Lebensdaten
um 1495 – 1556
Geburtsort
Rattenberg (Tirol)
Sterbeort
Augsburg
Beruf/Funktion
Wiedertäufer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118730800 | OGND | VIAF: 3265902
Namensvarianten
  • Marpeck, Pilgram
  • Marbeck, Pilgram
  • Marpeck, Pilgram
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Marbeck, Pilgram, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118730800.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus wohlhabender u. angesehener Fam. in R.;
    V vermutl. Heinrich (erw. 1494), Bgm. v. R. 1511;
    M N. N.;
    vor 1520 Anna N. N.;
    1 T.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Lateinschule handelte M. zunächst mit Erz; 1523 wurde er Mitglied des Äußeren Rates, zwei Jahre später Mitglied des Inneren Rates und zugleich Bergrichter in Rattenberg. Wahrscheinlich ließ sich M., der zuvor dem Luthertum nahegestanden hatte, 1527 wiedertaufen. Im Februar 1528 trat er, veranlaßt durch die Hinrichtung des Täuferpredigers Schiemer, vom Amt des Bergrichters zurück. Er mußte Tirol verlassen; sein stattlicher Besitz wurde konfisziert. Mit seiner Familie zog er nach Straßburg, wo er bis Januar 1532 als Wasserbauingenieur arbeitete und zu einem der führenden Köpfe der dortigen Wiedertäufer wurde. Hier entstanden seine ersten, gegen die oberdeutsche reformatorische Theologie und gegen den Spiritualismus gerichteten Schriften. In seinem Haus fanden regelmäßig Täuferversammlungen statt. Ende 1531 kam es zu mehreren Streitgesprächen mit Bucer und anderen Straßburger Predigern. Als M. auf der Erwachsenentaufe beharrte, wies ihn der Rat aus der Stadt. In den folgenden Jahren hielt sich M. in Graubünden auf; belegt ist auch eine Tätigkeit in St. Gallen. 1541 machte er eine Reise zu den hutterischen Gemeinden nach Mähren. Mit seinem engsten Mitarbeiter Scharnschlager übersetzte er 1542 Bernhard Rothmanns „Bekenntnisse van beyden Sacramenten …“ ins Oberdeutsche; bis 1550 erschienen dann M.s wichtigste theologische Werke: Der erste Teil der „Verantwortung“ und die „Testamentserläuterung“. Seit 1544 stand er als Wasserbauingenieur im Dienst der Stadt Augsburg, wo er relativ unbehelligt leben konnte.

    M.s Bedeutung liegt in seiner ausgleichenden Tätigkeit – vor allem mittels Reisen und einer weitgestreuten Korrespondenz – zwischen den täuferischen Gruppen. Während die oberdeutsche reformatorische Theologie im Zusammenhang mit der Frage der Kindertaufe die innere Einheit beider Testamente hervorhebt, trennt M. scharf zwischen dem Alten Bund der Knechtschaft und dem Neuen Bund der Kindschaft, da mit Christus die Geschichte neu begonnen habe. Gegenüber der spiritualistischen Betonung des verklärten Christus steht bei ihm aber der leidende, unverklärte Christus im Vordergrund; vor allem will er – entgegen allen Verinnerlichungsbestrebungen – die äußere Ordnung der Kirche erhalten wissen. Obwohl sich die biblizistische Gemeindetheologie der Schweizer Brüder auch bei M. findet, distanziert er sich von ihrem ethischen Rigorismus, verwirft insbesondere die übermäßige Benutzung des Bannes.

  • Werke

    The Writings of P. M., übers. u. hrsg. v. W. Klassen u. W. Klaassen, 1978;
    Verantwortung üb. Casparn Schwenckfelds Judicium, hrsg. v. J. Loserth, 1929;
    P. M.s Vermahnung, hrsg. v. Ch. Hege, in: Gedenkschr. z. 400j. Jubiläum d. Mennoniten od. Taufgesinnten 1525-1925, 1925, S. 178-282;
    Testamenterlütterung, Erleütterung durch außzug auß Hl. Biblischer Schrift (Augsburg um 1550;
    Exemplar in d. Zentralbibl. Zürich).

  • Literatur

    ADB 20;
    H. Fast, P. M. u. d. oberdt. Täufertum, ein neuer Handschriftenfund, in: Archiv f. Ref.gesch. 47, 1956, S. 212-42;
    J. J. Kiwiet, P. M., Ein Führer d. Täuferbewegung im süddt. Raum, 1957;
    T. Bergsten, P. M. u. s. Auseinandersetzung mit Caspar Schwenckfeld, in: Kyrkohistorisk Aarsskrift 57, 1957, S. 39-100, 58, 1958, S. 53-87;
    St. B. Boyd, P. M. and the Justice of Christ, Diss. Harvard 1984;
    N. Blough, Christologie anabaptiste: P. M. et l'humanite du Christ, in: Histoire et société 4, 1984;
    Mennonit. Lex. III, S. 25-34;
    RGG IV³.

  • Autor/in

    Gerald Dörner
  • Zitierweise

    Dörner, Gerald, "Marbeck, Pilgram" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 104-105 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118730800.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Marbeck: Pilgram M. gehört während der dreißiger und vierziger Jahre des 16. Jahrhunderts zu den vornehmsten Führern des oberdeutschen Anabaptismus Er ist in mehrfachem Betracht eine bedeutende Persönlichkeit, welche genügende Beachtung noch nicht gefunden hat. M. stammt aus Tyrol, wahrscheinlich aus der Nähe von Schwatz. Er bekleidete in den dortigen Bergwerken die Stelle eines Ingenieurs und war besonders im Bauhandwerk ein erfahrener Mann. Von dort wegen seiner religiösen Anschauungen vertrieben, floh er mit Weib und Kind unter Zurücklassung seiner Habe, die von der österreichischen Regierung confiscirt ward, nach Augsburg, wo er ein Unterkommen zu finden hoffte. Er scheint bereits im Innthal mit den dort von der Schweiz her (Chur, St. Gallen, Schwyz) frühzeitig fußfassenden Ideen der „Nachfolge Christi“ bekannt geworden zu sein; in Augsburg schloß er sich ebenso wie andere seiner vertriebenen Landsleute der Partei Hans Denck's an (1527, Bd. V, S. 53, 796, XVI, 797). Als er dort keinen Wirkungskreis fand, wandte er sich über Ulm nach Straßburg, welches in jenem Jahr als Asyl aller Verfolgten gelten konnte. Hier erhielt er auf Grund seiner bautechnischen Kenntnisse und Fähigkeiten die Stelle eines Bergrichters. Er baute hier den werthvollen Flußkanal, welcher die Hölzer der Berggegenden nach Straßburg brachte. Er verhehlte auch dort seine Ueberzeugung nicht, aber seine Talente und sein ehrenhafter Charakter gaben ihm eine starke Stütze. Auch seine religiösen Gegner in Straßburg gaben ihm das Zeugniß, daß er „von Gott viel herrlicher Gaben empfangen habe, auch in vielen Stücken einen guten, tapferen Eifer besitze.“ Selbst sein erbittertster Feind, Martin Bucer, gesteht zu, daß M. und sein Weib eines „feinen unsträflichen Wandels seien“. Auch aus Straßburg ward er indessen bei den ausbrechenden Religionsverfolgungen, an deren Spitze sich Bucer gestellt hatte, vertrieben; er eilte nach Ulm, wo er Gönner besaß, unter Andern an der Freifrau von Pappenheim. Auch war M. mit Schwenkfeld nahe befreundet, welch' letzterer eine Zeit lang intime Beziehungen zu den Täufern unterhielt. In den J. 1535—1545 scheint M. sich als Flüchtling bald in Mähren, bald in Schwaben aufgehalten zu haben. Sein Todesjahr ist unbekannt. Seine letzten Jahre wurden getrübt durch einen Conflict mit Schwenkfeld. M. war auch als Schriftsteller thätig. —

    • Literatur

      Röhrich, Zeitschr. f. hist. Theol. 1860. — Keller, Ein Apostel der Wiedertäufer (Hans Denck). 1882; Cornelius, Münst. Aufruhr, Bd. 2. —
      Walch, Decas fabularum humani generis. Argent. 1606. —
      Schwenkfeld's Epistolar. —
      Ein Manuscript der Wolfenb. Bibl. Ms. 45. 9 enthält mehrere Briefe, die auf ihn bezüglich sind. — Schwenkfeld, C., Ueber das neue Büchlein der Tausbrüder, im J. 1542 ausgangen, Judicium, Act. I (S. l. e. a.).

  • Autor/in

    Ludwig Keller.
  • Zitierweise

    Keller, Ludwig, "Marbeck, Pilgram" in: Allgemeine Deutsche Biographie 20 (1884), S. 290-291 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118730800.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA