Lebensdaten
vor 1530 – 1573
Geburtsort
Prag
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
brandenburgischer Hoffaktor und Münzmeister
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 13708384X | OGND | VIAF: 232241757
Namensvarianten
  • Lipman ben Juda (eigentlich)
  • Lipman
  • Lippold
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Zitierweise

Lippold, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd13708384X.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Judel Hluchim, Kaufm. in P.;
    M N. N.;
    B Pinkas, Isaac, Avigdor, Kaufleute;
    N. N.;
    K, u. a. Johanka ( 1572 Markus Meysl, 1528–1601, habsburg. Hofbankier u. Vorsteher d. Prager Juden), erscheint 1612/13 als braunschweig. Hofjüdin.

  • Biographie

    Unter Kf. Joachim I. waren die Juden 1510 aus der Mark Brandenburg ausgewiesen worden. Drei Jahrzehnte später wurden sie unter der Bedingung, Silber zur Erhaltung der Münze zu liefern, wieder aufgenommen. Der Handel mit Luxuswaren, mit Edelmetallen und Seide gelangte in der Folgezeit weitgehend in ihre Hände. Michael ( 1549) aus Derenburg b. Halberstadt – der „reiche Michel“ – kehrte um 1543 als einer der ersten Juden zurück; er wurde der erste jüd. Hoffaktor Joachims II., ohne sich jedoch mit dessen christlichen Geldgebern messen zu können. – Nach dem Tod Michaels übernahm L., der um 1550 aus Prag in die Mark Brandenburg gekommen war, dessen Vertrauensstellung beim Kurfürsten. Dieser bestimmte ihn 1556 zum Schatullenverwalter und zum Oberältesten aller märk. Juden. L. hatte darauf zu achten, daß weder von Christen noch von Juden Juwelen und Edelmetall aus dem Lande gebracht wurden. Er bestimmte und kontrollierte die von den Juden jährlich an die Münze zu liefernde Menge Silber. Nach den Anweisungen des Kurfürsten verfügte er über die von den Juden an Tribut und Strafen vereinnahmten Gelder, worüber er Buch führte. Auf Grund des Dekrets von 1564 über die Neuaufnahme von Juden wurden dem|Landesherrn weitere Einnahmequellen erschlossen. L. sorgte mit diesen Geldern für die Finanzierung der alchimistischen Liebhabereien und der Amouren Joachims II. 1565 wurde er auch Verwalter der kurfürstl. Münze, wofür er wöchentlich ein Gehalt von fünf Talern bezog. In den folgenden sechs Jahren münzte L. 37 581 Gulden, außerdem Groschen und Pfennige, alle gekennzeichnet mit dem Davidstern. Zu seinen Aufgaben gehörten außerdem die Einlösung fremder Geldsorten gegen einheimische und die Verrechnung der Wertdifferenz zugunsten des Kurfürsten. – L. betrieb auch einen regen Handel mit zahlreichen Adeligen und Bürgern. Zuletzt war mehr oder weniger der ganze Hofstaat bei ihm verschuldet. Nach seiner Verhaftung 1571 wurden bei ihm Pfänder im Wert von über 11 131 Talern vorgefunden. L. selbst borgte bei anderen hohe Summen, die er nicht mehr oder nur widerwillig zurückbezahlte. Lieh er Geld aus, forderte er bis zu 54 % Zinsen. Sowohl bei seinen Privatgeschäften wie bei Ausübung seiner amtlichen Funktionen stellte er seine Tüchtigkeit und seinen Geschäftssinn unter Beweis, freilich auch eine gewisse Skrupellosigkeit. 1567 ließ er auf Grund einer vom Kurfürsten erteilten Vollmacht bei 18 Berliner Bürgern gewaltsam eindringen und das vorgefundene Silber und Gold wegnehmen. Vier zahlungssäumige Juden ließ er verhaften und einsperren. Klagen über das Vorgehen L.s fanden jedoch beim Kurfürsten kein Gehör. – In der Nacht auf den 3. Jan. 1571 starb Joachim II. Der neue Kf. Johann Georg und vor allem der Kanzler Distelmeier ergriffen die Gelegenheit, gegen die Günstlinge Joachims II., der einen riesigen Schuldenberg hinterlassen hatte, vorzugehen. L. wurde sofort verhaftet und beschuldigt, seinen Gönner betrogen, verzaubert und vergiftet zu haben. Tatsächlich hatte er dem Kurfürsten am Abend des 2. Januar einen Becher Wein gereicht. In seinem Besitz soll sich auch ein in hebräischer Sprache verfaßtes Zauberbuch befunden haben. Nachdem man L. dennoch keine Schuld nachweisen konnte, erzwang man von ihm im Jan. 1573 auf der Folter ein Schuldbekenntnis, auf Grund dessen er auf dem Marktplatz zu Berlin öffentlich hingerichtet wurde. Sein Leichnam wurde gevierteilt, sein Haupt an das Georgentor gehängt. – L.s Frau ging nach Wien und veranlaßte durch ein Bittgesuch vom Febr. 1574 den Kaiser, sich bei Kf. Johann Georg für die Herausgabe der Hinterlassenschaft ihres Mannes einzusetzen. Johann Georg zeigte sich indes unerbittlich, was nicht nur die Familie des Hoffaktors, sondern alle Juden der Mark zu spüren bekamen: Gegen sie erging ein allgemeiner Ausweisungsbefehl. Sie durften erst unter dem Großen Kurfürsten in die Mark Brandenburg zurückkehren; dessen Hoffaktor Israel Aaron ( 1673) wurde zum Wiederbegründer der jüd. Gemeinde Berlins.

  • Literatur

    ADB 18;
    A. Ackermann, Münzmeister L., in: Jb. d. Jüd. Lit.ges. VII, 1910;
    L. Davidsohn, Btrr. z. Sozial- u. Wirtsch.gesch. d. Berliner Juden, 1920;
    S. Stern, Der preuß. Staat u. d. Juden I, 1925;
    W. Heise, Die Juden d. Mark Brandenburg b. z. J. 1571, 1932;
    H. Rachel, Berliner Wirtsch.-leben im Za. d. Frühkapitalismus, 1934;
    H. Rachel, J. Papritz, P. Wallich, Berliner Großkaufleute u. Kapitalisten I, 1934;
    H. Schnee, Die Hoffinanz u. d. moderne Staat I, 1953;
    Enc. Jud. X, 1934 (P);
    Enc. Jud. XI, 1971. - Dramat. Bearb. (anonym):
    L., der Hofjude, 1884.

  • Autor/in

    Franz Menges
  • Zitierweise

    Menges, Franz, "Lippold" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 667-668 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd13708384X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lippold: L., Münzmeister des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, stammt aus Prag, wo sein Vater Judel Hluchim und sein Bruder Pinkas um 1558 gelebt haben. L. scheint um 1550 nach der Mark gekommen und ein geschickter Mann gewesen zu sein; jedenfalls machte er sich dem Kurfürsten in dessen zahlreichen Geldverlegenheiten nützlich und wurde am 24. Januar 1556 mittelst feierlicher Urkunde zum Aufseher über die Münze und über die übrigen zur Lieferung von Silber an die kurfürstliche Münze verpflichteten Juden ernannt. Am 25. Juli 1564 wird ihm und den übrigen Berliner Juden aufs Neue ein Geleitsbrief ausgestellt. Durch wucherische Geschäfte und Mißbrauch seines Einflusses machte er sich in der Residenz verhaßt und so war es leicht, bei dem plötzlichen Tode des Kurfürsten (3. Januar 1571) L. der Zauberei und der Vergiftung des Kurfürsten anzuklagen. Er wurde gefangen gesetzt und erfolglos verhört, seine Bücher und Papiere ergaben keine erschwerenden Umstände, die Vernehmungen über die angebliche Zauberei, die Untersuchung der vermeintlichen Zauberbücher hatten keinen Erfolg, eine Vergiftung seines Herrn konnte nicht konstatirt werden. Dennoch blieb er über 2 Jahre hindurch gefangen und erst am 16. Januar 1573 begann die Schlußverhandlung. Da er nichts bekannt hatte und seine Schuld durch nichts erwiesen war, griff man zu energischen Mitteln, man führte ihn vor den Scharfrichter, der sich anschickte ihn zu foltern. Diesem gegenüber, den er bittet ihn nicht zu torquiren, sagt er von Angst vor der Folter getrieben, auf ausdrückliches Befragen, daß er seit 15 bis 16 Jahren ein Zauberbuch besitze, und beschreibt dann auf 30 Fragen in ebenso vielen Antworten die Zaubereien. Die 34. Frage nach dem Tode des Kurfürsten beantwortet er durch eine Schilderung der vorgenommenen Vergiftung, beschreibt den Gisttrunk und giebt als Grund dafür an, daß eine Untersuchung nach einer abhanden gekommenen schweren goldenen Kette, die er dem Kurfürsten gestohlen habe, ihm unbequem gewesen sei. Um dieses erzwungene Geständniß festzuhalten, wurde nun L. „mit meßiger Scherffe angrieffen und hat auf alle Punkte verharret“. Am Tage darauf ist er ebenfalls bei seinen Aussagen verblieben, aber am 28. Januar hat er feierlich alles zurückgenommen. Doch nun half es ihm nichts mehr, er wurde scharf gefoltert, „daß ihm das Blut zum Halse ausgeloffen“, bekannte darauf sogleich wieder alles was man wollte und wurde noch an dem nämlichen Tage in grausamster Weise auf dem neuen Markte zu Berlin hingerichtet, sein Leichnam wurde geschändet und zerstückelt, der Kopf auf das Georgenthor gepflanzt. Die Akten ergeben nicht den geringsten Anhalt für seine Schuld. Dennoch mußten seine Glaubensgenossen mit büßen: Alle Juden wurden aus der Mark Vertrieben; und als der Kaiser Maximilian durch ein Schreiben vom 10. Febr. 1574 sich beim Kurfürsten Johann Georg für die Wittwe und Kinder Lippold's verwendet, lehnt der Kurfürst jede Fürsprache für die Familie des Zauberers und Mörders seines Vaters entschieden ab.

    • Literatur

      Nach den Akten des Geheimen Staats- und Geheimen Hausarchivs.

  • Autor/in

    E. Friedlaender.
  • Zitierweise

    Friedlaender, E., "Lippold" in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 737 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd13708384X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA