Lebensdaten
808 oder 809 – 849
Sterbeort
in der Loire
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Dichter ; Abt von Reichenau
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118628550 | OGND | VIAF: 47555113
Namensvarianten
  • Walahfrid Strabus
  • Walahfrid der Schielende
  • Walahfrid Strabo
  • mehr

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Walahfrid Strabo, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118628550.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus einfacher, wohl adliger alemann. Fam.;
    V Ruadhielm, S d. Escrihi;
    Ur-Gvv Marcolf.

  • Biographie

    Für W.s Beinamen, der sich auf sein Schielen bezieht, sind „Strabo“ und die von W. bevorzugte Form „Strabus“ bezeugt. W. kam noch unter Abt Heito (Hatto) (reg. 806–22 / 23) auf die Reichenau, wo Erlebald (vor 790–847), Wetti(nus) ( 824) und Tatto seine Lehrer waren. Zu seinen zeitweiligen Mitschülern zählten Grimald (um 800–72), später Kanzler Kg. Ludwigs d. Deutschen und Abt von Weißenburg und St. Gallen, sowie Gottschalk der Sachse (um 803-um 869). W.s dichterische Begabung zeigte sich früh: Im Alter von 18 Jahren verfaßte er die „Visio Wettini“. Nach Ablegung der Mönchsgelübde wurde er 827 zur weiteren Ausbildung in die Schule von Hrabanus Maurus (um 780–856) nach Fulda geschickt. 829 beriefen ihn Ks. Ludwig d. Fromme und Ksn. Judith an den Hof, wo er im Dienst der Kaiserin stand, aber wohl nicht|mit der Erziehung des Prinzen Karl, des späteren Ks. Karl d. Kahlen, betraut war. Die Ankunft am Hof wird durch die Dichtung „De imagine Tetrici“ angezeigt. Für Ksn. Judith empfand W. große Verehrung, und er hielt der ksl. Familie bei Schicksalsschlägen die Treue. Am Hof, wo er bis 838 nachgewiesen ist, knüpfte er Beziehungen zu führenden Persönlichkeiten des fränk. Reichs.

    Zum Lohn für sein Wirken wurde W. 838 von Ks. Ludwig als Nachfolger des zurückgetretenen Erlebald zum Abt der Reichenau erhoben, entgegen dem Recht der Mönche auf freie Abtwahl. Zunächst schien sich W. gegen den vom Konvent gewählten Abt Ruadhelm nur mit Mühe durchsetzen zu können. Nach dem Tod Ludwigs 840 stellte W. sich im Ringen um das Erbe im Sinne der Reichseinheit auf die Seite Ks. Lothars, wurde aber von Kg. Ludwig d. Deutschen aus dem Amt verdrängt und mußte ins Exil nach Speyer weichen. Durch Vermittlung Grimalds konnte er 842 auf die Reichenau zurückkehren. Darauf folgte eine vergleichsweise ruhige Zeit, in der W. seinem vielfältigen Werk wichtige Arbeiten hinzufügen konnte. Auf einer Gesandtschaftsreise 849 im Auftrag Ludwigs d. Deutschen zu Karl d. Kahlen ins Westfrankenreich ertrank W. bei der Überquerung der Loire. Hrabanus Maurus widmete seinem einstigen Schüler einen Nachruf.

    W. gehört zu den bedeutendsten Dichtern, Schriftstellern und Gelehrten der Karolingerzeit. Sein Werk zeichnet sich durch eine außerordentliche Themen- und Formenvielfalt aus, die zwei Grundanliegen erkennen läßt: Gewinnung und Vermittlung von Wissen sowie eine ästhetisch anspruchsvolle sprachliche Form. Unter W.s geistlicher Prosa sind zu nennen: der Pentateuch-Kommentar, der eine Kurzfassung von Hrabans Pentateuch-Exegese bildet, die Kommentare zu den Psalmen und den Kath. Briefen, Homilien, das Handbuch zur Liturgie und die beiden Viten der hll. Gallus und Otmar. An weltlicher Prosa sind ein Auszug aus Isidors Etymologien und eine Briefmustersammlung überliefert, außerdem besorgte W. eine Ausgabe von Einhards „Vita Karoli Magni“ und von Thegans „Gesta Hludowici imperatoris“. Unter den Dichtungen schuf W. als Erstlingswerk die „Visio Wettini“ über die Jenseitsvision seines Lehrers Wetti, womit er die mittelalterliche Jenseitsdichtung begründete, dann „De vita et fine Mammae monachi“ über den kappadokischen Einsiedler und Märtyrer Mammas, „De beati Blaithmaic vita et fine“ über den von den Wikingern erschlagenen irischen Mönch Blathmac, „De imagine Thetrici“ über das von Karl d. Großen nach Aachen gebrachte Reiterstandbild Theoderichs d. Großen, das berühmte Gedicht „De cultura hortorum“ (Hortulus) mit der Beschreibung von 23 Heilpflanzen seines Reichenauer Klostergärtleins sowie kleine geistliche und weltliche Gedichte, Epigramme, Hymnen, Versgebete, u. a. das „Metrum saphicum“, worin er sein Heimweh nach der Insel Reichenau ausdrückte. Vom Format dieses Gelehrten zeugt auch ein von ihm in früher Jugend angelegtes Handbuch, das sog. Vademecum, das ihn zeitlebens begleitete und das von ihm großenteils eigenhändig eingetragene Exzerpte und Abschriften zu Trivium, Zeitrechnung, Geschichte, Medizin und anderen Wissensgebieten enthält.

  • Werke

    |s. Repert. Fontium.

  • Literatur

    |ADB 40;
    B. Bischoff, Eine Sammelhs. W. S.s (Cod. Sangall. 878), in: ders., Ma. Stud. 2, 1967, S. 34–51;
    A. Önnerfors, W. S. als Dichter, in: H. Maurer (Hg.), Die Abtei Reichenau, Neue Btrr. z. Gesch. u. Kultur d. Inselklosters, 1974, S. 83–113;
    W. Berschin, Biogr. u. Epochenstil im lat. MA 3, 1991, S. 272–303;
    ders., W. S. u. d. Reichenau, „Augia felix“, 2000;
    H.-D. Stoffler, Der Hortulus d. W. S., Aus d. Kräutergarten d. Klosters Reichenau, 1997;
    I. Fees, War W. S. d. Lehrer u. Erzieher Karls d. Kahlen?, in: Stud. z. Gesch. d. MA, Jürgen Petersohn z. 65. Geb.tag, hg. v. M. Thumser u. a., 2000, S. 42–61, erneut in: dies., Lebendige Zeichen, Ausgew. Aufss. zu Diplomatik, Handel u. Schrift im frühen u. hohen MA, hg. v. J. Bernwieser u. a., 2012, S. 17–39;
    C. M. Booker, A New Prologue of W. S., in: Viator 36, 2005, S. 83–105;
    H. Wegner, W. u. d. Iren, in: Irische Mönche in Süddtld., hg. v. D. Walz, 2009, S. 183–98;
    F. Berner, Baden-Württ. Porträts, 1985, S. 19–22;
    Helvetia Sacra III / 1,2, 1986, S. 1071 f.;
    BLÄ;
    LexMA;
    Vf.-Lex. MA² (L);
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Lb. Schwaben VIII, 1962, S. 1–12;
    BBKL 13;
    HLS.

  • Porträts

    |Ofenkachel d. Steckborner Kachelofens, 1745 / 46 (Münster in Reichenau-Mittelzell, Schatzkammer);
    Phantasiezeichnung v. H. Schröder, Abb. in: Die phytotherapeut. Welt, hg. v. d. Fa. Nattermann, 1962.

  • Autor/in

    Ernst Tremp
  • Zitierweise

    Tremp, Ernst, "Walahfrid Strabo" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 271-272 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118628550.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Walahfrid, mit dem Beinamen Strabo oder Strabus, d. h. der Schielende, war einer der begabtesten Schriftsteller der karolingischen Zeit, ein formgewandter Dichter, ausgezeichnet durch die Anmuth seiner Sprache und den reinen, fast fehlerlosen lateinischen Ausdruck. Er war ein Schwabe von armer und geringer Herkunst, um 807 geboren, und kam schon als Knabe in das Kloster Reichenau. Schon mit 15 Jahren verfaßte er ein Gedicht im Namen seines Lehrers Tatto, aber dieser war hart und strenge gegen ihn und auch der Abt Erlebold war ihm nicht gewogen. Er hatte viele Schläge zu erdulden und litt Mangel an Nahrung und Kleidung. Seine Noth klagte er dem vielvermögenden Abte Grimald, der ihn aufforderte, die Vision des 824 verst. Wetti (s. d.) welcher ihm ein wohlwollender Lehrer gewesen war, metrisch zu bearbeiten. Diese sehr gelungene Arbeit, in welcher er es auch an Lobsprüchen der einflußreichen Personen nicht fehlen ließ, scheint seine Lage verbessert zu haben; er konnte in Fulda den Unterricht Hraban's genießen, und 829 finden wir ihn am Hofe Ludwig's d. Fr. in Aachen als Lehrer des Prinzen Karl, im Verkehr mit den bedeutendsten Vertretern der neuen Bildung, voll Dankbarkeit gegen den Kaiser, der ihn aus dunkler Verborgenheit hervorgeholt habe; ihn und vorzüglich die Kaiserin Judith preist er auch in dem merkwürdigen Gedicht über das Standbild des Ostgothen Theodorich, welches von Ravenna nach Aachen gebracht war. Noch Erlebold's Abdankung 838 erhielt er die Abtei Reichenau, eine ganz ungewöhnliche Auszeichnung für einen Niedriggeborenen, gerieth aber nun auch bald in die politischen Wirren; ein eifriger Anhänger Lothar's flüchtete er nach Speier, wo er ein Gedicht voll Lobpreisung an ihn richtete. Doch im J. 842 erhielt er seine Abtei wieder und hatte 849 eine Botschaft Ludwig's des Deutschen an Karl d. Kahlen zu bringen; da hat er beim Uebergang über die Loire am 18. August das Leben verloren. Von seinen Gedichten ist noch das anmuthige Büchlein über die Gartenzucht hervorzuheben, welches er Grimald widmete. Die Lebensbeschreibungen von Gallus und Othmar beabeitete er in reinerer Sprache; zu Einhard's Leben Karl's und Thegan's Leben Ludwig's schrieb er Vorreden, die für uns werthvoll sind. Auch hat er ein lehrreiches Werk über Ursprung und Entwicklung der Verfassung der Kirche verfaßt, welche er mit den entsprechenden weltlichen Aemtern vergleicht.

    • Literatur

      Ebert, Gesch. d. Litt. des Mittelalters II (1880), S. 145—166. — — Hauck, Kirchengesch. Deutschl. II 600 ff. — Wattenbach, Geschichtsquellen, 6. Aufl. I, 279—281. —
      Die Gedichte bei Dümmler, Poet. lat. II, 259—423; vgl. K. Plath im Neuen Arch. XVII, 261—279. — Neue Ausg. des Werkes über die Kirchenverfassung von Krause für die Mon. Germ. vorbereitet.

  • Autor/in

    Wattenbach.
  • Zitierweise

    Wattenbach, Wilhelm, "Walahfrid Strabo" in: Allgemeine Deutsche Biographie 40 (1896), S. 639-640 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118628550.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA