Lebensdaten
1687 – 1744
Geburtsort
Colbitz bei Magdeburg
Sterbeort
Halle/Saale
Beruf/Funktion
Arzt ; Medizinhistoriker ; Numismatiker ; Polyhistor
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 123165350 | OGND | VIAF: 8287965
Namensvarianten
  • Schulze, Johann Heinrich
  • Schultz, Johann Heinrich
  • Schultze, Joannes Henricus
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Zitierweise

Schulze, Johann Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd123165350.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Matthias (1638–1718), Schneider, Imker;
    M Elisabeth Bartels ( 1693);
    10 Geschw;
    1719 Anna Sophia (1701–66), T d. Andreas Albert Corvinus (Rabe) (1650–1740), aus Magdeburg, 1693 Pfarrer in C., u. d. Maria Magdalena Gloxin;
    7 K u. a. S Johann Ludwig (1734–99, Agnes Grau, 1808, aus Köthen), Prof. d. Theol., Dir. d. Franckeschen Stiftungen in H., T Dorothea Catharina Helena (* 1729, 1] 1745 Christoph Carl Strumpff, 1712–54, ao. Prof. d. Med., Botanik u. Chemie in H., 2] 1764 Anton Ludwig Vogel, Bgm. v. Tangermünde);
    E Johann Ernst Ferdinand (1764–1834), Doz. d. Med. in H., Mil.arzt, Kreisphysicus v. Nordhausen (Reg.bez. Erfurt).

  • Biographie

    S. fiel als Knabe durch seinen Lerneifer auf, weshalb ihn Andreas Albert Corvinus, sein späterer Schwiegervater, August Hermann Francke (1663–1727) in Halle empfahl, der ihm seit 1697 den Schulbesuch in seiner Waisenanstalt ermöglichte und ihn fortan stark förderte. 1704 entsandte ihn Francke an die Univ. Halle, wo S. sich zunächst der Medizin zuwandte. Nach zwei Jahren entschied er sich jedoch für das Theologiestudium, wobei er sich vor allem von Christoph Cellarius (1638–1707) und dem Orientalisten Johann Heinrich Michaelis (1668–1738) angezogen fühlte. Nach Abschluß seiner Studien unterrichtete S. einige Jahre an Franckes Pädagogium, entschloß sich 1715 erneut zu einem Medizinstudium, und fand im Haus Friedrich Hoffmanns (1660–1742) Aufnahme als Famulus. Bei chemischen Versuchen entdeckte S. 1717 die Lichtempfindlichkeit der Silbersalze (gen. scotophorus, „Dunkelträger“), fertigte einfache Lichtbilder an und publizierte 1719 seine Ergebnisse (Scotophorus pro phosphoro inventus, seu experimentum curiosum de effectu radiorum solarium, in: Bibliotheca Novissima Oberservationum ac Recensionum, Sectio V, 8, 1719; Nachdr. in: Acta Physico medica d. Leopoldina 1, 1727, S. 528-32; dt. in: J. M. Eder, Quellenschrr. d. Photogr., 1913, S. 97-104). Damit wurde er zum Ahnherrn der Photographie.

    1717 erwarb S. in Halle den med. Doktorgrad und hielt anschließend Vorlesungen. 1720 erreichte ihn ein Ruf auf den Lehrstuhl für Anatomie und Chirurgie an der Univ. Altdorf. Nach einigen kleineren Schriften zur Medizingeschichte erschien 1728 sein bedeutendstes, aber unvollendetes Werk „Historia medicinae“. Wie sein Lehrer Hoffmann vertrat auch S. die Lehren der Iatrochemie und Iatromechanik. Wegweisend wurden seine Arbeiten über die Gefährlichkeit von Metallgefäßen für Arzneien und Speisen. Als Polyhistor übernahm S. 1729 bzw. 1730 auch noch die Ordinariate für Griechisch und Arabisch und entzifferte 1728 erstmals die kufische Schrift auf dem Krönungsmantel der röm.-dt. Kaiser. 1732 kehrte er nach Halle zurück und besetzte die Lehrstühle für Eloquenz und Altertümer sowie für Medizin. Mit großem Eifer widmete er sich den Altertumswissenschaften und plante die Gründung eines philologischen Seminars, dessen Finanzierung jedoch scheiterte. Um seine Vorlesungen anschaulicher zu machen, verwendete er antike Münzen und hielt schließlich eine Vorlesungsreihe zur antiken Numismatik, so daß er als derjenige gilt, der die Numismatik als akademische Disziplin eingeführt hat. S. galt als einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, seine größte Bedeutung erlangte er jedoch als „der erste wahre Geschichtsschreiber der Medizin“ (Kurt Sprengel).

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Leopoldina (1721) u. d. Berliner Soc. d. Wiss. (1729);
    Ehrenmitgl. d. Ak. d. Wiss., St. Petersburg (1739).

  • Werke

    De athletis veterum eorumque diaeta ac habitu, 1717;
    Mors in olla, seu de metallicum contagium in ciborum, 1722;
    Historia medicinae a rerum initio ad annum urbis Romae 535 deducta, 1728;
    Einladungsschr. zu e. Collegio privato über d. Münzwissenschafft u. d. daraus zu erläuternde Griech. u. Röm. Alterthümer, 1738;
    Stephani Blancardi lexicon medicum auctum et emendatum, 1739;
    Compendium historiae medicinae a rerum initio ad excessum Hadriani, 1742;
    Chem. Versuche, 1745, ²1757;
    Anleitung z. älteren Münzwiss., 1766;
    Mithg.
    d. Zs. Commercium litterarium ad rei medicae et scientiae naturalis incrementum, 1731 ff.;
    Hg.:
    F. Hoffmann, Von d. fürnehmsten Kinderkrankheiten, 1741.

  • Literatur

    ADB 33;
    J. M. Eder, J. H. S., Der Lebenslauf d. Erfinders d. ersten photograph. Verfahrens u. d. Begründers d. Gesch. d. Med., 1917 (P);
    W. Kaiser u. W. Piechocki, J. H. S. u. sein Wirken an d. Med. Fak. Halle, in: Wiss. Zs. d. Univ. Halle-Wittenberg 19, 1970, Math.-nat. R., S. 155-72;
    H. D. Zimmermann, J. H. S. u. d. Münzslg. im Robertinum, ebd., Ges.wiss. R. 29, 1980, S. 53-59;
    ders., J. H. S.s Bestrebungen z. Einrichtung e. philol. Seminars an d. Univ. Halle, ebd., Ges.wiss. R. 30, 1981, S. 89-97;
    W. Kaiser u. A. Völker, in: Wiss. Btrr. d. Univ. Halle-Wittenberg 1980, H. 45;
    dies. (Hg.), J. H. S. u. seine Zeit, 1987, darin: A. Völker, Zum halleschen Studien- u. Ausbildungsgang v. J. H. S., S. 16-22;
    W.-D. Müller-Jahncke, Mors in olla, S. 60-64;
    H.-D. Zimmermann, Eine neue Datierung d. Versuche v. J. H. S. z. Nachweis d. Lichtempfindlichkeit v. Silbersalzen, S. 55-57;
    ders., Die Beziehungen v. J. H. S. (1687-1744) z. Petersburger Ak. d. Wiss., in: Dixhuitième, hg. v. A. Völker, Wiss. Btrr. d. Univ. Halle-Wittenberg 1988, H. 20, S. 75-78;
    ders., Die Numismatik an d. Univ. Halle im 18. Jh., in: Numismat. Lit. 1500-1854, hg. v. P. Berghaus, 1995, S. 155-69;
    A. Moog, Zum pharmakolog. Denken v. J. H. S., Diss. Jena, 2002;
    BLÄ;
    Ferchl;
    Pogg. II.

  • Porträts

    Gem. v. G. Spitzel, um 1742 (Univ.mus. Halle);
    Kupf. v. W. Ph. Kilian, 1728;
    Schabkunstbl. v. J. J. Haid, um 1744, alle abgeb. in: Eder (s. L);
    Chalzedonkamee v. Ch. Dorsch, 1723 (bis 1945 Schloßmus. Berlin, verschollen, Abguß Münzkab. Berlin);
    Medaillen v. H. Wagner-Kerkhof, 1983, u. J. Baumgärtner, 1987 (Inst. f. Klass. Altertumswiss., Halle).

  • Autor/in

    Hans-Dieter Zimmermann
  • Zitierweise

    Zimmermann, Hans-Dieter, "Schulze, Johann Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 725-726 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd123165350.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schulze: Johann Heinrich S., Arzt und Polyhistor, ist am 12. Mai 1687 zu Colbitz, einem Dorfe im Magdeburgischen, als Sohn eines unbemittelten Schneiders, der nebenbei Bienenzucht trieb, geboren. Da die Schule des Ortes in schlechtem Zustande war, ließ ihn der Prediger Corvinus an dem Unterrichte Theil nehmen, welchen seine eigenen Kinder durch Hauslehrer erhielten, jedoch nur im Lesen, Schreiben und in der Religion. Doch trieb S. nebenher und ganz im Stillen auch damals schon, soviel er konnte, Latein und Griechisch. Im zehnten Lebensjahre wurde er in die damals gerade gegründete Waisenhausschule von Francke in Halle aufgenommen. Infolge eines Steinleidens mußte er jedoch zwei Jahre den Schulbesuch unterbrechen. Um diese Zeit nahm S. auch an einem von Salomon Negri, einem frommen und gelehrten aus Damascus nach Halle gekommenen Manne durch Vermittlung Francke's und des Baron Canstein verschiedenen Schülern und Studirenden ein Jahr lang gegebenen Unterricht im Arabischen Theil und legte so den Grund zu einer tieferen Kenntniß der orientalischen Sprache. 1704 bezog er die Universität zu Halle zum Studium der Medicin, das ihm dadurch ermöglicht wurde, daß der Waisenhausarzt Richter ihn theils zum Besuchen von Kranken, theils zum Briefschreiben gebrauchte und er Tisch und Wohnung im Waisenhause behielt, wobei er zugleich|in der dortigen Apotheke Dienste leistete. Nach zwei Jahren ging er zur Theologie und Philologie über und trieb jetzt besonders Griechisch und Neugriechisch. 1708 übernahm er eine Lehrerstelle am Pädagogium zu Halle, lehrte anfänglich Botanik und Anatomie, später Griechisch und Hebräisch und schließlich Geographie. 1715 wurde er mit Friedrich Hoffmann bekannt und wandte sich auf dessen Veranlassung wieder der Heilkunde zu, wobei er von dem Letztgenannten außerordentlich protegirt wurde. 1717 erlangte er die Doctorwürde, habilitirte sich bald darauf als Privatdocent und folgte 1720 bei Heister's Abgang dem Ruf als Professor der Medicin und zugleich der griechischen Sprache nach Altdorf. 1732 vertauschte er diese Stellung mit einer ordentlichen Professur der Medicin in Halle, wo er zugleich Professor der Eloquenz und der Alterthümer war und — leider in tiefster Dürftigkeit — am 10. October 1744 starb. S. war ein außerordentlich gelehrter Arzt nicht bloß, sondern auch gleich ausgezeichnet als Theolog, Orientalist, Geschichtschreiber und Numismatiker. Sprengel nennt ihn in seiner Geschichte der Arzneikunde einen Polyhistor im edelsten Sinne des Wortes und den ersten wahren Geschichtschreiber der Medicin. Die auf dieses Gebiet bezüglichen seiner außerordentlich zahlreichen Arbeiten bilden seine hervorragendsten und bleibendsten Verdienste. Unter Verweisung auf das unten genannte Quellenwerk bez. die in demselben genannten weiteren Quellenschriften möge es genügen, von Schulze's Arbeiten hier die folgenden anzuführen, zunächst die leider unvollendete, mit gesunder Kritik abgefaßte „Historia medicinae a rerum initiis ad A. U. R. 535 deducta“ (Leipzig 1728), der später das gedrängte Lehrbuch „Compendium historiae medicinae a rerum initio ad Hadriani Augusti secessum“ (Halle 1741) folgte und ferner „Dissertationum academ. ad medicinam ejusque historiam pertinentium fasc. 1“ (ebenda 1743). Auch gab er eine Uebersetzung der die Diät betreffenden Dissertationen Fr. Hoffmann's unter dem Titel heraus: „Gründliche Anweisung, wie ein Mensch vor dem frühzeitigen Tod und allerhand Krankheit durch ordentliche Lebensart sich verwahren kann“ (9 Bände, ebenda 1725—28), ferner „Stephani Blancardi lexicon medicum renovatum etc.“ (ebenda 1739), schrieb die Biographie Hoffmann's zu der bekannten Genfer Folioausgabe seiner Werke und hatte Antheil an etwa hundert unter seinem Vorsitz erschienenen Dissertationen. — S. war der erste, welcher von der alten indischen Heilkunst nähere Nachrichten gab. Er erhielt sie durch seinen Freund, den dänischen Missionar J. E. Grundler unter der Bezeichnung: Malabarische Medicin.

    • Literatur

      Biogr. Lexikon etc. von A. Hirsch V, 308.

  • Autor/in

    Pagel.
  • Zitierweise

    Pagel, Julius Leopold, "Schulze, Johann Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 33 (1891), S. 4-5 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd123165350.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA