Lebensdaten
1900 – 1980
Geburtsort
Frankfurt am Main
Sterbeort
Locarno-Muralto (Kt. Tessin)
Beruf/Funktion
Psychoanalytischer Sozialpsychologe ; Humanist
Konfession
jüdisch, seit 1926 konfessionslos
Normdaten
GND: 121733·211 | OGND | VIAF
Namensvarianten
  • Fromm, Erich Seligmann
  • Fromm, Erich
  • Fromm, Erich Seligmann

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Zitierweise

Fromm, Erich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd121733·211.html [29.03.2024].

CC0

  • Erich Fromm entwickelte als Soziologe und Psychoanalytiker eine eigene Auffassung von Sozialpsychologie, um das bewusste und unbewusste Denken, Fühlen und Handeln gesellschaftlicher Gruppierungen zu erforschen und auf der Basis eines humanistischen Menschenbilds Aussagen über deren Gelingen und Misslingen zu machen. Seine Schriften erreichen zum Teil bis heute hohe Auflagen und werden weltweit rezipiert.

    Lebensdaten

    Geboren am 23. März 1900 in Frankfurt am Main
    Gestorben am 18. März 1980 in Locarno-Muralto (Kt. Tessin)
    Konfession jüdisch, seit 1926 konfessionslos
    Erich Fromm, Erich Fromm Institut (InC)
    Erich Fromm, Erich Fromm Institut (InC)
  • Lebenslauf

    23. März 1900 - Frankfurt am Main

    1906 - 1918 - Frankfurt am Main

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Volksschule und Wöhler-Realgymnasium

    1918 - 1919 - Frankfurt am Main

    Studium der Rechtswissenschaften

    Universität

    1919 - 1921 - Heidelberg

    Studium der Rechtswissenschaften, Staatswissenschaft und Nationalökonomie

    Universität

    1921 - 1922 - Heidelberg

    Promotionsstudium bei Alfred Weber (1868–1958); Promotion 1922 (Dr. phil.)

    Universität

    1924 - Heidelberg

    Eröffnung eines Therapeutikums mit Frieda Reichmann (1889–1957)

    1925 - 1926 - München

    Studium der Psychiatrie bei Emil Kräpelin (1856–1926) und der Psychologie; Psychoanalyse bei Wilhelm Wittenberg (1874–1928)

    1928 - 1930 - Berlin

    Ausbildung am Psychoanalytischen Institut und Lehranalyse bei Hanns Sachs (1881–1947)

    1929 - Frankfurt am Main

    Mitbegründer

    Süddeutsches Institut für Psychoanalyse

    1930 - Berlin

    Eröffnung einer psychotherapeutischen Praxis

    1930 - 1939 - Frankfurt am Main; New York City

    Mitarbeiter

    Institut für Sozialforschung

    1931 - 1934 - Davos (Kt. Graubünden)

    Erkrankung an Lungentuberkulose und Kuraufenthalt

    1932

    Veröffentlichungen in der „Zeitschrift für Sozialforschung“

    Zeitschrift für Sozialforschung

    1934 - Schweiz; Frankreich; New York City

    Emigration aus der Schweiz über Frankreich in die USA

    1935 - New York City

    Kontakt mit Harry Stack Sullivan (1892–1949); Aufbau einer psychotherapeutischen Praxis

    1935 - 1939 - New York City

    Gastprofessor

    Columbia University

    1936 - 1937

    Neuformulierung seiner sozialpsychologischen Theorie und Beginn des Konflikts mit dem Institut für Sozialforschung

    1938 - 1939 - Davos

    Europareise; erneute Erkrankung

    1940 - New York City

    US-amerikanischer Staatsbürger

    1941 - 1949 - New York City

    Lehrtätigkeit

    New School for Social Research

    1942 - 1950 - Bennington (Vermont, USA)

    Teilzeitprofessor

    Bennington College (Vermont)

    1945 - 1947 - Ann Arbor (Michigan, USA)

    Professor für Psychologie

    University of Michigan

    1946 - New York City

    Mitbegründer und Vorsitzender der Fakultät (bis 1950)

    William Alanson White Institut für Psychiatrie und Psychoanalyse

    1946 - 1950 - Bennington

    Zweitwohnsitz

    1949 - 1950 - New Haven (Connecticut, USA)

    Gastprofessor („Terry Lectures“, veröffentlicht 1950 als „Psychoanalysis and Religion“)

    Yale University

    1950 - Mexiko-Stadt

    Übersiedlung

    1951 - 1965 - Mexiko-Stadt

    Professor für Psychoanalyse und psychoanalytische Ausbildung

    Autonome Nationale Universität von Mexiko (UNAM)

    1956 - Cuernavaca (Mexiko)

    Gründung; Übersiedlung

    Sociedad Psicoanalítica Mexicana

    1957 - Cuernavaca

    Seminar mit Daisetz T. Suzuki (1870–1966) über „Psychoanalysis and Zen Buddhism“ (veröffentlicht 1960)

    1957 - 1963 - Chiconcuac (Mexiko)

    empirische Untersuchung „Der Gesellschafts-Charakter eines mexikanischen Dorfes“ (veröffentlicht 1970)

    1959 - 1968

    Verstärkung der politischen Aktivitäten in den USA; Engagement für einen Sozialistischen Humanismus

    1961 - Düsseldorf

    Aufenthalt in Europa; Gründung

    International Federation of Psychoanalytic Societies (IFPS)

    1963 - Mexiko-Stadt

    Eröffnung

    Instituto Mexicano de Psicoanálisis

    1967 - 1973 - Locarno (Kt. Tessin)

    mehrmonatige Aufenthalte in der Schweiz

    1973 - 1980 - Locarno-Muralto

    ganzjähriger Aufenthalt in der Schweiz; Übersiedlung

    18. März 1980 - Locarno-Muralto (Kt. Tessin)
  • Genealogie

    Vater Naphtali Fromm 1869–1933 Fabrikant von und Händler mit Beerenweinen in Frankfurt am Main
    Großvater väterlicherseits Seligmann Pinchas Fromm 1821–1898 seit 1875 Hauslehrer und Haus-Rabbiner bei Baron Willi Carl von Rothschild (1828–1901) in Frankfurt am Main
    Großmutter väterlicherseits Rahel Bamberger 1831–1893 Tochter des Rabbiners Seligmann Bär Bamberger (Würzburger Rav) (1807–1878)
    Mutter Rosa Fromm, geb. Krause 1876–1959 aus Posen
    Geschwister keine
    1. Heirat 16.6.1926 in Heidelberg
    Ehefrau Frieda Fromm , geb. Reichmann 1889–1957 Psychiaterin, Psychoanalytikerin
    Schwiegervater Alfred Reichmann 1859–1924 Bankier in Karlsruhe
    Schwiegermutter Klara Sara Reichmann, geb. Simon 1867–1952
    Scheidung 1942 (Trennung 1933) in New York City
    Kinder keine
    2. Heirat 24.7.1944 in New York City
    Ehefrau Henny Fromm , geb. Meyer, gesch. Rosenthal (1929), gesch. Gurland (1943) 27.9.1900–4.6.1952 aus Aachen; Sekretärin, Fotografin
    Schwiegervater Leopold Meyer gest. 1940 Optiker, Tabakhändler in Aachen; emigrierte um 1939 nach Lissabon, gest. ebenda
    Schwiegermutter Augusta Meyer , geb. Schruers (oder Schrürs?) gest. 1940 emigrierte um 1939 nach Lissabon; gest. ebenda
    Stief-Sohn Joseph Gurland 1923–2003 Metallurg, 1955 Professor of Engineering an der Brown University in Providence (Rhode Island, USA)
    3. Heirat 18.12.1953 in Maryland (USA)
    Ehefrau Annis Fromm, geb. Grover, verw. Freeman 10.5.1902–25.9.1985 aus Jefferson County (Alabama, USA)
    Kinder keine
    Großonkel mütterlicherseits Ludwig Krause gest. um 1914 Talmudgelehrter in Posen
    Großneffe mütterlicherseits Heinz Brandt 1909–1986 kommunistischer Widerstandskämpfer; Häftling der KZ Sachsenhausen und Auschwitz; SED-Funktionär; 1961 wegen Spionage inhaftiert und zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt; Amnesty International Gefangener des Jahres 1964; danach Journalist in der Bundesrepublik; Mitgründer der Partei „Die Grünen“
    Cousine väterlicherseits Gertrud Hunziker Fromm 1916–2013 Psychoanalytikerin in Zürich
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Fromm, Erich (1900 – 1980)

    • Vater

      Naphtali Fromm

      1869–1933

      Fabrikant von und Händler mit Beerenweinen in Frankfurt am Main

      • Großvater väterlicherseits

        Seligmann Pinchas Fromm

        1821–1898

        seit 1875 Hauslehrer und Haus-Rabbiner bei Baron Willi Carl von Rothschild (1828–1901) in Frankfurt am Main

      • Großmutter väterlicherseits

        Rahel Bamberger

        1831–1893

        Tochter des Rabbiners Seligmann Bär Bamberger (Würzburger Rav) (1807–1878)

    • Mutter

      Rosa Fromm

      1876–1959

      aus Posen

    • 1.·Heirat

      in

      Heidelberg

    • 2.·Heirat

      in

      New York City

    • 3.·Heirat

      in

      Maryland (USA)

  • Biografie

    alternativer text
    Erich Fromm, Erich Fromm Institut (InC)

    Fromm wuchs in Frankfurt am Main auf und erhielt hier 1918 am Wöhler-Realgymnasium das Abitur. Kindheit und Jugend waren vom orthodox gelebten Judentum seiner Eltern bestimmt. Ersten Talmudunterricht erhielt er durch Ludwig Krause (gest. um 1914), einen Großonkel der Mutter, der seinen Lebensabend im Haus der Fromms verbrachte. Erheblichen Einfluss auf ihn hatten der orthodoxe Rabbiner der Synagoge am Börneplatz in Frankfurt, Nehemia Anton Nobel (1871–1922), und während des Studiums in Heidelberg der vom Chassidismus geprägte Privatlehrer Salman Baruch Rabinkow (1882–1941), bei dem Fromm fast fünf Jahre lang Talmud-Unterricht und Unterricht in jüdischer Geistesgeschichte nahm.

    Nach zwei Semestern Jurastudium an der Universität Frankfurt am Main studierte Fromm seit 1919 Rechtswissenschaften, Staatswissenschaft und Nationalökonomie in Heidelberg, wo er 1922 bei dem Soziologen Alfred Weber (1868–1958) zum Dr. phil. promoviert wurde. Seine spätere Frau, Frieda Reichmann (1889–1957), machte ihn mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds (1856–1939) bekannt, dessen Konzept des Unbewussten und Verdrängten zu erklären versuchte, warum ein Mensch irrational denkt, fühlt und handelt.

    Nach ersten psychoanalytischen Erfahrungen bei Wilhelm Wittenberg (1874–1928) in München 1925/26 schloss Fromm seine Ausbildung zum Psychoanalytiker mit einer Lehranalyse zwischen 1928 und 1930 bei Hanns Sachs (1881–1947) am Berliner Psychoanalytischen Institut ab. Zeitlebens bewegte ihn die Frage, warum sich viele, auch psychisch gesunde Menschen, irrational verhalten. Schon in seiner Dissertation „Das jüdische Gesetz“ (1922) hatte Fromm erkannt, dass das Verhalten von Vielen aus deren gemeinsamer Lebenspraxis erklärt werden müsse. Wichtig für Fromms weitere Entwicklung wurde seine Lossagung vom orthodox gelebten Judentum an Pessach 1926 und seine Hinwendung zu einem ebenso entschiedenen Humanismus. Bald nach der Eröffnung einer eigenen psychoanalytischen Praxis am Bayerischen Platz 1 in Berlin 1930, holte ihn der neue Direktor des Instituts für Sozialforschung, Max Horkheimer (1895–1973), als Fachmann für psychologische Fragen an das Institut nach Frankfurt. Hier entwickelte Fromm auf der Grundlage von Freuds Triebtheorie und Karl Marx’ (1818–1883) Soziologie eine eigene sozialpsychologische Theorie und erklärte autoritäre Verhaltensweisen der Vielen aus einer autoritären sozio-ökonomischen Lebenspraxis. Er versuchte, die Theorie mit einer großangelegten empirischen Untersuchung über den autoritären Charakter bei deutschen Arbeitern und Angestellten zu untermauern (gedruckt 1980).

    Mitte der 1930er Jahre erkannte Fromm, dass sich das Verhalten der Vielen nicht mit Freud aus der Befriedigung libidinöser Strebungen erklären lasse, sondern aus dem existenziellen Bedürfnis des Menschen nach Bezogenheit. Er wechselte deshalb von einem triebtheoretischen zu einem bezogenheitstheoretischen Ansatz und sah von da an das Bindungsproblem als biologisches und psychologisches Kernproblem des Menschen an. Dieser Paradigmenwechsel führte Ende der 1930er Jahre zum Zerwürfnis mit dem Institut für Sozialforschung, war aber fruchtbringend für Fromms weiteres wissenschaftliches Denken: Veränderung des Einzelnen und Veränderungen von Gruppen und Organisationen setze eine andere sozio-ökonomische Lebenspraxis voraus. Nur so komme es dauerhaft zu einer veränderten Sozialcharakter-Orientierung und damit zu einem anderen Denken, Fühlen und Handeln der Vielen, was Fromm exemplarisch in seinem ersten großen Buch „Escape from Freedom“ (1941, dt. 1945) aufzeigte, wodurch er weltweit als Psychoanalytiker der Gesellschaft bekannt wurde. Bereits 1934 war Fromm nach einer Tuberkuloseerkrankung von der Schweiz aus in die USA emigriert, wo er an der New School for Social Research in New York lehrte, eine Professur am Bennington College in Vermont innehatte und seit 1938 in englischer Sprache publizierte. Die Erkrankung seiner Frau Henny führte zur Übersiedlung nach Mexiko 1950. 1951 übernahm Fromm in Mexiko-Stadt eine Professur für Psychoanalyse und lebte seit 1957 in Cuernavaca.

    1956 veröffentlichte Fromm sein Buch „The Art of Loving“, das mit einer Weltauflage von rund 25 Millionen Exemplaren zum erfolgreichsten Sachbuch zur Psychologie der Liebe wurde. Fromm war damit der erste Psychoanalytiker, der die „ars amandi“ wissenschaftlich ernst nahm. Das psychologische Grundproblem des Menschen sei nicht die Befriedigung von Trieben, sondern seine Bezogenheit auf die Wirklichkeit, auf andere Menschen und auf sich selbst. Die Fähigkeit, liebend (sowie kreativ und vernünftig) bezogen zu sein, lasse den Menschen und das Zusammenleben am besten gelingen. Deshalb sei die Kunst des Liebens tatsächlich wie eine Kunst zu erlernen und zu üben.

    Neben seiner Lehrtätigkeit und seiner therapeutischen Praxis engagierte sich Fromm zunehmend politisch. In seinem Werk „Wege aus einer kranken Gesellschaft“ (The Sane Society, 1955) beschrieb er die psychische Entfremdung des Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft und plädierte für eine kommunitäre und basisdemokratische Organisation von Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur. 1957 zählte er zu den Gründern der US-amerikanischen Friedensbewegung „SANE“. Im Kalten Krieg setzte er sich für die Ächtung der Atomwaffen, eine einseitige Abrüstung des Westens und die Entspannungspolitik ein; er schrieb 1961 ein Buch über US-amerikanische Außenpolitik und wurde in den USA ein Hauptredner gegen den Vietnamkrieg.

    Fromms Interesse galt immer dem, was viele Menschen in einer bestimmten Weise denken, fühlen und handeln lässt – also den dominanten Sozialcharakter-Orientierungen. Nach dem autoritären Charakter beschrieb er 1947 den Marketing-Charakter und 1964 den nekrophilen und den narzisstischen Charakter – und stellte diesem die humanistische und produktive Orientierung gegenüber. Nach der Veröffentlichung des Werks „Anatomie der menschlichen Destruktivität“ (1973) zur menschlichen Aggression übersiedelte er nach Locarno (Kt. Tessin). Dort entstand der Band „Haben oder Sein“ (1976), der in den 1970er Jahren in Deutschland und Italien zum „Kultbuch“ für alle wurde, die einen unkonventionellen Sinn im Leben suchten. Der wachsende materielle Wohlstand führe zu einer Gier, immer noch mehr haben zu wollen, ohne dadurch innerlich befriedigt zu sein. Die Orientierung am Sein meint demgegenüber den menschlich produktiven Gebrauch der eigenen sinnlichen, kognitiven, emotionalen und körperlichen Kräfte. Sie machen einen weniger abhängig und konkurrierend und stärken das Selbstwerterleben.

    Durch seine Verbindung von Soziologie und Psychoanalyse einerseits und sein humanistisches Wissenschaftsverständnis andererseits erreichte Fromm bleibende Bedeutung. Mit seiner Sozialcharaktertheorie lässt sich die Prägung des Menschen durch die Gesellschaft wissenschaftlich erklären und empirisch erforschen. Wissenschaft muss sich nach Fromm immer auch der Frage stellen, was den Menschen und das Zusammenleben gelingen und misslingen lässt, weshalb sie kritisch, wertorientiert und politisch sein müsse. Wenngleich Fromms sozialphilosophische Theorien heute nicht mehr im Mittelpunkt universitärer Lehre und Forschung stehen, wird seine humanistische Wissenschaft vom Menschen weiterhin weltweit v. a. von Wissenschaftlern rezipiert, die die Folgen ihrer Forschungen und Erkenntnisse reflektieren und sich den Fragen der Ethik von Wissenschaft stellen; auch stößt Fromms humanistisches Wissenschaftsverständnis bei Nachwuchswissenschaftlern auf verstärktes Interesse. Fromms Wirkung für die Gegenwart zeigt sich auch darin, dass seine Hauptwerke in allen weit verbreiteten Sprachen weiterhin Bestseller sind.

    Fromms wissenschaftliches Werk entspricht nicht dem Ideal naturwissenschaftlicher Empirie, sondern versucht evidenzbasiert und deutend zu Erkenntnissen zu kommen. Wie diese, werden auch Fromms sozial-psychoanalytische Theorien und Methoden in den Mainstreams der verschiedenen Humanwissenschaften mitunter ignoriert oder als „unwissenschaftlich“ marginalisiert. Die wissenschaftliche Fromm-Rezeption ist bisher auf einzelne Forscher und Gruppierungen beschränkt, doch haben eine Reihe von Fromms Schülern zum Fortwirken seines Werks beigetragen. Zu nennen sind hier der langjährige Mitarbeiter Fromms, Michael Maccoby (geb. 1933) der mit anderen zusammen Sozialcharakterforschungen in Unternehmen und Organisation der USA und Schwedens durchführte, sowie Aniceto Aramoni (1916–2012) und Jorge Silva García (1919–2014), die Fromms therapeutische Methode über Mexiko hinaus in vielen europäischen Ländern verbreiteten. Fromms Erbe pflegen auch das Seminario Sociopsicoanalítico in Mexiko unter der Leitung von Salvador Millán (geb. 1936) und Sonia Gojman de Millán (geb. 1945) sowie Rainer Funk (geb. 1943), Fromms Assistent während der letzten Lebensjahre und Nachlassverwalter.

    1985 wurde auf Funks Initiative die Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft mit dem Ziel eingerichtet, Fromms Werk zu erhalten, zu erforschen und seine Erkenntnisse einem breiten Publikum zu vermitteln. Das 2014 mit Hilfe der Karl-Schlecht-Stiftung von Funk und Karl Schlecht (geb. 1932) gegründete Erich Fromm Institut Tübingen beherbergt Fromms Nachlass, sammelt systematisch alle Arbeiten über Fromms Denken, Werk und Leben und führt darüber eine Bibliografie.

  • Auszeichnungen

    1940 Mitglied der New York Academy of Science
    1949–50 Terry Lecturer, Yale University, New Haven (Connecticut, USA)
    1952 Diplom of a Professional Psychologist in Clinical Psychology / The American Board of Examiners in Professional Psychology
    1957 Mitglied der Author’s League of America
    1958 Ehrenmitglied von Chi, Michigan State University, Ann Arbor (Michigan, USA)
    1963 James Addams Peace Award of the Chicago Area Committee for a Sane Nuclear Policy
    1966 Humanist of the Year Award der American Humanist Association
    1968 Ehrenmitglied der Academia Nacional de Medicina, México
    1975 Internationales Symposium zum 75. Geburtstag, Muralto (Kt. Tessin)
    1977 Mitglied der American Association for the Advancement of Science
    1978 Ehrenmitglied der American Psychological Association
    1979 Mitglied der New York State Psychological Association
    1979 Cittadino Onorario di Muralto
    1979 Nelly Sachs-Preis der Stadt Dortmund
    1981 (postum) Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt am Main
  • Quellen

    Nachlass:

    Erich Fromm Institut, Tübingen. (Teile der Referenzbibliothek, Druckwerke, Manuskripte, Entwürfe, Druckfahnen usw. der veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften) (weiterführende Informationen)

    Instituto Mexicano de Psicoanálisis, Mexiko-Stadt. (Teile der Referenzbibliothek)

    New York Public Library. (Manuskripte und andere hand- und maschinenschriftliche Dokumente aus den 1930er und 1940er Jahren) (weiterführende Informationen)

  • Werke

    Escape from Freedom, 1941, dt. Die Furcht vor der Freiheit, 1945.

    Man for Himself. An Inquiry into the Psychology of Ethics, 1947, dt. Psychoanalyse und Ethik. Bausteine zu einer humanistischen Charakterologie, 1954.

    Psychoanalysis and Religion, 1950, dt. Psychoanalyse und Religion, 1966.

    The Forgotten Language. An Introduction to the Understanding of Dreams, Fairy Tales and Myths, 1951, dt. Märchen, Mythen, Träume. Eine Einführung in das Verständnis einer vergessenen Sprache, 1957.

    The Sane Society, 1955, dt. Der moderne Mensch und seine Zukunft, 1960, seit 1980 u. d. T. Wege aus einer kranken Gesellschaft.

    The Art of Loving. An Inquiry into the Nature of Love, 1956, dt. Die Kunst des Liebens, 1959.

    Sigmund Freud’s Mission. An Analysis of His Personality and Influence, 1959, dt. Sigmund Freuds Sendung, 1967, seit 1980 u. d. T. Sigmund Freud. Seine Persönlichkeit und seine Wirkung.

    Psychoanalysis and Zen Buddhism, 1960, dt. Psychoanalyse und Zen-Buddhismus, 1963.

    May Man Prevail? An Inquiry into the Facts and Fictions of Foreign Policy, 1961, dt. Es geht um den Menschen! Eine Untersuchung der Tatsachen und Fiktionen in der Außenpolitik, 1981.

    Marx’s Concept of Man, 1961, dt. Das Menschenbild bei Marx, 1963.

    Beyond the Chains of Illusion. My Encounter with Marx and Freud, 1962, dt. Jenseits der Illusionen. Die Bedeutung von Marx und Freud, 1967. (Autobiografie)

    The Dogma of Christ and Other Essays on Religion, Psychology and Culture, 1963, dt. Das Christusdogma und andere Essays, 1965.

    The Heart of Man. Its Genius für Good and Evil, 1964, dt. Das Menschliche in uns, 1968, seit 1980 u. d. T. Die Seele des Menschen. Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen.

    You Shall Be as Gods, 1966, dt. Die Herausforderung Gottes und des Menschen, 1970, seit 1982 u. d. T. Ihr werdet sein wie Gott.

    The Revolution of Hope. Toward a Humanized Technology, 1968, dt. Die Revolution der Hoffnung. Für eine humanisierte Technik, 1971.

    The Crisis of Psychoanalysis. Essays on Freud, Marx and Social Psychology, 1970, dt. Analytische Sozialpsychologie und Gesellschaftstheorie, 1970.

    Erich Fromm/Michael Maccoby, Social Character in a Mexican Village. A Sociopsychoanalytic Study, 1970, dt. Psychoanalytische Charakterologie in Theorie und Praxis. Der Gesellschafts-Charakter eines mexikanischen Dorfes, 1981.

    The Anatomy of Human Destructiveness, 1973, dt. Anatomie der menschlichen Destruktivität, 1974.

    To Have Or to Be?, 1976, dt. Haben oder Sein, 1976.

    The Working Class in Weimar Germany. A Psychological and Sociological Study, 1984, dt. Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches. Eine sozialpsychologische Untersuchung, 1980.

    On Disobedience and Other Essays, 1981, dt. Über den Ungehorsam und andere Essays, 1982.

    For the Love of Life, 1986, dt. Über die Liebe zum Leben. Rundfunksendungen, 1983.

    The Erich Fromm Reader, 1994, dt. Erich-Fromm-Lesebuch, 1985.

    The Art of Being, hg. v. Rainer Funk, 1993, dt. Vom Haben zum Sein. Wege und Irrwege der Selbsterfahrung, 1989.

    The Revision of Psychoanalysis, hg. v. Rainer Funk, 1992, dt. Die Entdeckung des gesellschaftlichen Unbewussten. Zur Neubestimmung der Psychoanalyse, 1990.

    The Art of Listening, mit einem Vorw. hg. v. Rainer Funk, 1994, dt. Von der Kunst des Zuhörens. Therapeutische Aspekte der Psychoanalyse, 1991.

    On Being Human, mit einem Vorw. v. Rainer Funk, 1994, dt. Humanismus als reale Utopie, 1992.

    The Essential Fromm. Life Between Having and Being, 1995, dt. Leben zwischen Haben und Sein, 1993.

    Love, Sexuality, and Matriarchy. About Gender, mit einer Einf. hg. v. Rainer Funk, 1997, dt. Liebe, Sexualität und Matriarchat. Beiträge zur Geschlechterfrage, 1994.

    Gesamtausgabe in 10 Bdn., hg. u. komm. v. R. Funk, 1980, Neuausg. in 12 Bdn., 1999.

    Werkverzeichnis und Verzeichnis der Übersetzungen

    www.fromm-online de. (Onlineressource)

    vollständiges Werkverzeichnis:

    Erich Fromm Dokumentenserver. (Onlineressource)

  • Literatur

    In The Name of Life. Essays in Honor of Erich Fromm, hg. v. Bern Landis/Edward S. Tauber, 1971. (Festschrift)

    Don Hausdorff, Erich Fromm, 1972.

    Rainer Funk, Erich Fromm, 1983, zahlr. Übersetzungen. (P)

    Lutz von Werder, Der unbekannte Fromm. Biographische Studien, 1987.

    Gerhard P. Knapp, The Art of Living. Erich Fromm's Life and Works, 1989.

    Rainer Funk, Erich Fromm – Liebe zum Leben. Eine Bild-Biographie, 1999, Neuausg. 2011, engl. 2000, 2003, span. 1999.

    Jürgen Hardeck, Erich Fromm. Leben und Werk, 2005.

    Helmut Wehr, Große Denker – Erich Fromm. Eine Einführung, 2005.

    Rainer Funk (Hg.), Erich Fromm als Therapeut, 2009, engl. 2009, span. 2011.

    Annette Thomson, Erich Fromm – Explorer of the Human Condition, 2009.

    Domagoj Akrap, Erich Fromm – ein jüdischer Denker. Jüdisches Erbe – Tradition – Religion, 2011.

    Lawrence J. Friedman, The Lives of Erich Fromm. Love‘s Prophet, 2013, dt. Erich Fromm. Die Biografie, 2013. (P)

    Giorgio Risari, Erich Fromm. La visione del mondo e l’interpretazione dell’uomo, 2017.

    Rainer Funk, „Das Leben selbst ist eine Kunst“. Einführung in Leben und Werk von Erich Fromm, 2018, engl. 2019. (P)

  • Onlineressourcen

  • Autor/in

    Rainer Funk (Tübingen)

  • Zitierweise

    Funk, Rainer, „Fromm, Erich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/121733·211.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA