Lebensdaten
1797 – 1851
Geburtsort
Netzelkow auf Usedom
Sterbeort
Berlin-Charlottenburg
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Dichter ; evangelischer Theologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118732692 | OGND | VIAF: 27133330
Namensvarianten
  • Meinhold, Johannes Wilhelm
  • Meinhold, Wilhelm
  • Meinhold, Johannes Wilhelm
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Zitierweise

Meinhold, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118732692.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Georg Wilhelm (1767–1828), Pastor in N., seit 1813 in Liepe auf Usedom, S d. Georg Gottfried (1721–67), Kriminalrat u. Ratsherr in Stettin, u. d. Regina Dorothea Bulle;
    M Anna Elisabeth (1762–1805), T d. Schiffers Christoph Dietrich Lenger in Stettin u. d. Dorothea Maria Drewelow;
    Stief-M (seit 1806) Friederike Christine Sophie (* 1784), T d. Predigers Matthias;
    Halb-B Karl (1813–88), D. theol., Sup. u. Dompfarrer in Cammin, Führer d.|luth. Orthodoxie;
    Gützkow 1820 Juliane Maria Johanna, T d. Hans Franz Gering (1758–1814), ev. Theol. u. Vize-Pleban zu Gutzkow, u. d. Christiane Therese Elisabeth Quistorp;
    4 S, u. a. Aurelius (Emanuel) (1829–73), konvertierte zur kath. Kirche, seit 1853 Priester in Hochkirch, vollendete M.s unabgeschlossenen letzten Roman.

  • Biographie

    M. besuchte keine öffentliche Schule, sondern wurde ausschließlich von seinem Vater unterrichtet, hauptsächlich in den alten Sprachen. Als er 1813 an der Univ. Greifswald ein Studium der ev. Theologie begann, mangelte es ihm spürbar an Allgemeinwissen und an Gewandtheit im Umgang. Lediglich seine Lehrer Ludwig Gotthard Kosegarten und Johann Ernst Daniel Parow fanden eine Beziehung zu ihm. Im Hause Kosegartens machte er zum erstenmal Bekanntschaft mit zeitgenössischer Dichtung, hörte er von Goethe und Jean Paul. Er verarbeitete alles, was er zu hören bekam, mit der Intensität des „Autodidakten“, wie er sich selbst bezeichnete, und ließ sich, ermuntert von Kosegarten, zu eigenen dichterischen Versuchen inspirieren. Seiner schlechten finanziellen Lage wegen blieb M. nur zwei Jahre an der Universität. Er schlug sich dann als Hauslehrer durch und holte die für das angestrebte Pfarramt notwendigen Prüfungen nach. 1818 erhielt er eine Prädikantenstelle in Gützkow als Gehilfe seines späteren Schwiegervaters. Zwei Jahre später wurde er Rektor an der Schule in Usedom.

    Mittlerweile hatte M. Gedichte über das Leben an der Ostsee verfaßt und, beeinflußt durch Adolf Müllners Stück „Die Schuld“, das Drama „König Bogislaff“. Dieses Manuskript sandte er 1820 an Jean Paul. Dessen wohlwollende Antwort, die M. dem Oberpräsidenten J. A. Sack zukommen ließ, war 1821 der Anlaß zur Berufung M.s auf seine erste Pfarrstelle in Coserow auf Usedom. Im gleichen Jahr übersandte er Goethe ein Bändchen seiner selbst herausgegebenen Gedichte. Goethe antwortete zwar nicht persönlich, erwähnte M.s Gedichte aber in seinem Aufsatz „Individualpoesie“ als typisch für diese Gattung. 1827 begleitete M. Kronprinz Friedrich Wilhelm, der für ihn später von großer Bedeutung werden sollte, bei dem vergeblichen Versuch, zu den Vineta-Klippen zu schiffen. 1828 erhielt er, abermals auf Grund der Protektion von Sack, die Pfarrstelle von Krummin, wo seine endlosen Auseinandersetzungen mit der Kirchengemeinde begannen. M. versuchte auch in der Folgezeit, Beziehungen zu bekannten Schriftstellern, Kritikern und Verlegern aufzunehmen. Diese reichten sogar bis zu Johann Ladislaus Pyrker von Oberwart, dem Patriarchen von Venedig, der durch Weltanschauungsepen hervorgetreten war, ein Genre, in dem sich M. ebenfalls versuchte, um das Haus Hohenzollern zu feiern. 1837 erschienen „Humoristische Reisebilder“, 1839 „Schill“, eine „poetische Festgabe“ zum 25. Jahrestag der Schlacht bei Leipzig.

    1838 begann M. die Arbeit am Roman „Maria Schweidler, die Bernsteinhexe“. Diesem lag die bereits 1825 geschriebene Novelle „Die Pfarrerstochter von Coserow“ zugrunde, deren geplante Veröffentlichung in der „Wiener Zeitschrift für Kunst, Mode und Literatur“ aber von der habsburgischen Zensur wegen der Verherrlichung Gustav Adolfs verhindert worden war. Als 1841 und 1842 anonym gezeichnete Teilabdrucke des Romans König Friedrich Wilhelm IV. auffielen, forderte dieser das gesamte Manuskript an und ließ es 1843, ebenfalls anonym, mit dem Untertitel „Der interessanteste aller bisher bekannten Hexenprozesse nach einer defekten Handschrift ihres Vaters, Pfarrer Abraham Schweidler auf Usedom“ drucken. Das Werk erregte Aufsehen und wurde sogleich von Laube dramatisiert und in Berlin auf die Bühne gebracht. Noch nach 1900 erschienen zahlreiche Ausgaben, zuletzt 1978. In einem archaischen Chronik-Stil und in der Sprechweise der Handlungszeit, des Dreißigjährigen Kriegs, fingiert der Autor einen zeitgenössischen Erzähler, den Vater der „Bernsteinhexe“, Abraham Schweidler. Dieser erzählt die Lebensgeschichte seiner Tochter Maria, die unschuldig als Hexe verfolgt wird, aufgrund der Intrige einer „wirklichen Hexe“. M. hatte bald alle Hände voll zu tun, seine Verfasserschaft vom Publikum, das weithin der Meinung war, eine echte Chronik vorliegen zu haben, auch gewürdigt zu sehen. Als Grund für seinen archaisierenden Chronikstil gab M. nun seine Absicht an, damit zugleich die Aporie der Evangelienkritik von David Friedrich Strauß offenzulegen; hinzu kommt, daß er mehr und mehr einer supranaturalen Denkweise zuneigte. Der eigentliche Grund für seine Verfahrensweise liegt jedoch in seiner Ästhetik.

    M. gilt die „Fabel“ als die „Seele des Werkes“ und die eigentliche schöpferische Leistung des Dichters. Ihre Einheit wird von einer vorgegebenen, bei ihm theologisch bestimmten Idee begründet, die auch das letztlich gute Ziel, das gute Ende gewährleistet. Der Chronikstil bedeutet für M. eine perfekte Steigerung der Illusion, die so eine verbindliche Autorität des Erzählten zu suggerieren vermag. In seinem folgenden Werk „Sidonia von|Bork, die Klosterhexe“, in dem er Entfaltung und Untergang einer „echten Hexe“ erzählt, versucht er die Autorität des Chronikstils für sein Sendungsbewußtsein zu nutzen. Mit eingefügten „Extrablättern“ verbreitete er seine teilweise stark antisemitischen Meinungen zu Gegenwartsproblemen. Das letzte sich stilistisch anschließende Werk M.s, „Der getreue Ritter, oder: Sigismund Hager“ (1852, von Sohn Aurel 1858 zuendegeführt), zeigt eine Irrfahrt durch die Zeit- und Gedankenwirren der Reformation, ebenfalls wieder mit klärendem Ende, d. h. mit der Rückkehr des Helden zum Katholizismus.

    Der unvollendete „Sigismund Hager“ spiegelt auch eine Tendenz in M.s Leben wieder. Nach der Übernahme der Pfarrei Rehwinkel im Jahre 1844 verstrickte er sich immer mehr in Querelen mit Kirchenvolk und Kirchenbehörden. Unzufriedenheit auf beiden Seiten führte schließlich 1850 zum Verlust der Pfarrstelle. Gerüchten einer bevorstehenden Konversion konnte er entgegentreten; vermutlich verhinderte aber nur M.s Tod diesen Schritt.

  • Werke

    Weitere W St. Otto, Bischof v. Bamberg, od. d. Kreuzfahrt nach Pommern, e. romant.-rel. Epos in 10 Gesängen, 1826;
    Miniaturgem. v. Rügen u. Usedom, 1830;
    Gedichte, 2 Bde., 1835;
    Athanasia od. d. Verklärung Friedrich Wilhelm III., e. christl.-rel. Gedicht, 1844;
    Ges. Schrr., I-IV, 1846, V-VII, 1848.

  • Literatur

    ADB 21;
    S. Krebs, Zur Kunstform d. Romans, Sidonia v. Bork, d. Klosterhexe, neu hrsg. mit e. Nachwort v. P. Ernst, 1911;
    K. Trammer, W. M. als Romanschriftsteller, Diss. Würzburg 1923 (ungedr.);
    R. Leppla, W. M.s Erzz. u. d. Anfänge d. chronikal. Novelle, 1928;
    K. Studentkowski, Der 30j. Krieg im Spiegel d. hist. Novelle, Ein Btr. z. Stoffgesch. u. z. Gesch. d. hist. Novelle, 1934;
    W. Bethke, W. M.s Briefe, hrsg. u. erl. als Vorstudie z. e. M.-Monographie, 1935;
    J. Rysan, W. M.s Bernsteinhexe, A Study in Witchcraft and Cultural History, Diss. Chicago 1948;
    E. Alker, Gesch. d. dt. Lit. v. Goethes Tod bis z. Gegenwart, I, 1949, S. 277-80;
    K. Oppert, Kausale Epik b. M., in: German.-Roman. Mschr. 39, 1958;
    E. Knobloch, Die Wortwahl in d. archaisierenden chronikal. Erzz. M.s, Raabes, Storms, Willes, Kolbenheyers, 1971;
    C. L. Krause, W. M., Diss. Northwestern University 1971;
    U. Faulhaber, in: Supranatural Fiction Writers, hrsg. v. E. Bleiler, 1985;
    Goedecke 14, S. 51-68;
    Kosch, Lit.-Lex.³

  • Autor/in

    Hans Dieter Huber
  • Zitierweise

    Huber, Hans Dieter, "Meinhold, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 671-673 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118732692.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Meinhold: Johannes Wilhelm M., Schriftsteller, geb. in Netzelkow am 27. Februar 1797, in Charlottenburg am 30. November 1851. Der einsame, auf dem Gnitz, einer westlichen Landzunge der Insel Usedom, gelegene Geburtsort Meinhold's war zu dem Sonderlingsleben seines Vaters, eines Predigers, wie geschaffen. Von früh bis spät, äußerlich und innerlich behandelte sich derselbe 32 Jahre lang mit kaltem Wasser, ging in der letzten Lebenszeit morgens 6 Uhr zu Bette und stand Mittags um 11 wieder auf. Nur so glaubte er einem Schlaganfall vorbeugen zu können, der ihn trotzdem auf seiner zweiten Pfarre in Liepe 1828 ereilte. Die Erziehung der Kinder litt unter diesen Gewohnheiten. Wilhelm, der älteste, wurde gleich nach seiner Geburt in eiskaltes Wasser gesteckt. Beim Wassertrinken und selbst des Winters oft im Freien fand der Unterricht statt. Häufige Züchtigungen mußten die Abhärtung vermehren. Nur bei der mildherzigen Stiefmutter — die rechte Mutter war 1806 gestorben — fand der Knabe einige Zuflucht. Schon 1813 wurde er nach Greifswald auf die Universität geschickt. Sein kümmerlicher Wechsel und seine bisherige Abgeschlossenheit brachten ihn meist nur in unangenehme Berührung mit den Commilitonen. Theologische Anregung entbehrte er völlig. Nur Kosegarten gewährte seiner philosophischen und philologischen Neigung einige Nahrung, nahm ihn gegen Verkennung in Schutz mit dem Zeugniß: „Bei dem Meinhold liegt in einer rauhen Schale ein süßer Kern verborgen“ — und ermunterte ihn zu dichterischen Versuchen. Nach zweijährigem Aufenthalt auf der Universität trat er eine Hauslehrerstelle bei Uekermünde an, bestand die theologischen Examina, wurde Prädicant des vom Schlage gelähmten M. Gering in Gützkow und übernahm 1820 das Rectorat der Stadtschule von Usedom, wobei er mit der zweiten Gering’schen Tochter seinen Hausstand begründete. Ein bereits in Gützkow entstandenes Glückwunschgedicht auf den Oberpräsidenten Sack hatte diesen um die wirthschaftliche und geistige Cultur der Provinz hochverdienten Mann zu Meinhold's Gönner gemacht. Diese Gönnerschaft verstärkte sich, als selbst Jean Paul dem jungen Dichter seine Anerkennung zu Theil werden ließ. Derselbe hatte ihm nämlich das Manuscript eines Trauerspiels „Herzog Bogislaf“ übersandt. Jean Paul erwiederte, der Verfasser sei des wahren tragischen Ausdrucks mächtig und sein Jugendfeuer verspreche der Dichtkunst viel er solle sich nur von Schiller und Shakespeare leiten lassen, so würde er bald fliegen und steigen. Dieser Brief, der sogleich an Sack geschickt ward, machte den Adressaten schon im J. 1821 zum Pfarrer von Coserow auf Usedom. Er fand hier die schönste Muße, 1824 einen Band „Vermischte Gedichte“ auf Subscription herauszugeben. Ein Exemplar übersandte er an Goethe. Dieser beurtheilte ihn öffentlich ohne Nennung des Namens unter der Ueberschrift „Individual-Poesie“. Er habe eine liebenswürdige Art, seine persönlichen und landschaftlichen Zustände poetisch darzustellen. In dieser Beschränkung liege sein Talent. M. befolgte den Wink leider nicht. 1826|erschien sein romantisch-religiöses Epos „St. Otto oder die Kreuzfahrt nach Pommern“, dessen Vorrede mit dem Geständniß beginnt, der Verfasser habe „von jeher einen entschiedenen Hang in sich gefühlt, ungewöhnliche und schwere historische Stoffe für die ästhetische Behandlung zu wählen“. Gewiß, dieser Stoff, der Seelenkampf der Bekehrung, war ihm zu schwer. Im Juni 1827 begleitete er den Kronprinzen von Preußen auf einer mißlungenen Fahrt zu den unweit Coserow gelegenen Vinelaklippen. In demselben Jahre fiel durch Sack's Vermittlung die Pfarrwahl des 3 Meilen entfernten Crummin auf ihn. Zu Neujahr 1828 trat er die Stelle an. Mißverhältnisse mit der Gemeinde verleideten ihm den Aufenthalt, hemmten aber nicht seine Productivität. 1830 gab er ein „Miniaturgemälde von Rügen und Usedom“, 1837 „Humoristische Reisebilder von Usedom“, 1839 „Schill, eine poetische Festgabe zur 25jährigen Jubelfeier der Schlacht bei Leipzig“ heraus, erstere beide zum Theil recht anziehende Schilderungen heimathlicher Gegenden, wodurch zuerst die Augen weiterer Kreise auf die Naturschönheiten Usedom's gerichtet wurden, letzteres eine Reihe erzählender Gedichte nach Hakens Schill-Biographie. Seit 1838 entsteht sein berühmtestes Werk „Maria Schweidler, die Bernsteinhexe. Der interessanteste aller bisher bekannten Hexenprocesse“. Es ist die Erweiterung einer Novelle, „Die Pfarrerstochter zu Coserow“, welche die Wiener Censur ihm 1826 zurückgewiesen hatte, in stilistischer Nachahmung der Denk- und Sprechweise des 17. Jahrhunderts. Unter dem Vorgeben, das alte defecte Manuscript im Chorgestühl seiner Kirche gefunden zu haben, veröffentlichte er 1841 und 1842 Bruchstücke daraus in der Christoterpe. Der König Friedrich Wilhelm IV. las sie mit Interesse, erkundigte sich nach der Handschrift und ließ sich, als ihm die Fiction mitgetheilt wurde, das Manuscript selbst übersenden. Am 1. Juni 1843 erhielt M. das auf des Königs Veranlassung bei Duncker & Humblot gedruckte Werk sammt Honorar zugesandt. Der Beifall war allgemein, Laube dramatisirte es, Lady Duff Gordon übersetzte es ins Englische, kaum ein Zweifel an der Echtheit wurde laut. Im Januar 1844 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung und 1846 in der Vorrede zur zweiten Auflage lüftete M. den Schleier. Er habe das Buch geschrieben, um „unsere kluge Zeit schlagend zu überführen, was von der Vocabelkritik zu halten sei“. Wie sie hier ein untergeschobenes Buch für echt genommen, so vermesse sie sich, echte biblische Schriften für untergeschoben zu erklären. Apologetische Studien hatten ihn allerdings seit Jahren beschäftigt. Bei einer von Steudel in Tübingen ausgeschriebenen Concurrenz um eine Apologie des Christenthums hatte er 1835 eine auszeichnende Erwähnung davongetragen, während Stirm den Preis erhielt. 1840 hatte ihm Erlangen wegen einer Abhandlung über Wunder und Weissagungen, welche einen Abschnitt jener Apologie gebildet hatte, das theologische Doctorat verliehen. Trotzdem scheint der Bernsteinhexe die apologetische Tendenz erst nachträglich angehängt. Die Kritik ließ sich in keiner Weise durch eine Mystification behelligen, der das unkritische Publicum zum Opfer gefallen war. Der Werth des Werkes besteht ausschließlich in der auf tüchtigen Studien beruhenden dichterischen Reproduction pommerscher Culturverhältnisse des 30jährigen Krieges. Der Verfasser selber behauptet, diese Kunstgattung, die er den „chronikalischen Roman“ nennt, erst erfunden zu haben. Doch hatte (abgesehen von Kleist's Kohlhaas) August Hagen mit seinen „Norica“ schon 10 Jahre früher denselben Weg betreten. In Folge einer Audienz beim Könige am 12. März 1844 wurde M. bereits zu Ostern d. J. Pastor in Rehwinkel bei Stargard. Damals erschien „Athanasia oder die Verklärung Friedrich Wilhelm des Dritten. Ein christlich-religiöses Gedicht“, während 1846—1848 seine „Gesammelten Schriften“ in 7 Bänden bei J. J. Weber in Leipzig herausgegeben wurden. Dieselben enthalten im 2. Bande zwei Dramen|und Band V—VII „Sidonia v. Bork, die Klosterhexe“. Die sprachlichen wie stofflichen Kunstmittel der Bernsteinhexe sind hier noch ausgiebiger verwerthet, sie dienen aber ausgesprochenermaßen nur apologetischen Zwecken. In und unter dem Text geben Anmerkungen die Ansichten des Verfassers über die religiösen, politischen und socialen Fragen seiner Zeit. Sein Kampf gegen die revolutionäre Strömung in Preußen wurde immer energischer. Im Sommer 1848 erschien „Die babylonische Sprachen- und Ideenverwirrung der modernen Presse als die hauptsächlichste Quelle der Leiden unserer Zeit, seinen lieben pommerschen Landsleuten gewidmet“. Im nächsten Jahre folgte „Das Vaticinium Lehninense metrisch übersetzt und commentirt nebst einer religionsphilosophischen Einleitung". Alle diese Schriften zeigen außer manchem schlagfertigen Wort eine bedenkliche Abweichung von der reformatorischen Lehre und ein zunehmendes „Verständniß“ für den Katholicismus. Um mancherlei „Unannehmlichkeiten zu entgehen und sich ganz der Litteratur zu widmen“ gab er im Herbst 1859 sein Amt auf und zog nach Charlottenburg. Ueber einem neuen Roman „Der getreue Ritter oder Sigismund Hager und die Reformation“, der die Vereinigung der Confessionen, natürlich auf Kosten des Protestantismus, zum Gegenstand hatte, starb er am Gehirnschlag. Das unvollendete Werk, von dem jüngsten seiner vier Söhne herausgegeben und fortgesetzt, hat die Sage von seinem Uebertritt hervorgerufen. Er ist auf dem Wege nach Rom gestorben. — Meinhold's Schriften enthalten treffliche Elemente zu einem pommerschen Dichter. Als er etwas anderes werden wollte, verfehlte er seinen Beruf.

    • Literatur

      Gesammelte Schriften, in den Vorreden u. ö. — Novellen-Zeitung (Leipz., J. J. Weber), Bd. II, Nr. 79 (1. Januar 1846). —
      Neuer Nekrolog der Deutschen, 29. Jahrg., Th. 2, S. 930—938. — Goedeke, Grundriß, Bd. III, S. 1186—1190.

  • Autor/in

    Petrich.
  • Zitierweise

    Petrich, Hermann, "Meinhold, Wilhelm" in: Allgemeine Deutsche Biographie 21 (1885), S. 235-237 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118732692.html#adbcontent

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