Lebensdaten
1867 – 1941
Geburtsort
Bad Kreuznach
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Philosoph ; Psychologe ; Entwicklungsphysiologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118527479 | OGND | VIAF: 66593001
Namensvarianten
  • Driesch, Hans Adolf Eduard
  • Driesch, Hans
  • Driesch, Hans Adolf Eduard
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Zitierweise

Driesch, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118527479.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Paul (1830–69), Kaufm. (Gold- u. Silberwaren) in Hamburg, S des Joh. Christoph Joachim in Ludwigslust (Meckl.), u. der Marg. Driesch;
    M Josephine (1824–87), T des Jos. Raudenkolb (kath.), Cellist in der Hofkapelle in Schwerin, u. der Dor. Voß;
    Meran 1899 Margarete (1874–1946, ev.), Schriftstellerin, (s. Wi.1935), T des Franz Reifferscheidt, Inh. eines Bankgeschäfts u. Reisebüros in Meran;
    S Kurt (* 1904), Komponist u. Musikschriftsteller, T Ingeborg (* 1906, Tétaz), Geigerin.

  • Biographie

    Nach einer glücklichen Schulzeit (Johanneum in Hamburg) machte D. 1886 das Abitur mit Auszeichnung und studierte dann Zoologie in Freiburg (bei A. Weismann), in Jena (bei E. Haeckel) und in München. In Jena promovierte er 1889 bei Haeckel mit einer Arbeit „Tektonische Studien an Hydroidpolypen“ (Teil I). Nach einer Reise nach England und Indien kam für ihn das „kritische“ Jahr 1890, in welchem er, auch Einwänden aus Fachkreisen (unter anderem Gust. Wolff, W. His und A. Goette) nachgehend, an Haeckels mechanistischer phylogenetischer Erklärung der Organismen zu zweifeln begann. Vor allem die 1888 publizierten Versuche des Anatomen und Physiologen W. Roux am Froschei, in denen nach Abtötung einer der beiden ersten Furchungszellen des Eis durch einen Nadelstich ein halber Embryo entstanden war, wiesen D. auf die Möglichkeit einer|experimentellen Entscheidung hin. 1891 wiederholte er während eines Studienaufenthalts an der zoologischen Station in Triest den Versuch von Roux am Seeigelei – mit einer kleinen Abänderung. Durch Schütteln trennte er die beiden ersten Furchungszellen und fand am zweiten Tag, zu seiner Überraschung, einen ganzen, wenn auch kleineren Pluteus vor. Damit wurde die sogenannte „Mosaiktheorie“ von Weismann und Roux, nach der es im Keim eine sehr komplizierte Struktur gibt, die durch die Kernteilung aufgespalten wird, anfechtbar. Das Ergebnis dieses Versuchs und weiterer Experimente, vorwiegend an der zoologischen Station in Neapel ausgeführt, brachten D. zur Ablehnung der damals vorherrschenden mechanistischen Erklärung des Lebensgeschehens. In den folgenden Jahren entwickelte er seine Theorie von der Autonomie des Lebendigen. Wichtige Begriffe, wie das „harmonisch-äquipotentielle System“, „prospektive Potenz“ und „prospektive Bedeutung“, „Ganzheitskausalität“ verdankt ihm die Entwicklungsphysiologie, für die seine Arbeiten grundlegend wurden. Sie bilden den Ausgangspunkt seines Neuvitalismus, der ein ganzheitliches, selbständiges, der mechanistisch-transeunten Kausalität übergeordnetes, für die organische Welt spezifisches Prinzip („Entelechie“) voraussetzt.

    In der 1893 erschienenen Arbeit „Biologie als selbständige Grundwissenschaft“ hatte D. noch einen statisch-teleologischen Standpunkt vertreten, den er später „Maschinentheorie des Lebens“ nannte. Erst das Jahr 1898 brachte seine endgültige Stellungnahme zum Grundproblem der Biologie: die Entscheidung zum Vitalismus; 1900 schloß er die arbeitsreichen Jahre in Neapel, in die auch die kritische Auseinandersetzung mit Roux fiel, ab und wurde für 20 Jahre, mit Unterbrechungen durch Reisen, unter anderem nach Rußland, in Heidelberg als Privatgelehrter seßhaft. Die experimentelle Arbeit trat ab 1902 mehr und mehr in den Hintergrund und wurde 1909 durch eine letzte Experimentaluntersuchung abgeschlossen; schon seit der Jahrhundertwende überwog die theoretische Auseinandersetzung mit naturphilosophischen Problemen, und schließlich wandte er sich ganz der Philosophie zu. Durch Schriften und Vorträge bekannt geworden, erhielt er für 1907-08 eine Einladung als Gifford-Lecturer an die schottische Universität Aberdeen. Hier erschien zunächst englisch, dann, von ihm frei ins Deutsche übertragen, seine „Philosophie des Organischen“ (2 Bände 1909, ⁴1928). Auf einstimmigen Beschluß der naturwissenschaftlichen Fakultät in Heidelberg habilitierte er sich 1909, wechselte dann aber in die philosophische Fakultät über, wo er 1915-16 Windelband vertrat.

    Der Krieg war für ihn ein tieftragisches Erlebnis, er schien ihm „als größtes Unheil der Menschheit, dieser Krieg geradezu als Wahnsinn“. 1919 nahm er eine Berufung als Professor für systematische Philosophie nach Köln an, 1921 den Ruf nach Leipzig. Als Gastprofessor las er 1922/23 in China, 1926/27 in den USA und in Buenos Aires. 1933 wurde er als für den Nationalsozialismus aus weltanschaulichen und politischen Gründen nicht tragbar emeritiert.

    D.s Leben und Werk zeigen seine Entwicklung vom Biologen zum Philosophen. Seine Untersuchungen bleiben von fundamentaler Bedeutung für den Vitalismus, den er auf neue Art begründete und der in naturwissenschaftlichen und philosophischen Kreisen viel Beachtung fand. Sein philosophisches Interesse und Schaffen reichen jedoch weit über die Naturphilosophie hinaus. In seinen Hauptwerken „Ordnungslehre“ (1912, ²1923), „Wirklichkeitslehre“ (1917, ³1930) und in zahlreichen Schriften stellte er, ausgehend von dem „Ursachverhalt des Bewußtseins“ („Ich habe, um mein Wissen wissend, bewußt Etwas“) sein sich in Ordnungslehre (Logik) und Wirklichkeitslehre (Metaphysik) gliederndes System dar. Sein Werk umfaßt darüber hinaus Psychologie, Parapsychologie und Ethik. Er kann als kritischer Realist und induktiver Metaphysiker bezeichnet werden.

  • Werke

    Weitere W Der Vitalismus als Gesch. u. Lehre, 1905, ²1922; Leib u. Seele, 1916, ³1923;
    Fernost, Als Gäste Jungchinas, 1925 (mit Marg. D.);
    Grundprobleme d. Psychol., 1926, ²1929;
    Die sittliche Tat, 1927;
    Parapsychol., 1932, ²1943;
    Philos. Gegenwartsfragen, 1933;
    Alltagsrätsel d. Seelenlebens, 1938, 3. u. 4. Tausend 1939;
    Lebenserinnerungen, hrsg. v. Ingeborg Tétaz-Driesch, 1951 (P); zu Marg. D.:
    Frauen jenseits d. Ozeane, unter Mitwirkung führender Zeitgenossen aus jenen Ländern, 1928.

  • Literatur

    H. D., Persönlichkeit u. Bedeutung f. Biol. u. Philos. v. heute, hrsg. v. A. Wenzl, 1951 (W, P);
    E. Ungerer, in: Naturwiss. 29, 1941, S. 457-62 (P);
    G. Siegmund, in: Philos. Jb. 57, 1947, S. 12-18 (P);
    Kurt D., ebd., S. 19-21;
    A. Meyer-Abich, in: Zs. f. Philos. F 1, 1946/47, S. 356-69 (P), W-Verz. S. 387-97;
    Ziegenfuß;
    Ueberweg.

  • Porträts

    Büste v. Watagyn (Darwin-Mus., Moskau: Gipsabguß im Bes. d. Philos. Fak. d. Univ. Leipzig);
    Gem. v. Kampf u. v. G. Zülzer (im Bes. d. S Kurt D., Köln-Dellbrück), v. E. Einschlag (im Bes. d. T Ingeborg Tétaz, Genf).

  • Autor/in

    Aloys Wenzl
  • Zitierweise

    Wenzl, Aloys, "Driesch, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 125-126 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118527479.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA