Lebensdaten
1820 – 1876
Geburtsort
Lossow bei Frankfurt/Oder
Sterbeort
Halle/Saale
Beruf/Funktion
Naturforscher ; naturkundlicher Publizist ; Politiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117281026 | OGND | VIAF: 54921882
Namensvarianten
  • Ule, Otto Eduard Vincenz
  • Ule, Otto
  • Ule, Otto Eduard Vincenz
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Zitierweise

Ule, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117281026.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich Wilhelm (1783–1861), Prediger in Jacobsdorf b. F., 1817 in L., Diakon in Züllichau, zuletzt in F., Konsistorial- u. Schulrat (s. L), S e. Kaufm., 1771 Bürger in F., Kaufm., erteilte Unterr. in kaufmänn. Rechnen;
    M Friederike (1779–1867), T d. N. N. Kaßner, Prediger in Heinersdorf b. Zielenzig (Brandenburg), Oberprediger u. Sup. in Zielenzig;
    B Friedrich Wilhelm Robert (1809–39, Henriette Johanne Karoline Hanff, aus H.), Diakon in Züllichau, Prediger (s. NND 17);
    – ⚭ Marie (* 1832), T d. Georg Strecker (1800–64), Dr. iur., Weingroßhändler in Mainz, u. d. Caroline Bansa (1807–86);
    3 S Ernst (Ernesto) (1854–1915), Botaniker, Forsch.reisender in Südamerika, Dir. d. Naturhist. Mus. in Rio de Janeiro (s. DBJ I, Tl.; Lex. Bryologen), Karl (* 1858, Anna, T d. Ludwig Möbus), Leiter d. Glaskunstwerkstatt München, Prof. an d. Kunstgewerbeschule Karlsruhe (s. Wi. 1935; ThB),|Wilhelm (s. 2), 1 T Caroline; Schwägerin Sophie Strecker (* 1829, Jacob Moleschott, 1822–93, Naturwiss., s. NDB 17), Vf. v. Kinderbüchern.

  • Biographie

    Nach der Gymnasialzeit in Frankfurt/Oder studierte U. seit 1840 zunächst Ev. Theologie, dann Mathematik und Naturwissenschaften in Halle/Saale und 1842/43 in Berlin. In Halle legte er 1845 das Oberlehrerexamen ab und wurde hier mit der Arbeit „De methodis, quibus aptissimae rotarum dentibus formae sunt tribuendae“ zum Dr. phil. promoviert. Seit 1846 wirkte U. als Lehrer in Frankfurt/Oder und begann, öffentliche Vorlesungen zu Alexander v. Humboldts „Kosmos“ abzuhalten. Sie standen im Dienst einer demokratischen Volkspädagogik, die sich mit U.s nunmehr frei-religiösen Anschauungen verband. Während der Revolution 1848 unterstützte U. die Anliegen der Demokraten. 1848–51 lehrte er an der privaten Fortbildungsschule für Landbewohner des ev. Pastors Ludwig Hildenhagen (1809–93) in Quetz bei Halle/Saale. 1850 wegen Beleidigung des preuß. Ministeriums Brandenburg-Manteuffel zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, blieb U. eine Anstellung im Staatsdienst verwehrt. Seit 1851 lebte er in Halle/Saale und betätigte sich als freier Schriftsteller.

    Gemeinsam mit August Petermann u. a. warb U. Ende der 1850er Jahre für die Entsendung einer Expedition, um den verschollenen Afrikareisenden Eduard Vogel (1829–56) aufzufinden. Dieses Unternehmen trug nicht nur zum kolonialen Interesse am afrikan. Kontinent bei, sondern auch zur Mobilisierung einer Öffentlichkeit, die sich als Teil eines dt. Nationalstaats verstand. Politisch im Spektrum zwischen Demokraten und Linksliberalen positioniert, engagierte sich U. in den 1850er und 1860er Jahren auf vielfältige Weise im städtischen Leben, z. B. im Handwerker-, Gartenbau-, Vogelschutz-, Turn- und Wohnungsverein Halles. Er war Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und begründete den Verein für Erdkunde sowie die Hallesche Freiwillige Feuerwehr, der er seit 1868 als erster Kommandant vorstand. Nach Gründung der Fortschrittspartei für Halle und den Saalkreis war U. 1863–66 für den Kreis Halle und 1869–70 für Querfurt Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhauses in Berlin.

    Als Zeitschriftenherausgeber und -beiträger, Buchautor und Wanderredner war U. ein überregional bedeutender Pionier der Wissenschaftspopularisierung in Deutschland, die nach der Revolution von 1848/49 aufgrund publizistischer Aktivitäten und der Arbeit naturkundlicher Vereine einen enormen Aufschwung erlebte. Sie wurde von vielen Protagonisten auch als Vehikel demokratischer Gesinnung verstanden. 1852 initiierte U. mit Karl Johann August Müller (1818–99) und Emil Adolf Roßmäßler (1806–67) die Zeitschrift „Die Natur“, die er bis zu seinem Tod herausgab. Sein Sohn Wilhelm fungierte 1897–1900 als Herausgeber. Obwohl die Auflagenhöhe in den besten Zeiten bei wenigen Tausenden lag, wurde U.s „Die Natur“ in ihrer breiten thematischen Streuung zum Vorbild vieler anderer Zeitschriften und zum Leitorgan der Popularisierer in Deutschland. Gemeinsam mit Hermann Schulze-Delitzsch (1808–83), Werner Siemens (1816–92), Rudolf Virchow (1821–1902) und anderen Vertretern des liberalen Bürgertums gründete U. 1871 die „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“. Die Gesellschaft fungierte als Dachorganisation für bestehende Bildungsvereine und wurde mit mehr als 8000 angeschlossenen Vereinen und über 6000 persönlichen Mitgliedern bis 1913 zum wichtigsten Sammelbecken der bürgerlichen Bildungsarbeit im dt. Kaiserreich, in wachsender Konkurrenz zur sich intensivierenden Arbeiterbildungsbewegung.

    Wie auch Roßmäßler verstand sich U. als Anhänger der kosmischen Naturanschauung v. Humboldts, dem er eine handliche Biographie widmete, und unterstützte zu Beginn der 1860er Jahre die „Humboldtbewegung“. Auch dem Materialisten Jacob Moleschott war er freundschaftlich und familiär verbunden. U. starb 1876 an den Verletzungen infolge eines Feuerwehreinsatzes.

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. d. Leopoldina (1857).

  • Werke

    W Das Weltall, 1850, ³1859;
    Die Natur, 1851;
    Physikal. Bilder im Geiste kosm. Anschauung, 2 Bde., 1854–57;
    Die Wunder d. Sternenwelt, 1860, ⁷1923;
    Die neuesten Entdeckungen in Afrika, Australien u. d. arkt. Polarwelt, 1861;
    Populäre Naturlehre, 1867;
    Alexander v. Humboldt, 1869, ⁴1896;
    O. U.s Warum u. Weil, 1869, 101912; Aus d. Natur, Essay, 2 Bde., 1871–73; Die Erde u. d. Erscheinungen ihrer Oberfläche, 2 Bde., 1874–76, ²1892.

  • Literatur

    L ADB 39;
    K. Müller, in: Die Natur 25, 1876, S. 405 f., 416 f., 431 f. u. 442 f.;
    A. Daum, Wiss.popularisierung im 19. Jh., 1998 (W-Verz., P); – zu Heinrich Wilhelm:
    Das Leben d. Consistorial- u. Schulrathes H. W. U., gest. zu Frankfurt a/O., d. 12. Jan. 1861 (Aus d. Nachlaß d. Verstorbenen), 1861 (P).

  • Porträts

    P Lith. (?), Abb. in: Die Gartenlaube 6, 1858, S. 665.

  • Autor/in

    Andreas W. Daum
  • Zitierweise

    Daum, Andreas W., "Ule, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 560-561 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117281026.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Ule: Otto Eduard Vincenz U. wurde als Sohn des Predigers U. zu Lossow bei Frankfurt a. d. O. am 22. Januar 1820 geboren. Nachdem sein Vater als Consistorialrath nach Frankfurt a. d. O. versetzt war, besuchte er das dortige Gymnasium und bezog 1840 die Universität Halle, um Theologie zu studiren. Doch der erbitterte Kampf, welcher damals zwischen Realismus und Orthodoxie herrschte, ließ ihn keine Befriedigung in diesem Studium finden und seine schwärmerische Liebe zur Natur, die ihn von Kindheit an beseelte, veranlaßte ihn, das Studium der Theologie mit dem der Naturwissenschaften und Mathematik zu vertauschen. Er wurde ein eifriger Anhänger Burmeister's, dessen anregende Vorträge seine Liebe zu den Naturwissenschaften noch mehr entfachten. Nachdem er später ein Jahr lang in Berlin studirt hatte, um Dove zu hören, kehrte er wieder nach Halle zurück, bestand 1845 sein Oberlehrerexamen und erwarb den Doctorgrad. Nachdem er in Frankfurt a. d. O. sein Probejahr absolvirt hatte, suchte er eine Anstellung als Lehrer der Naturwissenschaften an einer Realschule, da an den Gymnasien diese Wissenschaften stark vernachlässigt wurden. Allein es bot sich ihm nicht sogleich eine passende Stellung dar, und dies sollte entscheidend für sein künftiges Leben sein. Es war damals Humboldt's Kosmos erschienen und mit Begeisterung ausgenommen; aber dies Werk war der großen Masse selbst der Gebildeten schwer verständlich. U. benutzte nun seine freie Zeit, um im Winter 1847/48 eine Reihe von Vorträgen in seiner Vaterstadt zu halten, welche das Verständniß des Kosmos anbahnen sollten. Sie fanden einen unerwartet großen Beifall. Er selbst aber wurde dadurch zu der Erkenntniß gebracht, daß er in der segensreichen Thätigkeit, die Naturwissenschaften dem Volke zu erschließen, seinen eigentlichen Lebensberuf zu suchen habe.

    Noch ein anderes Ereigniß wirkte bestimmend auf Ule's Lebensgang. Die politische Bewegung des Jahres 1848 riß auch ihn mit sich fort. Seine Begeisterung für Deutschlands Einheit und Freiheit führte ihn in die Reihen der demokratischen Partei. Infolge davon erhielt er eine Anstellung als Lehrer der Naturwissenschaften an der Agricultur-Fortbildungsschule, welche der liberale Pastor Hildenhagen in Quetz bei Halle gegründet hatte. Hier schrieb er sein erstes größeres Werk „Das Weltall“, welches man wol einen populären „Kosmos“ nennen könnte. Aber er gab dabei seine politische Thätigkeit nicht auf. Bald war er einer der eifrigsten Führer der Linken. Diese Thätigkeit trug ihm jedoch eine Anklage wegen Beleidigung des Ministeriums Brandenburg-Man-teuffel ein, welche eine mehrwöchentliche Freiheitsstrafe zur Folge hatte. Jetzt war in Preußen auf eine Anstellung im Staatsdienst kaum mehr zu hoffen. Als die Agricultur-Fortbildungsanstalt in Quetz aufgelöst wurde, wandte er sich trotzdem nach Halle und versuchte auf Grund seiner Arbeit „Untersuchungen über den Raum und die Raumtheorien des Aristoteles und Kant“ die Habilitirung zu bewirken. Aber alle seine Bemühungen waren vergeblich.

    Da faßte er den Entschluß, sich nun völlig der Popularisirung der Naturwissenschaften zu widmen. Zunächst schrieb er eine physikalische Skizze: „Die Natur. Ihre Kräfte, Gesetze und Erscheinungen im Geiste kosmischer Anschauung“ (Halle 1851). Dann aber gründete er im Verein mit Dr. Müller und Roßmäßler: „Die Natur. Zeitschrift zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse und Naturanschauungen für Leser aller Stände“. Er leitete damit die populär-naturwissenschaftliche Bewegung unserer Zeit ein. Der Erfolg war ein außerordentlicher. Schon am Ende des ersten Jahres war die „Natur“ eines der bedeutendsten Blätter Deutschlands. Bald sahen sich die größeren belletristischen Blätter veranlaßt, populär-naturwissenschaftliche Aufsätze in ihre Spalten aufzunehmen und die Gelehrten, welche sich zunächst ablehnend verhalten hatten, gaben nach und nach ihren reservirten Standpunkt auf und betheiligten sich an dem Bestreben, die Errungenschaften der Wissenschaften zum Gemeingut aller Gebildeten zu machen. Aber nicht nur durch die Zeitung suchte U. naturwissenschaftliche Kenntnisse zu verbreiten, er verfaßte auch zu diesem Zwecke eine Reihe größerer Werke, die in edler, leicht verständlicher Sprache geschrieben eine völlige Beherrschung des verschiedenartigsten Stoffes bekunden. Die wichtigsten derselben sind: „Physikalische Bilder“ (Halle 1857, 2 Bde.); „Die Wunder der Sternenwelt“ (Leipzig 1860); „Die neuesten Entdeckungen in Afrika, Australien und der arktischen Polarwelt“ (Halle 1861); „Populäre Naturlehre“ (Leipzig 1867); „Warum und Weil“ (Berlin 1869); „Die Erde und die Erscheinungen ihrer Oberfläche in ihren Beziehungen zur Geschichte derselben und zum Leben ihrer Bewohner. Eine physikalische Erdbeschreibung nach E. Reclus“ (Leipzig 1873—76, 2 Bde.). Außerdem erschienen in der Tagespresse noch zahlreiche kleinere Aufsähe.

    Trotz dieser reichen litterarischen Thätigkeit nahm U. auch seine politische Thätigkeit wieder auf und gründete eine selbständige Fortschrittspartei für Halle und den Saalekreis. Für diesen Bezirk war er 1863—65 und später für Querfurt 1869/70 als Abgeordneter in Berlin.

    Im öffentlichen Leben der Stadt Halle entwickelte U. eine außerordentliche Thätigkeit. Bald wurde keine wichtige Angelegenheit ohne seine Mitwirkung verhandelt. Als langjähriger Stadtverordneter nahm er an der städtischen Verwaltung Antheil. Er gründete eine Reihe von Vereinen und nahm in anderen eine hervorragende Stellung ein; ja es gab in Halle wol kaum einen Verein zu gemeinnützigen Zwecken, dem U. nicht angehörte. Man muß erstaunen über die Vielseitigkeit, die unverdrossene Thätigkeit, die selbstverleugnende Hingabe und Opferwilligkeit, die er in so reichem Maaße zeigte und durch seinen Tod besiegelte. Am 6. August 1876 hatte er eine von ihm ins Leben gerufene Gartenbauausstellung mit fesselnder Rede eröffnet, da erscholl das Feuersignal. Als Commandant der freiwilligen Feuerwehr eilte er auf die Brandstätte und wurde durch niederstürzendes Gestein so schwer verletzt, daß er am folgenden Tage starb.

    U. war ein Idealist, ein edler, liebenswürdiger Mensch, ein treusorgender Familienvater. Ein Hauptwesenszug bestand darin, daß er stets den Geist der gesammten Naturwissenschaften zu erfassen bestrebt war. Das Werk aber, zu dem er den Grundstein legte, ist mit ihm nicht untergegangen, sondern zahlreiche Nachfolger sind beschäftigt, dasselbe nach allen Richtungen weiter auszubauen.

  • Autor/in

    W. Heß.
  • Zitierweise

    Heß, Wilhelm, "Ule, Otto" in: Allgemeine Deutsche Biographie 39 (1895), S. 180-181 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117281026.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA