Lebensdaten
1835 – 1904
Geburtsort
München
Sterbeort
Zweibrücken (Pfalz)
Beruf/Funktion
Indologe ; Orientalist
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 11728078X | OGND | VIAF: 74008741
Namensvarianten
  • Schlagintweit, Emil
  • Schlagintweit, Émile de

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Schlagintweit, Emil, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11728078X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    B Hermann v. S.-Sakünlünski (s. 1), Adolf S. (s. 2), Robert v. S. (s. 3);
    ⚭ Maurice Koehler ( 1892).

  • Biographie

    Die naturwissenschaftliche Erziehung der Brüder wurde Privatlehrern übertragen, eine ausgeprägte Neigung der beiden älteren Brüder zu modernen Sprachen und zum Zeichnen entsprechend gefördert. Nach Volksschule und Gymnasialzeit in München publizierten Hermann und Adolf noch als Studenten der Philosophischen Fakultät der Univ. München bereits Schilderungen über einige Hochregionen der Alpen. 1848 erfolgte die Promotion von Hermann (Über Messinstrumente mit constanten Winkeln, 1849), 1849 die von Adolf über die Ernährung von Pflanzen in verschiedenen Höhenlagen der Alpen (beide an d. Univ. München), im selben Jahr übersiedelten Adolf und Hermann nach Berlin. Ein Besuch bei Alexander v. Humboldt und eine wissenschaftliche Beurteilung des Geologen Leopold v. Buch führten zu einer Empfehlung an Kg. Maximilian II. von Bayern und den preuß. Kg. Wilhelm IV. Im Winter 1851/52 trafen beide Brüder während einer Englandreise u. a. mit Roderick Murchison, Edward Sabine, Samuel H. Christie und William H. Sykes zusammen. 1850 habilitierte sich Hermann an der Univ. Berlin als Dozent für physikalische Geographie (Unterss. über d. Vertheilung d. mittleren Jahres-Temperatur in d. Alpen, 1850); im selben Jahr gelang den Brüdern beinahe die Erstbesteigung des Monte Rosa. 1852 erforschten sie die Voralpen und das Zugspitzmassiv zusammen mit dem jüngsten Bruder Robert, der 1853 in München mit einer geographisch-geologischen Arbeit über das Kaisergebirge promoviert wurde. Im selben Jahr erfolgte die Habilitation von Adolf an der Univ. München ebenfalls als Dozent für physikalische Geographie (Über d. orograph. u. geolog. Structur d. Gruppe d. Monte-Rosa). Auf Empfehlung von A. v. Humboldt und Wilhelm IV. wurden Hermann und Adolf als Leiter, Robert als Assistent für eine Expedition in die westl. Provinzen Indiens ausgewählt. Die Expedition war ein preuß.-brit. Gemeinschaftsunternehmen, an dem neben dem preuß. Königshaus die East-India-Company und die Royal Society beteiligt waren. Hauptziele der auf einem Plan Humboldts beruhenden Unternehmung sollten erdmagnetische und kartographische Aufnahmen sein, weitere Forschungsziele konnten die Brüder frei bestimmen. Im Sept. 1854 verließen sie Southampton und erreichten im Oktober Bombay.

    Anfang Dezember reisten die Brüder aufgetrennten Wegen zu Pferd durch das Dekkan nach Madras. Von Kalkutta aus gelangten Adolf und Robert zu den Quellen des Indus, erforschten Gletscher und Pässe des westl. Himalaya und erreichten tibet. Gebiet. Robert durchforschte in Zentralindien das Gebirge um Amarkantak, Adolf das Godavari-Tal bis ans Meer und anschließend Südindien. Hermann bereiste von Kalkutta aus Sikkim und Assam. Nach Überwinterung 1855/56 trafen sich die drei Brüder im Mai in Shimla. Von dort stießen Hermann und Robert teils gemeinsam, teils alleine nach Kaschmir und Ladakh vor und erreichten über das Karakorum- und das Kunlungebirge chines. Gebiet. Im Dez. 1856 trafen die Brüder in Rawalpindi, dem zentralen Sammelplatz für alle Aufsammlungen, zusammen. Robert begleitete den Rücktransport der umfangreichen Sammlungen nach Bombay, Hermann reiste über den Hindukusch, Nepal und die Bengalen nach Kalkutta und traf sich mit seinem Bruder in Ägypten zur Heimreise. Adolf wurde auf seiner Route nach Turkestan in Kaschgar als vermeintlicher chines. Spion auf Befehl des Stammesfürsten Wali Khan ohne Verhandlung hingerichtet. Adolfs Diener konnte mit den wissenschaftlichen Aufzeichnungen fliehen.

    Hermann veröffentlichte Teile seiner Reiseschilderungen in den Mitteilungen der Bayer. Akademie der Wissenschaften. Robert, seit 1854 ao. Prof. der Geographie in Gießen, unternahm Vortragsreisen in Europa und Amerika und publizierte später zahlreiche Bücher über amerik. Eisenbahnen. Der 1863 promovierte Jurist Emil, ein Kenner der tibet. Sprache und Kultur, verfaßte ein grundlegendes Werk über den Buddhismus in Tibet (Buddhism in Tibet, 1863).

    Die zunächst in Berlin gelagerten Expeditionsaufsammlungen kamen teils nach England, teils an Museen in Berlin und München. Vieles verblieb zunächst im Besitz der Brüder auf Schloß Jägersburg bei Forchheim und war dort öffentlich zugänglich. Nach dem Tod von Hermann und Robert kamen große Teile dieses Materials an die bayer. Staatsbibliothek in München; Briefe, Tagebücher und Urkunden verblieben in Jägersburg. Eine ebenfalls dort untergebrachte umfangreiche Pflanzensammlung und ein Großteil der Korrespondenz wurde auf Grund unsachgemäßer Lagerung vernichtet.

    Die Bedeutung der Arbeiten der Brüder S. besteht nicht zuletzt in der exakten Dokumentation ihrer Forschungen. Im Alpenraum erreichten die Gletscher um 1850 ihren letzten Maximalstand, wovon die Photos, Zeichnungen, Messungen und Beschreibungen der Brüder als einzige historische Quellen berichten. Durch die glaziologischen Befunde der Indien-Hochasien-Expedition konnten entsprechende Vergleiche gezogen werden, die umso wichtiger sind, da zu Beginn der Reise nicht bekannt war, ob in den zu bereisenden Gebieten überhaupt Gletscher zu erwarten waren. Auf der Suche nach der Hauptwasserscheide im westlichen Hochasien erkannten Adolf und Robert erstmals den geographischen Zusammenhang von Himalaya, Karakorum und Kunlun und gelangten auf die bis dahin von Europäern noch niemals erreichte Höhe von 6785 m. Erstaunlich exakt waren ihre Messungen von Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck und Gebirgshöhe. Trotz überlagernder tages- bzw. jahreszeitlicher Schwankungen für das Gebiet um den Nanga Parbat ergaben sich Höhendifferenzen von nur ± 11 m zu den heutigen Daten; ebenso präzise sind die kartographischen und glaziologischen Dokumentationen. Die reichhaltigen ethnographischen Sammlungen bilden einen wichtigen Teil der Sammlungen des Münchner Völkerkundemuseums. Eine umfassende wissenschaftliche Ausbildung, alpinistische Erfahrung sowie großes Zeichen- und Organisationstalent waren die Basis für die überaus wertvollen Forschungsresultate der Brüder S. Die umfangreichen Manuskripte und Skizzen sowie die über 14 000 Objekte umfassenden Sammlungen sind bis heute nur z. T. ausgewertet. Geopolitisch gesehen diente die Erkundung und Vermessung von Hochasien den brit. Interessen in der Auseinandersetzung mit dem Zarenreich um die Vorherrschaft in Zentralasien und die Sicherung des indischen Kolonialreichs.

  • Auszeichnungen

    f. Hermann: Dr. iur. h. c. (Trinity College, Dublin);
    o. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1881);
    Emil: korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1864).

  • Werke

    u. a. zu Hermann, Adolf u. Robert: Results of a scientific Mission to India and High Asia, with an Atlas of Panoramas, Views and Maps, 4 Bde., 1861-66;
    Reports on the Proceedings of the Officers engaged in the Magnetic Survey of India and on the researches connected with it, 10 T., 1855-57 (auch in: Journal of the Asiatic Soc. of Bengal, Bde. 25, 26, 1857/58);
    zu Hermann u. Adolf:
    Unterss. über d. physical. Geogr. d. Alpen in ihren Beziehungen zu d. Phänomenen d. Gletscher, zur Geol., Meteorol. u. Pflanzengeogr., 1850;
    Relief d. Monte Rosa u. seiner Umgebung nach landschaftl. Ansichten im Maßstab 1:50 000, 1855;
    Relief d. Gruppe d. Zugspitze u. d. Wettersteines in d. bayer. Alpen, 1855;
    zu Hermann:
    Reisen in Indien u. Hochasien, 4 Bde., 1869-80;
    zu Emil:
    Die Erwerbung auf d. Todesfall (mortis causa capio) nach röm. Recht, 1863 (Diss.);
    Indien in Wort u. Bild, Eine Schilderung d. ind. Ks.reichs, 2 Bde., 1880/81, 2. verm. Aufl., 2 Bde., 1890;
    zu Robert:
    Bemerkungen über d. physikal. Geogr. d. Ks.gebirges, 1854 (Diss.);
    Die Prairien d. amerik. Westens, 1876;
    Die Amerik. Eisenbahneinrichtungen, 1882;
    Die Santa Fe- u. Südpacificbahn in Nordamerika, 1884.

  • Literatur

    ADB 31 (Emil S.);
    W. Wolkenhauer, Robert S., in: Hess. Biogrr. 1, 1918, S. 389-93;
    K. Keil, Hermann S., in: Hdwb. d. Meteorol., 1950, S. 452;
    R. Finsterwalder, Hermann S., in: Geist u. Gestalt II, S. 62-65, P in Bd. 3, S. 133;
    Stefan Schlagintweit, Die Brüder S., Ein Abriß ihres Lebens, in: C. C. Müller u. W. Raunig (Hg.), Der Weg z. Dach d. Welt, 1982, S. 11-14 (P);
    H. Körner, Die Brüder S., ebd., S. 62-75 (P);
    W. Kick, Alexander v. Humboldt u. d. Brüder S., ebd. S. 75-77;
    S. P. Polter, Nadelschau in Hochasien, Engl. Magnetforsch. u. d. Brüder S., ebd. S. 78-98;
    U. Lindgren, Die naturwiss. Forschungen d. Brüder S. in Hochasien, ebd. S. 98-117;
    W. Kick, Emil S.s Vermessungarbb. am Nanga Parbat, in: Dt. Geodät. Komm. b. d. Bayer. Ak. d. Wiss. C 97, 1967;
    ders., Adolph S.s Karakorum-Forsch.reise 1856, in: Forsch.berr. d. Dt. Alpenver. 6, 1993;
    Alm. d. kgl. Bayer. Ak. d. Wiss. 1875, S. 267 f.;
    Die Nachlässe v. Martins, Liebig u. d. Brüdern S. in d. Bayer. Staatsbibl., 1990;
    E. Stiglmaier, in: Jberr. d. Wilhelms-Gymn. München 2000/01, S. 111-17 (P);
    E. Banse, Hermann S., in: Lex. d. Geogr., 1933, S. 451 ff. (L);
    H. Pleticha u. H. Schreiber, Lex. d. Entdeckungsreisen, II, 1999, S. 210-12;
    D. Henze, Enz. d. Entdecker u. Erforscher d. Erde, V, 2000, S. 63 ff. (W, L); – zur Fam.:
    Geneal. Hdb. d. in Bayern imm. Adels 14, 1986, S. 640-42;
    Archivalien u. Slgg.: Aquarelle
    v. Hermann S.: Alpines Mus.;
    Bayer. Staatsgem.slgg.;
    Meßinstrumente:
    Dt. Mus.;
    Fossilien:
    Bayer. Staatsslg. f. Paläontol. u. Geol.;
    Säugetiere:
    Zoolog. Staatsslg.; Ethnographica:
    Völkerkundemus.;
    schriftl. Unterlagen:
    Bayer. Staatsbibl.;
    Bayer. HStA;
    StadtA München;
    Archiv d. Univ. München;
    Archiv d. Bayer. Ak. d. Wiss.;
    Briefe v. Adolph u. Hermann S. an A. v. Humboldt:
    DLA Marbach;
    Herbar:
    Botan. Staatsslg., München;
    Univ. Göttingen;
    Gesteine:
    British Mus. of Natural Hist., London;
    Varia:
    Naturkundemus.. Berlin;
    India Mus. Kalkutta.

  • Autor/in

    Helmut Mayr
  • Zitierweise

    Mayr, Helmut, "Schlagintweit, Emil" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 24-25 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11728078X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA