Lebensdaten
1889 – 1938
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118590391 | OGND | VIAF: 73870010
Namensvarianten
  • Celsus (Pseudonym)
  • Murner, Thomas (Pseudonym)
  • Schierling, Lucius (Pseudonym)
  • mehr

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Zitierweise

Ossietzky, Carl von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118590391.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl Ignatius (1848–91), aus kath. poln. Fam., bis 1879 Soldat, danach Stenograph in H. u. nebenberufl. Speisewirt;
    M Rosalie Marie Pratzka (Prakka) (1866–1921), aus ev. dt.-poln. Fam.;
    Stief-V (seit 1898) Gustav Walter;
    Fairhaven (England) 1913 Maud Hester Woods (1884–1974), aus Haiderabad (Indien);
    1 T Rosalinda v. O.-Palm (* 1919), in Stockholm (s. W).

  • Biographie

    O. wuchs nach dem frühen Tod des Vaters in sozial beengten Verhältnissen auf, zunächst bei einer streng kath. Tante, nach der neuerlichen Heirat der Mutter in deren ev. geprägter Familie. Bis 1904 besuchte er eine „Mittelschule“ in Hamburg, danach eine Privatschule, 1907 und 1908 scheiterten Versuche, das „Einjährige“ nachzuholen. Seit 1907 arbeitete er als Hilfsschreiber beim Amtsgericht Hamburg. 1911 erschienen erste Artikel von O. in der Zeitschrift „Das freie Volk“, einem Organ der „Demokratischen Vereinigung“, deren Mitglied er bis 1914 war. 1912 trat er der „Deutschen Friedensgesellschaft“ bei. 1914 kündigte O. beim Hamburger Amtsgericht (er war danach formell nochmals kurzfristig bis 1919 dort angestellt), hielt Vorträge in einem privaten Zirkel, den seine Frau organisiert hatte, bei der Deutschen Friedensgesellschaft und dem „Deutschen Monistenbund“, in dessen Organen er 1914 und vermehrt seit 1917 publizierte. 1914 wurde er wegen seiner Kritik an einem Erfurter Militärgerichtsurteil zu einer Geldstrafe verurteilt. Aus dem Militärdienst (seit 1916 an der Westfront) wurde er Anfang 1918 nach einem Lazarettaufenthalt in Belgien entlassen.

    1919 war O. als freier Mitarbeiter beim monistisch orientierten Hamburger Pfadweiser-Verlag tätig; dort erschien seine einzige selbständige Publikation „Der Anmarsch der neuen Reformation“. Wie Kurt Tucholsky trat er 1919 einer reformierten Freimaurerloge bei. Bis zum Juni 1920 arbeitete O. als Sekretär der Deutschen Friedensgesellschaft in Berlin. Gleichzeitig wurde er Gründungsmitglied der späteren „Nie-wieder-Krieg!“-Bewegung. Ende 1920 begann seine regelmäßige Mitarbeit für die „Berliner Volks-Zeitung“, in der er seit 1919 publizierte.

    Damit war seine Karriere als Journalist begründet; er arbeitete fortan für wichtige linksliberale Berliner Blätter wie „Das Tage-Buch“ und den „Montag Morgen“. 1920-22 schrieb O. unter dem Pseudonym „Thomas Murner“ die Kolumne „Von der deutschen Republik“ in den „Monistischen Monatsheften“ (während seiner späteren Inhaftierung 1932 benutzte er dieses Pseudonym nochmals in der „Weltbühne“). In der „Berliner Volks-Zeitung“ veröffentlichte er bis 1922 auch Artikel unter dem Pseudonym „Yatagan“, danach wechselte er zu „Lucius Schierling“. Das Pseudonym „Celsus“ taucht vereinzelt 1925/26 im „Montag Morgen“ auf, seit 1927 dann in der „Weltbühne“. Daneben sind zahlreiche Artikel mit Siglen wie „C. v. O.“, „v. O.“, „ky“ u. a. gezeichnet. In der frühen Zeit der Mitarbeit für die „Berliner Volks-Zeitung“ hat O. viele Theaterkritiken und kulturkritische Artikel geschrieben, später, insbesondere in der „Weltbühne“-Zeit, überwogen die politischen und zeitgeschichtlichen Analysen und Kommentare.

    Bei allem Engagement für den Pazifismus in der Weimarer Republik, später auch in der „Liga für Menschenrechte“, stand O. den Gruppenquerelen pazifistischer Organisationen distanziert gegenüber. 1924 beteiligte er sich an der Gründung der „Republikanischen Partei“, nach deren Wahlniederlage er keiner Partei mehr beitrat. O. blieb ein dezidierter, parteipolitisch aber ungebundener Verteidiger der Republik und Demokratie. Er gehörte damit zum „linken“ Spektrum der Intellektuellen, wobei insbesondere seine spätere Zusammenarbeit mit Kurt Tucholsky (1890–1935) an der „Weltbühne“ den Haß der Nationalsozialisten provozierte. 1926 wechselte O. vom „Tage-Buch“ zur „Weltbühne“. Nach dem Tod des Gründers und Herausgebers Siegfried Jacobsohn (1881–1926) hatte Kurt Tucholsky kurzfristig das Herausgeberamt inne, schon 1927 übernahm es O., der bis zu seiner Verhaftung im Februar 1933 als verantwortlicher Redakteur tätig war. Unter dem Titel „Die Schaubühne“ 1905 als theaterkritische Zeitschrift von Jacobsohn gegründet,|hatte die Wochenschrift mit der Umbenennung in „Weltbühne“ sich zunehmend allgemein politischen und zeitgeschichtlichen Themen geöffnet. Das überparteiliche Eintreten für die junge Republik wie die Kritik an Militarismus und monarchistischer oder rechtslastiger Justiz – besonders von Seiten Tucholskys – waren Kennzeichen dieser wohl einflußreichsten Zeitschrift der unabhängigen linken Intelligenz der Weimarer Republik.

    Als Herausgeber war O. zahlreichen juristischen Verfahren und Prozessen ausgesetzt, den Höhepunkt bildete im Jahr 1931 der sog. „Weltbühnen-Prozeß“ vor dem Leipziger Reichsgericht. Auf nachweislichen Druck des Reichswehrministeriums im Zusammenspiel mit einer bereits nationalsozialistisch durchsetzten Justiz wurde O. als „Landesverräter“ zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Er mußte als verantwortlicher Redakteur für einen Artikel eines anderen Verfassers (Walter Kreiser) über die illegale Aufrüstung der Reichswehr einstehen. Nach 8 Monaten Haft in Berlin-Tegel wurde O. im Zuge einer Weihnachtsamnestie im Dezember 1932 entlassen, doch blieben ihm nur zwei Monate Freiheit. O., der aus vielfältigen Gründen nicht den Weg ins Ausland gesucht hatte, wurde in der Nacht des Reichstagsbrandes (27./28.2.1933) verhaftet.

    Bis 1936 war er in den Konzentrationslagern Sonnenburg und Esterwegen im Emsland inhaftiert, wo seine Gesundheit zugrunde gerichtet wurde. Durch eine internationale Kampagne von zahlreichen Intellektuellen, Künstlern und Politikern, die darauf zielte, ihn für den Friedensnobelpreis zu nominieren, wurde O. im Ausland als eines der prominentesten Opfer der Naziherrschaft in Deutschland wahrgenommen. Das Jahr der Olympischen Spiele in Berlin führte zu der Weisung Hermann Görings, O. in ein Berliner Polizeikrankenhaus zu überführen. Im Dezember 1936 wurde ihm der Friedensnobelpreis für das Jahr 1935 in Abwesenheit verliehen. Seine beiden letzten Jahre verbrachte O. unter Bewachung zusammen mit seiner Frau Maud in einem Berliner Privatsanatorium. Er starb an den Folgen der Mißhandlungen, die ihm im KZ zugefügt worden waren.

    O.s parteipolitische Ungebundenheit hatte Folgen für die spätere Einschätzung in den Zeiten des Kalten Krieges: Der staatlich gelenkten Vereinnahmung in der DDR, die seine frühere Kritik auch an der KPD ignorieren mußte, stand in der Bundesrepublik die SPD vielfach kritisch distanziert gegenüber, weil O. seinerzeit die KPD wie die SPD bei Verletzungen demokratischer Grundsätze angegriffen hatte. Auch bei konservativen Parteien fand O.s an der Sammlung eines linken Widerstands interessierte Publizistik keine vorbehaltlose Anerkennung. Solche verzerrenden Wahrnehmungen konnten erst seit den 80er Jahren korrigiert werden.|

  • Auszeichnungen

    Univ. Oldenburg, die d. Nachlaß O.s verwahrt, ist seit 1991 nach ihm benannt, ebenso die Univ.-bibl. Hamburg;
    die Stadt Oldenburg verleiht seit 1986 d. Carl v. Ossietzky-Preis, die dt. „Liga f. Menschenrechte“ (Berlin) d. Carl v. Ossietzky-Medaille.

  • Werke

    Sämtl. Schrr., Oldenburger Ausg., hg. v. W. Boldt, D. Grathoff, G. Kraiker u. E. Suhr unter Mitwirkung v. Rosalinda v. Ossietzky-Palm, 8 Bde., 1994.

  • Literatur

    R. v. Soldenhoff (Hg.), C. v. O., 1889-1938, Ein Lb., „Von mir ist weiter nichts zu sagen“, 1988 (P);
    E. Suhr, C. v. O., Eine Biogr., 1988;
    H. Reinhardt (Hg.), Nachdenken üb. O., 1989;
    G. Kraiker u. D. Grathoff (Hg.), C. v. O. u. d. pol. Kultur d. Weimarer Rep., 1991;
    G. Kraiker u. E. Suhr, C. v. O., 1994 (P);
    D. Grathoff, Verfemt u. z. Schweigen gebracht, C. v. O. u. Kurt Tucholsky, in: Schriftst. vor Gericht, hg. v. J.-D. Kogel, 1996, S. 209 ff.;
    G. Nickel, Die Schaubühne – Die Weltbühne, Siegfried Jacobsohns Wschr. u. ihr ästhet. Progr., 1996;
    W. v. Sternburg, „Es ist e. unheiml. Stimmung in Dtld.“, C. v. O. u. seine Zeit, 1996;
    Ch. Schottes, Die Friedensnobelpreiskampagne f. C. v. O. in Schweden, 1997 (L);
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy;
    Demokratische Wege (P).

  • Autor/in

    Dirk Grathoff
  • Zitierweise

    Grathoff, Dirk, "Ossietzky, Carl von" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 610-611 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118590391.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA