Lebensdaten
1870 – 1930
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Ägyptologe
Konfession
jüdisch?
Normdaten
GND: 118616188 | OGND | VIAF: 61535289
Namensvarianten
  • Spiegelberg, Wilhelm
  • Spiegelberg, W.

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Spiegelberg, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118616188.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Eduard, Bankier;
    M Antonie Dux;
    Om August Dux (um 1847–1902, Bankier in Hildesheim, seit 1883 Erster Gde.vorsteher d. lib. Jüd. Gde. ebd.;
    Straßburg 1899 Elisabeth (1872–1948), aus Würzburg, zuletzt in Appleton (Wisconsin, USA), T d. Friedrich v. Recklinghausen (1833–1910), o. Prof. d. pathol. Anatomie in Königsberg, Würzburg u. Straßburg, Schüler v. Rudolf Virchow (s. NDB 21; NDBA; W), u. d. Marie Jacobson (1846–1918);
    3 S Reinhard (Ordensname Bonifaz) (* 1900), emigrierte 1939, Benediktiner an d. Abtei St. Procopius in Lisle (Illinois, USA), Erwin (* 1901), emigrierte 1937, Herbert (1904–90, jüd., später ev.), Prof. d. Philos. am Lawrence College in Appleton u. an d. Washington Univ. in Saint Louis (Missouri, USA), emigrierte zunächst in d. Schweiz, 1937 n. England, 1961/62 Gastprof. in M. (s. Enc. Jud. 1971; Kürschner, Gel.-Kal. 1990, Nekr.; BHdE II; NDBA; L); Vt Max Meyerhof (1874–1945), Dr. med., Augenarzt, Med.hist. (s. NDB 17).

  • Biographie

    Der philologisch hochbegabte S. beschäftigte sich seit seiner Gymnasialzeit in Hannover mit der Kultur und Sprache Altägyptens. 1888 nahm er an der neuen Univ. Straßburg bei Johannes Dümichen (1833–94), zu dem er ebenso wie zu Theodor Nöldeke (1836–1930) und Adolf Michaelis (1835–1910) einen engen persönlichen Kontakt entwickelte, das Studium der Ägyptologie auf. Zur Vertiefung seiner philologischen Studien ging S. nach Berlin, wo Adolf Erman (1854–1937) und Heinrich Brugsch (1827–94) lehrten. Unmittelbar nach der Promotion in Straßburg 1891 (Studien u. Materialien z. Rechtswesen d. Pharaonenreiches d. Dynast. XVIII–XXI, c. 1500–1000 v. Chr., 1892) folgte ein Auslandsstudium in Paris bei Gaston Maspero (1846–1916). 1894 habilitierte sich S. in Straßburg, wo er bis 1899 Privatdozent, bis 1907 ao. Professor und bis 1920 (zumindest nominell) o. Professor war (Kriegsdienst 1917/18). Nach der franz. Besetzung Elsaß-Lothringens mußte S. 1918 zunächst seine Lehrtätigkeit niederlegen und im Febr. 1919 ins Dt. Reich auswandern. Er übersiedelte nach Heidelberg, wo er seit Okt. 1919 zunächst als o. Straßburger Professor, 1920–23 als o. Honorarprofessor der Phil. Fakultät der Univ. Heidelberg angegliedert wurde. Als Nachfolger Friedrich Wilhelm Frhr. v. Bissings (1873–1956) erhielt S. 1923 das Ordinariat für Ägyptologie an der Univ. München.

    S.s erste Veröffentlichungen und seine Dissertation (1892) galten hieratischen Texten und zielten auf eine Darstellung des pharaonischen Gerichtswesens. Seit 1894 konzentrierte er seine Forschungen auf die Nekropole von Theben und die altägypt. Steinbrüche, um anhand von Inschriften und Papyri die Quellenbasis für seine Studien der sozialen und Verwaltungsverhältnisse im ägypt. Neuen Reich zu vermehren. 1895/96 nahm er hieratische Graffiti auf und führte 1898/99 selbst Grabungen durch. Ein Ergebnis war der „Text-Atlas“ „Ägyptische und andere Graffiti (Inschriften und Zeichnungen) aus der thebanischen Nekropolis“ (1921).

    Seit 1899 erschienen erste demotischen Miszellen. Vorbereitet durch seine hieratischen Studien, seine klassisch-philologischen Kenntnisse, besonders auch der griech. Papyrologie, sowie seine intensive Beschäftigung mit dem Koptischen wurde S. durch zahlreiche Spezialstudien zum Neubegründer der Erforschung des Demotischen. Nach der Entzifferung des Demotischen 1818 durch Thomas „Phenomenon“ Young (1773–1829) und den bahnbrechenden Leistungen von H. Brugsch entwickelte S. zusammen mit Francis Llewellyn Griffith (1862–1934) eine auf lange Zeit gültige Methode zur Aufbereitung demotischer Texte. Seine grundlegenden Editionen von Demotica 1902–14 mündeten in S.s „Demotische Grammatik“ (1925), die weit über Brugschs „Grammaire démotique“ 1855 hinausführt. Ein geplantes demotisches Wörterbuch kam über umfangreiche Vorarbeiten nicht hinaus. Ein Standardwerk bildet sein „Koptisches Handwörterbuch“ (1921).

    S.s ausgeprägtes Interesse an der Kultur und den Kunstdenkmälern Altägyptens zeigt sich in seiner „Geschichte der ägypt. Kunst bis zum Hellenismus“ (1903) sowie in zahlreichen Museumspublikationen und in anschaulichen, lebendigen Zeitungsbeiträgen, mit denen er auch eine breitere Öffentlichkeit erreichte. An Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ (1920) übte S. vehemente „Aegyptologische Kritik“. Nach dem 1. Weltkrieg trug S. entscheidend dazu bei, der dt. Wissenschaft wieder Ansehen im Ausland zu geben und die antidt. Haltung der in franz. Händen liegenden Ägypt. Altertümerverwaltung zu überwinden. S. verstand es, andere für Altägypten zu begeistern, und animierte z. B. das Mäzenatentum von James Loeb (1867–1933) und des Bankiers August Dux, der dem Hildesheimer Roemer-Museum ägypt. Objekte stiftete. S. beriet auch Thomas Mann (1875–1955) bei der Abfassung der „Joseph“-Tetralogie und begleitete ihn 1930 auf seiner Ägyptenreise. Für die ägyptolog. Seminare der Straßburger sowie der Münchener Universität, deren Papyrussammlung S. 1927 mit finanzieller Unterstützung von J. Loeb begründete, kaufte S. während seiner zahlreichen Aufenthalte in Ägypten originale Objekte. Seine Privatsammlung wurde auf Betreiben von Alexander Scharff (1892–1950), S.s Lehrstuhlnachfolger, für die Ägyptische Staatssammlung (heute: Staatl. Museum Ägypt. Kunst) in München erworben. S.s Plädoyer, die über mehrere Museen verstreuten altägypt. Denkmäler im Besitz des Freistaats Bayern zusammenzuführen, wurde mit der Eröffnung der Staatlichen Sammlung Ägyptischer Kunst 1970 unter Hans Wolfgang Müller (1907–91) realisiert.

  • Auszeichnungen

    A bayer. Geh. Reg.rat;
    Mitgl. d. Wiss. Ges. in Straßburg;
    o. Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1919) u. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1924);
    S.-Str. in München-Allach.

  • Werke

    Weitere W u. a. Correspondance du temps des roisprêtres, Publiées avec autres fragments épistolaires de la Bibliothèque National, 1895;
    Arbeiter u. Arbeiterbewegung im Pharaonenreich unter d. Ramessiden (ca. 1400–1100 v. Chr.), 1895;
    Rechnungen aus d. Zeit Setis I., circa 1350 v. Chr., mit anderen Rechnungen d. Neuen Reiches, 1896;
    Die aegypt. Slg. d. Mus.-Mermanno-Westreenianum im Haag, 1896;
    Hieratic ostraca and papyri, found by J. E. Quibell in the Ramesseum 1895/96, 1898;
    Die demot. Papyrus aus d. Strassburger Bibl., 1902;
    Aegypt. Grab- u. Denksteine aus süddt. Slgg., 1902–06 (mit B. Pörtner u. A. Wiedemann);
    Gesch. d. ägypt. Kunst bis z. Hellenismus, 1903;
    Aegyptol. Randglossen z. AT, 1904;
    Der Aufenthalt Israels in Aegypten im Lichte d. aegypt. Monumente, 1904;
    Die demot. Denkmäler, 1906–08;
    Die demot. Papyrus d. Musées royaux du Cinquantenaire, 1909;
    Ausgew. Kunst-Denkmäler d. aegypt. Slg. d. Ks. Wilhelms-Univ. Strassburg, 1909;
    Der Sagenkreis d. Kg. Petubastis, 1910;
    Demot. Texte auf Krügen, 1912;
    Die demot. Papyri Hauswaldt, Verträge d. ersten Hälfte d. Ptolemäerzeit ( . . . ) aus Apollinopolis (Edfu), 1913;
    Die sog. Demot. Chronik d. Papyrus No. 215 d. Bibliothèque Nationale zu Paris ( . . . ), 1914;
    Die Prinz-Joachim-Ostraca, Griech. u. demot. Beisetzungsurkk. f. Ibis- u. Falkenmumien aus Ombos, 1914 (mit F. Preisigke);
    Ägypt. u. griech. Inschrr. u. Graffiti aus d. Steinbrüchen des Gebel Silsile (Oberägypten) nach d. Zeichnungen v. Georges Legrain, 1915 (mit dems.);
    Der aegypt. Mythus v. Sonnenauge in e. demot. Papyrus d. röm. Kaiserzeit, 1917;
    Zwei Btrr. zu d. Bruchstück e. ägypt. Zivilprozeßordnung in demot. Schr., in: Abhh. d. Bayer. Ak. d. Wiss., NF 4, 1929 (mit K. Sethe);
    Die Demot. Papyris Loeb, 1931 (postum);
    Demot. Inschrr. u. Papyri, 1932 (postum);
    Nachlaß:
    Griffith Inst., Oxford;
    Privatslgg.;
    zu Herbert:
    Heinrich v. Recklinghausen, Vom Lebenssinn u. Weltsinn, 1977 (Hg.).

  • Literatur

    L Zum Andenken an W. S., [1930];
    E. Seidl, in: Aegyptus 11, 1930–1931, S. 195–201;
    W. F. Edgerton, in: American Journal of Semitic Languages and Literatures 47, 1931, S. 297 f.;
    G. Bergsträsser, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1931, S. 27–34;
    M. Meyerhof, in: Byzantion 6, 1931, S. 971;
    P. E. Newberry, in: Journal of Egyptian Archaeology 17, 1931, S. 144;
    G. Steindorff, in: Zs. f. ägypt. Sprache u. Altertumskde. 66, 1931, S. 74 f.;
    C. Lehmann-Haupt, in: Klio 24, 1931, S. 531 f.;
    W. Schubart, in: FF 7/3, 1931, S. 46;
    L. Wenger, in: ZSRGR 51, 1931, S. 606–08;
    J. Capart, in: Chronique d'Égypte 7, 1932, S. 116 f.;
    Cl. Préaux, ebd., S. 117;
    L. Wenger, in: Archiv f. Papyruskde. 10, 1932, S. 98 f.;
    U. Wilcken, ebd., S. 315;
    E. Seidl, in: Byzantin. Zs. 32, 1932, S. 255 f.;
    H. W. Müller u. D. Wildung, W. S., 1973;
    D. Wildung, in: Enchoria 4, 1974, S. 95–139 (Bibliogr.);
    S. Vleeming, ebd. 11, 1982, 85–98;
    A. Grimm, Joseph u. Echnaton, Thomas Mann u. Ägypten, ²1993, S. 25–40;
    ders., La dinastia del Sole, Capolavori dell'Arte di Amarna del Museo Egizio di Berlino nel linguaggio di Thomas Mann,|1994, S. 12 f.;
    ders. u. S. Schoske, W. S. als Sammler, 1995 (P);
    W. R. Dawson, E. P. Uphill u. M. L. Bierbrier, Who Was Who in Egyptology, ³1995;
    Drüll, Heidelberger Gel.lex. I;
    NDBA (P).

  • Autor/in

    Alfred Grimm
  • Zitierweise

    Grimm, Alfred, "Spiegelberg, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 682-684 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118616188.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA