Lebensdaten
um 1120 – 1170 oder 1177
Beruf/Funktion
Geschichtsschreiber ; Propst von St. Veit in Freising
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118787691 | OGND | VIAF: 94096045
Namensvarianten
  • Rahewin von Freising
  • Radevikus
  • Radewin
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Rahewin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118787691.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Freisinger Ministerialenfam.

  • Biographie

    R., der vermutlich die Freisinger Domschule besucht hat, ist seit 1144 als Notar und Kapellan Bf. Ottos I. von Freising nachzuweisen, dem er auch als Privatsekretär diente. Ihn begleitete er auf seiner Reise nach Frankreich, wo Otto am 22.9.1158 in Morimond starb, und hielt sich dann einige Monate am Hof Ks. Friedrichs I. in der Lombardei auf, ehe er im Frühjahr 1159 nach Freising zurückkehrte. Auch dem neuen Bf. Albert I. ( 1184) diente R. als Kapellan; gleichzeitig unterrichtete er an der Freisinger Domschule. Spätestens 1158 in das Domkapitel aufgenommen, erhielt er 1166/67 die Pfründe eines Propstes am Kanonikerstift St. Veit. In diesem Amt ist er zuletzt 1170 belegt, sein Nachfolger Konrad ist erstmals 1177 genannt.

    Otto hatte seine Beschreibung der Taten Friedrich Barbarossas unvollendet hinterlassen; auf seinen Wunsch hin übernahm R. 1159/60 die Vollendung des Werks. In seinem mehr als die Hälfte umfassenden Anteil an diesen Gesta Friderici berichtet er ausführlich über die Ereignisse vom Aug. 1157 bis zum Feb. 1160, v. a. also über die Kämpfe des Kaisers in der Lombardei und über den Ausbruch des alexandrin. Schismas bis zu dessen scheinbarer Lösung auf der Synode von Pavia. Die Informationen dazu sammelte R. größtenteils vor Ort, stützte sich aber ausgiebig auch auf schriftliche Korrespondenzen, aus denen er 33 Briefe im Wortlaut anführt. R.s literarische Technik ist geprägt durch umfangreiche Übernahmen aus den Werken antiker Historiker, v. a. Sallust, Josephus, Eusebius und Orosius. Sie dienen nicht allein der stilistischen Aufwertung der eigenen Darstellung, sondern auch dem programmatischen Anschluß an die anerkannten Vorbilder der Gattung. Das Werk ist auf Friedrich Barbarossa als Empfänger zugeschnitten, bietet aber keine reine Herrscherpanegyrik, sondern läßt gerade in der Frage des Schismas eine gewisse Distanz zum ksl. Standpunkt erkennen.

    Frucht von R.s Lehrtätigkeit an der Freisinger Domschule ist ein umfangreiches Lehrgedicht „Flosculus“, das bekannte Handbücher zu Theologie (Petrus Lombardus), Philosophie (Bernardus Silvestris) und Mythologie (sog. Dritter Vatikanischer Mythograph) in Versen zusammenfaßt und somit den Mitte des 12. Jh. modernsten Wissensstand für Schulzwecke aufbereitet. Eigene Reflexionen R.s müssen hinter dieser Funktion zurückstehen, dafür glänzen besonders die in Hexametern verfaßten Teile mit kunstvoller Verstechnik. In noch höherem Maße gilt dies für R.s Versifizierung der Legende über Theophilus, der in verzweifelter Situation einen Bund mit dem Teufel schließt, sein Seelenheil aber durch eifrige Buße und die Fürsprache der Gottesmutter zurückgewinnt. Als Vorlage diente hier die verbreitete Prosafassung der Legende, die aber durch dramatische Gestaltung und reflektierende Einschübe zu einem eigenständigen Kunstwerk umgeformt ist.

    Während R. seit dem Humanismus nur als Verfasser der wichtigsten Quelle zu Friedrich Barbarossas zweitem Italienzug wahrgenommen wurde, beginnt die jüngere Forschung zunehmend auch seine Qualitäten als Schriftsteller und Dichter zu würdigen.

  • Werke

    Gesta Friderici I. imperatoris, hg. v. G. Waitz u. B. v. Simson, MGH SS rer. Germ. 1912 (mit dt. Übers. hg. v. F.-J. Schmale 1965, ⁴2000, mit e. Nachtr. v. F. Schwarzbauer;
    engl. Übers. v. Ch. Ch. Mierow 1953);
    Versus de vita Theophili, hg. v. W. Meyer, R's Gedicht über Theophilus, in: ders., Ges. Abhh. z. mittellat. Rythmik (!), Bd. 1, 1905, S. 99-120;
    Flosculus, hg. v. R. Deutinger 1999 (s. L, S. 235-304).

  • Literatur

    ADB 27;
    W. Wattenbach, F.-J. Schmale, Dtld.s Gesch.qu. im MA, Vom Tode Ks. Heinrichs V. bis zum Ende d. Interregnum, Bd. 1, 1976, S. 60-66;
    S. Reisner, Form u. Funktion d. Imitatio bei R., Die Verwendung antiker Vorbilder in seinem Anteil an den „Gesta Friderici I. imperatoris“, in: MIÖG 104, 1996, S. 266-85;
    Th. Haye, R. als Dichter, in: DA 54, 1998, S. 533-66;
    R. Deutinger, R. v. F., Ein Gelehrter d. 12. Jh., 1999;
    Vf.-Lex. d. MA²;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy;
    Lex. MA.

  • Autor/in

    Roman Deutinger
  • Zitierweise

    Deutinger, Roman, "Rahewin" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 111-112 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118787691.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Rahewin: Geschichtschreiber, Propst von St. Veit in Freising, starb gegen das Jahr 1177. Der Name wird in Handschriften und Urkunden verschieden geschrieben, Ragewin, Radewin u. s. w., aber die früher durch die erste Ausgabe|üblich gewordene Schreibart Radewicus scheint nur auf einem Lesefehler zu beruhen. Er bezeichnet einmal Freising als seine Heimath, doch ist es nicht ganz sicher, ob er auch von dort gebürtig war. Da er den Bischof Otto von Freising seinen nutritor nennt, so muß er frühzeitig in Verbindung mit diesem gekommen sein, vielleicht schon in Paris, denn die ausgezeichnete philosophische Ausbildung Rahewin's läßt es als wahrscheinlich erscheinen, daß auch er, wie das damals bei strebsamen Clerikern üblich war, in Paris seine Studien vollendet habe. In künstlich gereimten Hexametern bearbeitete er die Sage von Theophilus; ein anderes Werk über verschiedene Gegenstände aus der biblischen Geschichte ist theils in demselben Maaße, theils rhythmisch verfaßt, und dem Propst Ha. gewidmet, den wir nicht kennen. Am Schlusse klagt er bitterlich über die Bedrängnisse und Belästigungen des Hofdienstes, und verspricht bessere Dichtungen, wenn ihm Muße gewährt werde. Aber diese wurde ihm nicht zu Theil; wir finden ihn 1144 als Archivar (cartularius) der Freisinger Kirche, und von 1147 an als Capellan und Notar des Bischofs Otto, welchen er fortwährend begleitete, und dessen Geschichte Friedrichs I. er nach dessen Dictat ausschrieb, vielleicht auch zu bearbeiten behülflich war. Er geleitete ihn auch 1158 nach Morimund, wo er starb, und erhielt von ihm den Auftrag, sein Geschichtswerk fortzusetzen; zunächst begab er sich darauf wieder an des Kaisers Hof und verweilte dort längere Zeit. Der Kanzler Ulrich und der Protonotar Heinrich theilten ihm Nachrichten und Aktenstücke mit; andere erhielt er von befreundeten Bischöfen. So war es ihm möglich, weitere zwei Bücher (1158—1160) hinzuzufügen, in welchen neben den kriegerischen Ereignissen der immer heftiger ausbrechende Kirchenstreit in den Vordergrund tritt. Vorsichtig vermeidet R. es, eine eigene Meinung auszusprechen, er legt lieber die von beiden Seiten ausgegangenen Aktenstücke vor und überläßt dem Leser die Entscheidung. Seine Darstellung ist klar und einfach, ohne die philosophischen Betrachtungen, welche Otto liebte, und wir verdanken ihm einen sehr werthvollen Bericht über diese inhaltvollen Jahre; nur durch ihn sind uns genaue Nachrichten über den Reichstag von Roncalia 1158 zugekommen. Es wird auch die Glaubwürdigkeit seiner Nachrichten nicht dadurch beeinträchtigt, daß R. in merkwürdiger Weise die lateinische Bearbeitung des Josephus und andere Autoren für seine Darstellung ausgebeutet, und umfangreiche Stellen entlehnt hat, indem er doch die nöthigen Aenderungen nie versäumte. Die Handschriften bieten an manchen Stellen erhebliche Verschiedenheiten; er selbst scheint eine neue Bearbeitung unternommen, manche Aktenstücke erst nachträglich eingefügt zu haben, doch sind auch Aenderungen von fremder Hand zu erkennen. Mit vier Büchern, nach der Vierzahl der Evangelien, sollte das Werk abgeschlossen sein, doch findet sich eine ganz kurze Uebersicht der Jahre 1160—1170, welche vielleicht noch von ihm herrührt, aber zur Ausarbeitung ist er nicht mehr gekommen. In den Jahren 1168 und 1170 wird er als Propst von St. Veit in Freising erwähnt, aber 1177 findet sich ein anderer Name.

    • Literatur

      Wilh. Meyer, Radewins Gedicht über Theophilus, Sitz. Ber. d. Münch. Akad. d. W. 1873. — Ottonis et Rahewini Gesta Frid. I. rec. G. Waitz. 1884. Uebers. v. Horst Kohl, Leipzig 1886. — Wattenbach, Geschichtsqu. (5, Aufl,) II, 241—254.

  • Autor/in

    Wattenbach.
  • Zitierweise

    Wattenbach, Wilhelm, "Rahewin" in: Allgemeine Deutsche Biographie 27 (1888), S. 166-167 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118787691.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA