Lebensdaten
1780 – 1847
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Salzburg
Beruf/Funktion
preußischer Generalleutnant
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 116675799 | OGND | VIAF: 27828907
Namensvarianten
  • Rühle von Lilienstern, Johann Jakob Otto August
  • Rühle von Lilienstern, August
  • Rühle von Lilienstern, Johann Jakob Otto August
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Zitierweise

Rühle von Lilienstern, August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116675799.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Rühle v. Lilienstern: Johann Jakob Otto August R., (der Rufname, als welchen Starklof ("Das Leben des Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach“ I, 46, Gotha 1865) auf Grund der weimarischen Acten „Ludwig“, das Militär-Wochenblatt (s. u.) „Otto“ nennt, war nach der zuverlässigen Mittheilung eines Familienmitgliedes „August"), preußischer Generallieutenant, ward am 16. April 1780 zu Berlin geboren. Sein Vater, welcher aus Frankfurt a. M. stammte, war preußischer Lieutenant gewesen; später besaß derselbe das Gut Königsberg in der Priegnitz. Hier verlebte R. seine erste Kindheit, 1793 kam er in das Cadettencorps zu Berlin und Ende 1795 als Fahnenjunker in das zu Potsdam garnisonirende Regiment Garde. Das stramme militärische Wesen, welches dort vorherrschte, sagte Rühle's Eigenart nicht zu und ebenso wenig entsprach letztere den soldatischen Anforderungen, welche der Chef des Regiments, der General v. Rüchel, an die Officiere desselben stellte, desto mehr Beifall aber fand R. in den geselligen Kreisen der Stadt und General v. Geusau nützte schon jetzt sein Talent für Zeichnen bei Arbeiten für die königliche Plankammer aus. Die letztere Verwendung bahnte ihm den Weg in die im J. 1801 zu Berlin eröffnete Akademie für Officiere. Scharnhorst, der Leiter derselben, zählt ihn bei der Gruppirung der Schüler, welche er am 29. November 1803 vornahm, zur Classe derjenigen, „welche sich durch Fähigkeiten, Kenntnisse und Fleiß auszeichnen"; es war die zweite unter den Gruppen, in welche er die Zöglinge theilte, und R. unter acht derselben der Vorletzte; zur ersten rechnete Scharnhorst nur Clausewitz und Tiedemann (M. Lehmann,|Scharnhorst II, Berlin 1887). Neben den militärischen Studien beschäftigten R. namentlich Mathematik, Naturwissenschaften, Philosophie, Politik und die Musik. Mehr als dem Oberst Scharnhorst aber trat er Massenbach nahe, der sein Gönner wurde; bei der durch diesen bewirkten neuen Organisation eines Generalquartiermeisterstabes fand er am 30. März 1804 in demselben als Adjoint 1. Classe Aufnahme. Unter Massenbach nahm er im Hauptquartier des Fürsten Hohenlohe an den Ereignissen des Jahres 1806 theil, bis die Capitulation von Prenzlau ihn zur Unthätigkeit verdammte. Das Jahr 1807 verlebte er größtentheils in Dresden, mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt, an denen sein späteres Leben so reich sein sollte. Damals erschien die erste seiner Veröffentlichungen, der „Bericht eines Augenzeugen von dem Feldzuge der während den Monaten September und October 1806 unter dem Commando des Fürsten von Hohenlohe-Ingelfingen gestandenen Königl. preußischen und kurfürstl. sächsischen Truppen“ (Tübingen, 2. Aufl. 1809), die Buchstaben R. v. L. auf dem Titelblatte machten R. als den Verfasser kenntlich. Obgleich zu Gunsten des Hohenlohe’schen Hauptquartiers und im Sinne Massenbach's geschrieben, ist das Buch keineswegs eine Parteischrift, sondern von bleibendem geschichtlichen Werthe. Die nächste Folge der Herausgabe waren zahlreiche Widersprüche und Entgegnungen; das Buch war aber auch in einer anderen Richtung von Wichtigkeit für des Verfassers ferneren Lebensgang, da es den Herzog Karl August von Sachsen-Weimar veranlaßte, ihm die Stellung als Gouverneur seines zweiten Sohnes, des Prinzen Bernhard (A. D. B. II, 450), anzubieten. R., welcher sich damals mit dem Gedanken trug, die soldatische Laufbahn ganz aufzugeben und in Ostindien ein Unterkommen zu suchen, nahm an und trat, am 3. September 1807 aus dem preußischen Heere entlassen, als Major und Kammerherr in den weimarischen Dienst. Er übernahm den Posten ohne Neigung, füllte ihn aber auch wenig genügend aus, es ging ihm die Fähigkeit ab, auf die Entwicklung seines Zöglings in folgerechter und durchdachter Weise einzuwirken. Während sein Zögling, welcher in das sächsische Heer getreten war und in Dresden in Garnison stand, ein ungebundenes, kaum überwachtes Leben führte, gab R. sich litterarischen Bestrebungen hin, deren Hauptfrucht die Herausgabe der „Pallas, Zeitschrift für Staats- und Kriegskunst“ (1808—10) war. Dem geistig anregenden Verkehr, in welchem er mit Adam Müller, Ernst v. Pfuel, Heinrich v. Kleist und anderen Gleichgesinnten lebte, und den geselligen Kreisen, in denen er seiner bald nachher von ihm heimgeführten Gattin, einer Frau v. Schwedhof, geb. v. Franckenberg-Ludwigsdorff, begegnete, entzogen ihn für eine Zeit lang die Ereignisse des Jahres 1809. Da Prinz Bernhard am Feldzuge gegen Oesterreich theilnehmen mußte, machte auch R. denselben mit; es geschah in der Form, daß er als weimarischer Oberst dem Hauptquartier Bernadotte's, unter welchem letzteren die Sachsen standen, zugetheilt wurde und das Operationsjournal führte. Seine Erlebnisse und die Eindrücke, welche er empfing, hat er in einem dreibändigen Werke „Reise mit der Armee im Jahre 1809“ beschrieben, welches 1810—12 in Rudolstadt erschien; in militärischer Beziehung war jene Zeit insofern von großer Wichtigkeit für R., als sie ihn die Verhältnisse des französischen Heeres genau kennen lernen ließ und ihn in Berührung mit vielen bedeutenden Männern brachte. Seine Bekanntschaft mit Bernadotte ward im Herbst 1813 sehr folgenreich. Ende 1811 hörte sein Verhältniß zum Prinzen aus; von den mannichfachen anderweiten Lebensplänen, welche jetzt für ihn in Frage kamen, verwirklichte sich keiner und R. versuchte es nun in Laubegast bei Pillnitz mit der Landwirthschaft, setzte aber dabei sein kleines Vermögen zu.

    Da kam das Jahr 1813. R., entschlossen, wenn es sein müsse, als Freiwilliger einzutreten, fand als Major von neuem Verwendung im preußischen Heere und ward dem Generalstabe Blücher's zugetheilt. Damit trat er in den Kreis Scharnhorst's, Gneisenau's, Müffling's und gehörte fortan zu den eifrigsten und einflußreichsten Gliedern jener Genossenschaft, welcher es mit dem Kriege gegen die korsische Gewaltherrschaft und mit der Befreiung Deutschlands heiliger Ernst war. Er durfte mit der Feder und mit dem Schwerte thätig sein. Ein leuchtendes Zeugniß des Wirkens mit jener war der „Kriegskatechismus für die Landwehr“, Breslau im März 1813, welchen er schrieb; von seiner Befähigung für den Gebrauch des Schwertes spricht außer seiner Theilnahme an den Streifzügen auf dem linken Elbufer und der Thätigkeit, welche er bei Lützen und bei Bautzen entwickelte, die Anregung zu dem Reitergefechte bei Haynau, welche ihm zu danken ist. Dann aber ließ ihn seine von jeher schwankend gewesene Gesundheit im Stiche, ein Halsleiden zwang ihn den Kriegsschauplatz zu verlassen, erst am 2. September traf er aus dem Bade in Blücher's Hauptquartier zu Lauban wieder ein. Nun aber begann die wichtigste Periode seiner Wirksamkeit während des Feldzuges; es war ihm vergönnt, einen weit über die Stellung eines Generalstabsmajors hinausgehenden Einfluß auf den Gang der Unternehmungen zu äußern, indem ihm verschiedene Sendungen aufgetragen wurden, deren Endziel das vom Blücher’schen Hauptquartier angestrebte Zusammenwirken der nicht nur räumlich, sondern auch durch Nebenzwecke und Eigengelüste von einander geschiedenen Heerestheile war. Ein klarer Einblick in die politischen und militärischen Verhältnisse, ein darauf gegründetes bewußtes Streben und große Gewandtheit im Verkehr halfen den „Einfädler“ R., bedeutende Schwierigkeiten zu überwinden und große Erfolge zu erringen. Es handelte sich in der Hauptsache darum, die Zustimmung der Monarchen zu Blücher's Absicht, die Elbe zu überschreiten und die Mitwirkung der verschiedenen Heerführer bei diesem Vorhaben zu erlangen. Die Art und Weise, wie er seines Feldherrn Plan im großen Hauptquartier zu Teplitz vertrat, erkannte Kaiser Alexander dadurch an, daß er R. in Gegenwart Friedrich Wilhelm's III. umarmte und dem Könige Glück wünschte, einen so ausgezeichneten Officier zu haben; dieser verstand es ferner Bubna, Bülow und Tauentzien zur Unterstützung des Planes, die letzteren beiden auch für den Fall, daß ihr Oberbefehlshaber, der Kronprinz von Schweden, nicht einverstanden sein sollte, zu gewinnen, und endlich wußte er den letzteren selbst zur Betheiligung an dem Unternehmen zu bestimmen. Kurz vor der Schlacht bei Leipzig erreichte er bei einer nochmaligen Sendung in das Große Hauptquartier, daß die allgemeinen Anordnungen für den bevorstehenden Entscheidungskampf wiederum in dem von ihm vertretenen Sinne getroffen wurden. Dann aber endete mit der Theilnahme an der Schlacht selbst, seine kriegerische Thätigkeit. Sein Leiden machte die Fortsetzung derselben unmöglich. Es ward ihm aber sofort ein anderer wichtiger Wirkungskreis angewiesen, indem er, am 8. December zum Oberstlieutenant befördert, am 24. desselben Monats im Auftrage seines Monarchen und der beiden Kaiser zum „General-Commissarius für die Deutsche Landes-Bewaffnung“ ernannt wurde. Der Sitz der Behörde, an deren Spitze er durch diese Ernennung trat, war Frankfurt a. M.; ihre Wirksamkeit war, wegen der Verschiedenheit in den politischen Verhältnissen der einzelnen Länder, eine nicht überall gleich erfolgreiche. Wie bedeutend sie im ganzen gewesen ist, geht daraus hervor, daß schon am 3. März 1814, nach Ausweis eines dem Staatskanzler Fürst Hardenberg erstatteten Berichtes, 111 185 Mann nebst 90 Geschützen theils im Felde, theils zum Ausrücken bereit standen, und daß außerdem 600 000 Mann Landsturm mit Waffen versehen waren; in Baden und im Bergischen wurden diese bereits zur Bewachung des Rheinusers und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen|Ordnung verwendet. Nach Herstellung des Friedens war R. zunächst bei Aufstellung der Entwürfe für die Neuordnung des deutschen Heerwesens thätig und für diesen Zweck auch zur Zeit des Congresses in Wien anwesend; nach Napoleon's Rückkehr von Elba ward er als Chef des Generalstabes dem Militärgouverneur der Rheinprovinzen in Aachen, dem General v. Dobschütz, beigegeben, bald darauf ward er zum Oberst befördert; organisatorische Arbeiten, durch die befohlene Aufstellung von 20 000 Mann Landwehr veranlaßt, nahmen ihn auch hier hervorragend in Anspruch; sie gaben ihm zugleich Veranlassung zur Herausgabe einer Anzahl von Schriften über Fragen der Heeresbildung. Verschiedene andere Pläne und Vorschläge inbetreff seiner Verwendung während des Feldzuges waren unerfüllt geblieben, so die Absicht, ihn dem Befehlshaber einer Reitermasse beizugeben, welche, den Heeren vorauseilend, den Norden Frankreichs überschwemmen sollte, sowie der Wunsch Blücher's und Gneisenau's, ihn wieder im Hauptquartier des Ersteren zu sehen; sie zeigen, daß er nicht nur für einen Gelehrten und für einen Mann von der Feder galt, sondern daß man ihn an maßgebender Stelle auch als Feldsoldaten schätzte.

    Ende 1815 kehrte er nach Berlin zurück, wo er fortan in verschiedenen dienstlichen Stellungen, aber stets außerhalb der Truppe und meist zu wissenschaftlichen Geschäften verwendet, thätig blieb. Zuerst ward er Chef der Abtheilung für Kriegsgeschichte in dem neueingerichteten Großen Generalstabe und 1821 Chef des letzteren unter dem zum Chef des Generalstabes der Armee ernannten Generallieutenant v. Müffling, 1837 aber, nachdem er 1835 Generallieutenant geworden war, Director der Allgemeinen Kriegsschule (jetzt Kriegsakademie), in deren Studiencommission er bereits seit längerer Zeit den Vorsitz geführt hatte; am 23. März 1844 endlich trat er als Generalinspecteur an die Spitze des gesammten Militärerziehungs- und Bildungswesens, gleichzeitig wurde er zum Director der Obermilitärexaminationscommission ernannt. Wenn die Leistungen der preußischen Militärbildungsanstalten zu Rühle's Zeit nach jetzigen Ansichten viel zu wünschen übrig ließen und es erst seinem späteren Nachfolger, dem General v. Peucker (s. A. D. B. XXV, 556) gelang, hier Wandel zu schaffen, so lag der Grund nicht darin, daß R. die Mängel nicht erkannt hätte und nicht bemüht gewesen wäre, dieselben abzustellen, sondern in dem Fehlen der für diesen Behuf erforderlichen Geldmittel. Nebenbei entfaltete er auf sehr verschiedenen und weit auseinander liegenden Gebieten fortgesetzt eine umfassende schriftstellerische Thätigkeit. Das Militärwochenblatt (s. unten) bringt ein „Verzeichniß der Schriften und graphischen Produktionen (Karten) etc.“, welches mehrere Druckseiten füllt. Dasselbe nennt militärische, darunter das sehr verbreitete, jetzt allerdings veraltete „Handbuch für den Officier“, 2 Bände, Berlin 1817/18, graphisch-historische, geographisch-mythologische, politische, geographische, physikalische, philosophische und gemischte Schriften, Karten und Atlanten. Daneben leitete er längere Zeit das von ihm im J. 1816 mit dem Capitän v. Decker begründete „Militär-Wochenblatt“. Seine seltene Begabung und hohe Bildung wurden außerdem während seines späteren Berliner Aufenthaltes durch Verwendung bei mancherlei Commissionen in den Bereichen des allgemeinen Schulwesens, der militärischen Gerichtspflege, für die erste Herstellung von Eisenbahnen, im Staatsrathe etc. verwerthet; die Universität Kiel gab ihrer Anerkennung seiner Verdienste im J. 1839 durch Verleihung der Doctorwürde Ausdruck. R. war ferner wohlbewandert und eifriger Sammler auf dem Felde der Münz- und Pflanzenkunde, ein Dichter und Maler. Er starb am 1. Juli 1847 zu Salzburg auf der Rückreise von Gastein, wo er vergeblich Herstellung seiner geschwundenen Lebenskraft zu finden gehofft hatte.

    • Literatur

      General-Lieutenant Rühle von Lilienstern, ein biographisches Denkmal. Beiheft zum Militär-Wochenblatt für die Monate October, November und December 1847, Berlin.

  • Autor/in

    B. Poten.
  • Zitierweise

    Poten, Bernhard von, "Rühle von Lilienstern, August" in: Allgemeine Deutsche Biographie 29 (1889), S. 611-615 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116675799.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA