August Detlev
  • Twesten, August
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Twesten, August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117439312.html [28.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Twesten: August Detlev Christian T., gelehrter Theolog, geboren am 11. April 1789 in Glückstadt (Schleswig-Holstein) als Sohn eines dort garnisonirenden Unterofficiers. Er besuchte die Gelehrtenschule unter dem Rector Germar (spätern Hofprediger und Prinzenerzieher auf Augustenburg, am 8. Mai 1865, s. A. D. B. IX, 31). 1808 bezog er die Universität Kiel und hörte hier zunächst philologische und philosophische Vorlesungen bei den Professoren Heinrich und Reinhold, während die theologischen ihn nicht befriedigten, 1810 ging er nach Berlin, wo er seine philologischen und philosophischen Studien fortsetzte, schließlich aber von Schleiermacher ganz und gar für die Theologie gewonnen ward. Sein als Student geführtes ausführliches Tagebuch, sowie sein Briefwechsel mit Schleiermacher, der bis zu dessen Tode fortgeführt ward, ist jetzt von Heinrici veröffentlicht (A. Twesten, nach Tagebüchern und Briefen, Berlin 1889). Seine Lehrer waren hier F. A. Wolf, Heindorf ("ein wahrer Philolog"), Niebuhr, Fichte und besonders Schleiermacher. Wegen beschränkter Mittel nahm er 1813 eine Hauslehrerstelle an bei dem Physikus Dr. Schleiden in Hamburg, gab jedoch diese Stelle nach einem halben Jahre wieder auf, um auf privatem Wege seine Studien zum Abschluß zu bringen, nebenbei Privatunterricht in Hamburg-Altona ertheilend. Er promovirte nun rite in Kiel zum Dr. philos. Seine Diss. inaug. ist später gedruckt erschienen: „Comm. critica de Hesiodi carmine, quod inscribitur opera et dies“ 1815 mit einigen Zusätzen von Prof. Heinrich. Hierauf fand er noch 1813 Anstellung als Lehrer an dem Werder’schen Gymnasium in Berlin und im folgenden Jahre als Inspector am Joachimsthal’schen Gymnasium daselbst, aber noch im Laufe dieses Jahres, Mich. 1814 erhielt er den Ruf als prof. extraord. der Philosophie und Theologie an der heimischen Universität in Kiel, dem er mit Freuden Folge leistete. 1819 ward er ordentlicher Professor der Theologie und behielt dabei die außerordentliche Professur der Philosophie. 1826 erhielt er die theologische Doctorwürde von der Facultät in Bonn und der König ernannte ihn zum Ritter vom Danebrog. 1827 ward er Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften in Kopenhagen, 1833 ward er zugleich Aedil und Quästor der Universität. Nach dem Tode Schleiermacher's 1834 erging an ihn der Ruf als dessen Nachfolger in der Professur, den er jedoch, wie er vorher schon mit Berufungen nach Bonn und Göttingen gethan, erst ablehnte. Bei wiederholter Berufung ließ er sich jedoch bewegen, diesem Rufe zu folgen und Ostern 1835 siedelte er dann nach Berlin über. Man sah ihn damals ungern von Kiel scheiden, wo sein Einfluß ein höchst bedeutsamer war. In Berlin ward er 1841 auch Mitglied des Consistoriums der Provinz Brandenburg, 1852 des Kirchenraths und Oberconsistorialrath. Die Kieler Universität erneuerte ihm 1863 sein Diplom als Dr. philos. Am 13. November 1864 feierte er unter großer Betheiligung sein 60jähriges Professorjubiläum, und setzte seine akademische Thätigkeit, während er die anderen Aemter abgab, noch fort bis an sein Ende. Er starb am 8. Januar|1876. Er war Inhaber des rothen Adlerordens II. Cl. mit dem Stern. Am 11. April 1889 ist sein Centenarium in Berlin gefeiert worden.

    Die erste Wirksamkeit Twesten's war als Gymnasiallehrer und er hatte sich eine mehr als gewöhnliche philologische Bildung angeeignet, wovon seine oben genannte Dissertation schon Zeugniß ablegt, doch waren es die philosophischen und theologischen Studien, die ihm besonders zusagten und zu denen er vorzugsweise durch Schleiermacher angeregt worden war. Er bewahrte jedoch, Schleiermacher gegenüber, wie mächtig er sich auch von ihm angezogen fühlte, seine Selbständigkeit. 1817 schreibt er: „So gewiß ich glaube, daß nur auf seinem Wege eine Menge der durch Philosophie irre gewordenen zum Kirchenglauben wieder hingeführt und damit versöhnt werden können, — wie das nicht nur mir, sondern, nach seinem eigenen Geständniß, selbst Neander geschehen ist, so erkenne ich doch an, daß Schleiermacher nicht da steht, wo Luther stand und wo ich wünschte, daß der Kern der Theologen stünde.“ Als Professor in Kiel zog er die studirende Jugend in hohem Grade an sich. Seine Vorlesungen, lichtvoll, scharf und klar durchdacht, wurden alle stark besucht, seine Logik namentlich von Studenten aus allen Facultäten. Man kann mit Sicherheit sagen, daß die ganz entschiedene Mehrheit der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit, die von 1814 bis 1835 in Kiel studirte, Schüler Twesten's im vollen Sinne des Wortes gewesen sind. — Als T. nach Kiel kam, fand er hier einen Kreis von Männern vor, die ihm zusagen mußten. Dahlmann, Falck, Hegewisch, Pfaff etc., später kam noch Claus Harms dazu. Diese verbanden sich 1815 zur Herausgabe der Zeitschrift: „Kieler Blätter und Kieler Beiträge“, daran auch T. theilnahm, selbst als Mitredacteur. Von seinen Mitarbeiten nennen wir nur: „Bemerkungen über die Unterrichtsgegenstände in den Gelehrtenschulen unserer Herzogthümer“. 1816. S. 216. „Rede eines Geistlichen in einer Gesellschaft von Amtsbrüdern“ I, 125, anonym. Es sind hier im Kleinen schon die Zielpunkte seines Wirkens enthalten, die klar und bewußt von ihm durchs ganze Leben festgehalten worden sind. „Ueber Musik mit Bezug auf Apel's Choralmelodienbuch“ IV, 480 etc. Auch an dem von Falck herausgegebenen Staatsbürgerlichen Magazin betheiligte er sich mehrfach, z. B. „Stellung der Badeanstalt in Kiel zur Universität" II, 450 etc. — Insbesondere waren es jedoch seine Vorlesungen, auf die er einen außerordentlichen Fleiß verwandte, und der auch mit reichstem Erfolg gekrönt wurde. Es waren dies philosophische, namentlich über Logik, verbunden mit einem Examinatorium. Im Druck erschien seine „Logik, insbesondere die Analytik“, 1825, und später: „Grundriß der analytischen Logik“, 1834. Er äußert sich selbst darüber dahin, daß er sich in der Anordnung dem Herkömmlichen angeschlossen habe, gibt aber zu, daß selbige den Ansprüchen an eine eigenartige Wissenschafts- oder Erkenntnißlehre nicht genüge, glaubt aber doch keineswegs, daß sie deshalb ihre Gültigkeit oder Nützlichkeit für den Anfang des philosophischen Studiums verloren habe, noch weniger, daß eine Umbildung, wie sie von Einigen gefordert und versucht ist, eine wirkliche Vervollkommnung derselben sein werde. Er bezeichnet seine Darstellung ausdrücklich als analytische Logik. Außerdem las er mit ungetheiltem Beifall allgemeine und christliche Religionsphilosophie, sowie Pädagogik, in der er sich Herbart anschloß. Vorzüglich waren es jedoch seine theologischen Vorlesungen, die seine Zuhörer fesselten. Er las neutestamentliche Exegese, seine Einleitungen zu den einzelnen Büchern waren vortrefflich; Dogmatik und Sittenlehre. Mit welchem Fleiß er seine Vorlesungen ausarbeitete, davon zeugt, daß in seinem Nachlaß sich über zwanzig Bearbeitungen der Dogmatik vorfanden. — Von seinen Vorlesungen über Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche erschien 1826 der erste Band, 1878 in 4. Auflage gedruckt. Des zweiten Bandes 1. Abtheilung folgte erst 1837,|A. Neander dedicirt. Obgleich der Verfasser in der Vorrede schrieb: „Hoffentlich werde ich im Stande sein, die 2. und 3. Abtheilung in nicht zu langem Zeitraum folgen zu lassen", ist doch leider! diese Fortsetzung nicht erschienen. Der Verfasser genügte sich selber nie. Es hat Jemand über dieses Werk geurtheilt; „Vollendet, obwol es ein Torso geblieben!" Ueber diese seine Arbeit sprach sich der Verfasser also aus: „Der Rationalismus, wenn auch von Vielen schwach befunden, wo es das Aufbauen gilt, ist doch als Gegner zu stark, um durch andere als gleiche Waffen bekämpft werden zu können; die bloße πίστις will uns in unserm dermaligen Zustande, mit seinen Vorzügen oder Gebrechen, kein Genüge leisten, wir bedürfen der γνωσις — der wahren gegen die falsche — und im Christenthum ist Nichts, warum wir dies Bedürfniß verleugnen sollten“. Zur Regeneration der Theologie wünscht er ein Scherflein beizusteuern. Es gibt zweierlei, worin sich Theologen, auch verschiedener Ansichten, begegnen sollten. Einmal das Interesse für wissenschaftliche Schärfe, Tiefe, Gründlichkeit und dann die Geschichte, richtige Auffassung des kirchlichen Lehrbegriffs und wissenschaftliche Ergründung und Aneignung des in ihm Wesentlichen und dauernd Gültigen. Er sagt ferner: „Befremden wird es vielleicht Manchen, mich so geflissentlich mit der Entwicklung und Bestimmung von Begriffen und Formeln beschäftigt zu sehen, die man gewöhnlich als veraltet und scholastisch bei Seite schiebt. — Was die Principien betrifft, von denen ich ausgehe, so beruht die Glaubenslehre 1) auf der Grundvoraussetzung der Wahrheit des evangelischen Supranaturalismus. Ich kann für die christliche Theologie keinen höheren Standpunkt anerkennen, als den der Apostel, die es lieber mit der göttlichen Thorheit hielten, als mit der menschlichen Weisheit (1. Cor. 1, 21. 25), und obgleich Niemand ist, der nicht lieber im Schauen wandelte als im Glauben, der nicht die Wahrheit lieber selbst erkennen, als sie auf Zeugniß der Autorität annehmen wollte, obgleich auch ich für das höchste Ziel des Theologen halte das, was sich wissen läßt, auch wirklich zu wissen, und jedem dankbar bin, der mich an diesem Wege fördert, so kann und will ich mir doch über den Erfolg keine Illusion machen, kann nicht den Willen für die That, nicht das Versprechen für die Erfüllung nehmen, kann meine Ueberzeugung in den höchsten Dingen, durch die sich, wo in irdischen Dingen des gewöhnlichen Lebens etwas zu wagen oder zu opfern wäre, Niemand bestimmen lassen würde; ich habe daher kein Hehl, daß es wichtige Dogmen gibt, die mir bei allen vielgerühmten Versuchen, sie aus Vernunftgründen als wahr und nothwendig darzuthun, durchaus problematisch bleiben würden, wenn ich das Wort der Schrift nicht wollte als entscheidend gelten lassen. 2) Will diese Glaubenslehre sein, was sie sich nennt: eine Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, — weil ich der Meinung bin, daß es im wesentlichen ein seiner Idee entsprechendes, auf biblischem Grunde fest und folgerecht aufgeführtes Lehrgebäude sei und weil ich wünsche, durch lebendige Reproduction desselben aus dem ihm zum Grunde liegenden Bewußtsein zum vollen und klaren Verständniß der Nothwendigkeit und Bedeutung auch seiner einzelnen Lehrbestimmungen zu führen. Daß ich diese nicht deshalb für richtig halte, weil sie in der Kirche recipirt sind, daß ich die Kirchenlehre nicht als abgeschlossen und unverbesserlich ansehe, daß ich gewisse Einseitigkeiten nicht verkenne, wird meine Darstellung selber zeigen. 3) Endlich wünscht sie auch zu dem, was man als das am meisten empfundene Bedürfniß und als den eigenthümlichen Beruf unserer Zeit in der Bearbeitung der Glaubenslehre bezeichnen kann, etwas beizutragen, nämlich zur philosophischen Durchbildung derselben; dies Wort in dem allgemeinsten Sinne genommen, ohne sie dadurch von einem philosophischen System abhängig machen oder über das Verhältniß zu einem solchen etwas festsetzen zu wollen.“ — Ueber sein Verhältniß zu Schleiermacher|insbesondere äußert er sich, daß er dessen Grundansicht für wahr halte und theile, daß er jedoch dessenungeachtet in mehreren Lehrstücken zu anderen Resultaten gekommen und diese theilweise selbst bestreiten müsse. Es beruhe das darauf, daß er das Verhältniß des Erkennens zum religiösen Bewußtsein nicht ganz, wie Schleiermacher, bestimme, sondern demselben mehr einräume. Dieses führe nothwendig zur Verschiedenheit der dogmatischen Ansicht. Dahin gehöre auch, daß er theils über das Verhältniß der Glaubenslehre zu den Ansprüchen der heiligen Schrift, theils über manche philosophische Begriffe und Lehrsätze, z. B. über die Freiheit, anders denke, sowie daß Schleiermacher's Verhältniß zur Kirchenlehre nicht das seinige sei. Was das Verhältniß zur Philosophie überhaupt angeht, so sei er mit Schleiermacher einverstanden, daß sie es nicht ist, wodurch die religiöse Ueberzeugung des christlichen Theologen begründet und bestimmt werden soll und daß in dem Maaße als eine Frage rein speculativer Art ist, sie die Dogmatik eigentlich nicht angeht. Daß aber dennoch die philosophischen Ansichten nicht ohne Einfluß auf die Glaubenslehre bleiben können, sei ihm klar. Man kann von theologischen Gegenständen weder denken noch reden, ohne sich philosophischer Kategorien zu bedienen. So ist die Bedeutung, welche man diesen beilegt, das Verhältniß, welches man unter diesen annimmt für Sinn und Ausdruck theologischer Lehrsätze von unleugbarer Wichtigkeit. Ist es ganz besonders Sache der Philosophie uns über Grund, Bedeutung und Anwendung dieser Kategorien aufzuklären, so leuchtet ein, sowol, daß man ohne Philosophie auch die Aufgabe der Dogmatik nicht befriedigend wird lösen können, als auch, daß die Art, wie man sie löst, zum Theil durch die philosophischen Ansichten, denen man huldigt, bedingt sein wird. — 1841 gab er Schleiermacher's Grundriß der philosophischen Ethik heraus. In der ausführlichen Einleitung (102 Seiten) gibt er eine vollendet klare und durchsichtige Darstellung der Wissenschaftlichen Arbeit Schleiermacher's. 1869 hielt er — und wer wäre dazu näher berechtigt gewesen — bei der Berliner Universitätsfeier des hundertjährigen Geburtstages Schleiermacher's die Festrede, die ein schönes Denkmal seiner Pietät gegen den unvergeßlichen Lehrer und Freund bietet. — In Kiel hatte er in enger Freundschaft mit Klaus Harms gelebt. Es war zum Sprüchwort geworden: „T. bekehrt seine Zuhörer und Harms tauft sie dann.“

    Von seiner Schriftstellerei, die ja nicht gerade sehr umfassend, — er wiederholte oft, daß Schriftstellerei eigentlich nicht seine Sache sei — erwähnen wir doch noch: „Die drei ökumenischen Symbole, die Augsburger Confession und die repetitio conf. Augsb.“ (1816, 3. Aufl. 1860). Mit Harms „Die ungeänderte Augsburger Confession, so wie sie 1530 übergeben worden. Deutsch und Lateinisch“ (1819). „Nachricht von dem zu Gettysburg in Pennsylvanien zu errichtenden theologischen Seminar“ (1826), wofür er sich interessirte. — „Matthias Flacius Illyricus, eine Vorlesung mit Anlage von H. Rossel“ (1844). Eine kleine gehaltvolle Schrift, die geschichtliche Ehrenrettung eines von der Parteien Haß und Gunst verschieden gefärbten Charakters, der trotz offenkundiger Fehler doch des Verfassers Achtung gewonnen. „Leonardi Hutteri compendium locorum theol. Addita sunt excerpta ex J. Wallebii et B. Picteti compendiis“ (1855). Durch die Herausgabe dieses classischen Grundrisses der lutherischen Bekenntnißdogmatik und durch die Beigabe der ursprünglichen Fassungen der reformirten Sonderlehren wollte T. zu einer sachlichen und billigen Schätzung ihres bleibenden Werthes beitragen. — In Kiel hatte T. ein exegetisches Seminar eingerichtet, das nach seinem Weggang zunächst von Pelt fortgeführt wurde. In Berlin that er desgleichen und hat dasselbe dort bis an sein letztes Ende mit besonderem Interesse fortgesetzt. — An der Berliner Generalsynode 1846|hat er lebhaft theil genommen und bei den Verhandlungen derselben sich bestimmt ausgesprochen über sein Verhältniß zu den Bekenntnißschriften der Kirche. Diese classischen Urkunden der Reformation sollen nicht wie ein Gesetzbuch für richterliche Gewalten gelten. Sie sollen gelten in dem Geiste, in welchem sie gelten wollen (1. Corinth. 30, 10—15, Art. Smal. 305). „Ich habe Vertrauen genng zu der inneren Kraft unserer Bekenntnißschriften, um zu glauben, daß sie sich durch sich selbst geltend machen werden, wenn sie nur nicht durch eine neue Bekenntnißformel in den Hintergrund gedrängt werden. In ihren herrlichen Bekenntnißschriften hat die evangelische Kirche ihren Reichthum, d. i. eine Quelle beständiger Kraft und Tüchtigkeit, davon das Herz warm wird, dafür man leben und sterben kann. Nur durch kirchliche Vereinigung wird man ermitteln, ob die Lehrverschiedenheiten der Theologie oder dem Glauben, der Schule oder dem Gemeindeleben angehören.“ In der 1. Auflage von Herzog's theologischer Realencyklopädie ist von T. der Artikel „Union“ bearbeitet (Bd. XVI, S. 659, in der 2. Auflage dagegen von Hauck). Er erörtert hier das Wesen und die Bedingungen derselben. „Sie setzt allerdings kirchliche Gegensätze voraus, aber eben derartige, die weder zum Schisma, noch zur Häresie führen. Das Ziel aller Unionsbestrebungen muß die Vereinigung aller an einem Orte lebender Gläubigen zu gemeinschaftlicher Erbauung sein. Es muß aber zugleich ein Unterschied gemacht werden zwischen dem, was zur Erbauung der Gemeinde dient und dem, was Sache der Schule ist.“

    T. war ein Mann aus einem Guß und von bewundernswürdiger Vielseitigkeit. Seine Anforderung an sich war die größte, deshalb hielten ihn die nächsten Pflichten fest, seine Ueberzeugungen waren an sich stark und unbeugsam. Allerwege trug und hob ihn das mächtigste Gottvertrauen.“ — „Als Lehrer hat er durch Klarheit und Sicherheit der Methode, durch selten ausgebreitete und umsichtig ausgebeutete Gelehrsamkeit, durch sorgsam abwägende Billigkeit des Urtheils und ungeblendete Wahrheitsliebe, unermüdlich thätig, nachhaltige Wirksamkeit geübt.“ — Als Mitglied des Kirchenregiments arbeitete er in gerechter Milde und in bewußter Ablehnung jeder Verkümmerung der reformatorischen Grundsätze für den Aufbau der einen und großen evangelischen Kirche. Seine häuslichen Verhältnisse waren sehr glückliche; sein Haus in Berlin war der Mittelpunkt eines großen Freundeskreises der „den Jahresringen des Baumes vergleichbar, sich erneute und verjüngte“. Ein schwerer Schlag war es, als der einzige Sohn, der bekannte Karl T., am 14. October 1870 eines frühen Todes starb (s. u.). Doch ertrug T. auch dieses Schicksal in christlicher Gottergebenheit und dankte seinem Gott für das, was er an diesem Sohne gehabt.

    • Literatur

      Lübker-Schröder, S.-H. Schriftstellerlex. II, 634. — Alberti, S.-H. Schriftstellerlex. II, 490 und Forts. II, 330. —
      Brockhaus' Conversationslex. der neuesten Zeit, 1834, IV, 675; dito der Gegenwart 1841, IV, 2, 138. —
      Carstens, Geschichte der Kieler theol. Facultät, S. 74. Kl. 1875. —
      Heinrici in Herzog's theol. Realencyklopädie, 2. Auflage. Bd. XVI, S. 97. —
      G. Heinrici, D. Aug. Twesten nach Tagebüchern u. Briefen. Berlin 1889. — Kleinert's u. Curtius' Worte der Erinnerung an Dr. A. T. Marburg 1889.

  • Autor/in

    Carstens.
  • Zitierweise

    Carstens, Carsten Erich, "Twesten, August" in: Allgemeine Deutsche Biographie 39 (1895), S. 30-34 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117439312.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA