Lebensdaten
1835 – 1894
Geburtsort
Baja (Ungarn)
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Rabbiner ; jüdischer Theologe ; Kulturhistoriker ; Literaturhistoriker ; Archäologe ; Sprachforscher
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 116079584 | OGND | VIAF: 754586
Namensvarianten
  • Perles, Joseph
  • Perles, J.
  • Perles, Josef
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Zitierweise

Perles, Joseph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116079584.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Prager Fam.; Vorfahre Rabbi Löw ( 1609, s. NDB 15), von dessen Ehefrau Perl angebl. d. Fam.-name herrührt; Verwandte (?) Moses Meir ben Eleazar (1666–1739), Isaak Moses (1784–1854), beide Rabbiner (beide Enc. Jud. 1971), Moritz (s. 3);
    V Baruch Ascher, Talmudist, Rabbiner;
    M N. N.;
    1863 Rosalie (1839–1932), Schriftst., Übers. aus d. Engl., u. a. Werke v. Travers H. Herford u. George Moore, Leiterin d. Jüd. Frauenbundes in M., Gründerin d. „Ver. z. Bekleidung armer israelit. Schulkinder“ (s. W, L), T d. Simon Baruch Schefftel (s. W);
    S Max (1867–94), Augenarzt, Preisträger d. med. Fak. in M., starb als Opfer seiner wiss. Tätigkeit auf bakteriolog. Gebiet (s. Enc. Jud. 1971), Felix (s. 2).

  • Biographie

    Nach einer talmudischen Ausbildung bei seinem Vater und dem Besuch des Gymnasiums in Baja trat P. 1855 in das im Vorjahr von Jonas Fränkel gestiftete und von Zacharias Frankel und Jacob Bernays gegründete „Jüd. Seminar“ in Breslau ein und studierte daneben an der Universität Philosophie sowie klassische und orientalische Sprachen. 1859 wurde er aufgrund der Dissertation „Meletemata Peschitthoniana“, in der er den jüd. Ursprung der Peschittho, der ältesten syr. Bibelübersetzung, nachwies, zum Dr. phil. promoviert. 1862 wurde er Prediger in Posen, 1871|Rabbiner in München. Während seiner Amtszeit verdreifachte sich die jüd. Bevölkerung der Stadt, so daß 1887 eine neue Synagoge eingeweiht werden konnte, die drittgrößte ihrer Zeit in Deutschland. P., der sich um einen Ausgleich der verschiedenen Strömungen in seiner Gemeinde bemühte, war Mitbegründer und Vorstand des „Studien- und Arbeitsförderungsvereins für Israeliten in Bayern“.

    Vor allem widmete er sich dem in Handschriften und Frühdrucken in der Bayer. Staatsbibliothek reich vorhandenen jüd. Schrifttum, auf das er die Fachwelt u. a. in seinen „Bibliographischen Mitteilungen aus München“ (2 Bde., 1876) aufmerksam machte. Entsprechend breit gefächert ist das Spektrum seiner eigenen Forschungen, die sich auf Theologie und religiöses Brauchtum, lexikographische und sprachwissenschaftliche sowie kultur- und literarhistorische Fragen erstrecken. Sie sind großenteils in den „Beiträgen zur Geschichte der hebr. und aramäischen Studien“ (1884) und den „Beiträgen zur rabbin. Sprach- und Alterthumskunde“ (1887) gesammelt. Durch eine Reihe von Entdeckungen und Erkenntnissen erregte P. besondere Aufmerksamkeit: So untersuchte er die griech. und pers. Lehnwörter des rabbin. Schrifttums, wies die jüd. Quellen von „Tausendundeiner Nacht“ nach und beschrieb die alten jüd. Trauungs- und Begräbnisriten. 1875 identifizierte er einen Codex aus dem Kloster Kaisheim als erste lat. Übersetzung des „More-Nebuchim“ (Führer der Unschlüssigen) des Maimonides.

  • Werke

    Weitere W Die jüd. Hochzeit in nachbibl. Zeit, 1860;
    Die Leichen-Feierlichkeiten im nachbibl. Judenthum, 1861;
    Rabbi Salomo ben Abraham ben Adereth, 1863;
    Die Gesch. d. Juden in Posen, 1865;
    Etymolog. Stud. z. Kunde d. rabbin. Sprach- u. Alterthumskde., 1871;
    Thron u. Circus d. Kg. Salomo, in: Mschr. f. Gesch. u. Wiss. d. Judentums 21, 1872, S. 122 ff.;
    Abraham ben Azriel, ebd. 26, 1877, S. 360-73;
    Zur rabbin. Sprach- u. Sagenkde., 1873;
    Rabbin. Agada's in 1001 Nacht, Ein Btr. z. Gesch. d. Wanderung oriental. Märchen, 1873;
    Über d. in e. Münchner Hs. aufgefundene erste lat. Übers. d. Maimonidischen Führers, 1875;
    Die Berner Hs. d. Kl. Aruch, 1887;
    Predigten, mit e. Einl. v. Rosalie Perles, hg. v. Felix Perles, 1896. – Zu Rosalie: Aphorismen, 1932. – Zu Simon Baruch Schefftel: Be'urei Onkelos, hg. v. J. P., 1888. – Nachlaß;
    Leo Baeck Inst., New York.

  • Literatur

    ADB 53; Nachrufe
    in: Münchner Neueste Nachrr. v. 6.3.1894 u. Allg. Ztg. d. Judentums v. 9.3.1894;
    D. Kaufmann, in: Münchner Allg. Ztg. Nr. 64 v. 17.3.1894 (wieder in: Ges. Schrr. I, hg. v. M. Brann, 1908, S. 307-12);
    W. Bacher, in: The Jewish Quarterly Review VII, 1895, S. 1-23;
    Felix Perles (S), in: Allg. Ztg. d. Judentums 83, 1919, Nr. 9-11;
    H. Lamm, Von Juden in München, 1958, S. 24 f.;
    ders. (Hg.), Vergangene Tage, Jüd. Kultur in München, 1982 (P);
    Y. Gleibs, Juden im kulturellen u. wiss. Leben Münchens, 1981, S. 208-11;
    Leo Baeck Inst. New York, Cat. of the Archival Collections, 1990, S. 111;
    A. Heusler, in: Beth ha-Knesseth, hg. v. Stadtarchiv München, 1999, S. 59-62 (P, auch zu Rosalie);
    Enc. Jud. 1971 (auch zu Rosalie, P);
    ÖBL.

  • Autor/in

    Franz Menges
  • Zitierweise

    Menges, Franz, "Perles, Joseph" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 187-188 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116079584.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Perles: Joseph P., Dr., hervorragender Sprachforscher und Archäologe, geboren am 25. November 1835 in Baja (Ungarn), am 4. März 1894 in München. P., aus einer alten Rabbinerfamilie stammend, erhielt den ersten Unterricht durch seinen Vater, den Rabbinatsverweser Baruch Ascher Perles, der ihn auch frühzeitig in die theologischen Studien, denen er sich später mit Erfolg widmete, einführte. Im J. 1855 bezog P., nach in Baja absolvirten Gymnasialstudien, die Universität Breslau, woselbst er gleichzeitig als einer der ersten Hörer, das dort gegründete jüdisch-theologische Seminar besuchte, dem Dr. Zacharias Frankel als Director vorstand und an dem Graetz, Bernays, Joel und Zuckermann als Lehrer wirkten. Am 30. März 1859 erhielt er auf Grund seiner Dissertation: „Meletemata Peschithoniana“ die philosophische Doctorwürde. Schon im J. 1858 erschien von ihm in Frankel's Monatsschrift die im J. 1857 preisgekrönte Arbeit „Ueber den Geist des Commentares R. Moses b. Nachmann und über sein Verhältniß zum Pentateuchcommentar Raschi“, 1859 erschienen von ihm in Leopold Löw's „Ben Chananjah“ (S. 571) ein Aufsatz: „Die Hebraica im Ung. Nationalmuseum in Pest" und „Gottesdienstlicher Vortrag, gehalten am 10. September 1859 in Baja", „Zwei gottesdienstliche Vorträge, gehalten in Baja 24. September und 13. October“. Ueber „Die jüdische Hochzeit in nachbiblischer Zeit“ veröffentlichte P. eine Schrift 1860 (Leipzig) und „Ueber die Leichenfeierlichkeiten im nachbiblischen Alterthum“ eine solche 1861 (Breslau). Schon im J. 1861, noch bevor er sein Rabbinerdiplom gleichzeitig mit Moritz Güdemann und Moritz Rahmer (30. April 1862), welche die drei ersten aus der jungen|Anstalt entlassenen Theologen waren, erhielt, wurde er als Prediger an die israelitische Brüdergemeinde nach Posen berufen. Daselbst erschien von P. eine „Geschichte der Juden in Posen“ (Breslau 1865) und „Drei gottesdienstliche Vorträge, gehalten im Tempel der j. Brüdergemeinde zu Posen“ (1864). Am 2. Juni 1863 heirathete P. Rosalie, Tochter des Simon Baruch Schefftel, dessen „Biure Onkelos Scholien zum Targum Onkelos“ er München 1888 aus dessen schriftlichen Nachlasse herausgab. Während seines Aufenthaltes in Posen erschienen ferner von ihm: „R. Salomon b. Abraham b. Adereth, sein Leben und seine Schriften“ (Breslau 1863); David Cohen de Lara's Rabbinisches Lexikon „Keter Kehuna“. Ein Beitrag zur Geschichte der rabbinischen Lexikographie (Breslau 1868). 1871 wurde P. als Rabbiner nach München berufen und trat daselbst am 26. Mai sein Amt an: „Antrittspredigt, gehalten bei der Uebernahme des Amtes in München“. In dieser neuen Stellung, wo P. bald als Gelehrter und Seelsorger hochgeachtet war, bot ihm besonders die Münchener Hofbibliothek Gelegenheit, seine philologischen und archäologischen Studien zu vertiefen und in größerem Umfange zu betreiben. Es erschienen bald von ihm: „Etymologische Studien zur Kunde der rabbinischen Sprach- und Alterthumskunde“ (Breslau 1871); „Zur rabbinischen Sprach- und Sagenkunde“ (Breslau 1873); „Thron und Circus des Königs Salomo“ (Breslau 1873); „Rabbinische Agada's in 1001 Nacht. Ein Beitrag zur Geschichte der Wanderung orientalischer Märchen“ (Breslau 1873); die in einer Münchener Handschrift aufgefundene erste lateinische Uebersetzung des „Maimonides“ (Breslau 1875); „Eine neu erschlossene Quelle über Uriel Acosta“ (Krotoschin 1877); „Kalonymos b. Kalonymos, Sendschreiben an Joseph Kaspi“. Aus Münchener Handschriften zum ersten Male herausgegeben. Als Festschrift zur Feier des 25jährigen Jubiläums des jüd. theolog. Seminars zu Breslau (München 1879); „Beiträge zur Geschichte der hebr. und aram. Studien“ (München 1889); „Die Berner Handschrift des Kleinen Aruch“ (1887) in der Jubelschrift zum 70. Geburtstage des Prof. Graetz; „Beiträge zur rabb. Sprach- und Alterthumskunde“ (Breslau 1883). Aus seiner amtlichen Wirksamkeit als Rabbiner in München sind hervorzuheben: „Predigt zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Synagoge zu München“ (1876) und „Reden zum Abschiede von der alten und zur Einweihung der neuen Synagoge in München am 10. und 16. September 1887“, welche wichtige geschichtliche Ereignisse in der Entwicklung der Münchener israelitischen Cultusgeeminde beleuchten und seine Trauerrede, gehalten an der Bahre des am 4. Juni 1885 verewigten Herrn Abraham Merzbacher (München 1885), durch dessen Munificenz R. N. Rabbinowicz die „Variae lectiones“ zum Babylonischen Talmud herauszugeben vermochte. Zu erwähnen sind ferner noch seine Arbeiten in der „Revue des Etudes Juives": „Etudes Talmudiques (1881); „Les savants juifs a Florence à l'epoque de Laurent de Médicis" (1887); „Ahron ben Gerson Aboulrabi“ (1890); „La legende d'Asnath, fille de Dina et femme de Joseph“ (1891) und seine Bemerkungen zu Bruns-Sachau: Syrisch-Römisches Rechtsbuch aus dem fünften Jahrhundert (Z. d. d. m. G., XXXV, S. 139—141, 725—727). Im J. 1896 erschienen aus dem Nachlasse des in München am 4. März 1894 verstorbenen Gelehrten Nuden, herausgegeben durch seinen Sohn Dr. Felix Perles (geboren am 18. März 1874 in München), Rabbiner in Königsberg. Ein älterer Sohn Dr. Max Perles (geboren am 8. April 1867 in Posen), der nicht nur in seinem Berufe als Augenarzt, sondern auch auf verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten sich hervorgethan, wurde bald nach dem Tode des Vaters (20. October 1894) bei bacteriologischen Studien ein Opfer seiner Wissenschaft.

  • Autor/in

    Adolf Brüll.
  • Zitierweise

    Brüll, Adolf, "Perles, Joseph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 53 (1907), S. 10-11 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116079584.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA