Lebensdaten
1680 – 1747
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118515586 | OGND | VIAF: 14849083
Namensvarianten
  • Brockes, Heinrich
  • Brockes, Barthold Heinrich
  • Brokes, Hinrich
  • mehr

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Brockes, Hinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515586.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Bernhard ( 1694), Hamburger Kaufmann, S des Bartold und der Cäcilia Tegge;
    M Marg., T des Hinr. Elmhoff, Lakenhändler und Gewandschneider, stammte aus Wismar, und der Elisabeth Busch;
    Hamburg 1714 Anna Ilsabe (1693–1736), T des Kaufmanns Johann Lehmann;
    6 S, u. a. Barthold, 1753 geadelt, kurkölnischer Rat, Erich Nik., 1753 geadelt, holsteinischer und russischer Rat; 6 T.

  • Biographie

    B. begann 1700 in Halle das Studium der Rechte. 1702 ging er für ein halbes Jahr an das Kammergericht in Wetzlar. Auf dem Wege nach Genf, wo er sein Studium fortsetzen wollte, veranlaßte ihn der Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges zu einem längeren Umweg über Nürnberg, Venedig, Rom und Genua. Von Genf reiste B. 1704 über Lausanne nach Paris. Er promovierte in Leiden|als Lizentiat der Rechte und traf 1704 wieder in Hamburg ein. Seine wirtschaftliche Unabhängigkeit erlaubte es ihm, auch weiterhin allen gesellschaftlichen und musischen Neigungen nachzugehen. Sein Passionsoratorium „Der für die Sünden der Welt gemarterte und sterbende Jesus“ wurde 1712 mit der Musik R. Keisers in seinem Hause aufgeführt. 1715 gründete B. mit einigen Freunden nach dem Vorbild der barocken Sprachgesellschaften die „Teutschübende Gesellschaft“, der er schon im März Teile seiner Übersetzung von Marinos „La strage degl'Innocenti“ vorlas, die er wenig später unter dem Titel „Verteutschter Bethlehemitischer Kindermord“ veröffentlichte. Auch eigene Gedichte und philologische Abhandlungen trug er der Gesellschaft vor, die fast drei Jahre bestand. 1720 wurde B. in den Rat seiner Vaterstadt gewählt. 1721 veröffentlichte er den ersten Teil seines „Irdischen Vergnügens in Gott“, der B. auch außerhalb Hamburgs rasch berühmt machte. An der Wende vom Barock zum 18. Jahrhundert wurde B. der Entdecker der Natur in ihrer gegenständlichen Fülle und Schönheit und damit das Vorbild der Naturlyrik von Haller bis Klopstock. In fast impressionistischen Bildern, mit einer bis dahin ungekannten Intensität und Frische der sinnlichen Wahrnehmung schildert B. das Farbenspiel der Tages- und Jahreszeiten, wenn auch das ichhafte Aufgehen in der Natur, die lyrische Ergriffenheit des Herzens noch fehlt. Immer mündet die Andacht des Schauens im Begriffsrationalismus eines physiko-theologischen Gottesbeweises, der schon mit dem Nachweis wirtschaftlichen Nutzens erbracht ist. 1727-46 erschienen 7 weitere Teile des „Irdischen Vergnügens in Gott“, die das gleiche Thema mit wachsender Trockenheit und Pedanterie abwandeln. Der 9. Teil erschien 1748 als Nachlaßband. - 1724 gründete B. mit J. A. Fabricius, M. Richey u. a. die „Patriotische Gesellschaft“, die nach englischem Vorbild die moralische Wochenschrift „Der Patriot“ herausgab. Als Gesandter des Rates reiste B. 1721 zu Kaiser Karl VI. nach Wien, 1724 zum dänischen König nach Glückstadt und zu König Friedrich Wilhelm I. nach Berlin. Fürst Günther zu Schwarzburg ernannte ihn 1730 zum Kaiserlichen Pfalzgrafen und poeta lauieatus. Im gleichen Jahr wurde B. Landprätor, 1735 Amtmann von Ritzebüttel und 1741 - nach seiner Rückkehr nach Hamburg - Landherr des Hamburger Berges.

  • Werke

    Ausw. aus seinen Gedichten, hrsg. v. L. Fulda, in: J. Kürschner, Dt. Nat.-Lit. 39, 1887;
    Der Schöpfungsgarten, Gedichte, ausgew. u. eingel. v. R. v. Delius, 1917;
    Passionsoratorium „Sterbender Jesus“, in: Dt. Lit. in Entwicklungsreihen, Barockdrama, Bd. 6, 1933, v. W. Flemming, S. 92 ff.;
    Selbstbiogr., in: Zs. d. Ver. f. hamburg. Gesch. 2.1847, S. 167-229.

  • Literatur

    ADB III (unter Brokes);
    Goedeke III, 1887, S. 341 f. (W, L);
    O. Janssen, Naturempfindung und Naturgefühl b. B., Diss. Bonn 1907;
    F. v. Manikowski, Die Welt- u. Lebensanschauung in d. ird. Vergnügen in Gott v. B., Diss. Greifswald 1914;
    F. Gundolf, Ein Gelegenheitsgedicht v. B., 1931;
    Frels;
    H. W. Pfund, Stud. z. Wort u. Stil b. B., New York 1935;
    Körner, S. 201 f.

  • Porträts

    Gem. v. D. van der Smissen (Kunsthalle Hamburg), Abb. in: B. H. B., Spuren d. Gottheit (Ausgew. Gedichte), hrsg. v. W. Krogmann, 1947.

  • Autor/in

    Diedrich Diederichsen
  • Zitierweise

    Diederichsen, Diedrich, "Brockes, Hinrich" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 621-622 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515586.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Brokes: Barthold Heinrich B. (Brockes), geb. 22. Sept. 1680 zu Hamburg, daselbst 16. Jan. 1747. Sein Vater, ein wohlhabender Kaufmann, starb schon 1694, seine Mutter, die als Wittwe sehr eingezogen lebte, ließ ihm mehr Freiheit, als seiner Vorbereitung auf das Studium dienlich war. Erst in seinem 20. Jahre bezog er die kurz vorher gegründete Universität Halle, um die Rechte zu studiren, doch scheint er nie die Ausübung der Advocatur beabsichtigt zu haben. Die Hälfte seiner Studienzeit, die bis Ende 1704 dauerte, füllen Reisen in Deutschland, Italien, der Schweiz, Frankreich und Holland; die schon auf der Schule erlangte Uebung im Zeichnen und in der Musik auszubilden, fand er auf diesen Zeit und Gelegenheit; dabei konnte er seine Vorliebe für vornehmen Umgang und cavaliermäßiges Leben befriedigen. Das väterliche Vermögen durch eine reiche Heirath zu vermehren und „seine Fortune bei Hofe zu suchen“ war nach seiner eigenen Angabe sein Zukunftsplan, als seine durch den Tod ihrer letzten Tochter ganz vereinsamte Mutter ihn nach Hause rief. Rasch besorgte er nun in Leyden seine Promotion zum Licentiaten der Rechte und kehrte in seine Vaterstadt zurück, wo er fast 16 Jahre ohne Amt ganz seinen Lieblingsneigungen lebte, obgleich er sich nicht verhehlte, daß er damit in dem thätigen Hamburg, statt Ehre einzulegen, leicht den Namen eines Müßiggängers davontragen konnte. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen eine begüterte Erbin heimzuführen, die er besonders seit dem Tode seiner Mutter 1709 gemacht, fand er 1714 in Anna Ilsabe Lehmann, „einer der considerabelsten Partien“, eine Lebensgefährtin, mit der er bis 1736 in sehr glücklicher, mit 12 Kindern gesegneten Ehe gelebt hat. Auch sein Ehrgeiz sollte Befriedigung finden. Er ward am 13. Aug. 1720 unverhofft zum Senator erwählt und hatte als solcher wiederholt Gelegenheit, auf Gesandtschaftsreisen und bei fürstlichen Besuchen in Hamburg seine hofmännischen Talente zum Nutzen seiner Vaterstadt zur Geltung zu bringen. Von 1735—1741 saß er als Amtmann in Ritzebüttel, wo eine von ihm angelegte Holzung den Namen Brockeswalde noch heute bewahrt. Den unermüdlich thätigen und anscheinend rüstigen Mann ereilte der Tod nach dreitägiger Krankheit. Von seinen Söhnen sind zwei als Schriftsteller aufgetreten. Seine Studien der französischen und italienischen Litteratur und verschiedene Ubersetzungen, mit denen er sich nach seiner Rückkehr von der Universität beschäftigte, erweckten in ihm die Lust, selbständige Versuche in der Poesie zu machen. Ein Hochzeitgedicht für seinen Freund Vegesack aus dem Jahr 1708 war sein erstes Druckwerk. Die von ihm angeregte Stiftung der „teutschübenden Gesellschaft“, eines Vereins von sechs Gelehrten, die wie|später die Bremer Beiträger und der Göttinger Dichterbund in regelmäßig wiederkehrenden Sitzungen einander ihre Werke vorlasen und kritisirten, wurde für ihn ein Sporn zu eifriger Fortsetzung dieser Versuche: einzelne Gelegenheitsreimereien in Weichmann's Poesie der Niedersachsen und besonders „der verteutschte bethlehemitische Kindermord des Ritters Marino nebst etlichen von des Herrn Uebersetzers eigenen Gedichten“ fallen in diese Zeit. Die Thätigkeit der Gesellschaft, zu der Triewald, J. A. Fabricius, Richey, König und später Hoefft und Joh. Hübner gehörten, schlief schon im dritten Jahre ihres Bestehens ein. Mit Fabricius und Richey gründete B. sieben Jahre später die patriotische Gesellschaft und lieferte zu ihrer moralischen Wochenschrift „Der Patriot" verschiedene Beiträge. Sein wichtigstes Interesse nach denen seines Amtes blieb ihm aber die Poesie, und zwar jene malende und moralisirende, die für ihn eine Art von Gottesdienst wurde. „Wenn ich aber gar bald gewahr ward", sagt er in seiner Selbstbiographie, „daß die Poesie, wofern sie keinen sonderlichen und zwar nützlichen Endzweck hätte, ein leeres Wortspiel sei und keine große Hochachtung verdiente, als bemühete ich mich solche Objecte meiner Dichtkunst zu erwählen, woraus die Menschen nebst einer erlaubten Belustigung zugleich erbauet werden möchten. Da ich denn erstlich das bekannte nachher in verschiedene Sprachen übersetzte Passionsoratorium verfertigt, nachgehends aber durch die Schönheit der Natur gerühret, mich entschloß, den Schöpfer derselben in fröhlicher Betrachtung und möglicher Beschreibung zu besingen. Wozu ich mich um so viel mehr verpflichtet hielte, als ich eine so große und fast unverantwortliche Nachlässigkeit, Unempfindlichkeit und den daraus folgenden Undank gegen den allmächtigen Schöpfer für höchst sträflich und dem Christenthum ganz unanständig hielte. Verfertigte demnach, zumal zur Frühlingszeit, verschiedene einzelne Stücke und suchte darin die Schönheit der Natur nach Möglichkeit zu beschreiben, um so wohl mich selbst als andere zu des weisen Schöpfers Ruhme durch eigenes Vergnügen je mehr und mehr anzufrischen.“ So entstand allmählich sein Hauptwerk, „Das irdische Vergnügen in Gott“, das von 1721—1748 in neun starken Bänden herauskam. Seine Zeitgenossen nahmen es mit der größten Bewunderung auf; wer reimen konnte sang ihn dafür an; der erste Band erlebte sieben Auflagen; Fürst Günther von Schwarzburg machte ihn aus Dankbarkeit 1730 zum kaiserlichen Pfalzgrafen; Hagedorn veranstaltete einen Auszug aus den ersten fünf Theilen. Die Unermüdlichkeit, mit der er in immer neuen Variationen die leblose Natur zu besingen verstand, hat die wenigen Proben, welche moderne Sammlungen aus seinen Gedichten aushoben, fast zum Gegenstand des Spottes gemacht. Für seine Zeit ist er aber von einem nicht zu unterschätzenden Einfluß gewesen. Seine Jugendliebhabereien veranlaßten ihn, mit der Dichtkunst die Schwesterkünste der Musik und Malerei möglichst eng zu verbinden, wie es in roherer Weise die Pegnitzschäfer gethan hatten, aber gerade in dieser Verkehrtheit erwarb er sich ein doppeltes Verdienst in Beziehung auf Form und Inhalt der deutschen Poesie: er brach die Alleinherrschaft des Alexandriners und erweckte den Natursinn, durch den die Erlösung von dem unwahren Schwulst der zweiten schlesischen Dichterschule und der öden Leere der in Hamburg wie in Sachsen florirenden Wasserpoeten gefunden wurde.

    • Literatur

      Zeitschrift des Vereins für Hamb. Geschichte II. 167 ff. 533 ff. Lexikon der Hamb. Schriftsteller I. 394 ff.

    • Korrektur

      |Eine Biographie von B. H. Brockes (nebst darauf bezüglichen Briefen von J. U. König an J. J. Bodmer) von A. Brandl erschien 1878 in Innsbruck, Wagner’sche Univ.-Buchh.

  • Autor/in

    Redlich.
  • Zitierweise

    Redlich, "Brockes, Hinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 345-346 unter Brokes [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515586.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA