Lebensdaten
1285 oder 1289 – 1328
Geburtsort
Jandun/Oise (Grafschaft Champagne, heute Département Ardennes)
Sterbeort
Montalto (Italien)
Beruf/Funktion
Philosoph ; kirchenpolitischer Publizist ; Theologe
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118712640 | OGND | VIAF: 121765324
Namensvarianten
  • Johannes
  • Johannes de Jandun
  • Johann von Jandun
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Zitierweise

Johannes von Jandun, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712640.html [18.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Herkunft aus d. Fam. d. Chevaliers de Jandun u. Launois ist nicht ganz ausgeschlossen.

    1310 ist J. an der Univ. Paris als magister artium bezeugt, wo er auch seine Studien begonnen hat. Einer seiner Lehrer war der Paduaner Arzt und Philosoph Pietro d'Abano. Aus den Jahren 1310-15 datieren philosophische Traktate, insbesondere zur Psychologie, die ihm unter den Artisten einen Namen verschafften, so daß man ihn 1315 für geeignet hielt, an dem neu errichteten Pariser Kolleg Navarra die Artistenfakultät zu vertreten. Dort ist er etwa 10 Jahre lang tätig gewesen. 1316 wurde ihm auf Bitten der Universität von Papst Johannes XXII. eine Pfründe in Senlis gewährt. In guten Beziehungen stand er auch zu dem einflußreichen Prälaten und späteren Kardinal Anibald von Ceccano. Langjährige Freundschaft und Schicksalsgemeinschaft verbanden ihn mit Marsilius von Padua, den er bereits vor 1315 in Paris kennengelernt hatte. Marsilius war wie J. dort als magister artium tätig. 1324 vollendete Marsilius den Defensor Pacis. Als der Inhalt des antipäpstl. Traktats bald darauf ruchbar wurde, flohen J., der noch im Sommer 1324 in Paris ein Haus gemietet hatte, und Marsilius an den Hof des deutschen Königs Ludwig des Bayern. Dieser lag im Streit mit dem Papst in Avignon, der ihn als König nicht anerkannte. Ludwig gewährte den beiden trotz einiger Widerstände am Hofe Asyl. Marsilius und J. unterstützten den König in Konkurrenz mit den Minoriten in seiner Auseinandersetzung mit Avignon. Wegen des Defensor Pacis wurden sie bereits 1327 als Häretiker gebrandmarkt. Beide begleiteten Ludwig nach Rom zur Kaiserkrönung durch Sciarra Colonna (1328). Auf dem Rückweg nach Deutschland ist J., den Ludwig vorher noch zum Bischof von Ferrara ernannt hatte, gestorben, ohne jemals sein Amt angetreten zu haben.

    J. hat sich stets als Philosoph verstanden und niemals die auf den artes aufbauenden Wissenschaften der Theologie, Jurisprudenz oder Medizin erstrebt. Sein Ideal war die „reine“ Philosophie, seine Vorbilder Aristoteles und dessen arab. Kommentator Averroes. Aus seinen Schriften ragen vor allem die umfangreichen Quaestionen zu den Werken des Aristoteles hervor, die aus Pariser Vorlesungen hervorgegangen sein dürften (Quaestionen zur Physik 1315, zu De Anima 1315–18, zur Metaphysik. Seine Schriften zur Ethik und Politik sind verschollen). Dem franz. Kg. Karl IV. widmete er eine fast schon in humanistischer Diktion geschriebene Laudatio auf die Stadt Paris (1323). Seine Werke fanden bis ins 16. Jh. besonders in Italien Beachtung, wurden aber auch schon zu seinen Lebzeiten scharf kritisiert, weil J. als Vertreter eines radikalen Aristotelismus alle Probleme ohne Rücksichtnahme auf den Glauben und die kirchliche Theologie nur secundum viam philosophorum löste und sich so in Widerspruch zu den Lehren der Kirche setzte. Die Frage seiner Beteiligung am Defensor Pacis ist nicht hinreichend geklärt. Die Flucht mit Marsilius nach Deutschland und ihre Verurteilung durch den Papst können nicht als Beweis für die gemeinsame Autorschaft angesehen werden. Es steht fest, daß beide Vertreter eines radikalen Aristotelismus waren. Als Philosoph war J. sicher der bedeutendere von beiden, während dem Marsilius die praktische Seite der Politik mehr gelegen hat. Die Abfassung des Defensor Pacis ist das Werk des Marsilius, an den Ideen und geistigen Grundlagen hat J. wesentlichen Anteil.

  • Werke

    Gesamtausg. fehlt. Verz. b. MacClintock u. Schmugge, s. L;
    Teilausgg. Quaestiones in duodecim libros metaphysicae, 1553;
    Quaestiones super libros Aristotelis de anima, 1587, Nachdr. 1966.

  • Literatur

    ADB 14;
    A. Gewirth, John of Jandun and the Defensor Pacis, in: Speculum 23, 1948, S. 267-72;
    M. Grignaschi, Il pensiero politico e religioso di Giovanni di Jandun, in: Bullettino dell'Istituto Storico Italiano (Archivio Muratoriano) 70, 1958, S. 425-96;
    S. MacClintock, Perversity and Error, Studies on the „Averroist“ John of Jandun, 1956 (W);
    L. Schmugge, J. v. J., 1966 (W, L).

  • Autor/in

    Ludwig Schmugge
  • Zitierweise

    Schmugge, Ludwig, "Johannes von Jandun" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 555-556 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712640.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Johann von Jandun, ein Champagner aus dem kleinen Flecken Jandun zwischen Rethel und Mezières, gehört der deutschen Geschichte an in Folge der einflußreichen Stellung, die er, freilich nur ein paar Jahre lang, im Rathe Kaiser Ludwig des Baiern behauptet hat. Die Angaben, daß er aus Gent oder Genua war, haben nur in schlechter Ueberlieferung oder Mißverständniß des Namens Jandunum, Gendunum ihren Ursprung. 1315 wird J., der Geistlicher, aber nicht, wie man zuweilen liest, Minorit war, an der Universität Paris als magister artistarum erwähnt. Seine „Quaestiones in 12 libros metaphysicae“ (ed. Venet. 1505 u. 1560) zeigen ihn in der Metaphysik als Averroisten, in der Logik als Vertreter eines halb-thomistischen Standpunktes. Der Streit der Minoriten mit Papst Johann XXII. über die Armuth Christi verursachte damals auch in den Hörsälen der Universität Paris stürmische Aufregung, und wie sich aus dem Defensor pacis ergiebt, verfocht J. eifrig die Anschauung der Minoriten. Mehr als seine philosophische Schriftstelleri ist es seine Mitarbeiterschaft|an diesem von reformatorischem Geiste erfüllten Werke, an diesem kühnen und scharfsinnigen Versuche eines neuen politischen und kirchenpolitischen Systems, was Johanns Namen den Nachruhm sichert. Sein Antheil am Defensor pacis steht ebenso sest, wie Grad und Umfang desselben im Unklaren bleiben; sicher ist nur, daß der Löwenantheil an dem Buche dem anderen Mitarbeiter, Johanns Collegen Marsiglio von Padua gebührt, auf dessen Biographie daher für eine Charakteristik des Werkes verwiesen werden muß. Hier sei nur erwähnt, daß das System der beiden Verfasser vor allem beeinflußt war einerseits durch die Lehre des Aristoteles vom Staat, andererseits durch die vor ihren Augen unter Philipp dem Schönen in Frankreich durchgesochtenen Kämpfe zwischen Staat und Kirche und durch die reiche polemische Litteratur, der diese das Leben gegeben hatten. Mit Marsiglio ging J. aus Paris im J. 1325 oder 1326 an das Hoflager König Ludwigs nach Deutschland, um diesem das eben vollendete Werk zu überreichen und seine Dienste im Kampfe gegen Papst Johann anzubieten. Mit Marsiglio, mit dem er überhaupt fast stets zusammengenannt wird, trafen J. dann auch die päpstlichen Verurtheilungen. Die Bulle vom 3. April 1327 bezeichnete die beiden Gelehrten als Söhne des Verderbens und Zöglinge der Verdammniß, die schon an der Universität Paris Jahre lang ihre Hörer vom Wege der Wahrheit abgeführt hätten, bis sie es endlich nicht mehr gewagt, dort das Gift ihres Wahnsinns weiter zu verbreiten. Sechs Tage später erging gegen beide das Urtheil der Excommunication und der Entsetzung von allen kirchlichen Pfründen und Würden und nachdem die ihnen zu persönlicher Rechtfertigung gesetzte Frist von vier Monaten verstrichen war, ward am 23. Octbr. gegen sie eine besondere Bulle erlassen, die sie als Ketzer erklärte und sich mit eingehender Widerlegung ihrer Irrthümer befaßte. Darin werden folgende ihrer Sätze als häretisch erklärt: daß Petrus keinen Vorrang vor den übrigen Aposteln gehabt; daß der Kaiser Päpste ein- und absetzen könne; daß nach der Einsetzung Christi alle Priester gleiche Autorität besäßen und das Mehr oder Minder ihrer Gewalt nur auf widerruflicher Uebertragung durch den Kaiser beruhe; daß Papst und Kirche ohne Ermächtigung des Kaisers keine Strasgewalt besäßen, und daß Christus nicht aus Herablassung oder Liberalität, sondern nach nothwendiger Verpflichtung dem Kaiser Tribut gezahlt habe. Am 26. Febr. 1328 ließ dann Papst Johann das römische Volk zur Gefangennahme der beiden Professoren auffordern, „dieser Bestien, hervorgegangen aus den Abgründen des Satans und dem Schwefelpfuhl der Hölle“.

    Beide hatten mittlerweile ihren königlichen Schutzherrn nach Italien begleitet und neben Marsiglio wird auch J. Einfluß auf die radicalen Maßregeln gehabt haben, in denen Ludwig damals in Rom ein gutes Theil von dem kirchenpolitischen Systeme des Defensor pacis verwirklichte. Am 1. Mai 1328 ward J. in Rom vom Kaiser zum Bischose von Ferrara ernannt und auch hiebei wurden, wie das kaiserliche Bestallungsdecret zeigt, die Grundsätze des Defensor pacis gewahrt, indem die Ernennung in Uebereinstimmung mit Klerus und Volk von Ferrara erfolgte und die Besetzung der Aemter und geistlichen Behörden im Sprengel der Wahl des Klerus und Volkes, nur die Bestätigung der Gewählten dem Bischofe vorbehalten blieb. Als Mitglied der kaiserlichen Gegenhierarchie hätte wol auch J. wie fast alle anderen eine kurze und klägliche Rolle gespielt; sie ward ihm erspart durch den Tod, der den Bischof auf dem Wege nach seinem neuen Bestimmungsorte im Mai oder Juni 1328 zu Todi ereilte. Die nur aus einem Pariser Repertorium bekannte Urkunde, angeblich vom 14. Juli 1328, wo ein Johannes „de Gelduno“ unter des Kaisers Hofgesinde aufgenommen wird, kann daher wol nur dann auf J. bezogen werden, wenn das Datum ungenau überliefert ist. Der bei Goldast, Monarchia I, 18 gedruckte|Tractatus seu informatio de nullitate processuum etc. wird in der Ueberschrift dieser Ausgabe irrig dem J. v. J. zugeschrieben.

    • Literatur

      Prantl, Geschichte der Logik im Abendlande III. 273; Renan, Averroes et l'Averroisme, p. 269; Riezler. Die literar. Widersacher der Päpste zur Zeit K. Ludwig des Baiern, S. 36 ff., 55 ff., 195 ff.; C. Müller, der Kampf Ludwig des Baiern mit der röm. Curie, bes. I. 163, 199.

  • Autor/in

    Riezler.
  • Zitierweise

    Riezler, Sigmund Ritter von, "Johannes von Jandun" in: Allgemeine Deutsche Biographie 14 (1881), S. 458-460 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712640.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA