Lebensdaten
1886 – 1956
Geburtsort
Mansfeld (heute Putlitz-Mansfeld, Brandenburg)
Sterbeort
Berlin-West
Beruf/Funktion
Arzt ; Schriftsteller
Konfession
evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 118509047 | OGND | VIAF: 49221461
Namensvarianten
  • Benn, Gottfried
  • Beien, Getefulide
  • Ben, Gotfrid
  • mehr

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Zitierweise

Benn, Gottfried, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118509047.html [24.04.2024].

CC0

  • Gottfried Benn war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker und Essayisten des 20. Jahrhunderts. Zur Zeit seiner expressionistischen Anfänge galt er als lyrischer Avantgardist. Art und Ausmaß seiner Verstrickungen in den NS-Ideologieapparat sind bis heute umstritten. Seit 1949/50 als Schriftsteller wieder erfolgreich, verfasste er mit seinem Vortrag „Probleme der Lyrik“ (1951) die „Ars poetica“ der jungen Bundesrepublik und wurde zum Vorbild der nachfolgenden Lyrikergenerationen.

    Lebensdaten

    Geboren am 2. Mai 1886 in Mansfeld (heute Putlitz-Mansfeld, Brandenburg)
    Gestorben am 7. Juli 1956 in Berlin-West
    Grabstätte Waldfriedhof (Ehrengrab) in Berlin-Dahlem
    Konfession evangelisch-lutherisch
    Gottfried Benn, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Timpe (InC)
    Gottfried Benn, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Timpe (InC)
  • Lebenslauf

    2. Mai 1886 - Mansfeld (heute Putlitz-Mansfeld, Brandenburg)

    1897 - 1903 - Frankfurt an der Oder

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Friedrichsgymnasium

    Herbst 1903 - 1905 - Marburg an der Lahn; seit Oktober 1904 Berlin

    Studium der Evangelischen Theologie und Philologie (ohne Abschluss)

    Universität

    Oktober 1905 - August 1910 - Berlin

    Studium der Medizin

    Kaiser Wilhelms-Akademie (Pépinière) für das militärärztliche Bildungswesen

    April 1906 - September 1906 - Berlin

    Militärdienst

    2. Garderegiment zu Fuß

    September 1909 - Gommern bei Magdeburg

    Famulus

    Lungenklinik Vogelsang

    März 1910 - Treysa (Nordhessen)

    Famulus

    Oktober 1910 - Sommer 1912 - Prenzlau (Nordbrandenburg)

    Unterarzt

    Infanterie-Regiment General-Feldmarschall Prinz Friedrich Karl von Preußen (8. Brandenburgisches) Nr. 64

    Oktober 1910 - Berlin

    Abkommandierung für das Praktische Jahr

    Charité

    Februar 1912 - Berlin

    Promotion (Dr. med.)

    Universität

    Februar 1912 - Berlin

    Approbation

    Oktober 1912 - November 1913 - Berlin

    Assistenzarzt

    Pathologisch-Anatomisches Institut des Westend-Krankenhauses

    November 1913 - März 1914 - Charlottenburg bei Berlin

    Assistenzarzt; Leiter

    Pathologisches Institut des städtischen Krankenhauses Charlottenburg

    4.4.1914 - 8.5.1914 - Hamburg; New York City

    Schiffsarzt

    Graf Waldersee (Dampfschiff)

    Frühling / Sommer 1914 - Schömberg (Schwarzwald); Bischofsgrün bei Bayreuth

    Vertretungsarzt

    Volksheilstätte Charlottenhöhe; Heilstätte Bischofsgrün

    August 1914 - Oktober 1917 - Spandau bei Berlin; seit November 1914 Brüssel

    Kriegsdienst; seit November 1914 Mitarbeiter des Gouvernementarztes

    3. Pionierbataillon; seit 1916 Krankenhaus Saint- Gilles bei Brüssel; seit August 1916 Kriegslazarett IV für Haut- und Geschlechtskranke

    Oktober 1917 - Berlin

    Assistenzarzt (Facharztausbildung)

    Charité (Dermatologie)

    November 1917 - März 1935 - Berlin-Kreuzberg

    selbstständiger Arzt

    Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten (seit 1927 Kassenpraxis)

    Februar 1933 - Berlin

    kommissarischer Vorsitzender

    Akademie der Künste, Abteilung für Dichtung

    April 1935 - Hannover; Berlin

    Oberstabsarzt und Leiter der Abteilung für Heeressanitätswesen; seit Juli 1937 im Stab des Generalkommandos

    Wehrersatzinspektion; III. Armeekorps

    1938 - Berlin

    selbstständiger Arzt

    Praxis für Privatpatienten

    August 1943 - Landsberg an der Warthe (heute Gorzów Wielkopolski, Polen)

    Verlegung der Einheit

    III. Armeekorps

    Januar 1945 - Berlin

    Flucht

    Mai 1945 - Berlin

    selbstständiger Arzt

    Arztpraxis (Dezember 1945-Juli 1953 Kassenpraxis)

    7. Juli 1956 - Berlin-West
  • Genealogie

    Vater Gustav Benn 1857–1939 evangelischer Pfarrer in Mansfeld (heute Putlitz-Mansfeld, Brandenburg), Sellin (Westpommern, heute Zielin, Polen) und Mohrin (Westpommern, heute Moryń, Polen)
    Großvater väterlicherseits Joachim Benn 1811–1883 evangelischer Pfarrer in Mansfeld
    Großmutter väterlicherseits Amanda Benn, geb. Boldt 1829–1875
    Mutter Caroline Benn, geb. Jequier 1858–1912 Gouvernante
    Großvater mütterlicherseits Louis Jequier 1831–1915 Uhrenfabrikant in Fleurier (Kanton Neuenburg)
    Großmutter mütterlicherseits Jeanne Jequier, geb. Clerc 1831–1866
    Schwester Ruth Rühe, geb. Benn 1885–1947 Lehrerin
    Bruder Stephan Benn 1889–1974 evangelischer Pfarrer in Sellin und Prenzlau (Nordbrandenburg)
    Bruder Theodor Benn 1891–1981 als Mitglied der Schwarzen Reichswehr 1923 an einem Fememord beteiligt und 1926 zum Tode verurteilt; 1929 begnadigt; seit 1930 Mitglied der NSDAP; später Kaufmann
    Bruder Siegfried Benn 1892–1916 als Soldat im Ersten Weltkrieg gefallen
    Bruder Hans-Georg Benn 1895–1898
    Bruder Ernst-Viktor Benn 1898–1990 evangelischer Theologe in Hannover
    Schwester Edith Benn 1901–1988 Angestellte in Berlin
    Halbbruder Friedrich Benn 1916–1945 als Soldat im Zweiten Weltkrieg gefallen
    Halbbruder Hans-Christoph Benn 1920–1941 als Soldat im Zweiten Weltkrieg gefallen
    1. Heirat 30.7.1914 in München
    Ehefrau Edith Benn, geb. Osterloh 1878–1922 Schauspielerin
    Schwiegervater Paul Osterloh 1849–1920 Gynäkologe in Dresden
    Schwiegermutter Adele Minna Osterloh, geb. Günther 1857–1946 Schriftstellerin
    Tochter Nele Sørensen, geb. Benn 1915–2012 Journalistin, Schriftstellerin in Kopenhagen
    2. Heirat 22.1.1938 in Berlin
    Ehefrau Herta Benn, geb. von Wedemeyer 1907–1945 Suizid in Neuhaus an der Elbe
    Schwiegervater Adolph von Wedemeyer 1878–1914 Offizier; im Ersten Weltkrieg gefallen
    Schwiegermutter Herta von Wedemeyer, geb. Eisenhart-Rothe 1887–1941
    3. Heirat 18.12.1946 in Berlin
    Ehefrau Ilse Benn, geb. Kaul 1913–1995 Zahnärztin
    Schwiegervater Karl Kaul geb. 1888
    Schwiegermutter Frieda Kaul, geb. Pahl 1895–1979
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Benn, Gottfried (1886 – 1956)

    • Vater

      Gustav Benn

      1857–1939

      evangelischer Pfarrer in Mansfeld (heute Putlitz-Mansfeld, Brandenburg), Sellin (Westpommern, heute Zielin, Polen) und Mohrin (Westpommern, heute Moryń, Polen)

      • Großvater väterlicherseits

        Joachim Benn

        1811–1883

        evangelischer Pfarrer in Mansfeld

      • Großmutter väterlicherseits

        Amanda Benn

        1829–1875

    • Mutter

      Caroline Benn, geb. Jequier

      1858–1912

      Gouvernante

      • Großvater mütterlicherseits

        Louis Jequier

        1831–1915

        Uhrenfabrikant in Fleurier (Kanton Neuenburg)

      • Großmutter mütterlicherseits

        Jeanne Jequier

        1831–1866

    • Schwester

      Ruth Rühe, geb. Benn

      1885–1947

      Lehrerin

    • Bruder

      Stephan Benn

      1889–1974

      evangelischer Pfarrer in Sellin und Prenzlau (Nordbrandenburg)

    • Bruder

      Theodor Benn

      1891–1981

      als Mitglied der Schwarzen Reichswehr 1923 an einem Fememord beteiligt und 1926 zum Tode verurteilt; 1929 begnadigt; seit 1930 Mitglied der NSDAP; später Kaufmann

    • Bruder

      Siegfried Benn

      1892–1916

      als Soldat im Ersten Weltkrieg gefallen

    • Bruder

      Hans-Georg Benn

      1895–1898

    • Bruder

      Ernst-Viktor Benn

      1898–1990

      evangelischer Theologe in Hannover

    • Schwester

      Edith Benn

      1901–1988

      Angestellte in Berlin

    • 1.·Heirat

      in

      München

    • 2.·Heirat

      in

      Berlin

    • 3.·Heirat

      in

      Berlin

  • Biografie

    alternativer text
    Gottfried Benn, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)

    Anfänge

    Benn wuchs in einem evangelischen Pfarrhaushalt in der Neumark auf. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium in Frankfurt an der Oder 1903 studierte er Evangelische Theologie und Philologie an den Universitäten Marburg an der Lahn und Berlin, ehe er im Oktober 1905 gegen den Willen des Vaters zum Studium der Medizin wechselte, das er 1905 aus finanziellen Gründen an der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin aufnahm. Anfang 1912 wurde er approbiert und zum Dr. med. promoviert.

    Während seine etwa an Detlev von Liliencron (1844–1909) und Richard Dehmel (1863–1920) orientierten frühesten lyrischen Versuche weitgehend epigonal erscheinen, zeigen Prosatexte aus dieser Zeit Benns poetologische Standortsuche. Durch die Bereicherung der dichterischen Sprache mittels eines naturwissenschaftlichen Wortschatzes glaubte er der v. a. von Friedrich Nietzsche (1844–1900) und Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) diagnostizierten Sprach- und Erkenntniskrise entkommen zu können. Mit der provozierenden und schockierenden Sammlung „Morgue und andere Gedichte“ (1912) machte Benn erstmals als Schriftsteller auf sich aufmerksam: Die Gedichte stehen in der Tradition der „Ästhetik des Hässlichen“, sie sind zynisch, ihre Thematik stammt aus der Pathologie.

    Seiner Tätigkeit in Berliner Krankenhäusern und Kasernen überdrüssig, betätigte sich Benn 1914 als Reisearzt und als Mediziner in Heilstätten, bevor er mit Beginn des Ersten Weltkriegs zum Kriegsdienst eingezogen wurde. In Brüssel kam er in Kontakt mit einer deutschen Künstlerkolonie, zu der Carl Einstein (1885–1940), Otto Flake (1880–1963), Alfred Flechtheim (1878–1937) und Wilhelm Hausenstein (1882–1957) zählten, und schuf mit den „Rönne-Novellen“ die in dieser Abfolge erstmals u. d. T. „Gehirne“ im Oktober 1916 in der expressionistischen Reihe „Der jüngste Tag“ (Bd. 35) erschienen, Texte, die heute in ihrem sprach- und bewusstseinskritischen Gestus zu den bedeutendsten deutschsprachigen Prosawerken der Moderne gehören. 1917 als kriegsuntüchtig aus dem Militärdienst entlassen, kehrte Benn nach Berlin zurück, wo er eine dermatologische Facharztausbildung machte und im November eine Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten eröffnete, die ihn zeitlebens finanziell sicherte.

    Literarischer Aufstieg

    Benns meist achtreihige, gereimte Strophen der 1920er Jahre sind voller Sarkasmus und in ihrem sich vor Fremdworten und der Sprache der Naturwissenschaft nicht scheuenden Stakkatostil nur schwer verständlich. Spätestens mit dem Erscheinen der „Gesammelten Gedichte“ (1927) wurde der notorische Einzelgänger Benn zum etablierten Autor, der mit Auftritten im Rundfunk und Äußerungen zu aktuellen Themen in Tageszeitungen Stellung nahm. 1931 schrieb Benn das Libretto zu Paul Hindemiths (1895–1963) Oratorium „Das Unaufhörliche“ und wurde Berater und Mitarbeiter der internationalen Avantgarde-Zeitschriften „Bifur“ und „transition“. Höhepunkt dieses Aufstiegs war im Januar 1932 Benns Aufnahme in die Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste und die Veröffentlichung seines Aufsatzes „Goethe und die Naturwissenschaften“ in der „Neuen Rundschau“ anlässlich Goethes 100. Todestag.

    Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

    Kurz nach dem erzwungenen Austritt Heinrich Manns (1871–1950) und Käthe Kollwitz’ (1867–1945) 1933 verlas Benn in seiner Funktion als kommissarischer Vorsitzender der Abteilung für Dichtung in einer Sitzung die von ihm verfasste Erklärung, die die Bereitschaft aller Mitglieder einforderte, sich „unter Anerkennung der veränderten geschichtlichen Lage“ für die Akademie und damit für den neuen Staat „zur Verfügung zu stellen“. Während ihm die meisten Mitglieder zustimmten, erklärten u. a. Thomas Mann (1875–1955), Alfred Döblin (1878–1957) und Ricarda Huch (1864–1947) ihren Austritt, andere wurden ausgeschlossen und durch national-konservative Schriftsteller wie Börries von Münchhausen (1874–1945) oder Hans Grimm (1875–1959) ersetzt. Unter dem Druck der Benns berufliche Existenz als Arzt gefährdenden anhaltenden ökonomischen Krise und der kulturpolitischen Veränderungen in der Akademie sowie künstlerischer Differenzen und persönlicher Anfeindungen distanzierte sich Benn seit Herbst 1933 zunehmend von allem, was ihn mit der Öffentlichkeit verband. 1935 wurde er im Rang eines Oberstabsarztes als Leiter einer Abteilung der Wehrersatzinspektion in Hannover in die Reichswehr aufgenommen, was die Anfeindungen und Beschimpfungen als „Kulturbolschewist“ und „Rasseschänder“ gegen ihn, die auf seine literarische Vergangenheit als Expressionist zielten, nicht beendete. Am Ende stand im März 1938 sein Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer und damit ein generelles Publikationsverbot.

    Als eine der wenigen Konstanten dieser Zeit erwies sich der 1932 begonnene, lebenslange und umfangreiche Briefwechsel mit dem Bremer Kaufmann Friedrich Wilhelm Oelze (1891–1978), in dem Benn Themen der Literatur und eigene Werke mit seinem Freund diskutierte. In Hannover entstanden das Prosastück „Weinhaus Wolf“ und die „Stadthallengedichte“ – gereimte Gedichte, die thematisch v. a. um Tod, Leid und Einsamkeit kreisen und fester Bestandteil von Lyrikanthologien des 20. Jahrhunderts wurden. Das erzwungene Schweigen nach 1938 führte dazu, dass Benn sich zunehmend auf radikal-ästhetische Positionen zurückzog, die an seine expressionistischen Anfänge erinnern, was dadurch begünstigt wurde, dass seine Dienststelle im August 1943 nach Landsberg an der Warthe (heute Gorzów Wielkopolski, Polen) verlegt wurde.

    Erneute Erfolge als Lyriker

    Der verlorene Zweite Weltkrieg, der Suizid seiner Ehefrau aus Angst vor Übergriffen sowjetischer Soldaten sowie die Zerstörung seiner Berliner Praxis, die er Ende Dezember 1945 wieder eröffnete, ließen Benn monatelang in tiefe Depression versinken. Sein literarischer Wiederaufstieg über die Grenzen Deutschlands hinaus begann 1948 mit den „Statischen Gedichten“, für die zunächst keine Drucklizenz erteilt worden war, weil zwei Bücher Benns in der Sowjetischen Besatzungszone auf der „Liste auszusondernder Literatur“ standen. Die Veröffentlichung der „Statischen Gedichte“, die er größtenteils bereits vor 1945 verfasst hatte, war für Benn der Abschluss einer Phase der Lyrikproduktion, die 1935 begonnen hatte und nach „Morgue“ den zweiten Höhepunkt in seiner Entwicklung als Lyriker darstellte. Mit ihrem ästhetischen Klassizismus machten die Gedichte der vom Krieg erschöpften Leserschaft ein ideales Angebot zur Identifikation und zum Trost. Die „Statischen Gedichte“ gelten heute als mit Abstand beliebteste Gedichte Benns, ließen ihn bei Kritik und Publikum zu einem der bekanntesten Dichter der jungen Bundesrepublik werden und trugen dazu bei, dass Benn 1951 als erster Preisträger den Büchnerpreis erhielt. Während Benns Gedichte von der DDR-Germanistik aus ideologischen Gründen bis weit in die 1970er Jahre aus dem Kanon deutscher Lyrik ausgeschlossen wurden, werden seitdem die Spuren seines Werks in dem der Lyriker der DDR immer offensichtlicher.

    Die Erfahrung des Alterns stellte den in seinen letzten Lebensjahren schwer erkrankten Benn in alltäglicher wie in künstlerischer Hinsicht vor Probleme, die er in seinen Lyrikbänden „Fragmente“ (1951), „Destillationen“ (1953) und „Aprèslude“ (1955) thematisierte. Benn wagte darin den Versuch, einen bis dahin in Deutschland unbekannten Ton anzuschlagen, der unter dem Begriff Parlando-Lyrik zusammengefasst und von großem Einfluss für spätere Lyriker wie Peter Rühmkorf (1929–2008) und Hans Magnus Enzensberger (1929–2022) wurde. Mit seinem Vortrag „Probleme der Lyrik“ (1951) schuf er die „Ars poetica“ der jungen Bundesrepublik und wurde zum unumstrittenen Vorbild so unterschiedlicher Lyriker wie Robert Gernhardt (1937–2006) oder Durs Grünbein (geb. 1962) und der nachwachsenden Lyriker-Generationen. Bis heute gilt Benn als feste Bezugsgröße, dessen Werk immer noch größte Aufmerksamkeit zuteil wird.

  • Auszeichnungen

    1910 Preis der Medizinischen Fakultät der Universität Berlin für „Die Ätiologie der Pubertätsepilepsie“
    1914 Eisernes Kreuz II. Klasse
    1932 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, Berlin
    1934 Vizepräsident der Union nationaler Schriftsteller
    1950 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München
    1950 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Frankfurt am Main (später Darmstadt)
    1951 Büchnerpreis (erster Preisträger)
    1952 Teilnehmer im Auftrag des bundesdeutschen Außenministeriums an der Biennale Internationale de Poésie in Knokke (Belgien)
    1953 Jurymitglied zur Verleihung des Europäischen Buchpreises in Genf
    1953 Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
    1956 Großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Quellen

    Nachlass:

    Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar.

    Gottfried-Benn-Sammlung, Akademie der Künste, Berlin.

  • Werke

    Über die Häufigkeit des Diabetes mellitus im Heer, 1912. (Diss. med.)

    Morgue und andere Gedichte, 1912.

    Söhne. Neue Gedichte, 1913.

    Gehirne. Novellen, 1916.

    Fleisch. Gesammelte Lyrik, 1917.

    Kurt Pinthus (Hg.), Menschheitsdämmerung. Symphonie jüngster Lyrik, 1919. (mit 8 Gedichten Benns)

    Die Gesammelten Schriften, 1922.

    Betäubung. 5 neue Gedichte, 1925.

    Spaltung. Neue Gedichte, 1925.

    Gesammelte Gedichte, 1927.

    Gesammelte Prosa, 1928.

    Fazit der Perspektiven, 1930.

    Das Unaufhörliche, Oratorium, 1931.

    Nach dem Nihilismus, 1932.

    Kunst und Macht, 1934.

    Der neue Staat und die Intellektuellen, 1933.

    Ausgewählte Gedichte. 1911–1936, 1936.

    Statische Gedichte, 1948.

    Drei alte Männer. Zwei Gespräche, 1948.

    Der Ptolemäer, 1949.

    Ausdruckswelt. Essays und Aphorismen, 1949.

    Essays, 1951.

    Frühe Prosa und Reden, 1950.

    Trunkene Flut. Ausgewählte Gedichte, 1949. (bis 1935, mit Epilog 1949)

    Doppelleben. Zwei Selbstdarstellungen, 1950.

    Monologische Kunst –? Ein Briefwechsel zwischen Alexander Lernet-Holenia und Gottfried Benn. Im Anhang: Nietzsche – nach 50 Jahren, 1950.

    Fragmente. Neue Gedichte, 1951.

    Probleme der Lyrik, 1951.

    Frühe Lyrik und Dramen, 1952.

    Die Stimme hinter dem Vorhang, 1952.

    Destillationen. Neue Gedichte, 1953.

    Altern als Problem für Künstler, 1954.

    Aprèslude, 1955.

    Gesammelte Gedichte, 1956.

    Briefausgaben:

    Ausgewählte Briefe. Mit einem Nachw. v. Max Rychner, 1957.

    Briefwechsel mit Paul Hindemith, hg. v. Ann Clark Fehn, 1978.

    Briefe an Tilly Wedekind 1930–1955, hg. v. Marguerite Schlüter, 1986.

    Gottfried Benn/Max Rychner, Briefwechsel 1930–1956, hg. v. Gerhard Schuster, 1986.

    Briefe an Elinor Büller 1930–1937, hg. v. Marguerite Schlüter, 1992.

    Gottfried Benn/Egmont Seyerlen, Briefwechsel 1914–1956, hg. v. Gerhard Schuster, 1993.

    Hernach. Gottfried Benns Briefe an Ursula Ziebarth. Mit Nachschriften v. Ursula Ziebarth u. einem Kommentar v. Jochen Meyer, 2001.

    Briefe an Astrid Claes, hg. v. Bernd Witte, 2002.

    Briefwechsel mit dem „Merkur“, hg. v. Holger Hof, 2004.

    Gottfried Benn/Thea Sternheim, Briefwechsel, hg. v. Thomas Ehrsam, 2004.

    Briefe an den Limes Verlag. Mit der vollständigen Korrespondenz auf CD-Rom, hg. v. Marguerite Schlüter/Holger Hof, 2006.

    Gottfried Benn/Ernst Jünger. Briefwechsel 1949–1956, hg. v. Holger Hof, 2006.

    Gottfried Benn/Friedrich Wilhelm Oelze, Briefwechsel 1932–1956, 4 Bde., hg. v. Harald Steinhagen/Stephan Kraft/Holger Hof, 2016.

    „Absinth schlürft man mit Strohhalm, Lyrik mit Rotstift“. Ausgewählte Briefe 1904–1956, hg. v. Holger Hof, 2017.

    Gottfried Benn/Gertrud Zenzes, Briefwechsel 1921–1956, hg. v. Holger Hof/Stephan Kraft, 2021. (Onlineressource)

    Gesamtausgaben:

    Gesammelte Werke in vier Bänden, hg. v. Dieter Wellershoff, 1958–1961.

    Gesammelte Werke in der Fassung der Erstdrucke, 4 Bde., hg. v. Bruno Hillebrand, 1982–1990.

    Sämtliche Werke. Stuttgarter Ausgabe, 7 Bde., hg. v. Gerhard Schuster/Holger Hof, 1986–2003.

    Das Hörwerk 1928–1956, hg. v. Kurt Kreiler/Robert Galitz/Martin Weinmann, 2004.

    Bibliografie:

    Edgar Lohner, Gottfried Benn. Bibliographie 1912–1956, 1958. (Onlineressource)

    Christian M. Hanna, Gottfried Benn-Bibliographie. Sekundärliteratur 1957–2003, 2006.

  • Literatur

    Periodika:

    Benn-Jahrbuch, hg. v. Joachim Dyck/Peter Krause/Holger Hof, 2003/04.

    Benn Forum, hg. v. Joachim Dyck/Christian M. Hanna, 2009.

    Benn Forum, hg. v. Joachim Dyck/Hermann Korte/Nadine J. Schmidt, 2011, 2013, 2015, 2017.

    Benn Forum, hg. v. Stephan Kraft/Holger Hof, seit 2019.

    Biografische Monografien und Sammelbände:

    Thilo Koch, Gottfried Benn. Ein biographischer Essay, 1957.

    Walter Lennig, Gottfried Benn. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 1962.

    Benn. Wirkung wider Willen, hg. v. Peter Uwe Hohendahl, 1971.

    Denken in Widersprüchen, hg. v. Wolfgang Peitz, 1972.

    Hanspeter Brode, Benn-Chronik, 1978.

    Gottfried Benn, hg. v. Bruno Hillebrand, 1979.

    Hans Egon Holthusen, Gottfried Benn. Leben, Werk, Widerspruch, 1986.

    Über Gottfried Benn. Kritische Stimmen 1912–1956/1957–1986, 2 Bde., hg. v. Bruno Hillebrand, 1987.

    Fritz J. Raddatz, Gottfried Benn. Leben – niederer Wahn, 2001.

    Jan Bürger (Hg.), Ich bin nicht innerlich. Annäherungen an Gottfried Benn, 2003.

    Wolfgang Emmerich, Gottfried Benn, 2006.

    Gunnar Decker, Gottfried Benn. Genie und Barbar, 2006.

    Joachim Dyck, Der Zeitzeuge, 2006.

    Helmut Lethen, Der Sound der Väter, 2006.

    Christian Schärf, Der Unberührbare, 2006.

    Gottfried Benn. Studien zum Werk, hg. v. Walter Delabar/Ursula Kocher, 2007.

    Gottfried Benn. Wechselspiele zwischen Biographie und Werk, hg. v. Matías Martínez, 2007.

    Gottfried Benns Modernität, hg. v. Friederike Reents, 2007.

    Holger Hof, Gottfried Benn. Der Mann ohne Gedächtnis. Eine Biographie, 2011.

    Der später Benn, hg. v. Elena Agazzi/Amelia Valtolina, 2012.

    Benn-Handbuch, hg. v. Christian M. Hanna/Friederike Reents, 2016.

    Werkstudien:

    Max Bense, Ptolemäer und Mauretanier, 1950.

    Dieter Wellershoff, Gottfried Benn. Phänotyp dieser Stunde, 1958.

    Edgar Lohner, Passion und Intellekt, 1961.

    Bruno Hillebrand, Artistik und Auftrag, 1966.

    Harald Steinhagen, Die Statischen Gedichte, 1969.

    Jürgen Schröder, Gottfried Benn. Poesie und Sozialisation, 1978.

    Gottfried Willems, Großstadt und Bewußtseinspoesie, 1981.

    Klaus Theweleit, Buch der Könige, 2 Bde., 1994.

    Thomas Pauler, Schönheit und Abstraktion, 1992.

    Jan Bürger, Benns Doppelleben oder Wie man sich selbst zusammensetzt, 2006.

    Friederike Reents, Vom „Ein Schauern in den Hirnen“. Gottfried Benns „Garten von Arles“ als Paradigma der Moderne, 2009.

    Marcus Hahn, Gottfried Benn und das Wissen der Moderne, 2 Bde., 2011.

    Thorsten Ries, Verwandlung als anthropologisches Motiv in der Lyrik Gottfried Benns, 2 Bde., 2014.

    Matthias Berning, Anemonenschwert und Lydditgranate, 2021.

    Dokumentarfilme:

    Gottfried Benn. Fernsehinterview mit Thilo Koch, Sender Freies Berlin, 3.5.1956. (Onlineressource)

    Andreas Christoph Schmidt/Ursula Ziebarth, Reisen mit Benn, Sender Freies Berlin/Westdeutscher Rundfunk 1998.

    Gottfried Benn. Schakal und Engel – hellgeäugt und schwarzgeflügelt, 3sat 2006, Regie: Jürgen Miermeister. (Onlineressource)

    Verzeichnis der Dokumentarfilme:

    Nils Gampert, Gottfried Benn im Fernsehen. Eine erste Auflistung, in: Mitteilungen der Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. 10 (2023), H. 29, S. 12–15. (Onlineressource)

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Lithografie v. Emil Stumpp (1886–1941), 1929, Deutsches Historisches Museum, Berlin.

    Totenmaske v. Harald Haacke (1924–2004), 1956, Exemplare u. a. im Deutschen Literaturarchiv, Marbach am Neckar, und in der Akademie der Künste, Berlin.

    Offsetlithografie v. Horst Janssen (1929–1995), 1968.

    80-Pfennig-Briefmarke der Deutschen Bundespost Berlin, 1986.

    Porträt-Abbildungen und -Verzeichnisse:

    Elisabeth Bluhm (Hg.), Gottfried Benn. Eine Bilddokumentation, 1981.

    Ludwig Greve, Gottfried Benn 1886–1956. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar, 1986.

    Helmut Heintel, Gottfried Benn. Bildnisse, 1990.

    Holger Hof (Hg.), Benn. Sein Leben in Bildern und Texten, 2007.

  • Autor/in

    Holger Hof (Berlin)

  • Zitierweise

    Hof, Holger, „Benn, Gottfried“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118509047.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA