Lebensdaten
1831 – 1889
Geburtsort
Steyr (Oberösterreich)
Sterbeort
Steyr (Oberösterreich)
Beruf/Funktion
Waffenproduzent
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 117572543 | OGND | VIAF: 59865014
Namensvarianten
  • Werndl, Josef
  • Werndl, Joseph
  • Werndl, Josef

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Werndl, Joseph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117572543.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Vermutl. aus Tiroler Fam., die seit 1575 nachweisbar ist, seit 1695 Neigerschmiede in St.;
    V Leopold (1797–1855), Bohrerschmied, 1830 Kleinfabr. v. Gewehrbestandteilen in St., 1830–35 Privileg z. Fertigung d. Gewehrrings f. d. österr. Inf.gewehr Modell 1828 (s. ÖBL), S d. Benedict(us) Ignatius (1754–1815 / 18), Neigerschmied in St., u. d. Elisabeth N. N.;
    M Josefa Müller (1806–67), aus Frankenfels (Niederösterr.);
    16 Geschw (8 früh †) u. a. B Franz (1833–1907, Anna Brandtstetter, 1836–1904), Drahtstiftfabr. in Unterhimmel b. St., Ludwig (1847–90, Caroline N. N., 1859–88), Messerfabr. in St., Eduard (1853–1917, Malvine Fochtmann, 1864–1912), Privatier, 1912 Verw.rat d. Steyrtalbahn-Ges.;
    Steyr 1853 Karoline (1829–78), Köchin, T d. Anton Heindl, Messerschmiedmeister u. -fabr. in Wieserfeld (Kr. Steyr), u. d. Katharina Krenklmüller;
    2 S Josef (* 1854), Josef Carl (1856–83), Kavallerieoffz., zuletzt in Ägypten, 6 T (mind. 1 früh †) Maria (1855–81, 1] Robert Schött, 1841–79, ÖWG-Bürochef, 2] Otto Sander, 1845–1906, ÖWG-Filialleiter), Caroline v. W. (1859–1923, österr. Adel 1903, Maximilian Frhr. v. Imhof, 1859– 1922, auf Dorf, Vertrauter d. Ehzg. Franz Ferdinand, s. NDB X*), Anna v. W. (1861–1943, österr. Adel 1903, Josef Gf. v. Lamberg, Frhr. auf Ortenegg u. Ottenstein, 1856–1904, auf Trautenfels, Steiermark, u. Kammerhub, Oberösterr., Erblandkämmerer d. Hzgt. Salzburg, Erblandjägermeister v. Österr., Erblandstallmeister v. Krain, Grande v. Spanien, erbl. Mitgl. d. Herrenhauses d. öster. Reichsrats, s. BJ IX, Tl.), Antonia (* 1863);
    N Leopold (1886–1914 ⚔), Lt., Viktor (1870–1945), Drahtstiftfabr. in Unterhimmel, trat 1894 in d. elterl. Betrieb ein, Sägewerksbes., Gutsbes., Gde.rat in St.

  • Biographie

    Nach der „Normalschule“ 1838–44 absolvierte W. bis 1847 in Wien eine Büchsenmacherlehre, dann bei seinem Vater eine Ausbildung zum Feilenhauer. Anschließend zog er nach Prag, wo er 1847–49 in einer Waffenfabrik praktische Erfahrungen sammelte, bis er sich freiwillig zum Militärdienst meldete. Nach sechs Monaten wurde er für ein Jahr zum Dienst in der staatlichen „Ärarischen Gewehrfabrik“, damals Wien-Währing, abgestellt, anschließend aber aufgrund einer Ausnahmeregelung bei militärisch besonders nutzbaren beruflichen Fertigkeiten beurlaubt und stand bis 1859 formaljuristisch im Militärdienst. Während seiner Wanderschaft bis 1853 arbeitete W. an verschiedenen Fortbildungs- und Arbeitsstellen in Thüringen, Wien, Prag, Ferlach (Kärnten) und in den USA bei „Remington Arms Co.“ (New York) und „Colt’s Patent Firearms“, Hartfort (Connecticut).

    1853 kehrte W. nach Steyr zurück und erwarb hier einen Polier- und Schleifbetrieb mit 15 Arbeitern, nach dem Tod seines Vaters 1855 übernahm er den väterlichen Betrieb. 1863 reiste er mit seinem Werkmeister Karl Holub (1830–1903) erneut in die USA, wo er u. a. wiederum „Colt‘s“ besuchte. Nach seiner Rückkehr gründete er 1864 mit seinem Bruder in Steyr die „Josef und Franz Werndl & Comp.“, die er 1869 in die AG „Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft“ (ÖWG) umwandelte. 1865 begann er mit Holub, der 1867 technischer Direktor wurde, mit der Konstruktion eines Hinterladegewehrs, dem „Werndl-Gewehr“. Dieser Einzellader hatte mit dem gemeinsam mit Holub erfundenen Wellblockverschluß mit Lademulde ein bahnbrechendes Verschluß-System, im Volksmund auch „Tabernakelverschluß“ genannt. Die Massenproduktion der damit ausgerüsteten Infanterie- und Jägergewehre M1867 (Kaliber 11 x 42 mm R) sowie des Karabiners M1867 (Kaliber 11 x 36 mm R) machten die ÖWG zum größten Waffenproduzenten in Europa. Die Produktionsaufnahme des 1886 patentierten Mehrlade-Repetiergewehrs von Ferdinand (seit 1892 Rr. v.) Mannlicher (1848–1904), der große Anteile der ÖWG besaß, führte zu einem Anstieg der Beschäftigtenzahl auf bis zu 10 000 Arbeiter, womit Steyr als Zentrum der europ. Waffenproduktion galt.

    1884 organisierte W. in Steyr eine Elektrizitätsausstellung und initiierte in der Stadt die erste elektrische Straßenbeleuchtung. Er engagierte sich auch als Kommandant des Steyrer Bürgerkorps, ließ eine „Schwimmschule“, das erste öffentliche Schwimmbad, errichten und unterstützte soziale Projekte.

    Das Unternehmen, das nach W.s Tod von Mannlicher weitergeführt wurde, produzierte seit 1894 auch Fahrräder. 1916 begann die Firma mit der Kfz-Herstellung. Die 1926 in „Steyr-Werke AG“ umbenannte ÖWG stellte in den 1920er Jahren infolge des Waffenproduktionsverbots hauptsächlich Pkw (1920: „Steyr Typ II“, 1922: „Steyr Typ IV“), Omnibusse und kleine LKW her. 1934 erfolgte die Fusion mit der „Austro-Daimler-Puchwerke AG“ zur „Steyr-Daimler-Puch AG“. Mit dem „Anschluß“ an das Dt. Reich 1938 wurde der Betrieb in die „Reichswerke Hermann Göring“ und damit in die dt. Rüstungsproduktion eingegliedert. Zeitgleich begann die Produktion von Flugmotoren, 1941–43 stieg das Unternehmen zum drittgrößten Wälzlagerproduzenten im Dt. Reich auf. Die expandierende Rüstungsproduktion, die 1944 / 45 in unterirdische Stollenanlagen verlegt wurde (Projekt Quarz), erfolgte unter Ausbeutung von Zwangsarbeitern aus den KZ Mauthausen und Melk, wobei fast 5000 Häftlinge starben.

    1989 wurde die „Steyr-Daimler-Puch AG“ nach einzelnen Sparten aufgeteilt. Die Schußwaffenproduktion blieb in der „Steyr-Mannlicher AG“ erhalten, die übrigen Unternehmensteile wurden verkauft, die Reste der Automobilproduktion zuletzt 1998 an die „Magna Holding AG“, sie firmiert heute als Automobilzulieferer „Magna Steyr AG & Co KG“.

  • Auszeichnungen

    |Orden d. Eisernen Krone III. Kl. (1870, auf d. damit verbundene Nobilitierung verzichtete er);
    Ehrenbürger d. Stadt Steyr (1880);
    pers. Sonnen- u. Löwenorden (1887);
    Kommandeurkreuz d. portugies. Christusordens (1887).

  • Literatur

    |V. Schützenhofer, J. W., Der Mann u. sein Werk, in: Bll. f. Gesch. d. Technik, hg. v. Österr. Forsch. inst. f. d. Erforsch. d. Technik in Wien, 5. H., 1938, S. 42–58;
    M. Pfaffenwimmer, Die wirtschaftl. u. soz. Entwicklung d. „Österr. Waffenfabriksges.“ unter d. Leitung d. Gen.dir. J. W. 1869–89, Diss. Univ. Wien 1985;
    J. Schuy, Das Waffensystem W., 1997;
    H. Stögmüller, J. W. u. d. Waffenfabr. in Steyr, ²2012;
    B. Perz, Das Projekt „Quarz“, Der Umbau e. unterird. Fabr. durch Häftlinge d. KZ Melk f. d. Steyr-Daimler-Puch AG 1944–1945, 2014;
    Mitt. v. Hubert Schier, Garsten (Oberösterr.).

  • Porträts

    |Josefgasse, Steyr, 1880;
    Abb. auf e. Glasfenster (Bürgerfenster) d. Stadtpfarrkirche Steyr (1893);
    Bronzestandbild v. V. Tilgner, 1894 (Steyr, Enrica-von-Handel-Mazzetti-Promenade).

  • Autor/in

    Thomas Müller
  • Zitierweise

    Müller, Thomas, "Werndl, Joseph" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 811-813 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117572543.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Werndl: Joseph W., Generaldirector der österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft, geboren zu Steyr in Ob.-Oesterr. am 26. Februar 1831, ebendaselbst am 29. April 1889. Seine Eltern. Leopold und Anna W., betrieben anfänglich eine Bohrerschmiede, die sie noch in den zwanziger Jahren zu einer kleinen Fabrik erweiterten, in welcher Gewehrbestandtheile erzeugt wurden. — W. besuchte zuerst durch sechs Jahre die Normalschule seiner Vaterstadt, erlernte dann in Wien bei dem Gewehrfabrikanten Fruhwirth die Büchsenmacherei und in seiner Heimath die Feilenhauerei. Nun begab sich der junge Mann auf die Wanderschaft, wobei er in den verschiedensten Werkstätten und Fabriken sich jene praktischen Kenntnisse aneignete, die ihn später in den Stand setzten, alle Arbeiten seiner Fabrik bis ins kleinste Detail selbst beurtheilen und controlliren zu können. 1849 ließ sich der thatendurstige Jüngling ohne Wissen seiner Eltern in Wien freiwillig zu einem Chevaulégersregimente assentiren, wurde aber bald auf Betreiben seiner Eltern „commandirt beurlaubt“. Nach Steyr zurückgekehrt, etablirte er sich zuerst selbständig und beschäftigte in einer „Schleife“ etwa ein Dutzend Arbeiter. Nach dem Tode seines Vaters 1855 unterstützte er seine Mutter auf das thatkräftigste in der Fortführung des Geschäftes, das er|auf jede Weise zu heben suchte; 1862 übernahm er die selbständige Leitung desselben. — Sogleich ging nun W. mit der ihm eigenen Energie daran, sein Etablissement, in dem bisher nur Waffenbestandtheile zur Lieferung für die Waffenfabriken in Wien, Prag und Ferlach erzeugt wurden, in eine selbständige Waffenfabrik umzuwandeln. Kaum hatte er das erreicht, so suchte er in directe Geschäftsverbindung mit Amerika zu treten, woher gerade damals während des Bürgerkrieges viele Waffenbestellungen in Europa einliefen. W. reiste selbst nach Amerika. Seinen beabsichtigten Zweck konnte er zwar nicht erreichen; dafür aber lernte er auf dieser Reise die Gewehrerzeugung lediglich mittelst Specialmaschinen kennen, und nach seiner Rückkehr ging er sofort daran, dieses System consequent und rasch auch in Steyr durchzuführen. So kam es, daß seine Fabrik in kurzer Zeit eine der leistungsfähigsten Europas wurde. — 1867 vereinigte er sich mit seinen Brüdern Franz und Ludwig zur Firma J. F. Werndl u. Comp. Als nach dem Jahre 1866 die österreichische Regierung an die Einführung des Hinterladersystems schritt, war das „Werndl-Gewehr“ es, das unter mehr als hundert eingereichten Systemen als das beste befunden und angenommen wurde. 80 000 Vorderlader wurden in das neue System umgewandelt, und nach und nach die Bewaffnung der ganzen österreichischen Armee mit dem Werndl-Gewehre durchgeführt. Die Fabriksanlagen mußten abermals vergrößert werden, und 1869 wurde die Firma J. F. Werndl u. Comp. in eine Actiengesellschaft mit dem Titel: Oesterreichische Waffenfabriks-Gesellschaft umgewandelt, deren Generaldirector Jos. W. blieb. — Rastlos war er für die Weiterentwicklung der Unternehmung thätig. Als 1873 die deutsche Regierung das „Mauser-Gewehr“ einführte, gelang es der Umsicht und Energie Werndl's, für die österreichische Waffenfabrik die Lieferung eines großen Theiles dieser Gewehre und großer Quantitäten von Gewehrbestandtheilen zu erhalten. Die tadellose und schnelle Ausführung dieser Bestellung begründete den Weltruf des Steyrer Etablissements. Bald liefen große Neubestellungen von Frankreich, Griechenland, Rumänien, Montenegro etc. und selbst von außereuropäischen Staaten, namentlich von Persien ein. — Anfangs der achtziger Jahre trat durch längere Zeit ein Stillstand in der Waffenerzeugung ein, tausende von Arbeitern mußten entlassen werden; für die übrigen aber sorgte W. durch eine Reihe von anderen Unternehmungen. Eins der größten davon ist die von ihm angeregte elektrische Ausstellung in Steyr im J. 1884. — Mit der Einführung der Repetirgewehre kam neues Leben in die österreichische Waffenfabrik. Die Neubewaffnung des österreichischen Heeres mit dem Mannlicher-Gewehr wurde ihr fast ausschließlich übertragen, und kurz vor seinem Tode gelang es W., für dieselbe auch von Deutschland die Bestellung von 250 000 Repetirgewehren zu erhalten. Beim Tode Werndl's beschäftigte die Steyrer Fabrik etwa 8000 Arbeiter, die wöchentlich etwa 8000 Gewehre herzustellen im Stande waren. — Der Actien-Gesellschaft selbst hat W. eine vortreffliche Organisation gegeben. Für die Arbeiter war er ein wahrer Vater; für sie und ihre Familien baute er eine große Anzahl netter, gesunder Wohnungen; die Stadt Steyr, insbesondere die Armen verehren ihn noch heute wegen seiner humanen Schöpfungen als ihren größten Wohlthäter. — W. war seit dem Jahre 1853 mit Caroline, einer Tochter des Messerfabrikanten Heindl in Wieserfeld, vermählt; dieser Ehe entsprossen fünf Kinder, drei Söhne: Franz, Ludwig und Eduard, und zwei Töchter: Caroline und Anna, von denen erstere mit Baron Imhof, letztere mit Josef Graf Lamberg vermählt ist. — 1894 wurde W. auf dem Franz-Josef-Platz in Steyr ein von Prof. Victor Tilgner in Wien in Erz ausgeführtes Monument gesetzt, dessen Enthüllung am 10. November desselben Jahres stattfand.

  • Autor/in

    Dickinger.
  • Zitierweise

    Dickinger, "Werndl, Joseph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 42 (1897), S. 17-18 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117572543.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA