Lebensdaten
1845 – 1932
Geburtsort
Glogau
Sterbeort
Naumburg/Saale
Beruf/Funktion
Staatssekretär ; Jurist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118792970 | OGND | VIAF: 42634067
Namensvarianten
  • Posadowsky-Wehner, Arthur Adolf Graf von
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Zitierweise

Posadowsky-Wehner, Arthur Graf von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118792970.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit 1321/34 in Schlesien nachweisbarer Adelsfam., seit 1743 preuß. Grafen;
    V Adolf (1799–1848), auf Dammitsch (Kr. Steinau, Niederschlesien), Oberlandesger.rat, S d. Friedrich (1761–1840), auf Dammitsch, preuß. Kammerherr, u. d. Friederike Elisabeth v. Unruh (1767–1826);
    M Amalie (1811–80), T d. Ferdinand v. Plötz (1748–1829), auf Batzwitz;
    Breslau 1871 Elise (1840–1914, 1] N. N. Thomas, 1866, preuß. Premierlt.), T d. Gustav v. Möller (1803–68), Appellationsger.präs. in Breslau (s. ADB 22), u. d. Caroline Pelicaeus;
    1 S Nikolaus (1872–1954), preuß. Reg.rat, Landrat d. Lkr. Elbing (s. Wi. 1935), 2 T u. a. Helene Elisabeth (1872–1945, Dr. iur. Carl v. Grimm, 1876–1928, Geh. Oberfinanzrat, Mitgl. d. Reichsbankdirektoriums, bad. Kammerherr, s. DB) X, S. 86-88; NDB VII*).

  • Biographie

    P. studierte nach der Reifeprüfung am ev. Gymnasium in Glogau in Berlin, Heidelberg und Breslau Rechts- und Verwaltungswissenschaften und wurde 1867 zum Dr. iur. utr. promoviert. Nach seiner Referendarsausbildung verließ er den Justizdienst, um ein in der Provinz Posen erworbenes Gut zu bewirtschaften. 1871 trat P. in die Innenverwaltung ein. Nach zwei Jahren bei der Regierung in Posen wurde er 1873 Landrat der Kreise Wongrowitz (1873) und Kröben (1877). Seit 1885 leitete er die provisorische Selbstverwaltung der Provinz Posen; 1889 wählte ihn die Provinzialvertretung zum Landesdirektor. 1882-85 war er freikonservativer Landtagsabgeordneter. Seine Leistungen bei der Entschuldung der Provinz Posen qualifizierten P. 1893 für das Amt des Reichsschatzsekretärs. Ein Reformversuch für die Reichsfinanzen, der die Steuerhoheit des Reiches ausbauen und seine Einnahmen durch neue indirekte Steuern erhöhen sollte, scheiterte im Reichstag am Widerstand der Liberalen und des Zentrums. Durch diese Niederlage erkannte P. das politische Gewicht des Reichstags; fortan akzeptierte er die Teilnahme der Parteien am Prozeß der politischen Willensbildung. Die nach der Neuwahl des Reichstags mit Hilfe des Zentrums im Juli 1893 gelungene Finanzierung der Heeresvermehrung leitete die Zusammenarbeit P.s mit dem Reichstag und hier speziell mit dem Zentrum ein, die auch nicht unterbrochen wurde, als P. 1897 als Staatssekretär in das Reichsamt des Innern wechselte und gleichzeitig allgemeiner Stellvertreter des Reichskanzlers wurde. Seine innenpolitischen Ziele sah er im Erhalt eines breiten bürgerlichen Mittelstandes und in einer zielgruppenorientierten staatlichen Sozialpolitik für die Arbeitnehmerschaft. Die politische Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie scheute er nie; er akzeptierte sie jedoch neben dem Zentrum als Vertreterin der Arbeitnehmerinteressen in der politischen Zusammenarbeit. Nach der politischen Niederlage, die P. 1899 mit der Vertretung der sog. „Zuchthausvorlage“ erlitten hatte, formulierte er mit der Reichstagsmehrheit eine Sozialpolitik ohne repressive Momente, überwand so die Stagnation auf diesem Politikfeld und erweiterte sein sozialpolitisches Konzept. Nunmehr hatten seine Vorlagen (Aufhebung d. Verbindungsverbots pol. Vereine, Ausbau d. Kranken- u. d. Unfallvers., Kinderschutz, Einf. d. obligator. Gewerbegerichte, d. Kaufmannsgerichte u. Förderung d. Arbeiterwohnungbaus) im Reichstag Erfolg. P.s Stellung wurde schließlich so stark, daß er zeitweilig die preuß. Innenpolitik beeinflussen konnte. So zwang er bei dem großen Bergarbeiterstreik 1905 mit der Drohung, ein Reichsberggesetz zu erlassen, die preuß. Regierung, auf die Forderungen der Bergarbeiter einzugehen. Mit dem Entwurf eines Gesetzes, das die öffentlich-rechtliche Position der Berufsvereine ordnen und Rechtsgleichheit unter ihnen schaffen sollte, blieb P. erfolglos. Gegen eine anhaltende Obstruktion des Bundesrats brachte er zwar die Beratungen voran, doch scheiterte die bereits im Reichstag eingebrachte Vorlage wegen dessen Auflösung 1906.

    In der Wirtschaftspolitik stand P. im Schatten des Reichskanzlers Bülow. Zwar hatte er die negativen Folgen des Caprivi’schen Zolltarifs für die Landwirtschaft bereits in seiner Posener Amtszeit erkannt, doch wollte er den extremen Forderungen des Bundes der Landwirte für neue Handelsverträge nicht nachgeben. Sein Ziel war ein Interessenausgleich zwischen allen wirtschaftlichen Gruppen. In der Sache gelang der Ausgleich mit Hilfe des von ihm gebildeten „Wirtschaftlichen Ausschusses zur Vorbereitung von Handelsverträgen“, doch blieb P.s Wirken von der Öffentlichkeit unbemerkt.

    P. mied sowohl die diplomatische als auch die höfische Gesellschaft. Er distanzierte sich deutlich von den Interessenverbänden, nachdem bekannt geworden war, daß das Reichsamt des Innern vom Zentralverband deutscher Industrieller 12 000 RM zur Propagierung der „Zuchthausvorlage“ erbeten hatte. Intensiv arbeitete er in der ev. Landessynode Preußens, der er als Dechant des Hochstifts Naumburg angehörte. Nach dem Wahlsieg des „Bülow-Blocks“ 1907 verlor P., dessen Politik das Zentrum zu einer Quasi-Regierungspartei gemacht hatte, sein Amt. Der von ihm eingeschlagene sozialpolitische Kurs wurde nicht geändert. Obwohl P. bis zu seinem Tode politisch und parlamentarisch tätig war, blieb ihm jetzt politische Resonanz versagt.

    P. gehörte zu den profiliertesten Politikern im deutschen Kaiserreich. Die von ihm vertretene Sozialpolitik strebte die Integration der Arbeitnehmerschaft in die bestehende Gesellschaftsordnung an und verfolgte damit das dringendste politische Ziel der Zeit. P. erkannte zunehmend die politische Macht des Reichstags in der Innenpolitik, nutzte sie und förderte damit die de-facto-Parlamentarisierung des Kaiserreichs, die auch zu seiner politischen Grundhaltung wurde.|

  • Auszeichnungen

    Schwarzer-Adler-Orden (1905);
    Großkreuz d. bayer. St. Hubertus-Ordens (1906);
    Dr. med. h. c. (Gießen 1907);
    D. theol. h. c. (Berlin 1908).

  • Werke

    De duobus universalis monarchiae gladiis secundum fontes medii aevi. Diss. Breslau 1867;
    Über d. Altersversorgung d. Arbeiter, 1883;
    Volk u. Reg. im neuen Reich, Aufss. z. pol. Gegenwart, 1932 (P).

  • Literatur

    Gf. P. als Finanz-, Soz.- u. Handelspol., an d. Hand seiner Reden dargest., hg. v. J. Penzier u. H. Ehrenberg. 4 Bde., 1907-11;
    M. Schmidt, Gf. P., Staatssekr. d. Reichsschatzamtes u. d. Reichsamtes d. Innern 1893-1907, Diss. Halle 1935;
    Akten z. staatl. Soz.pol. in Dtld. 1890-1914, hg. v. P. Rassow u. K. E. Born, 1959, S. 129-271;
    K. E. Born, A. Gf. v. P. 1845-1932, in: Männer d. dt. Verw., 1963, S. 211-28;
    W. A. Mommsen, Die Nachlässe in d. dt. Archiven, T. 1, 1971, Nr. 2858;
    Qu.slg. z. Gesch. d. dt. Soz.pol. 1867-1914, hg. v. K. E. Born, H. Henning u. F. Tennstedt, IV. Abt., Bd. 1: Das J. 1905, bearb. v. H. Henning, 1982;
    Bd. 2: Das J. 1906, bearb. v. dems., 1987;
    Bd. 3.: Das J. 1907, bearb. v. dems. u. U. Sieg, 1994;
    Rhdb. (P);
    H. Henning, in: K. A. Jeserich u. H. Neuhaus (Hg.), Persönlichkeiten d. Verw., Biogrr. z. dt. Verw.gesch. 1648-1945, 1991, S. 245-49;
    J. Bahlcke, in: Ostdt. Gedenktage 1995, 1994, S. 159-65 (P).|

  • Quellen

    Qu GStA Berlin (Rep. 90, Nr. 1032 f.); BA Berlin-Lichterfelde (R 1501 PA/9746); Dt. Adelsarchiv Marburg.

  • Autor/in

    Hansjoachim Henning
  • Zitierweise

    Henning, Hansjoachim, "Posadowsky-Wehner, Arthur Graf von" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 646-647 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118792970.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA