Lebensdaten
1887 – 1971
Geburtsort
Danzig
Sterbeort
Muralto bei Locarno
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Übersetzer
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118584316 | OGND | VIAF: 15561851
Namensvarianten
  • Morwitz, Ernst

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Zitierweise

Morwitz, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118584316.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1850–1902), Kaufm. in D., S d. Jakob (1807–70);
    M Rosalie (1850–1927), aus Lautenburg b. Strasburg (Westpreußen), T d. Marcus Aaronsohn (1815–80) u. d. Paula Baruch (1814–1902); Halb-B d. Gvv Eduard (s. 1);
    2 Halb-Schw Ella (1869–1942), Käte (1879–1942), beide Opfer d. nat.soz. Judenverfolgung; – ledig.

  • Biographie

    M. studierte nach der Reifeprüfung 1906 am Kaiserin Augusta-Gymnasium, Charlottenburg, in Freiburg (Breisgau), Heidelberg und Berlin Rechtswissenschaft. Das Referendarexamen legte er 1909 in Berlin ab. 1910 promovierte er in Heidelberg zum Dr. iur. 1914 wurde er Gerichtsassessor, 1921 Landgerichtsrat in Fürstenwalde. Von 1930 bis zu seiner Zwangspensionierung als Jude 1935 war M. Kammergerichtsrat und Senatspräsident in Berlin. 1938 emigrierte er in die USA,|wo er zunächst als Deutschlehrer für die amerikan. Armee, nach Kriegsende als Lecturer für deutsche Literatur an der University of North Carolina in Chapel Hill tätig war. Seit 1947 war M. amerikan. Staatsbürger. In der Bundesrepublik wurde er 1952 rückwirkend ab 1940 zum Senatspräsidenten ernannt. 1956 wurde M. als Universitätslehrer pensioniert und zog nach New York. Bis zu seinem Tod reiste er nun für längere Aufenthalte immer wieder nach Europa, obwohl er eigentlich nie mehr nach Deutschland hatte zurückkehren wollen.

    M.s Leben, sein literaturwissenschaftliches und sein literarisches Werk waren aufs engste mit Stefan George verbunden, mit dem ein erster brieflicher Kontakt schon 1905 zustande kam, als M. ihm ein Gedicht zusandte. Für George war M. „der Nächste Liebste“ („An die Kinder des Meeres“), obwohl M. eine unkritische mimetische Nachfolge Georges ablehnte und dies auch äußerlich durch Kleidung und Kurzhaarschnitt zeigte. Tendenzen im George-Kreis zum Ordens- und Sektenartigen stand M. ebenso skeptisch gegenüber. M. begleitete George auf Reisen. So war er 1908 als Zwanzigjähriger mit ihm in Paris, wo er Rodin kennenlernte (vgl. M.s Gedicht „Der Abend von Meudon“). 1909-19 publizierte M. in den „Blättern für die Kunst“, dem poetischen Organ des George-Kreises.

    Im 1. Weltkrieg war M. Angehöriger eines freiwilligen Sanitätstrupps. Dabei lernte er eine Gruppe expressionistischer Maler kennen: Max Beckmann, Otto Mueller. Karl Schmidt-Rottluff und vor allem Erich Heckel, mit dem er bis zu dessen Tod 1970 befreundet blieb. Das große Interesse an der bildenden Kunst war für den umfassend gebildeten M. überhaupt charakteristisch. So schloß er Bekanntschaft mit James Ensor, auf den George und sein Kreis wohl schon vor der Jahrhundertwende durch Ensors Freund Paul Gérardy aufmerksam geworden waren. 1933 überbrachte M. Georges briefliche Absage an den preuß. Kultusminister Rust (NSDAP), der George das Amt des Präsidenten der Preuß. Akademie der Dichtung angetragen hatte. Dieser Brief selbst ist gewiß alles andere als ein provokatorischer Akt gegenüber den Nationalsozialisten. Eher schon war es ein solcher, daß der Jude M. den Brief überbrachte (Teile abgedr. bei E. Zeller, Oberst Claus v. Stauffenberg, 1994). – Nach dem 2. Weltkrieg stand M. bis zu seinem Tod in enger Verbindung mit Wolfgang Frommel und dem 1950 gegründeten „Castrum Peregrini“ in Amsterdam, das dem Werk Georges verpflichtet ist. M.s literaturhistorische Bedeutung liegt in der Kommentierung und in der Vermittlung des Werkes von George im anglo-amerikan. Raum durch Übersetzungen ins Englische. Eine erste zusammenhängende Deutung, die noch von diesem selbst korrigiert wurde, erschien 1934 (tatsächl. 1933). Die aus enger Vertrautheit mit George entstandenen, das gesamte poetische Werk erläuternden Kommentarbände, die auch eine Fülle biographischen und anekdotischen Materials bieten und einen Einblick geben in den Bildungshorizont des Dichters, sind bis heute unentbehrlich. Sie verstehen sich auf eine sehr sachliche, unpathetische Weise als Dienst am „Meister“. Wie sehr M. sich ihm verbunden fühlte, zeigt symbolisch noch sein Tod: M. starb im selben Krankenhaus, in dem schon George 1933 gestorben war.

  • Werke

    Literar. Schrr.: Einzelne Gedichte in d. „Bll. f. d. Kunst“ 8, 1908/09 bis 11/12, 1919;
    Gedichte, 1911;
    Gedichte in Ausw., 1974. – Wiss. Schrr.: Über d. Frage, ob e. Beschluß, durch den d. Trunksuchtsentmündigung wieder aufgehoben wird, außer Kraft gesetzt werden kann, Diss. Heidelberg 1910;
    Die Dichtung Stefan Georges, 1934;
    Kommentar zu d. Werk Stefan Georges, 1969 (zuerst 1960);
    Kommentar zu d. Prosa-, Drama- u. Jugenddichtungen Stefan Georges, 1962. – Überss.: Sappho, Dichtung, Griech. u. dt., Eingel. v. C. M. Bowra, 1936, erweitert ²1938;
    Sappho's Poems, in: Quarterly Review of Literature, 1944, S. 165-74 (mit C. North Valhope, eigtl. Olga Marx);
    Karl Wolfskehl: 1933, A Poem Sequence, 1947 (mit ders.);
    Stefan George, Poems, 1967 (zuerst 1943;
    mit ders.);
    Poems of Alcman, Sappho and Ibicus, 1945 (mit ders.);
    The Works of Stefan George, ²1974 (zuerst 1949;
    mit ders.);
    Gustav Schwab, Gods & Heroes, Myths and Epics of Ancient Greece, 1974 (zuerst 1946;
    mit ders., Einl. v. W. Jaeger).

  • Literatur

    L. Helbing (eigtl. W. Frommel), Stefan George u. E. M., Die Dichtung u. d. Kommentar, 1967;
    R. Boehringer, Mein Bild v. Stefan George, 2 Bde., ²1968;
    O. Marx, Meine Zusammenarbeit mit E. M., in: Castrum Peregrini, 1976/77, H. 121/122, S. 31-47;
    R. Goldschmidt, E. M. im Gespräch mit W. Frommel, Aufzeichnungen u. Erinnerungen, ebd. 1994, H. 213, S. 7-46;
    H. Kohtz, in: Allg. jüd. Wochenztg. v. 9.9.1988;
    M. Landmann, E. M., in: ders., Figuren um Stefan George, II, 1988, S. 74-79;
    M. H. Göppinger, Juristen jüd. Abstammung in „Dritten Reich“, ²1990;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Ostdt. Gedenktage, 1987, S. 131-33 (P);
    Altpreuß. Biogr. IV. – Mitt. d. Erben D. v. Bothmer, New York.

  • Autor/in

    Wolfgang Braungart
  • Zitierweise

    Braungart, Wolfgang, "Morwitz, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 162-163 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118584316.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA