Lebensdaten
um 1543 oder 1545 – 1575
Geburtsort
vermutlich Antwerpen
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Komponist ; Organist ; Sänger
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 128380144 | OGND | VIAF: 15037297
Namensvarianten
  • Vennto, Yvo de
  • Vento, Ivo de
  • Vennto, Yvo de

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Vento, Ivo de, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd128380144.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Eltern unbekannt;
    N. N.;
    S Ferdinand (auch de Venndo, Defendo) ( 1623), Instrumentalist an d. Höfen in Graz, M. u. Wien (s. BMLO).

  • Biographie

    Über Herkunft und Kindheit V.s ist nichts bekannt, hingegen ist einigermaßen sicher, daß er seit Ende 1556 als einer von zwölf Chorknaben in der Münchner Hofkapelle Hzg. Albrechts V. (1528–79) tätig war. Mutmaßlich mit Eintritt des Stimmbruchs ging er im Herbst 1560 zu einer Ausbildung nach Venedig. (Nur aus diesem Datum läßt sich der Zeitraum seiner Geburt ungefähr erschließen). Dort dürfte er bei Claudio Merulo (1533–1604) oder Annibale Padovano (1527–75), den Organisten an San Marco, Unterricht erhalten haben. 1563 wird V. wieder als Mitglied der Münchner Hofkapelle erwähnt, 1564 als Organist bezeichnet; im selben Jahr erhielt er von Albrecht V. ein „Gnadengeld“ in Höhe von 20 fl. Aus dieser Zeit sind auch erste Kompositionen für den Münchner Hof bezeugt: Seine sechsstimmige „Missa Iesu nostra redemptio“ wurde 1565 in das Repertoire der Hofkapelle aufgenommen, ungefähr zeitgleich oder nur wenig später ist die Missa „Je ne veulx riens“ zu vier Stimmen zu datieren. Beide Werke gehen auf Vorlagen des Münchner Hofkapellmeisters Orlando di Lasso (1530/32–94) zurück.

    1568 ging V. mit dem Thronfolger Wilhelm (1548–1626) nach Landshut, als dieser nach seiner Heirat mit Renata von Lothringen (1544–1602) im Sommer 1568 auf die dortige Burg Trausnitz zog und eine eigene Hofmusik gründete. Dieses aus Mitgliedern der Münchner Hofkapelle bestehende Ensemble stand unter V.s Leitung. Schon 1569 wird jedoch Anton Gosswin (um 1540-um 1597) als Kapellmeister genannt; V. war für die Chorknaben zuständig. Anfang 1570 ist V. als Organist wieder in Münchner Diensten mit einem Gehalt von 180 fl. pro Jahr nachweisbar.

    Aus V.s Schaffen ragen seine dt. Lieder und die Motetten heraus. Seit 1569 publizierte er bei Adam Berg (1540–1610) in München sechs Drucke mit dt. Liedern zu drei bis acht Stimmen, die wohl vom Interesse des bayer. Hofes an dieser Gattung angeregt waren. Eine große inhaltliche Vielfalt zeichnet die Liedtexte aus: V. vertonte geistliche und moralisierende Lyrik, zudem zahlreiche Trinklieder und erotische Dichtungen. Auch die kompositorische Stilistik weist eine beträchtliche Bandbreite auf: Das durchimitierte Tricinium ist dabei ebenso zu beobachten wie einfache Dreistimmigkeit nach dem Vorbild der dreistimmigen Villanella. Beim Umgang mit dem Text sind mitunter Einflüsse vom Madrigal und der Chanson zu spüren. Mehrchörigkeit nach venezian. Art, konkret wohl dem Vorbild Christian Hollanders (um 1510/15–68/69) folgend, prägt einige sog. „Dialoge“ zu sieben und acht Stimmen. Der traditionelle Liedsatz aus der Zeit Ludwig Senfls (um 1490–1543) mit einer durchgängigen präexistenten Melodie als kompositorischer Basis spielt bei den insgesamt 109 Liedern V.s keine Rolle mehr. Den ersten Druck mit geistlichen Motetten, erschienen 1569 bei Adam Berg, widmete er seinem Dienstherrn Wilhelm, wovon neben der Vorrede auch das Eröffnungsstück, die Huldigungsmotette „Edite magnanimi celsa de stirpe parentis“, zeugt. 1570, 1571 und 1574 folgten weitere Motettendrucke, ebenfalls bei Berg verlegt. Das stilistische Spektrum ist wesentlich enger als dasjenige der Lieder: Ausgewogenheit, linearer melodischer Fluß und Imitation charakterisieren die insgesamt 75 Motetten. Offenkundig orientierte sich V. nicht an Orlando di Lasso, da er auf exaltierte Wortausdeutung sowie prägnantes Gegenüberstellen unterschiedlicher Satztechniken verzichtete. Das bei Lasso häufige Kontrastieren von hohen und tiefen Stimmverbänden ist bei V. ebenfalls nicht anzutreffen.

    Neben Liedern und Motetten schuf V. insgesamt vier Messen (bei zweien davon wird seine Autorschaft angezweifelt), einige kleinere Kirchenwerke (darunter eine Litanei), schließlich einige Madrigale und Chansons. Bemerkenswert ist zudem, daß V. 1575 bei Berg einen Druck herausbrachte, der Motetten, Madrigale, Chansons und dt. Lieder vereinigte. Die Musikgeschichte kennt nur eine weitere Publikation, Lassos sog. „Viersprachendruck“ von 1573, in der Kompositionen über Texte in den Sprachen Latein, Italienisch, Französisch und Deutsch gemeinsam gedruckt wurden.

  • Werke

    W Motettendrucke: Latinae cantiones, quas vulgo motteta vocant, quatuor vocum (…), 1569;
    Latinae cantiones, quas vulgo motteta vocant, quinque vocum (…), 1570;
    Liber mottetorum quatuor vocum (…), 1571;
    Mutetae aliquot sacrae quatuor vocum (…), 1574;
    Liederdrucke: Newe Teutsche Liedlein, mit Fünff stimmen (…), 1569;
    Newe Teutsche Lieder mit viern fünff und sechs stimmen (…), 1570;
    Newe Teutsche Lieder Mit vier stimmen sampt zwayen Dialogen (…), 1571;
    Newe Teutsche Lieder mit dreyen stimmen (…), 1572;
    Schöne außerlesene newe Teutsche Lieder mit 4. Stimmen (…), 1572;
    Teutsche Lieder mit fünff stimmen (…), sampt einem Dialogo (…), 1573;
    Viersprachendruck: Quinque motetae, duo madrigalia, Gallicae cantiones duae, et quatuor Germanicae, 1576;
    – Auflistung d. Komp. mit lat. Text in Sämtl. Werke (s. u.) Bd. 1, S. XLVII–LIV;
    Auflistung d. Komp. mit dt. Text ebd., Bd. 3, S. XXXII–XLIV;
    Quellenliste ebd., Bd. 1, S. XXXI–XLIII mit Ergg. ebd. Bd. 3,|S. XXIX–XXXI;
    Sämtl. Werke, 5 Bde., hg. v. A. De Groote (Bd. 1–2) u. N. Schwindt (Bd. 3–4), 1998–2010, Bd. 5 noch nicht erschienen (= Denkmäler d. Tonkunst in Bayern, NF 12–16, Bd. 16 noch nicht erschienen);
    Auflistung weiterer moderner Ausgg. ebd., Bd. 1, S. XLIII–XLVI.

  • Literatur

    L ADB 39;
    A. Sandberger, Btrr. z. Gesch. d. bayer. Hofkapelle unter Orlando di Lasso, Bd. 3: Dokumente, 1895, Nachdr. 1973;
    K. Huber, I. de V. (ca. 1540–1575), 1918;
    H. Osthoff, Die Niederländer u. d. dt. Lied (1400–1640), 1938, Nachdr. 1967, S. 242–73;
    H. Leuchtmann, Organisten u. Orgelbauer in ihrer Beziehung z. bayer. Hzg.hof 1550–1600, in: Acta Organologica 6, 1972, S. 119 f.;
    P. Röckl, Das Musikleben am Hofe Wilhelms V. auf d. Burg Trausnitz v. 1568 bis 1579, in: Verhh. d. Hist. Ver. f. Niederbayern 99, 1973, S. 99–127;
    A. De Groote, I. de V. u. sein „Liber Mottetorum“ (1571), in: Musik in Bayern 33, 1986, S. 139–49;
    ders., I. de V. (ca. 1543/45–1575), in: Orlandus Lassus and his Time, Colloquium Proceedings Antwerpen 24.–26. 08. 1994, hg. v. I. Bossuyt u. a., 1995, S. 295–314;
    ders., Zur Biogr. I. de V.s, in: I. de V., Sämtl. Werke (s. W), Bd. 1, 1998, S. XXIV–XXVII;
    M. L. Göllner, Lassos Motetten n. Hymnentexten u. ihre Parodiemessen v. I. de V. u. Andrea Gabrieli, in: Orlando di Lasso in d. Musikgesch., Ber. über d. Symposion d. Bayer. Ak. d. Wiss. München, 4.–6. Juli 1994, hg. v. Bernhold Schmid, 1996, S. 87–100;
    N. Schwindt, „Philonellae“, Die Anfänge d. dt. Villanella zw. Tricinium u. Napolitana, in: Gattungen u. Formen d. europ. Liedes v. 14. bis z. 16. Jh., Internat. Tagung v. 9. bis 12. Dez. 2001 in Münster, hg. v. M. Zywitz u. a., 2005, S. 234–83;
    MGG;
    MGG²; BMLO.

  • Autor/in

    Bernhold Schmid
  • Zitierweise

    Schmid, Bernhold, "Vento, Ivo de" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 755-757 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd128380144.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Vento: Ivo de V., ein Componist der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Fétis nennt ihn einen Spanier, giebt aber nichts Genaueres an, worauf er diese Behauptung stützt. Die Quellen über V. fließen äußerst sparsam und selbst die Archive in München, wo er lange in herzoglich bairischen Diensten stand, schweigen über ihn, soweit sie bis jetzt untersucht sind. Nur aus Trojano's Dialoghi von 1569 erfahren wir, daß er Organist am Münchener Hofe war und mit zwei anderen abwechselnd eine Woche Dienst hatte. Auf den Titeln seiner Druckwerke nennt er sich anfänglich nur einen Musikus am bairischen Hofe, doch 1569 und im folgenden Jahre Capellmeister des Herzogs Wilhelm von Baiern, dann aber wieder nur Musikus. Diese Erscheinung läßt sich nur so erklären, daß uns von späteren Drucken nur die ferneren Auflagen bekannt sind, die sich aber als solche auf den Titeln nicht kennzeichnen. Es ist indessen auch möglich, daß er wirklich nur in den Jahren 1569 und 1570 den Capellmeistertitel führte und derselbe dann allein auf Orl. Lassus überging. V. schrieb viele deutsche Lieder zu 4 und mehr Stimmen, sowol weltliche als geistliche. Bis jetzt sind in diesem Fache sechs Sammlungen bekannt von 1569 bis 1573, deren Auflagen bis 1591 reichen, doch wie gesagt, sich nur durch einen Vergleich des Inhalts erkennen lassen.

    Vento's Schreibweise reiht sich in ihrem Charakter denjenigen Leistungen im deutschen Liede an, wie sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von den Niederländern und Italienern, die in Deutschland eine hervorragende Stellung an den Höfen deutscher Fürsten einnahmen, seit den sechziger Jahren üblich geworden war, d. h. der Tenor als Cantus firmus verlor seine Stellung, das alte Volkslied, was einst oft im Tenor zur Geltung kam, war den Ausländern unbekannt. Der Text wurde durch unsinnige Wiederholungen verstümmelt, die einst langathmigen Melismen lösten sich in kurze Noten auf, Note und Text schritten tactmäßig zusammen fort, die Contrapunktik ging in Harmonik auf und die Oberstimme gewann die Oberhand. Dennoch sind Vento's Leistungen von dem neueren Standpunkte aus betrachtet, vortrefflich und zeigen uns einen tüchtigen, begabten und empfindungsreichen Künstler. 6 Lieder beider Gattungen, geistlich und weltlich liegen in neuen Ausgaben vor (s. Eitner's Verzeichniß. Außerdem sind noch 5 Sammlungen Motetten zu 4 und 5 Stimmen bekannt, die von 1569—1576 erschienen, von denen aber außer einem Gesange, der mir nicht vorliegt, Partituren noch nicht erscheinen sind. Die Originaldrucke sind reichlich auf den deutschen Bibliotheken zu Berlin. Liegnitz, München, welches auch noch mehreres im Manuscript besitzt, Nürnberg, Göttingen, Kassel, Königsberg und auch auf außerdeutschen vertreten.

  • Autor/in

    Rob. Eitner.
  • Zitierweise

    Eitner, Robert, "Vento, Ivo de" in: Allgemeine Deutsche Biographie 39 (1895), S. 607 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd128380144.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA