Lebensdaten
1849 – 1923
Geburtsort
Horitz (Böhmen)
Sterbeort
Meersburg am Bodensee
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118579304 | OGND | VIAF: 36939733
Namensvarianten
  • Mauthner, Fritz
  • Mauthner, F.

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Mauthner, Fritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118579304.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Emanuel (1810–74), Webereibes. in H., seit 1856 in Prag, S d. Löw Jacob, Bierbrauer u. Branntweinbrenner in H., dann in Pardubitz, u. d. Eleonora Lämmel;
    M Amalie (1827–94). T d. Kaufm. Isaak Mauthner in H. u. d. Dorothea Catharina Fischer;
    B Gustav Rr. v. M. (österr. Adel 1884, 1848-1902), Dir. d. Österr. Creditanstalt in Wien;
    1) 1878 Jenny Ehrenberg ( 1896), 2) 1910 Hedwig Silles-O'Cunningham, Dr. med., Schriftstellerin (Ps. Harriet Straub);
    1 T aus 1).

  • Biographie

    M. verbrachte seine Jugendjahre in Prag, wohin die Familie 1855 übersiedelte, besuchte zunächst eine jüdische Privatschule, dann das Piaristengymnasium, schließlich das deutsche Gymnasium an der Kleinseite, wo er 1869 maturierte. Ohne Neigung und ohne einen Grad zu erreichen, studierte er bis 1873 Jurisprudenz, belegte aber auch Vorlesungen in den Fächern Philosophie, Archäologie, Musikwissenschaft, Medizin und Theologie. Von seinen Universitätslehrern erwähnt er nur den Rechtsphilosophen Adolf Merkel sowie den Archäologen Otto Benndorf und den Musikhistoriker August Wilhelm Ambros positiv. Einfluß auf seine geistige Entwicklung billigte er Nietzsche, Mach, Otto Ludwig und Bismarck zu: diese vier Männer hätten ihn vom Wortaberglauben befreit. Nach dem Tod des Vaters brach M. seine Studien endgültig ab und wandte sich der Laufbahn als Schriftsteller und Theaterkritiker zu, zunächst in Prag. 1876 ging er nach Berlin, wo er ständiger Mitarbeiter und 1895 Feuilletonredakteur des „Berliner Tagblattes“ wurde, aber auch an einer Reihe anderer Journale mitwirkte. Schließlich trat er auch selbst als Herausgeber von Zeitschriften auf. Nach der Abkehr von der journalistisch-literarischen Tätigkeit widmete er sich ausschließlich philosophischen Studien. Bei der Fertigstellung seiner „Beiträge zu einer Kritik der Sprache“ (3 Bde., 1901/02) wirkte Gustav Landauer mit. 1905 gab er seine Berliner Position auf. Von nun an lebte er als freier Schriftsteller und Privatgelehrter zunächst in Freiburg/Breisgau und seit 1909 in Meersburg/Bodensee.

    Im Prager „Tagesboten“ wirkte er als Feuilletonist. Bereits 1872 erschien ein der Franz. Revolution gewidmeter Sonettenkranz „Die große Revolution“, 1874 das Drama „Anna“, das im selben Jahr am Deutschen Landestheater in Prag aufgeführt wurde. Aber keines seiner Schauspiele hatte Erfolg. Erst die Veröffentlichung einer Sammlung von ursprünglich als Feuilletons erschienenen Parodien bekannter Autoren wie E. H. Du Bois-Reymond, E. Franzos, A. Sacher-Masoch und Richard Wagner, unter dem Titel „Nach berühmten Mustern“ (1878), brachte den Durchbruch. Es folgten weitere satirische Schriften, z. B. die Travestie „Dilettantenspiegel“ (1884), Horazens Epistel an die Pisonen nachgebildet; eine Essaysammlung „Credo“ (1886) und eine weitere unter dem Titel „Lügenohr, Fabeln und Gedichte in Prosa“ (1892). Die Satire wird eingesetzt, um die Journalistik, die Eitelkeit von Literaten, die Spur menschlicher oder ideologischer Schwächen, wie etwa den übertriebenen Nationalismus, bloßzustellen. Dabei war M. selbst deutschnational gesinnt und trat für eine vollständige Assimilation der Juden ein.

    In einer Reihe von historisierenden Romanen, wie „Xantippe“ (1884), in dem die Frau des Sokrates dem üblichen Klischee entzogen wird, oder „Hypatia“, wo die Frauengestalt als das Zentrum eines großzügigen Genrebildes der philosophischen und kulturellen Szene Alexandriens erscheint, treten M.s eigene philosophische Ansichten immer deutlicher hervor. Im Roman „Der letzte Tod des Gautama Buddha“ (1913), kommt M.s mystische Neigung am stärksten zum Tragen.

    Der bedeutendste Teil des umfangreichen Werkes von M. ist jedoch der philosophische: 27 Jahre, so sagt er selbst, dauerte die Vorbereitung der „Beiträge zu einer Kritik der Sprache“, in denen M.s Skepsis gegenüber der Sprache als Mittel der Welterkenntnis dargestellt wird. Da die Sprache nach M. „die Summe der Erinnerungen des Menschengeschlechts“ ist und alle Erfahrung durch sie bestimmt wird, ist keine Erkenntnis ohne sie möglich. Durch sie das Wesen der Wirklichkeit zu erfassen, ist aber unmöglich, da die sprachlichen Zeichen bloß Erkennungsmarken für Empfindungen darstellen, Empfindungen aber von den Sinnen abhängen und diese wiederum nur „Zufallssinne“ sind. M.s Kritik der Sprache soll Namen und Wörter als „unbrauchbare Werkzeuge“ bloßstellen, den „Wortaberglauben“ bekämpfen. Philosophie, im strengen Verstände der Sprachkritik, wird zur Selbstkritik der Philosophie. In der neueren Literatur zu M. wird auf ähnliche Gedankengänge bei Wittgenstein hingewiesen.

    In dem zweibändigen „Wörterbuch der Philosophie“ (1910/11) setzt M. die gewaltige Arbeit dieser Selbstkritik fort und fordert eine Kritik aller Abstrakta und metaphysischen Begriffe, nicht zuletzt in Anwendung von Machs „antimetaphysischen Vorbemerkungen“ sowie von Nietzsches sprachkritischen Beobachtungen. Sowohl in den „Beiträgen“ wie im „Wörterbuch“ werden weit vorausgreifende sprachphilosophische Analysen der Umgangssprache geboten; der soziale Charakter der Sprache wird ebenso hervorgehoben wie darauf verwiesen, daß die Bedeutung der sprachlichen Ausdrücke allein durch ihren Gebrauch im Spiel der Sprechenden bestimmt ist. Für M., der eine adjektivische, substantivische und verbale Welt unterscheidet, ist die erstere „die uns allein zugängliche Welt der Sinneseindrücke“, die substantivische (metaphysische) hingegen nur ihre Verdoppelung unter der Hypothese der Dinglichkeit, während die verbale den Pointilismus der Sinne ordnet und Werden und Vergehen darstellt. Die Steigerungen dieser drei Sprachweisen treten uns in den Formen von Kunst, Mystik und Wissenschaft entgegen.

    In seiner letzten großen Arbeit „Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande“ (4 Bde., 1920–23), untersucht M. vom Standpunkt einer „gottlosen, agnostischen Mystik“ aus das stete Zurückgehen eines zunächst alles beherrschenden Gottesglaubens von der Spätantike bis zum Ende des 1. Weltkrieges.

  • Werke

    Weitere W u. a. Der neue Ahasver, 1882 (Roman);
    Aturenbriefe, 1885;
    Zehn Geschichten, 1891;
    Tote Symbole, 1892 (Aufs.);
    Kraft, 1894 (Roman);
    Der Geisterseher, 1894 (Roman);
    Die bunte Reihe, 1896 (Roman);
    Die böhm. Handschrift, 1897 (Roman);
    Der steinerne Riese, Eine fast wahre Gesch., 1897;
    Aristoteles, 1904 (Essay);
    Totengespräche, 1906;
    Spinoza, 1906 (Monogr.);
    Die Sprache, 1907;
    Gespräche im Himmel u. andere Ketzereien, 1914 (Essays);
    Erinnerungen, I: Prager Jugendjahre, 1918;
    Ausgew. Schrr., 6 Bde., 1919;
    Selbstdarst., in: Die Philos. d. Gegenwart in Selbstdarst. III, 1922, S. 121-44.

  • Literatur

    Th. Lessing, Btrr. zu e. Kritik d. Sprache (Rez.), in: Die Gesellschaft 18, 1902, III, S. 410-19;
    G. Landauer, Skepsis u. Mystik, 1903;
    A. Küthmann, Zur Gesch. d. Terminismus, 1911;
    M. Krieg, F. M.s Kritik d. Sprache, 1914;
    J. Hofmiller, Lebensläufe, in: Süddt. Mhh. 16, I, 1918/19, S. 370-72;
    Th. Kappstein, F. M., 1926;
    W. Eisen, F. M.s Kritik d. Sprache, 1929;
    A. Liede, F. M., in: ders., Dichtung als Spiel, I, 1963, S. 254-72;
    H. Müller, F. M.s Stellung in d. Gesch. d. Philos., 1967;
    E. Leinfellner, Zur nominalist. Begründung v. Linguistik u. Sprachphilos.: F. M. u. Ludwig Wittgenstein, in: Studium Generale 22, 1969, S. 209-51;
    G. Weiler, M.s Critique of Language, 1970;
    R. Haller, Sprachkritik u. Philos., Wittgenstein u. M., in: Die Sprachthematik in d. österr. Lit., 1974, S. 41-56;
    J. Kühn, Gescheiterte Sprachkritik (W-Verz., L), 1975;
    W. Eschenbacher, F. M. u. d. dt. Lit. um 1900, 1977;
    L. Gustafsson, Sprache u. Lüge, 1980;
    K. Arens, Functionalism and Fin de siècle: F. M.s Critique of Language, 1984;
    H. Eisendle, F. M., in: Österr. Porträts, 1985, S. 398-407;
    L. Albertazzi, F. M., La critica della lingua, 1986;
    DBJ V;
    NÖB;
    ÖBL;
    Ziegenfuß;
    Bode;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Enc. Jud. 1971 (P).

  • Porträts

    Phot. in: Donauland 1, 1917/18.

  • Autor/in

    Rudolf Haller
  • Zitierweise

    Haller, Rudolf, "Mauthner, Fritz" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 450-452 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118579304.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA