Lebensdaten
1542 – 1626
Geburtsort
Bruck (Brüx, tschechisch Most, Böhmen)
Sterbeort
Augsburg
Beruf/Funktion
Jesuit ; Philologe
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 100250769 | OGND | VIAF: 352137
Namensvarianten
  • Spanmüller, Jacobus (eigentlich)
  • Spanmüller, Jakob (eigentlich)
  • Pontanus, Jacobus
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Zitierweise

Pontanus, Jacobus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100250769.html [28.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Nach dem Studium an den Jesuitenkollegien in Prag und Ingolstadt lehrte P. am Dillinger Kolleg 1570-79 die alten Sprachen und Rhetorik. Zusammen mit dem Dramatiker Wolfgang Starck (1554–1605) gründete er 1582 das Augsburger St. Salvator-Kolleg und leitete es 20 Jahre als Rektor. Sein Entschluß, als „Grammaticus“ die aktive Beherrschung der lat. Sprache und vielseitige Kenntnisse der griech.-röm. Kulturgeschichte und Dichtung zu lehren, anstatt zum Theologie-Professor aufzusteigen, beruhte auf der humanistischen Überzeugung, daß rhetorische Gewandtheit, breite Literaturkenntnisse und eine Fülle von Sachwissen für viele Berufe qualifizierten und die moralische Persönlichkeit festigten. Dieser Auffassung ist das große Gewicht zu verdanken, das die jesuitische „Ratio studiorum“, die P. mit einem Gutachten 1591 mit auf den Weg brachte, auf die Trivialfächer legte.

    P. schrieb Lehrbücher, die wegen ihrer didaktischen Vorzüge z. T. bis ins 18. Jh. auch an prot. Schulen in Gebrauch waren. Sein berühmtestes Werk, die „Progymnasmata latinitatis“ (3 Bde., 1588–94), machte den an Jesuitenschulen verbotenen „Colloquia familiaria“ des Erasmus von Rotterdam Konkurrenz. Es enthält Dialoge, die an den Schulalltag anknüpfen, Einblicke in verschiedene Wissensgebiete und praktische Berufe geben. Die „Poeticae Institutiones“ (1594) zeichneten sich gegenüber Scaligers Poetik (1561) und der Dramentheorie Giovanni Antonio Viperanos (1579) durch präzise, übersichtliche Stoffanordnung und die Gegenüberstellung röm.-antiker Beispiele mit eigenen Musterdichtungen aus (v. a. komische „Ludi“ u. „Dialogi“, kurze Bibeldramen, geistl. Lieder u. Epigramme). Sie führten das neue, von Marc-Antoine Muret (1526–85) und Justus Lipsius (1547–1606) propagierte Stilideal der „argutia“ erstmals an deutschen Schulen ein. Pointenreichtum, Witz und stilistische Brillanz sind die Kriterien, unter denen P. in den „Attica Bellaria“ (1615-20) und „Philokalia“ (1626) Fazetien, Sentenzen und Apophthegmata sammelte und seine eigenen Epigramme zur Nachahmung empfahl. Die Jesus und Maria gewidmeten, betont schlichten Lieder in Hymnenform oder Odenstrophen in den „Floridorum libri octo“ (1595) schlugen hingegen eine Brücke von der geistlichen Dichtung des Mittelalters zu späteren Zeugnissen mystischer Frömmigkeit, die sich am Aufbau der ignatianischen „Exercitia spiritualia“ orientieren. Von irenischer Frömmigkeit und Friedenssehnsucht zeugen P.s Lobgedichte auf Heinrich IV., dem er seine Edition eines Kyrill von Alexandrien zugeschriebenen Kommentars zu den 12 kleinen Propheten widmete (1607). Umfangreiche Kommentare zu Vergil (Symbolarum libri XVII, 1600) und zu Ovids „Metamorphosen“ (1618) bieten Synopsen der Lehrmeinungen ital. und franz. Humanisten, während die Sentenzensammlung „Ethica Ovidiana“ (1617) die Tradition des „Ovidius morallsatus“ fortsetzt.

    Aus den handschriftlichen Beständen der hzgl.-bayer. Bibliothek machte P. Chroniken und aszetische Schriften spätbyzantin. Historiker und Mönche aus der Zeit von Ks. Andronikos III. (reg. 1328-41) und Ks. Johannes V. Palaiologos (reg. 1341-91) in griech.-lat. Editionen zugänglich. P.s Interesse für byzantin. Schriftsteller und für die mystische Frömmigkeit der orthodoxen Mönche fällt in die Zeit verstärkter Unionsbemühungen der Ostkirchenvertreter mit Rom, die mit Hilfe jesuitischer Theologen von den gegenreformatorischen Päpsten zur Kompensierung reformationsbedingter Verluste gefördert wurden.

  • Werke

    Weitere W Kochi Perusini de scribenda et rescribenda epistola liber, 1578;
    Nonnulla circa studia humaniora tractatus (1593), in: L. Lukács (Hg.), Monumenta paedagogica SJ, VII, 1992, 88-104;
    Colloquiorum sacrorum libri IV, 1609;
    Stratocles sive Bellum, in: F. Rädle (Hg.), Lat. Ordensdramen des XVI. Jh. mit dt. Überss., 1979, 296-365;
    Dialogus de connubii miseriis, hg. v. F. Rädle, in: Virtus et Fortuna, FS für H.-G. Roloff, 1983, 290-314. – Ed.: Theophylacti Simocattae … historiae Mauricii Tiberii Imp. Lib. VIII., Item Georgii Phranzae Proto-Vestiarii Chronicorum … libri III., Epistola Georgii Trapezuntii, qua loannem Palaeologum Imp. hortatur … 1604;
    Philippi Solitarii Dioptra … quatuor libris per dialogum explicata, 1604 [enth. ebenfalls weitere aszet. Texte byzantin. Autoren];
    loannis Cantacuzeni Eximperatoris historiarum libri IV… 1729. – Hss.: Epistolae (Bayer. Staatsbibl. München, Clm 1960, 1610, 1612, 1613, 1615, 1617);
    Ludus ad Instaurationem studiorum (Studienbibl. Dillingen, Cod. XV, 223).

  • Literatur

    ADB 26;
    J. Bielmann, Die Dramentheorie u. Dramendichtung des J. P. (1542-1626), in: Lit.wiss. Jb. d. Görres-Ges. 3, 1928, S. 45-85;
    ders., Die Lyrik d. J. P., ebd. 4, 1929, S. 83-103;
    M. Fumaroli, Une pédagogie de la parole, Les Progymnasmata latinitatis du P. J. P., in: Acta Conventus neolatini, hg. v. P. Tuyman u. a., 1979, S. 410-25;
    W. Baer (Hg.), Die Jesuiten u. ihre Schule St. Salvator in Augsburg 1582, 1982;
    B. Bauer, in: ZBLG 47, 1984, S. 77-120;
    dies., Jesuit. ‚ars rhetorica' im Za. d. Glaubenskämpfe, 1986, S. 243-317;
    P. R. Blum, in: St. Füssel (Hg.), Dt. Dichter d. frühen Neuzeit 1450-1600, 1993, S. 626-35;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy.

  • Autor/in

    Barbara Bauer
  • Zitierweise

    Bauer, Barbara, "Pontanus, Jacobus" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 615-616 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100250769.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Pontanus: Jacob P., Philologe und Jesuit des 16. und 17. Jahrhunderts, hieß eigentlich Spanmüller und war im J. 1542 in Brüx in Böhmen geboren. Nach diesem seinen Geburtsorte nahm er den Namen P. an. Seine Bildung genoß er im Convict in Prag; 1564 trat er trotz des Widerstrebens seiner Familie in den Orden S. J. und wurde bereits 1566 mit den Ordensbrüdern nach Baiern geschickt, um dort als Lehrer thätig zu sein. So wirkte er 27 Jahre lang in Ingolstadt, vielleicht auch an anderen Orten, als Lehrer der Grammatik, Poesie und Rhetorik. In seinen späteren Jahren beschäftigte er sich noch immer einig mit classischen Studien und gab eine große Zahl von Büchern heraus; er starb 84jährig in Augsburg am 25. November 1626. Seine Schriften sind theils theologischen Inhalts (Parthenometrica i. e. meditationes, preces et laudes in Virginem matrem; Colloquia Sacrorum u. A.), vornehmlich aber philologischer Natur. Das vierbändige Werk „Progymnasmata purae latinitatis“. welches 1588—94 erschien, ist noch bis in das vorige Jahrhundert hinein im Schulgebrauch gewesen und immer wieder aufgelegt; vielen Beifall fanden auch seine Commentare zu Vergil und Ovid und die „Attica bellaria s. literatorum secundae mensae ad animos relaxandos“, zuerst 1615. Außerdem gab er eine Reihe von Uebersetzungen spätgriechischer Schriftsteller heraus.

    • Literatur

      Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrter I. 53 f. — Pelzel, Jesuiten, S. 4. —
      Jöcher III, S. 1688. — Rotermund VI, S. 610—612, wo auch ein ziemlich vollständiges Verzeichniß seiner Schriften zu finden ist.

  • Autor/in

    R. Hoche.
  • Zitierweise

    Hoche, Richard, "Pontanus, Jacobus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 26 (1888), S. 413 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100250769.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA