Lebensdaten
1843 – 1916
Geburtsort
Marburg
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Architekt ; Ingenieur
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118801945 | OGND | VIAF: 25398866
Namensvarianten
  • Thiersch, August Heinrich Friedrich Josias
  • Thiersch, August
  • Thiersch, August Heinrich Friedrich Josias
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Zitierweise

Thiersch, August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118801945.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich Wilhelm Josias (1817–85, luth., seit 1847 kath.-apostol.), PD f. neutestamentl. Exegese u. KGesch. in Erlangen, 1845–50 o. Prof. d. Theol. in Marburg, 1859–63 PD f. Philol. u. Alte Gesch. ebd., D. theol. h. c., Marburg 1853 (s. ADB 38; Lb. Kurhessen V; Erlanger Professoren I; RGG⁴), S d. Friedrich v. T. (s. 1);
    M Maria Bertha (1818–68), T d. Christian Heinrich Zeller (1779–1860), Päd. in Zofingen (Kt. Aargau), Pionier d. Inneren Mission, Kirchenlieddichter (s. ADB 45; HLS), u. d. Charlotte Dorothee Sophie Siegfried (1791–1858), aus Leutwil (Kt. Aargau);
    Ov Carl (s. 2), Tante-m Therese Dorothee Marie Zeller (1815–94, Karl Friedrich Werner, 1804–72, Pietist, s. BBKL 13);
    B Friedrich Rr. v. T. (s. 4);
    München 1872 Margarete (1852–1922), T d. Hermann Podlech (1823–91, 2] Mathilde Thiersch, 1824–1903, T d. Friedrich v. T., s. 1), RA in Bartenstein (Ostpr.), JR, u. d. Berta Gussek;
    4 S u. a. Hermann (1874–1939, Adelheid Eller, 1881–1965, T d. Karl Eller, 1851–1914, Dr. iur., Präs. d. Landger. in Mannheim), Prof. f. Archäol. in Freiburg (Br.) u. Göttingen, 1924–36 Sekr. d. Göttinger Ges. d. Wiss. (s. Archäologenbildnisse; Göttinger Gel.), Paul (1879–1928, Fanny Hildebrandt, 1880–1960, aus Merseburg, Malerin), Architekt, 1917 Dir. d. Handwerker- u. Kunstgewerbeschule auf Burg Giebichenstein, 1922 Leiter d. Werkstätten d. Stadt Halle/Staatl.-städt. Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein, o. Prof. f. Raumkunst u. Ornamentik an d. TH Hannover (s. Hann. Professoren);
    E Christine (1908–92, Hans Kaspar Schwarz, 1891–1966, Maler, Zeichner, Bildhauer, s. Biogr. Lex. Schweizer Kunst), Urban (1916–84), Bildhauer, Oberlt., im Umfeld d. 20. Juli 1944 in Kontakt mit Claus Gf. Schenk v. Stauffenberg.

  • Biographie

    Nach humanistischer und religiöser Prägung im Marburger Elternhaus wurde T. 1861 nach München geschickt, um hier das Abitur abzulegen (1864). Schon ab 1862/63 begann er Hochbau und Ingenieurwesen an der Polytechnischen Schule zu studieren (1865 u. 1868 theoret. u. prakt. Abschlußprüfung). Zunächst beim Eisenbahnbau in Mittelfranken und Hohenzollern-Sigmaringen beschäftigt, wurde er 1868 Assistent bei Gottfried v. Neureuther. 1872 habilitierte sich T. an der Polytechnischen Schule mit einem Thema aus der Baukunst: „Optische Täuschungen in der Architektur“. Darin erläuterte er die Kurvatur griech. und röm. Bauten in ihrer Wirkung auf den Betrachter. Als Lehrer an der TH München (1872–74 Privatdozent, 1874–86 ao. u. 1886–1908 o. Prof.) bot er Veranstaltungen an, deren Schwerpunkte auf der Bauformenlehre und der Geschichte der Baukunst, insbesondere der Antike, lagen.

    Für das von Josef Durm herausgegebene „Handbuch der Architektur“ schrieb T. den|wichtigen Teil zur Proportionslehre (T. IV, 1. Halbbd., 1883, ³1904). In diese Darstellung ließ er Hunderte von Aufmaßen einfließen, die er auf Reisen in den Mittelmeerraum von Bauten der Antike und Renaissance gezeichnet hatte. Hieraus und als Summe der älteren Architekturtheorie entwickelte T. seine „Harmonielehre“, die im Kern v. a. die Analogie von Flächen und Körpern sowie die proportionale Unterordnung des Details unter die große Form meint. T.s Deduktionen fanden großen Anklang im Kreis der Renaissanceforscher; Heinrich Wölfflin erhob T.s Lehrgebäude sogar zum „Thierschischen Gesetz“ (Dt. Bauztg. 23, 1889, S. 278).

    Als T. seit 1872 eigene Bauten, v. a. Kirchen und Privathäuser, entwarf, tat er auch dies überwiegend im Rückblick auf die ital. Renaissance. Durch Kriegszerstörung und Umbauten ist von den Wohnhäusern kaum mehr etwas erhalten, in München lediglich die Häuser Uhlandstr. 7 (ehem. Villa Haymann, um 1891) und Georgenstr. 4 (ehem. Villa Steinmetz, 1892/93). Für die Kirchenbauten unterschiedlicher Konfessionen – kath.-apostol., ev. und röm.-kath. – spielten auch andere als klassische Bauformen eine Rolle; neben frühchristlichen Motiven und Techniken verwandte T. gelegentlich Derivate aus der Formensprache von Romanik (Kath.-apostol. Kirche Zürich, 1893–95) und Gotik (Ev. Kirche Berchtesgaden, 1892–97). Der anspruchsvollste und mit seiner Innenausstattung weitgehend erhaltene Kirchenbau T.s ist die röm.kath. Kirche St. Ursula in München-Schwabing (1894–97), deren Formen überwiegend auf Bauten Filippo Brunelleschis basieren. Wie das erhaltene Planmaterial belegt, wandte T. hier seine Erkenntnisse über harmonische Gestaltung an. Aufgrund der prekären Finanzsituation der Pfarrei war T. mehr als 30 Jahre lang mit Planung, Ausführung und Ausstattung seines „Modellbaus“ befaßt; 1897 erhielt er dafür den Bayer. Michaelsorden. Die dreischiffige, kreuzförmige Säulenbasilika mit Portikus, doppelschaliger Vierungskuppel aus Beton und freistehendem Turm, Zentrum einer (nur teilweise realisierten) Platzanlage, wurde zum Blickpunkt der urbanistischen Stadtplanung im wachsenden Schwabing (seit 1890 Stadtteil von München).

    Seit 1897 beschäftigte sich T. mit der Holzbaukunst des Alpenraums, da der massenhafte Abriß oder Umbau ländlicher Bauten in Bayern Gegenmaßnahmen nahelegte. Als erster Vorsitzender des „Bayerischen Vereins für Volkskunst und Volkskunde“ (1902) verfolgte er – noch vor Gründung des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege (1908) – zugleich denkmalpflegerische und sozialpädagogische Ziele. Die Ergebnisse seiner Aufmaße, wohl z. T. unter dem Aspekt einer Not-Dokumentation entstanden, gingen zunächst in eine „Denkschrift“ (1900/02), dann in ein Handbuch (1906) ein, das Haustypen aller dt. Regionen definierte. Für die Münchner Landwirtschaftsausstellung 1905 entwarf T. einen idealen Holzbau (als Privathaus in Starnberg erhalten). 1912 erhielt er für diese Aktivitäten die „Prinzregent-Luitpold-Medaille“ in Silber.

    Zusammen mit seinem Sohn Hermann, der Archäologie studierte, nahm T. seit 1900 an Grabungen im Mittelmeerraum teil und trug zu den sich hieraus ergebenden architektonischen Rekonstruktionen (Alexandria, Knossos, Tiryns, Ägina, Halikarnass) bei. Basierend auf seiner Kenntnis ägypt. Grabanlagen entwarf T. 1907–13 ein hochoriginelles, aber nie ausgeführtes Projekt für einen weiteren kommunalen Friedhof in München: eine Katakombenanlage in Form zweier unterirdischer Camposanti.

    T. verband als Architekt historische und ästhetische Ansätze mit der Anwendung modernster Technologie. Seine Ablehnung eines unreflektierten Historismus und dessen Ersatz durch ein System „harmonischen“ Bauens zeigen ihn als Entwerfer an der Schwelle zur Moderne.

  • Quellen

    Qu Archivalien u. Pläne: Architekturmus. d. TU München; StA München; Archiv d. Diözese München u. Freising; Bayer. Staatsbibl. sowie einzelne Pfarrarchive.

  • Werke

    W u. a. Schrr.: Opt. Täuschungen auf d. Gebiete d. Architektur, in: Zs. f. Bauwesen 1873, S. 9–25;
    Asterios [Heinrich u. August T.], Die Physiognomie d. Mondes, 1879, (mit Verfassernamen) ²1883;
    Proportionen in d. Architektur, in: Hdb. d. Architektur, hg. v. J. Durm, H. Ende u. E. Schmitt, T. 4: Entwerfen, Anlage u. Einrichtung d. Gebäude, Halbbd. 1: Architekton. Komp., 1883, S. 36 ff., ³1904, S. 37–90;
    Das Bauernhaus im bayer. Gebirge u. seinem Vorlande, Denkschr. d. Münchener Architekten- u. Ing.-Ver., in: Süddt. Bauztg. 10, 1900, S. 265–67, erw. Separatdr. 1902;
    Das Bauernhaus im Dt. Reiche u. seinen Grenzgebieten, Textbd. S. 300–21, Atlas: Kgr. Bayern, Bl. 1–17, 1906.

  • Literatur

    L u. a. Hermann Thiersch, A. T. als Architekt u. Forscher, 1923;
    B. Stenger, A. T. (1843–1916), Geplante u. ausgeführte Kirchenbauten, Diss. masch. TU München 1981;
    dies., St. Ursula München, ²1993;
    W. Nerdinger u. K. Blohm (Hg.), Architekturschule München 1868–1993, 125 J. TU München, 1993, bes. S. 170 f. (P);
    S. Appuhn-Radtke, Harmonie u. Funktionalität, Zur Genese d. Hochaltars d. Kirche St. Ursula in München-Schwabing v. A. T., in: Innovationen, Verwandlungen, Konkretisierungen, FS f. K. Möseneder, hg. v. C. Hecht, 2009, S. 364–|74;
    dies., Harmonie als zeitlose Qualität, St. Ursula in München-Schwabing, Ein Kirchenbau v. A. T., 2013 (P).

  • Porträts

    P Ölgem. v. Ludwig Thiersch, 1866 (Schönau, Privatbes.), Abb. in: Appuhn-Radtke, 2013, Abb. 1; Photogrr. um 1884, 1894 u. 1910 (ebd.), Abb. ebd. Abb. 5, 7 u. 22; Porträtplakette, Bronze, v. D. Pfeifer, 1917 (München, St. Ursula, innere Südwand).

  • Autor/in

    Sibylle Appuhn-Radtke
  • Zitierweise

    Appuhn-Radtke, Sibylle, "Thiersch, August" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 136-138 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118801945.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA