Lebensdaten
1709 – 1785
Geburtsort
Memmingen (Allgäu)
Sterbeort
Sankt Petersburg
Beruf/Funktion
Gelehrter ; Kunsttheoretiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 100975127 | OGND | VIAF: 56968148
Namensvarianten
  • Stählin, Jacob (bis 1745)
  • Stählin-Storksburg, Jacob von
  • Stählin-Storcksburg, Jacob von
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Zitierweise

Stählin, Jacob von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100975127.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. letzten Viertel d. 16. Jh. in M. nachweisbarem Zweig d. württ. Fam.;
    V Jacob S. (1678-um 1757), Krämer, Weinvisierer, Eich- u. Lichtmeister, Mitgl. d. gr. Rats in M., S d. Bartholomäus (* 1646), Spengler, Weinvisierer, Eich- u. Lichtmeister in M., M Elisabeth (1678–1720), T d. Johann Wilhelm Müller (* 1654), Buchführer, Buchbinder; seit 1722 Stief-M Barbara (1697–1780), T d. Heinrich Wolfarth (1663–1740, Präzeptor am Gymn. in Ulm;
    Ov Martin S. (um 1688–1780, Assessor am Handwerkergericht, Bgm. in Augsburg;
    7 B (1 früh †) u. a. Bartholomäus S. (1706–82, Knopfmacher, Malzstreicher, Lorenz S. (* 1715), Handelsmann, 1 Schw, 4 Halb-B u. a. Heinrich S. (* 1722), in St. Petersburg, Johannes S. (1724– n. 1796), Dr. med., Arzt in Kronstadt, Martin S. (1727–92, Säckler, Eberhard Rudolf S. (1732–1807, Gürtler;
    St. Petersburg 1743 Elisabeth († 1801), T d. Johann Reichmuth (1677–1739, aus Winkel b. Sangerhausen, Pastor d. dt. ev. Gde. in Moskau (s. E. Amburger, Die Pastoren d. ev. Kirchen Rußlands v. Ende d. 16. Jh. bis 1937, 1998), u. d. Anna Maria Strahlborn;
    2 S (1 früh †) Peter S. (1744–1800, russ. Stückhptm., Kpt., 1762 Sekr. im Ausw. Dienst, 1763 Legationssekr. in Kopenhagen, 1770–75 in Dresden, später in Den Haag, 1782 im Ruhestand, danach in d. Niederl. u. Hamburg, 3 T (1 früh †) Elisabeth Benedicta (1745–1824, Johann Matthias Greiner, 1767, aus Hamburg, Pastor d. dt. ev. Gde. St. Petri in St. P.), Maria (1753–1805 /06, Peter Iwanowitsch Frauendorff, Hptm. b. d. ksl. Semenowschen Leibgarde, Ger.rat u. Oberst in Pleskau).

  • Biographie

    Nach dem Besuch der heimischen Lateinschule setzte S. seine Ausbildung mit einem Stipendium zunächst in Augsburg, dann am Gymnasium in Zittau (Sachsen) fort, wo er im Haus des Rektors Polycarp Müller (1685–1747) wohnte und moderne Sprachen, Rhetorik, Poesie, Mathematik, Zeichnen, Tanzen sowie bei Johann Daniel Montalegre (1689–1768) Feuerwerkskunst erlernte. Nach einer Bildungsreise 1731/32 durch Sachsen, Schlesien, Böhmen, und Süddeutschland setzte S. seine Studien an der Univ. Leipzig fort und befaßte sich neben Mathematik, Literaturgeschichte, Naturwissenschaften, Rechtsgeschichte auch mit Numismatik, Allegorien und Altertümern. Er verkehrte im Hause J. S. Bachs sowie in Gottscheds „Deutschübender poetischer Gesellschaft“. Wohl durch einen Entwurf von allegorischen Feuerwerksfiguren wurde Baron Johann Albrecht Korff (1696/97–1766), Direktor der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften, auf S. aufmerksam und bot ihm 1734 einen Vertrag als Adjunkt für dt. Stil, Rhetorik, Dichtkunst, Invention von Illuminationen und Feuerwerken sowie für künstlerische und wissenschaftliche Aufgaben an der 1725 eröffneten Akademie an. Mit seinem Freund Johann Georg Lotter (1699–1737), der eine Professur für Altertümer und klassische Literatur annahm, ging S. im Juni 1735 nach St. Petersburg. Er lieferte „Inventionen“ für Architekturkulissen, Illuminationen und Feuerwerke, welche durch ihre bewegten allegorischen Bilder zu europaweit bewunderten Inszenierungen wurden. S. leitete während der Regierungszeiten der Kaiserinnen Anna (reg. 1730–40) und Elisabeth (reg. 1741–61) alle künstlerischen Aufgabenbereiche der Akademie, die u. a. für die wiss. Buchillustrationen notwendig waren, und wurde als Kunstsachverständiger herangezogen, um die Sammlungen der ksl. Paläste zu inventarisieren. 1737 wurde er als Nachfolger Lotters zum o. Professor ernannt. 1740/41 warb er Kunsthandwerker wie den Maler Johann Elias Grimmel (1703–59) aus Memmingen und den Kupferstecher Johann Stenglin (1715–77) aus Augsburg an. 1757 wurde S. zum „Direktor aller Künste an der Akademie“ ernannt. Als Erzieher, später Bibliothekar des Thronfolgers Peter (1728–62, reg. Jan.–Juli 1762) hielt sich S. 1742–47 und 1757–62 überwiegend am ksl. bzw. großfürstl. Hof auf. Der junge Großfürst beförderte S. 1745 zum Hofrat und gewährte ihm ein zusätzliches Jahresgehalt von 1000 Rubeln. S.s erst 1866 veröffentlichten zeitgenössischen Niederschriften galten lange Zeit als wichtigste Quelle zu Peter III. An der Akademie arbeitete S. 1747–57 an einer systematischen Bildwissenschaft („Iconologiae systematicae“, nicht abgeschlossen, Ms. verloren). Katharina (II.) (1729–96) hatte ein eher distanziertes Verhältnis zu S. Sie bestätigte erst 1763 seine Ernennung zum Staatsrat, übertrug ihm aber, obwohl sie seine Allegorien für altmodisch hielt, zahlreiche Aufträge für den Hof, u. a. die Inszenierung von Feuerwerken und die Mitarbeit an der Fortsetzung der Serie von Gedenkmünzen auf die Taten Peters des Großen. 1775 ernannte sie S. zum Wirklichen Staatsrat mit dem Titel Exzellenz, womit er zur Elite des russ. Reiches gehörte. Durch die Gründung (1757) der Akademie der (Schönen) Künste gerieten die künstlerischen Werkstätten der Akademie der Wissenschaften in Bedrängnis. S. konnte mit erheblichen Einbußen die Werkstätten für Zeichnen und Kupferstich sowie die Druckerei retten. Ein Gesuch 1764 um Anstellung als Direktor an der Kunstakademie wurde abgelehnt. Seit 1765 war S. als Ständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften für deren gesamte wiss. Korrespondenz zuständig. Im Konflikt mit dem neuen Präsidenten Vladimir Grigor’evič Orlov (1743–1831) mußte S. 1769 zurücktreten. Er beschäftigte sich nun verstärkt mit seinen wiss. Manuskripten, arbeitete aktiv in der 1766 gegründeten Freien Ökonomischen Gesellschaft mit (u. a. als deren dt. Sekretär) und leitete den 1772–77 bestehenden „Musikklub“, in dessen Konzerten er Flöte spielte. 1784 erkrankte S. an einem Magenleiden, das zu seinem Tod führte. S. unterhielt einen sehr weitgespannten Briefwechsel. Auch mit Teilen der Elite des russ. Reiches, wie den Naryškins, Šuvalovs, Voroncovs und Panins, sowie mit den meisten ausländischen Gesandten pflegte S. enge persönliche Kontakte. In seinem Stadthaus in St. Petersburg unterhielt S. nach den Berichten von Besuchern eine umfangreiche, heute zerstreute Kunst- und Raritätensammlung, v. a. Gemälde, Kupferstiche, Plastiken, Münzen und Musikinstrumente. Seine vornehmlich auf mündlichen Informationen beruhenden und als Informationsquelle durchaus wertvollen Aufzeichnungen zu fast allen Bereichen des russ. Kunstlebens seiner Zeit wurden zu S.s Lebzeiten nur teilweise veröffentlicht; vielfach liegen sie als mehr oder weniger abgeschlossene Skizzen bzw. in der für S. typischen Form von Anekdotensammlungen vor. Die Zusammenfassung zu einer großen Kunstgeschichte Rußlands unterblieb. S. gehört zu den für Kultur- und Wissensaustausch wichtigen dt. Gelehrten des 18. Jh. in Rußland, die – anders als in Rußland – in Deutschland kaum noch bekannt sind.

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. d. Freien Ökonom. Ges., St. Petersburg (1766), d. Soc. of Antiquaries, London, d. Kgl. Ak., Madrid, u. d. Physikal.-Ökonom. Bienenges. d. Oberlausitz.

  • Werke

    Zur Gesch. d. Theaters in Rußland, Nachrr. v. d. Tanzkunst u. Balletten in Rußland, Nachrr. v. d. Musik in Rußland, alle in: J. J. Haigold, Beylagen z. Neuveränderten Rußland, 1769/70, Nachdr. hg. v. E. Stöckl, 1982 (P);
    Verz. d. vornehmsten Künstlern in Rußland, in: J. G. Meusel, Miscellaneen artistischen Inhalts, H. 11, 1782, S. 259–77;
    OriginalAnekdoten v. Peter d. Gr., 1785, Neudr. hg. u. bearb. v. U. Lehmann, 1988;
    Zapiski Štelina o Petrě Tret`em, imperatorě vserossijskim, in: Čtenija v Imp. Obščestvě istorii i drevnostej rossijskich pri Mosk. universitetě, 1866, Bd. 4, Abt. 5, S. 67–118;
    K. V. Malinovskij, Zapiski Jakoba Štelina ob izjaščnych iskusstva v Rossii, 2 Bde., 1990;
    B. I. Zagurskij, Muzyka i balet v Rossii XVIII veka, 2002;
    Red.:
    St. Petersburger Ztg., 1735–37, 1747–68 u. 1783–85;
    Verz. v. W, Überss. u. Nachdrr.
    in: Lex. d. dt.sprachigen Lit. d. Baltikums u. St. Petersburgs (s. L);
    Nachlaß:
    Russ. Nat.bibl., St. Petersburg (umfangreiche Korr. u. kl. T. d. Mss.).

  • Literatur

    Karl Stählin, J. v. S., Ein biogr. Btr. z. dt.-russ. Kulturgesch. d. 18. Jh., 1920;
    ders., Aus d. Papieren J. v. S.s, Ein biogr. Btr. z. dt.-russ. Kulturgesch. d. 18. Jh., 1926 (P);
    F.-D. Liechtenhan, J. v. S., académicien et courtisan, in: Cahiers du monde russe 32, 2002, S. 321–32;
    K. Harer, Lomonosov u. S., Zur Textgesch. v. J. S. „Fragmens anecdotes“, in: Zs. f. slav. Philol. 61, 2002, S. 41–87;
    A. Schwab, Migration dt. Komponisten u. Musiker zw. d. südl. Ostseeraum u. Russland im 18. Jh., in: Musik u. Migration in Ostmitteleuropa, hg. v. H. Müns, 2005, S. 38 ff.;
    K. V. Malinovskij, Chudožestvennye svjazi Germanii i Sankt-Peterburga v XVIII veke, 2007, S. 427–68;
    Th. Liebsch, Von Dresden n. St. Petersburg, Kunst- u. Künstlertransfer in d. Hss. d. J. v. S., in: Bilder-Wechsel, Sächs.-russ. Kulturtransfer im Za. d. Aufklärung, hg v. V. Billig, 2009, S. 243–78;
    |Kosch, Lit.-Lex.²;
    MGG²;
    C. L. Gottzmann u. P. Hörner, Lex. d. dt.sprachigen Lit. d. Baltikums u. St. Petersburgs, 2007 (W, L)

  • Porträts

    | Kupf. v. Georg Friedrich Schmidt, 1762, danach Kupf. v. J. Stenglin, 1764 (Wien, Österr. Nat.bibl.), Abb. in: Stählin, 1926 (s. L).

  • Autor/in

    Hermann Beyer-Thoma
  • Zitierweise

    Beyer-Thoma; Hermann, "Stählin, Jacob von" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 22-24 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100975127.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA