Lebensdaten
1601 – 1680
Geburtsort
Sehnde-Rethmar
Sterbeort
Helmstedt
Beruf/Funktion
Philologe ; Rhetoriker ; Professor in Helmstedt
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119434547 | OGND | VIAF: 89616301
Namensvarianten
  • Schrader, Christoph
  • Schrader, Chr.
  • Schrader, Christ.
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Orte

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Zitierweise

Schrader, Christoph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119434547.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Schrader: Christoph S. wurde am 29. Sept. 1601 zu Rethmar geboren, wo sein Vater Johann S. ( um Anfang Juli 1638) 52 Jahre lang treu des Pfarramtes waltete. Seine Mutter Helene, eine Tochter des Pastors Jacob Rölich in Peine, verlor er schon in früher Jugend ( am 12. Mai 1607). Nachdem er den ersten Unterricht von seinem Vater erhalten hatte, wurde er im Herbst 1610 mit seinem älteren Bruder Heinrich auf die Schule zu Celle geschickt, die sie im J. 1618 mit der zu Hannover vertauschten. Am 16. October 1621 bezog er die Universität Helmstedt. Auffallenderweise sind nicht in diesent Jahre, sondern schon am 6. April 1616 Heinrich und Christoph S. aus Rethmar hier|immatriculirt worden. Daß sie vorübergehend 1616 in Helmstedt gewesen sind, ist möglich. Jedenfalls beginnt Christoph Schrader's Studienzeit hier erst später, da er am 24. Juli 1635 selbst schreibt, es sei im 14. Jahre, seit ihn sein Vater zuerst nach Helmstedt geschickt habe. Er wohnte hier anfangs bei dem Professor Berkelmann, dann im Hause des berühmten Theologen Georg Calixt, zu dessen tüchtigsten und begeistertsten Schülern er bald gehörte. Unter den Philosophen hörte er insbesondere bei Konrad Hornejus, Diephold und bei Heidmann, der ihn in das Studium der Philologie einführte. Durch Calixt bekam er wohl schon im J. 1622 das Overbek’sche Stipendium, das ihn in den Stand setzte, 9 Jahre lang sorgenfrei seinen Studien zu leben. Als im J. 1625 Krieg und Pest fast die ganze Hochschule auseinander jagten, folgte er einem Rufe Matthias van Overbek's nach Leiden, wo er am 23. October 1625 immatriculirt wurde und bei Daniel Heinsius, Gerh. Joh. Vossius seine Studien fortsetzte, vorzüglich auch bei Constantin l'Empereur, Wilh. Codde und zwei gelehrten Juden, David de Havo und David Haccohen de Lara, sich im Hebräischen vervollkommnete. Einige Monate weilte er mit Overbek in Hamburg. Nachdem er bereits einige Zeit Prinz Roderich von Württemberg, den Sohn Herzog Julius Friedrich's, im Lateinischen und in der Theologie unterrichtet hatte, verzichtete er 1631 auf das Overbek’sche Stipendium und trat ganz in den Dienst des Prinzen, den er nach dem Haag begleitete. Doch einen Nuf, als Hofprediger nach Stuttgart zu kommen, lehnte er entschieden ab. Das Schwabenland, die dort herrschende theologische Richtung, der Hofdienst hatten keine Anziehungskraft für ihn. Er meinte: Lieber der unterste Diakon in Helmstedt, als der oberste Hofprediger in Stuttgart. So kehrte er denn, nachdem er 6 Wochen noch in Wittenberg verweilt hatte, am 14. Juli 1632 nach seinem geliebten Helmstedt zurück. Zwar wurde er bald nachher nochmals von dort durch kriegerische Ereignisse verscheucht; er ging nach Celle, um dann aber im März 1633 zu bleibendem Aufenthalte nach Helmstedt zurückzukehren. Er wohnte wieder im Hause Calixt's, versah bei einigen Adligen die Stelle eines Hofmeisters und eröffnete mit großem Erfolge Privatvorlesungen, in denen er sogleich im Anfang 58 Zuhörer um sich versammelte. Am 24. Juli 1635 bat er um eine Anstellung an der Hochschule, da er sonst im Herbst zu seinem Vater zurückkehren müsse. Wenige Tage darauf wurde er von Seiten der Universität, die mit ihm eine tüchtige Kraft zu verlieren fürchtete, für den gerade freien Lehrstuhl der Beredsamkeit vorgeschlagen mit dem Bemerken, daß er dereinst in höheren Dingen, im Kirchenamte, wichtige Dienste werde leisten können. Das Gesuch ward bewilligt und am 22. October 1635 wurde S. als professor eloquentiae in die philosophische Facultät eingeführt, in der er am 4. Februar 1636 zum Magister promovirt wurde. Diese Stellung, neben der ihm unterm 18. April 1640 auch das Amt eines Bibliothekars übertragen wurde, hat er 45 Jahre lang bis zu seinem Tode unausgesetzt inne gehabt. Eine Versetzung in die theologische Facultät, die ihm nach Hornejus' Tode 1649 angeboten wurde, lehnte er ebenso ab, wie die Berufungen als Hofprediger nach Hannover oder als Stadtsuperintendent nach Braunschweig zu kommen. Er fühlte sich in seiner Thätigkeit voll befriedigt. Mochten ihm auch früher andere Pläne vorgeschwebt haben, so erfüllte ihn jetzt eine gewisse humanistische Scheu vor den Theologen; er fühlte sich sicherer und freier bei dem Studium der Alten, und die ihnen gewidmete Lehrthätigkeit zog er jeder anderen vor. Die Entwicklung der theologischen Wissenschaft, die zunehmende Verbitterung der Polemik werden nicht minder wie persönliche Erlebnisse ihn in dieser Gesinnung bestärkt haben. Als er aus den Niederlanden zurückkam, neigte er zu arminianischen Lehren. Vergebens suchte er in Wittenberg bei seinem Schulfreunde Hülsemann u. a. Belehrung; sie|nahmen seine Bedenken, ohne darauf einzugehen, zu Protokoll; erst Hornejus und Calixt in Helmstedt wußten durch ruhige Erörterung ihm dieselben zu zerstreuen. Als dann später Hülsemann jene Mittheilungen Schrader's zu niedrigen Verdächtigungen gegen Calixt benutzte, schrieb S. das Programm „De gratuita per fidem iustificatione“, in welchem er zur Vertheidigung seines Lehrers den Sachverhalt klar vorlegte. S. ist ein würdiger Vertreter des alten Humanismus, der seit Caselius, wie sonst nirgends, in Helmstedt heimisch war und Calixt's Theologie innig durchdrang. Der lateinischen Rede wie wenige seiner Zeit mächtig, ging er in seiner Lehre auf die Quellen zurück, und hat sich um die humane Bildung der studentischen Jugend die größesten Verdienste erworben. Seiner Anweisung zur Beredsamkeit legte er den Aristoteles zu Grunde, dessen Rhetorik er dreimal (Helmst. 1648, 1661, 1672) griechisch und lateinisch herausgab und mit einem Commentare erläuterte (Helmstedt 1674). Mit der Theorie verband er auch praktische Uebungen im lateinischen wie im deutschen Stile. Er war ein sehr beliebter Lehrer. Als er Ende der fünfziger Jahre auf Wunsch ein Privatcolleg über das Hebräische ankündigte, konnte nur das Juleum die heranströmenden Hörer fassen. Am längsten in Gebrauch blieben von seinen Lehrbüchern seine chronologischen Tafeln, die von G. Th. Meier, Kaspar Cörber u. A. fortgesetzt, von Harenberg noch im J. 1765 neu herausgegeben wurden. Es war gewiß eine glückliche Wahl, daß einem solchen Manne von dem Herzoge August, der Bildung und Lehre wie wenige Fürsten seiner Zeit zu schätzen wußte, das gesammte Schulwesen des Landes unterstellt wurde. Am 28. September 1648 erhielt er das neugeschaffene Amt eines Generalschulinspectors des Fürstenthums Wolfenbüttel, das dann 1655 auch über die Dannenbergschen und Blankenburgschen Schulen ausgedehnt wurde. In dieser Stellung mußte er alljährlich die sogen. großen Schulen während eines Examens visitiren, auf seinen Reisen aber auch die kleinen Schulen besuchen, etwaige Mißstände mit Hülfe der Ortsbehörden abstellen und über Alles an den Herzog berichten. Er erhielt weitgehende Befugnisse bei der Anstellung der Lehrer, konnte nach Ausfall des Examens die Schüler von dem Besuche der Universität ausschließen und übte auch auf derselben über die Landeskinder eine gewisse Aufsicht aus. Ganz besonders waren seiner Fürsorge noch die Inhaber des Veltheim’schen Stipendiums und seit 1660 die Hannoverschen Stipendiaten empfohlen. Bei dieser einflußreichen Stellung, die er zum Segen des Landes lange Jahre mit großem Eifer und bestem Erfolge ausfüllte, wird ihm wohl mit Recht auch ein großer Antheil an der Abfassung der bekannten Schulordnung vom 24. Februar 1651 zugeschrieben, die für die Entwicklung des braunschweigischen Unterrichtswesens und darüber hinaus von der größten Bedeutung gewesen ist, und dies um so mehr, da dieselbe noch keinen Einfluß der pädagogischen Reformer zeigt, vielmehr im Sinne Calixt's und Schrader's abgefaßt „eine der reinsten und edelsten Blüthen, welche der Humanismus, wie er von Melanchthon in die lutherischen Länder verpflanzt und seit dem Ende des 16. Jahrhunderts besonders in Helmstedt gepflegt wurde, noch kurz vor seinem Erlöschen getrieben hat“ (Koldewey). Eine Anerkennung seiner Verdienste wurde ihm durch die Verleihung der Propstei Marienberg zu Theil, in die er am 19. Februar 1653 eingeführt wurde. Unter seinen Collegen erfreute er sich allgemeiner Beliebtheit; von seinem Charakter wissen Alle nur Rühmenswerthes zu melden. Wiederholt gab S. bei feierlichen Gelegenheiten in inhaltreichen und formgewandten Reden der allgemeinen Empfindung beredten Ausdruck. So 1649 bei dem Tode Konrad Hornejus', am 14. September 1656 in einer Gedächtnißrede auf den innig verehrten Lehrer Georg Calixt, und als die Universität Helmstedt im J. 1676 das erste Jahrhundert ihres Bestehens feierte, da hielt er die Festrede, der Niemand die Last seines 75jährigen Alters|anmerkt. Erst einige Jahre darauf zeigten sich dessen Spuren; 1678 trat bei ihm Lähmung einiger Glieder ein, von der er sich nie ganz wieder erholte, und am 24. April 1680 ist er verschieden. Prof. A. Fröling hielt ihm die Leichenrede, die Herzöge Rudolf August und Anton Ulrich ließen sich durch besondere Gesandtschaften bei dem Begräbniß vertreten. Der Decan Melchior Schmid, der ihm auch im Juleum am 21. Mai eine lateinische Gedächtnißrede hielt, hat im Buche der philosophischen Facultät der Nachricht von seinem Tode die bezeichnenden Worte hinzugefügt: vir ut insigni eruditione praestans, industria utilis, moribus commodus, ita omnibus gratus atque acceptus, collegis suis longe charissimus. — Verheirathet war S. seit dem 25. April 1637 mit Margarethe Stisser, der einzigen Tochter des Helmstedter Hebraisten Ernst Stisser, der sie ihm auf dem Todtenbette versprochen hatte. Sie gebar ihm neun Söhne und vier Töchter, von denen bei seinem Tode noch acht Söhne und zwei Töchter nebst 24 Großkindern lebten; sie selbst starb in Helmstedt am 13. Febr. 1685. Alle Kinder haben der Erziehungskunst des Vaters Ehre gemacht und sich achtungswerthe Stellungen im Leben errungen. Sein Sohn Friedrich, geboren in Helmstedt am 30. Juli 1657, war Stadtphysicus in Göttingen, wurde dann in seiner Vaterstadt am 30. December 1682 Professor der Medicin, am 6. Juli 1683 auch der Physik und ist als solcher und als herzoglicher Leibarzt am 22. August 1704 gestorben. Zwei andere Söhne, Christoph und Kilian, beide kurfürstlich braunschweigisch-lüneburgische Hofräthe und jener bevollmächtigter Minister am Regensburger Reichstage, wurden durch kaiserliches Diplom vom 19. Mai 1708 in den Adelstand erhoben.

    • Literatur

      Vergl. Personalien hinter Fröling's Leichenpredigt (Helmstedt 1680). — Melchior Schmid's Oratio in obitum (Helmest. 1680).
      Bruns, Verdienste der Prof. zu Helmst. (Halle und Berlin 1810), S. 54 ff. —
      Henke, Georg Calixtus und seine Zeit (Halle 1853—1860). —
      Koldewey, Braunschw. Schulordnungen I; II (Berlin 1886—1890). —
      Ders., Schulgesetzgebung des Herzogs August d. J. (Braunschw. 1887). — Herzogl. Landeshauptarchiv in Wolfenbüttel.

  • Autor/in

    P. Zimmermann.
  • Zitierweise

    Zimmermann, Paul, "Schrader, Christoph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 32 (1891), S. 422-425 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119434547.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA