Lebensdaten
1514 – 1581
Geburtsort
Schneeberg (Sachsen)
Sterbeort
Frankfurt/Oder
Beruf/Funktion
Professor der Theologie in Frankfurt an der Oder ; Schriftsteller
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118785478 | OGND | VIAF: 9976258
Namensvarianten
  • Meusel, Andreas
  • Musculus, Andreas
  • Meusel, Andreas
  • mehr

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Zitierweise

Musculus, Andreas, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785478.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hanß Meusel, Ratsherr in Sch.;
    M N. N.;
    B Paul, brandenburg. Hofprediger;
    1) 1540 (?) N. N. Moßhauer, 2) N. N. aus Berlin, 3) N. N. ( n. 1582); Schwager d. 1. Ehefrau Johannes Agricola (1494–1566), luth. Theologe u. Pädagoge (s. NDB I); – 8 K, u. a. Johannes, Mag., Prediger in Frankfurt/Oder, 1568 seines Amtes enthoben, ging ins Exil (s. L), Dorothea ( 1] Andreas Praetorius, um 1550–86, aus Torgau, Dr. theol., Pastor an St. Marien in Frankfurt/Oder, s. ADB 26, 2] Joachim Garcaeus, um 1565–1633, Dr. theol., Gen.sup. in Brandenburg/Havel, s. ADB VIII; NDB VI*); B d. Schwieger-S Michael Praetorius (1571 od. 1572-1621), Kirchenmusiker (s. ADB 26; MGG; Riemann).

  • Biographie

    Nach dreijährigem Besuch der Lateinschule in Schneeberg bezog M. im Sommer 1531 die kath. Univ. Leipzig, erwarb dort im Februar 1534 den artistischen Bakkalar und war 1535-38 in Amberg und andernorts als Hauslehrer tätig. In seiner inzwischen luth. gewordenen Vaterstadt schloß er sich der neuen Lehre an, ließ sich im Sommer 1538 an der Univ. Wittenberg einschreiben und stand mit Melanchthon, vor allem aber mit Luther, dessen Teufelsvorstellungen er übernahm, in nahem Umgang, als er im September 1539 in Wittenberg Magister wurde. Durch den Hofprediger Kf. Joachims II. von Brandenburg, Johann Agricola, dem er im Antinomismusstreit beistand, kam M. 1541 als Kaplan nach Frankfurt/Oder, wo er bis zu seinem Tode tätig blieb. Seit 1542 war M. Geistlicher an der Unterkirche und Dozent der Theologie. 1546 wurde er Oberpfarrer an Sankt Marien und erhielt den Grad eines Dr. theol. Im Sommer desselben Jahres wurde er zum Rektor der Universität gewählt. Danach wirkte er als erster Professor der Theologischen Fakultät. Seit Oktober 1566 war er Generalsuperintendent der Mark Brandenburg mit eigenem Konsistorium zu Frankfurt/Oder. Seit 1545 die kurbrandenburg. Kirchenpolitik unter seinen Gönnern Kf. Joachim II. und Johann Georg entscheidend mitbestimmend, galt der orthodoxe Gnesiolutheraner M., der weder ein Freund des Interims noch ein eindeutiger Anhänger der Konkordienformel war, bald als „märkischer Papst“. Zur Sicherung der luth. Rechtgläubigkeit nahm er an Religionsgesprächen teil, hielt Visitationen und Prüfungen ab und beteiligte sich führend an der Ausarbeitung neuer Bücher für die brandenburg. Kirche (Agende, Gesangbuch, Katechismus). In stetem literarischem Kampf gegen alle Abschwächungsversuche der luth. Lehre, wandte er sich im Osiandrischen Streit gegen die alte Kirche, die Calvinisten, gegen Stancarus, gegen Staphylus und jahrelang erbittert gegen seinen milden und gelehrten Kollegen Abdias Praetorius, dem gegenüber er die Notwendigkeit der guten Werke als in jedem Sinne für eine Erfindung des Teufels bezeichnete. Es gelang dem intoleranten, Predigt, Feder und Druckerschwärze ohne Rücksicht handhabenden Eiferer, den besonders unter den Universitätsdozenten verbreiteten Philippismus schließlich ganz aus der Mark zu verdrängen. Damit endete sein Verhältnis zu Melanchthon, der M. noch 1543 dem Nürnberger Rat als trefflichen Prediger für die Sebalduskirche empfohlen hatte. Im jahrzehntelangen Streit mit dem Frankfurter Rat, den M. als Kirchenpatron wegen der von diesem betriebenen Schröpfung des Kirchen vermögens führte, setzte er sich ebenso durch.

    Unter den fast 70 erschienenen selbständigen Schriften M.s befinden sich zwei für die deutsche Bildungsgeschichte beachtliche Stücke: die „Oratio de dignitate et necessario usu Academiarum“ (1573) und die 1574 verfaßte, recht reale Pädagogik aufweisende erste deutsche Mädchenschulordnung. Schnell fielen die zahlreichen theologischen Schriften M.s mit ihrer katholisierenden Abendmahlslehre als allzu tagesbedingt der Vergessenheit anheim, während der streitbare Gottesgelehrte als volkstümlicher Schriftsteller ungewollt großen Erfolg erzielte. Als Hauptinitiator der „Teufelbücher“ seines Zeitalters (Hosenteufel, Fluchteufel, Ehteufel, Von des Teufels Tyranney, Macht und Gewalt) gelang es ihm, mit seinem von der deutschen Kanzleisprache geprägten eigenständigen, wuchtigen und kernigen Sprachstil an das Volk heranzukommen. Befangen in chiliastischen Vorstellungen über das nahende Ende der Welt, das bevorstehende Jüngste Gericht, und verstrickt in seinen Teufelsaberglauben, geißelte er in seinen zu den besten dieser Literaturgattung gehörenden didaktisch-satirischen Teufelspiegeln die Verdorbenheiten seiner Zeit und hinterließ damit zugleich reiches kulturgeschichtliches Material.

    Begabt, doch mehr willensstark als weiten und tiefen Geistes, als Gnesiolutheraner nicht im geringsten abweichend von dem, was das electum Dei organon gesagt und geschrieben hatte, waren bei ihm an die Stelle der päpstl. Dekretalen die luth. getreten, und es mischten sich Herrschaftsbedürfnis, Verschlagenheit und offener Glaubenseifer mit einer souveränen Skepsis gegenüber dem wissenschaftlichen Übereinkommen. Seine|weitverbreiteten Schriften standen sämtlich auf den Indices verbotener Bücher. Zu seinen Schülern zählte auch der Dichter Bartel Ringwaldt (1530/32-99). Gregor Lange schrieb auf M.s Tod seine ergreifende vierstimmige Motette „Media vita“.

  • Werke

    u. a. Betbüchlein, Frankfurt/Oder 1559, Leipzig 1569 u. ö., auch in Wendisch, Wittenberg 1584;
    Jungfraw Schule Gestellt u. geordnet, 1574 (Neudr.: Päd. Magazin Nr. 222, 1904);
    Precationes ex veteribus orthodoxis Doctoribus ex ecclesiae Hymnis et Canticis, ex psalmis Davidis collectae, Frankfurt/Oder 1559, Leipzig, Wittenberg 1562, Leipzig 1571, 1586, 1592, Bardi 1590, Lübeck 1610;
    Compendium Doctrinae Christianae collectum, Ex S. Scriptura, S. Ecclesiae Patribus, S. Luthero, Frankfurt/Oder 1573 (Hauptwerk). – Teufel-Bücher: Vom Hosen Teuffel, Frankfurt/Oder 1555 (Neudr. 1894), 1556, 1557 u. ö., Rostock 1556, Innsbruck 1556, Erfurt 1556, Frankfurt/Main 1563 u. ö.;
    Wider d. Fluchteuffel od. Vom Gotslestern, Frankfurt/Oder 1556, 1561 u. ö., Erfurt 1559, Ursel 1561 (Neudr. 1968), Frankfurt/Main 1562, 1564, 1568;
    Wider den Ehteuffel, Frankfurt/Oder 1556, 1561, 1564, 1566, 1574, 1587, Erfurt 1559, 1561, Worms 1561, Frankfurt/M. 1562, 1568;
    Vom Himel vnd der Hellen, Frankfurt/Oder 1559, 1561, Erfurt 1559, 1561, Stettin 1599;
    Von d. Teufels Tyranney, Macht vnd Gewalt, Erfurt 1561, Worms 1561, Frankfurt/Main 1563, 1564, 1583. – Teilslg.: Hosenteufel, Fluchteufel, Ehteufel, Himmel u. Helle, Teufels Tryranney, 1978.

  • Literatur

    ADB 23;
    H. Grosse, Ein Mädchenschul-Lehrplan aus d. 16. Jh., A. M.s „Jungfraw Schule“ v. J. 1574, 1904;
    R. Grümmer, A. M., Diss. Jena 1912 (W);
    P. Palladius, Danske skriften IV, 1919/20, S. 11-78, 217-80;
    H. Grimm, Meister d. Renaissancemusik an d. Viadrina, 1942;
    ders., Die dt. Teufelbücher d. 16. Jh., in: Archiv f. Gesch. d. Buchwesens 1960, II, S. 513-70;
    H.-J. Rehfeld, Die Teufelsbücher d. M., in: Die Oder-Univ. Frankfurt, 1983, S. 227-31;
    F. Weichert, in: Berlin. Lb., hrsg. v. G. Heinrich, 1990, S. 17-28;
    PRE;
    RGG³;
    LThK²;
    BBKL. – Zu Johannes: Jöcher;
    Ch. W. Spieker, in: Zs. f. d. hist. Theol. 19, 1849, S. 468-94.

  • Porträts

    Holzschn., 1573, v. Frantz Friderich Abb. b. H. Grimm, F. Friderich, in: Gutenberg-Jb. 1959, S. 177;
    Schaumünze v. dems., 1575, Abb. 336 b. G. Habich, Dt. Schaumünzen d. 16. Jh., 1932, I, 1. – Eigene Archivstud.

  • Autor/in

    Heinrich Grimm
  • Zitierweise

    Grimm, Heinrich, "Musculus, Andreas" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 626-627 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785478.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Musculus: Andreas M., Prediger und Professor der Theologie in Frankfurt a./O., ein streitbarer Vorkämpfer für lutherische Rechtgläubigkeit, ward im J. 1514 geb. zu Schneeberg in Sachsen, wo sein Vater Johann Meusel als angesehener Bürger lebte und ihn mit großer Strenge erzog. Auf der hohen Schule seiner Vaterstadt unter Hieronymus Weller vorgebildet, bezog M. 1532 die Universität Leipzig und studirte mit Eifer alte Sprachen und Scholastik. Trotz der Bemühungen des Herzogs Georg verbreiteten sich Luther's Anschauungen in Leipzig immer weiter, und auch M. wurde durch Schriften der Reformatoren an der Wahrheit der alten Lehre irre. Schneeberg, das 1485 bei der Trennung der ernestinischen und albertinischen Linie gemeinschaftlicher Besitz blieb, ging 1533 in den Alleinbesitz des Kurfürsten Johann Friedrich über und wandte sich seitdem entschieden der Reformation zu. Als M. 1535 hierher zurückkehrte, wurde er völlig für die neue Lehre gewonnen und begab sich nach kurzer Lehrerthätigkeit in Amberg 1538 nach Wittenberg. Hier schloß er sich aufs Engste Luther an, welchen er für den größten Mann erklärte, der seit der Apostel Zeiten gelebt habe. 1540 ging M. auf Veranlassung seines Gönners Joh. Agricola nach Frankfurt a. O., wo sowohl seine Predigten als seine Vorlesungen an der Universität großen Beifall fanden. Deshalb wurde er 1544 als Nachfolger des Ludecus, welcher als Hofprediger nach Berlin kam, erster Prediger und ordentlicher Professor, und nahm seitdem als geistlicher Rathgeber des Kurfürsten Joachim II. und dessen Nachfolgers Johann Georg eine außerordentlich einflußreiche Stellung ein. M. gehört nicht bloß der Zeit, sondern auch seinem Charakter und Wirken nach zu den Epigonen der Reformationszeit. Im Streite heftig und ausfallend, von unbegrenzter Verehrung für Luther's Person und Lehre, eifernd für den Buchstaben, weil die Weite des Blickes und die Tiefe des Geistes ihm abging, hat er geschützt durch die Gunst seines Fürsten, eine Fehde nach der andern durchgekämpft und zur Feststellung der lutherischen Orthodoxie in der Concordienformel eifrig mitgewirkt. Gegen Stancarus bekämpfte M. die Behauptung, daß Christus nur nach seiner menschlichen Natur gelitten habe; Staphylus gegenüber vertheidigte er sich gegen den Vorwurf, er lehre, daß nur die Gottheit in Christo gelitten habe. Viele Jahre lang dauerte der Streit zwischen M. und seinem milden und gelehrten Collegen Abdias Prätorius. Es handelte sich besonders um die Bedeutung der guten Werke. Prätorius lehrte mit Melanchthon, daß die guten Werke in gewissem Sinne nothwendig seien. M. eiferte auf der Kanzel, in Disputationen und in Schriften mit allem Nach' druck dagegen, und erklärte die Behauptung, daß gute Werke nothwendig seien, in jedem Sinne für eine Erfindung des Teufels. Dazu kam noch eine besondere Differenz wegen des Abendmahls. Die brandenburgische Kirchenordnung befahl, um den Unterschied von den gottlosen Sacramentirern offen zum Ausdruck zu bringen, die Elevation der geweihten Elemente. Dabei äußerte M. sich öfter in Worten, welche nur unter Voraussetzung der Transsubstantiationslehre zulässig sind. Prätorius sah darin einen Rückfall in Katholicismus. Der Kurfürst wohnte selbst einer mehrstündigen Disputation der beiden Gegner bei und entschied sich für M., doch wollte er auch Prätorius nicht aus seinen Diensten entlassen. Erst als alle andern Versuche, Frieden zu stiften, sich als erfolglos|erwiesen hatten, wurde Prätorius der Abgang nach Wittenberg gestattet. Vom Kurfürsten Johann Georg zum Generalsuperintendenten ernannt, war M. auf wiederholten Visitationsreisen und neben Georg Cölestin durch Ausarbeitung eines neuen Kirchenbuches und einer neuen Agende für die Feststellung der lutherischen Rechtgläubigkeit in der brandenburgischen Kirche thätig. Mit großem Eifer betheiligte er sich auch seit 1576 an der Aufstellung der Concordienformel. — Auch mit dem Frankfurter Magistrate lag M. fast immerfort im Streit. Die Schuld daran lag auf beiden Seiten. Der Magistrat wollte die kirchliche Umwälzung benutzen, um mancherlei Verpflichtungen und Leistungen sich zu entziehen, welche er gegen die Kirche hatte. M. suchte nicht bloß in kirchlichen, sondern auch in weltlichen Angelegenheiten seinen Einfluß über Gebühr auszudehnen. — Als Prediger und Schriftsteller zeichnet sich M. aus durch eine derbe und drastische Volksthümlichkeit, welche öfter ins Plätte und Gemeine ausartet. Als Beispiel wird vor allem seine Predigt wider den Hosenteufel (gegen die Pluderhosen) erwähnt. M. starb am 21. Sept. 1581.

    • Literatur

      Vgl. Chr. W. Spieler, Lebensgeschichte des Andreas Musculus, Frankfurt a. O. 1858. Dort stehen auch seine (46) Schriften verzeichnet.

  • Autor/in

    Pünjer.
  • Zitierweise

    Pünjer, Bernhard, "Musculus, Andreas" in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 93-94 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785478.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA