Lebensdaten
1592 – 1663
Geburtsort
Jena
Sterbeort
Ansbach
Beruf/Funktion
Staatsrechtler ; Staatsmann
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118728326 | OGND | VIAF: 89157658
Namensvarianten
  • Limnäus, Johannes
  • Limnäus, Johann
  • Limnaeus, Johann
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Aus dem Register von NDB/ADB

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Limnaeus, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728326.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Georg L. (1554–1611), seit 1588 Prof. d. Mathematik in J., S d. Anton Wim, Amtsschösser auf d. Leuchtenburg b. Kahla;
    M Anna Murhart.

  • Biographie

    L. begann sein Studium in Jena und kam hier mit den Lehren des Dominikus Arumaeus, der seit 1599 an der Universität wirkte, in Berührung. Das wurde für seine weitere wissenschaftliche Entwicklung entscheidend. 1614 wechselte L. nach Altdorf über, wo er sich vornehmlich mit Zivilrecht beschäftigte. Hier gelangte er 1617 zu einer Stelle als Erzieher für die Söhne der Nürnberger Patrizierfamilien Loeffelholz und Imhof. Diese Stellung führte ihn auf eine erste größere Auslandsreise – durch Oberitalien, Frankreich, England sowie in die Vereinigten und die Span. Niederlande –, von der er 1620 zurückkehrte. Zunächst hielt L. in Altdorf Vorlesungen über Hochschulrecht; 1622 lehrte er in Jena Staatsrecht. Nach einem kurzen Intermezzo als Militärrichter (Auditor) erhielt er 1623 die Position des Hofmeisters im Hause des brandenburg-kulmbach. Kanzlers Urban Caspar v. Feilitzsch. Während seiner 7jährigen Tätigkeit als Erzieher von dessen Sohn Hans Heinrich arbeitete L. bereits intensiv an seinem Hauptwerk, den „Iuris publici Imperii Romano-Germanici libri IX“ (3 Bde., 1629/32/34). Wiederum begleitete er seinen Schützling auf verschiedene Auslandsreisen: nach Frankreich, England und in die Niederlande. Außerdem verbrachte er einige Zeit in Leipzig und Straßburg, Aufenthalte, die er zur wissenschaftlichen Weiterbildung nutzte. L. wurde allerdings nie promoviert, und er scheint keine akademische Laufbahn angestrebt zu haben. Er zog das weniger eingeengte Dasein als Erzieher im Hofdienst wohl vor, um sich intensiver seiner Arbeit als „Publicist“ widmen zu können. So nahm er 1631 eine Stelle als „Studieninspektor“ des minderjährigen Mgf. Friedrich von Brandenburg-Ansbach an. Die Kriegsereignisse führten dazu, daß L. beauftragt wurde, mit dessen jüngeren Brüdern Albrecht und Christian nach Frankreich zu reisen. Erst 1636 konnte er nach Ansbach zurückkehren. Drei Jahre später gelangte sein Zögling Prinz Albrecht zur Herrschaft und ernannte ihn zum Geheimen Rat und Kämmerer. In dieser Stellung blieb L. bis zu seinem Tod. Er veröffentlichte noch eine Reihe staatsrechtlicher Abhandlungen, darunter wichtige Kommentare zu den kaiserl. Wahlkapitulationen und zur Goldenen Bulle, und wirkte als der markgräfl. Familie auch persönlich vertrauter Berater an der Gestaltung der brandenburg-ansbach. Politik mit. Er beriet den Markgrafen während der westfäl. Friedensverhandlungen und vertrat das Fürstentum auf fränk. Kreistagen. Vor allem wird L. ein wichtiger Anteil an der Organisation des Wiederaufbaus nach dem 30jährigen Krieg zugeschrieben.

    L. zählt noch zu jener Generation von Reichsjuristen, die, gewiß veranlaßt durch das Erlebnis der Krisen der Reichsverfassung vor|und während des 30jährigen Krieges, eine verstärkte Beschäftigung mit dem positiven Reichsrecht forderte. Das hieß zugleich, das Ius Publicum Germanicum aus der Sphäre der hohen Politik zu lösen und ihm die Berechtigung als akademische Disziplin zu erkämpfen. L. gehört aber auch zu den ersten Vertretern jener Staatsrechtslehre, die versuchte, die Dominanz der röm.-rechtlichen Quellen zu überwinden. Ein erster wichtiger Schritt in dieser Richtung war die Sammlung der geltenden Normen des historisch gewachsenen ius publicum des Reiches, wie sie etwa L.s Zeitgenossen Melchior Goldast, Marquard Freher oder Friedrich Hortleder vornahmen. Bahnbrechend wirkte auf diesem Gebiet indessen sein Lehrer Dominikus Arumaeus, der „Vater der deutschen Staatsrechtslehre“. Die wichtigste theoretische Leistung L.s liegt in der Entwicklung der Lehre von der realen und der personalen Majestät, die er mit seinem System des Reichsstaatsrechts verbindet. Er unternimmt hier eine Verknüpfung der Bodinschen Souveränitätstheorie mit der von Althusius entwickelten Lehre von der Souveränität des staatlich organisierten Volkes, bei dem nach Ansicht L.s die reale Majestät liege. Der Herrscher, temporärer Träger der personalen Majestät, erscheint wie bei Loyseau als eine Art Verwalter der Hoheitsrechte, während seine Majestät vom staatlich organisierten Volk erst kreiert wird. Entsprechend ist der Kaiser nur Organ des Reiches, zwar Haupt des Reichskörpers – wie L. mit einem Anthropomorphismus verdeutlicht –, gelenkt aber von einer Seele, der realen Majestät, die sich in der Versammlung der Glieder des Reiches manifestiert. So besteht des „Kaisers Hoheit auf des Reiches Hoheit“, das Reich steht als Gesamtheit über dem Kaiser, dieser ist sein erster Lehnsmann, an die Grundgesetze gebunden. Aus dieser Konstruktion folgert L. ein Widerstandsrecht der Reichsstände gegenüber dem Kaiser, das dann entsteht, wenn der Herrscher nicht mehr gemäß diesen „leges fundamentales“ agiert. Er verliert in einem solchen Fall seine Herrschaft freilich nicht automatisch, sondern erst durch Beschluß der staatlichen Gemeinschaft. Mit einer solchen Entscheidung endet zugleich die lehnrechtliche Treuepflicht der Stände gegenüber dem abgesetzten Reichsoberhaupt. – L. erweist sich mit diesen Thesen als ein Verfechter territorialstaatlicher Superiorität; sie zielen auf eine Stärkung des Reichstages. Diese Einstellung ist bei dem Staatsmann eines Landes, das im 30-jährigen Krieg durch die kaiserliche Politik besonders zu leiden hatte, verständlich. Zeitweilig hat man in Wien erwogen, ein Hauptwerk L.s, seinen Kommentar zu den kaiserlichen Wahlkapitulationen seit der Kapitulation Kaiser Karls V. (Capitulationes imperatorum et regum Romanogermanorum, 1651), zu verbieten. Der Autor übte darin auf der Grundlage seines staatsrechtlichen Lehrgebäudes heftige Kritik an der Politik Kaiser Ferdinands II. – Auch das reichstheoretische System L.s muß von diesen Grundlagen her verstanden werden. L. vertritt konsequent die Anschauung, das Hl. Rom. Reich besitze eine aus Monarchie und Aristokratie gemischte Staatsform. Die Grundgesetze legen diesen „status mixtus“ fest, sie sind nach seiner Auffassung Emanationen des Willens des Subjekts der realen Majestät. Manche Staatsaufgaben erfülle der Kaiser allein, andere in Gemeinschaft mit der Reichsaristokratie.

    Es war namentlich diese Verbindung der Theorie unterschiedlicher Artikulationen der Majestät mit einer Analyse der Staatsform des Reiches, die Ruhm und Fortwirkung der Staatsrechtslehre L.s begründet hat. Leibniz und Pufendorf haben auf seiner Lehre aufgebaut; in vielem hat L., das „Orakel des deutschen Staatsrechts“, theoretisch Entwicklungen vorweggenommen, die später tatsächlich in das Reichsrecht Eingang fanden. Allerdings war er ein eher unsystematischer Denker, so daß sein gesamtes System erst aus seinen verschiedenen Publikationen rekonstruiert werden muß. Sein Werk wurde stets auch deshalb geschätzt, weil es eine unerschöpfliche Quelle zu vielen Fragen des Reichsrechts war. L. hat zu seiner Zeit die genaueste Beschreibung des Rechts und der Institutionen des Reiches geliefert. In seinen Kommentaren über die Wahlkapitulation und zur Goldenen Bulle (In auream bullam Caroli Quarti imperatoris Romani observationes, 1662) hat er eine völlig neue Methode des wissenschaftlichen Kommentars angewandt, indem er die relevanten Texte zunächst Wort für Wort wiedergab und dann jede Aussage kommentierte.

  • Werke

    Weitere W Dissertatio apologetica de statu imperii Romano Germanici, 1643;
    Dissertationes nomico-politicae de academiis, 1621;
    Dissertatio de lege regia, 1617;
    Notae et animadversiones in Dan. Ottonis dissertationem de jure publico imperii Romani, 1628, in: D. Otto, Dissertatio juridico-politica de iure publico imperii Romani (…) accesserunt notae a Joh. Limnaeo in hanc dissertationem conscriptae, 2. Aufl. hrsg. v. J. Berger, 1668;
    Notitia Regni Franciae, 2 Bde., 1655;
    Was e. regierenden Fürsten d. Hauses|Brandenburg bey diesen Landen sonderl. in Acht zu nehmen, damit Er seine Fürstl. Hoheit erhalten, d. Land bessern u. vor e. Landesfürsten erkannt u. geachtet werden möge, in: Ansbach. Mschr. 1, 1793, S. 427-57, 2, 1794, S. 303-26, 505-28.

  • Literatur

    ADB 18;
    E. Wolf, Idee u. Wirklichkeit d. Reiches im dt. Rechtsdenken d. 16. u. 17. Jh., in: K. Larenz (Hrsg.), Reich u. Recht in d. dt. Philos. I, 1943, S. 105 f.;
    Stintzing-Landsberg II, S. 211-20;
    A. Wolff, Die Notitia Regni Franciae d. J. L. (1655), in: Zs. f. bayer. Landesgesch. 23, 1960, S. 1-41;
    R. Hoke, Die Reichsstaatsrechtslehre d. J. L., e. Btr. z. Gesch. d. dt. Staatsrechtswiss. im 17. Jh., 1968;
    ders., J. L., in: M. Stolleis (Hrsg.), Staatsdenker im 17. und 18. Jh., Reichspublizistik - Politik - Naturrecht, 1977, S. 100-17;
    G. Kleinheyer u. J. Schröder (Hrsg.), Dt. Juristen aus 5 Jhh., Eine biogr. Einführung in d. Rechtswiss., 1976, S. 162-65;
    H. Beyer, Albrecht V. Mgf. v. Brandenburg-Onolzbach 1639–67, Diss Erlangen 1950 (ungedr.);
    G. Schuhmann, Die Markgrafen v. Brandenburg-Ansbach, 1980, S. 143, 145, 154 (P).

  • Porträts

    Kupf. v. J. Brun, 1648, Abb. b. Schuhmann, s. L.

  • Autor/in

    Bernd Roeck
  • Zitierweise

    Roeck, Bernd, "Limnaeus, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 567-569 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728326.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Limnäus: Johann L., geb. den 5. Januar 1592 zu Jena, Sohn des dortigen Professors Georg L., welcher seinen Namen Wirn in das Griechische übeltragen hatte, starb am 13. Mai 1665 zu Ansbach und liegt in der Stiftskirche dortselbst begrüben. Nachdem er die Universitäten Jena und Altdorf besucht hatte, begleitete er die Nürnberger Patrizier Löffelholz und Imhof 1617 nach Italien, wo die Reisegesellschaft wegen der Inquisition nach Rom und Neapel zu gehen Anstand nehmen mußte, blieb dann mit seinen Gefährten zwei Jahre in Frankreich und kehrte mit ihnen über England und Holland nach Deutschland zurück. Um sich auf das juristische Lehrfach vorzubereiten ging er abermals nach Altdorf und Jena und las zu diesem Endzweck juristische und politische Collegien, nahm aber 1623 eine Auditorstelle bei dem damaligen Generallieutenant des Herzogs Christian von Braunschweig, dem Herzoge Wilhelm zu Sachsen-Weimar an, einen Posten, den er in Folge der Niederlage bei Stadtlohn und der Gefangennahme Wilhelms alsbald wieder verlor. Von dauerndem Einfluß auf seine Laufbahn war es, daß der Culmbach’sche Kanzler v. Feilitzsch ihn zum Hofmeister über seinen Sohn Hans Heinrich machte, und, nachdem L. den jungen Feilitzsch auf die Leipziger und Straßburger Universität, auf einer Reise nach Frankreich, England und in die Niederlande begleitet hatte, so zufrieden mit ihm war, daß er ihn der Ansbachischen Obervormundschaft zum Erzieher des Erbprinzen Friedrich empfahl. Daraufhin wurde L. Inspector morum des Erbprinzen und machte 1632 mit den zwei anderen Prinzen Albrecht und Christian eine Reise nach Frankreich, die bis 1639 andauerte. Inzwischen war 1633 Prinz Christian auf der Reift gestorben, der Erbprinz auf dem Nördlinger Schlachtfelde verkommen, so daß das Fürstenthum an Prinz Albrecht fiel. Als Albrecht nach erreichter Großjährigkeit 1639 die Regierung übernahm, erhielt sein Freund und Begleiter L. die hochbedeutende Stellung eines geheimen Raths|und Kämmerers am Hofe und blieb bis zu seinem Tode zum Wohle des Landes auf diesem Posten, der das Kanzleramt in sich begriff. Das Fürstenthum war damals durch die Leiden des 30jährigen Krieges arg heimgesucht, ausgesogen, verwüstet, entvölkert und der Kanzler hatte alsbald die Genugthuung, die Früchte seines segensreichen Wirkens überall im Lande wahrzunehmen. — Das Charakterbild von L. zeigt uns einen trefflichen Menschen und einen vorzüglichen Beamten; seine litterarischen Erzeugnisse lassen uns einen Rechtsgelehrten von umfassendem Wissen, namentlich auf dem Gebiete des deutschen Staatsrechts erblicken: von ihm rührt das erste systematische Werk über das deutsche Staatsrecht her. Er starb unverheirathet, nachdem er längere Zeit vorher gekränkelt hatte; sein Tod wurde vom Lande aufrichtig bedauert und auf allen Universitäten des deutschen Vaterlandes feierte man in Gedächtnißversen sein Andenken. — Von seinen Werken nenne ich sein „System des Staatsrechts“ (1629—1645), ein Werk, das ihm den Ehrennamen eines Patriarchen des Staatsrechts und eines Oraculum in jure publico eintrug, seinen Commentar über die Wahlcapitulationen der Kaiser Karl V. bis auf Ferdinand III. (1657 u. folg.), seine „Notitia regni gallici“ (1655), ein Buch, das auch in Frankreich sehr geschätzt wurde, und endlich erschienen, ein Jahr vor seinem Tode, seine „Observationes in auream Bullam Caroli IV.“ Bekunden alle diese Schriften seine große Gelehrsamkeit, so gibt uns ein nachgelassenes Werk von ihm, das erst 1794 gedruckt wurde, ein Zeugniß von der Trefflichkeit seines Charakters als Mensch und als Beamter. Es ist ein Fürstenspiegel, den er für die brandenburgischen Herrscher handschriftlich hinterließ, voll der herrlichsten Regeln für jeden Landesherrn. Man kann sagen, daß diese Rathschläge auf einem Standpunkte stehen, der damals von den wenigsten Fürstendienern eingenommen wurde; ich hebe aus dem Werkchen, weil gerade zu jener Zeit, in Nachahmung der Glanzperiode Ludwigs XIV., der Ruhm einer Regierung häufig nach dem Lustre des Hofes beurtheilt wurde, folgende Stelle hervor: „der Fürst lasse sich nicht bereden, daß seine Reputation an großem Hofhalte oder prächtigen Aufwärtern liege, denn solche Aufwärter sind gute Hochzeitsgäste, sie helfen das Land nicht vermehren, sondern verzehren.“

    • Literatur

      Limnäisches Ehrengedächtniß, 1665 (Leichenrede mit eingeschalteter kurzer Selbstbiographie und den Trauergedichten der Universitäten). — Leben Johannes v. Limnäus in den wöchentlichen Onolzbach’schen Nachrichten von 1740. —
      Jöcher, Gelehrtenlexikon, II. 2441. —
      Biographische Nachrichten über Limnäus mit Abdruck des oben erwähnten handschriftlichen Nachlasses in der Ansbacher Monatsschrift von 1793 u. 1794. — Vocke, Ansbachischer Geburts- und Todten-Almanach, I. S. 13 u. 14.

  • Autor/in

    Haenle.
  • Zitierweise

    Haenle, "Limnaeus, Johannes" in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 658-659 unter Limnäus, Johann [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728326.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA