Lebensdaten
1620 – 1688
Geburtsort
Kölln/Spree
Sterbeort
Potsdam
Beruf/Funktion
Kurfürst von Brandenburg
Konfession
reformiert
Normdaten
GND: 11853596X | OGND | VIAF: 67256875
Namensvarianten
  • Der Große Kurfürst
  • Großer Kurfürst
  • Friedrich Wilhelm von Brandenburg
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Zitierweise

Friedrich Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11853596X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Kf. Georg Wilhelm v. B. ( 1640);
    M Elisabeth Charlotte (1597–1660), T d. Kf. Friedrich IV. v. d. Pfalz ( 1610, s. NDB V);
    Om Kf. Friedrich V. v. d. Pfalz ( 1632, s. NDB V);
    Tante-v Marie Eleonore ( Kg. Gustav Adolf v. Schweden, 1632);
    1) Den Haag 7.12.1646 Luise Henriette (1627–67), T d. Prinzen Friedrich Heinrich v. Oranien (1584–1647, Groß-Om), Statthalter d. Niederlande, 2) Groningen b. Aschersleben 14.6.1668 Dorothea ( 1689, s. NDB IV), T d. Hzg. Philipp v. Holstein-Sonderburg-Glücksburg ( 1663);
    5 S, 1 T aus 1), u. a. Kurprinz Karl Emil (1655–74), Kg. Friedrich I. in Preußen ( 1713, s. NDB V), 4 S, 3 T aus 2) (s. NDB IV in Art. Dorothea).

  • Biographie

    Den ersten Grundstein für den brandenburg-preußischen Staat hat F., der Große Kurfürst, gelegt. Hineingestellt in eine der kriegerischsten Perioden europäischer Geschichte, erfüllt von|dem Willen zu politischer Selbständigkeit und von stürmischem Schaffensdrang, verwurzelt in seinem reformierten Glauben, schuf F. unter gleichbleibender äußerer Bedrohung seiner weit verstreuten Herrschaftsteile die innere Machtstellung des Fürstentums und erzwang die europäische Reputation Brandenburgs auf Grund starker militärischer Kräfte. Geboren als Sohn des frühzeitig gebrechlichen und wenig tatkräftigen Georg Wilhelm und der Elisabeth Charlotte, Schwester Friedrichs V. von der Pfalz, einer Enkelin Wilhelms von Oranien, fiel seine Jugend in die Wirren des 30jährigen Krieges, der noch die ersten 8 Regierungsjahre bestimmte und dessen trübe Erfahrungen sein Leben begleiteten. Von der Mutter her kam die politisch-militärische Begabung aus dem Erbe der Nassau-Oranier. Sein Hofmeister J. von Calcum, ein sehr eifriger westdeutscher Reformierter, erzog den jungen Prinzen in calvinistischer Gesinnung und vermittelte ihm die Gedankenwelt des westeuropäischen Protestantismus. Wegen der Kriegsgefahren mußte er früh in der Festung Küstrin Zuflucht suchen. Der 11jährige besuchte seinen Onkel Gustav Adolf von Schweden im pommerischen Feldlager; dieser dachte an eine spätere Vermählung des Kurprinzen mit der Erbin seines Reiches, Christine. Doch Januar 1633 schritt F. in Wolgast hinter dem Sarge Gustav Adolfs her. Nach kurzem Aufenthalt am Stettiner Hofe reiste F. zu seinen oranischen Verwandten nach Holland, wo er vom 14.-18. Lebensjahr unter Leitung seines Hofmeisters die für sein politisches Denken entscheidende Zeit verbrachte. Die damals auf der Höhe ihrer europäischen Geltung stehende niederländische Republik beeindruckte den Kurprinzen tief und bestimmte später vielfach die Zielsetzung seiner Regierung. Das Leidener Universitätsstudium war nur kurz; dafür lernte er das blühende Staatswesen, die geistig und künstlerisch, wirtschaftlich und militärisch führende Macht aus eigenem Erleben kennen. Am Hofe und im Feldlager des oranischen Statthalters, seines Onkels Friedrich Heinrich, wurden Persönlichkeit und politisch-militärische Anschauungen weiter gebildet. Die Vorliebe für holländische Kultur, Baukunst und Malerei blieben zeitlebens im Kurfürsten ebenso lebendig wie das Verständnis für die Bedeutung von Seefahrt, Handel und Kolonien. Als der allmächtige Minister Georg Wilhelms, Adam Graf von Schwarzenberg, nach dem Übertritt Brandenburgs auf kaiserliche Seite die Rückkehr des Kurprinzen 1637 forderte, weigerte sich dieser und verzögerte auch gegen den Willen des Hofmeisters in zäher Taktik die Abreise fast 2 Jahre. Er versuchte vergeblich, die Bitte der kleveschen Stände um seine Statthalterschaft zu verwirklichen. Am Hofe des Vaters, dem er nach dem vom Kriege nicht berührten Preußen folgte, glaubte er sich Mordanschlägen und Vergiftungsversuchen des katholischen Schwarzenberg ausgesetzt, die die heutige Forschung für unbewiesen und auch unwahrscheinlich hält.

    Ohne Einblick in die Regierungsgeschäfte und bewußt ferngehalten von den politischen Angelegenheiten, trat F. beim Tode seines erst 45jährigen Vaters am 1.12.1640 in Königsberg die Herrschaft an, während Schwarzenberg in der weitgehend von fremden Truppen besetzten Mark Brandenburg regierte und auch die Politik der mit kaiserlichen, spanischen und holländischen Regimentern geplagten Territorien Kleve, Mark und Ravensberg lenkte. An einem Tiefpunkt außen- und innenpolitischer Ohnmacht, äußerster militärischer Bedrängung und wirtschaftlichen Ruins seiner Lande stand F. ohne Regierungsapparat und Hilfsmittel vor der verzweiflungsvollen Aufgabe, den Neubau der in ihren Grenzländern wie in der Kurmark gleich bedrohten Territorien zu beginnen. Er rief die von Schwarzenberg vertriebenen Räte seines Vaters zurück. Sie empfahlen in Übereinstimmung mit den märkischen Ständen eine Abdankung der allerdings zugleich auf den Kaiser vereidigten brandenburgischen Truppen, rieten zur unbewaffneten Neutralität und besonders zum sofortigen Waffenstillstand mit Schweden. F. hat später 1648 und 1667 in seinem Politischen Testament sein Eingehen auf diese Vorschläge für den größten Fehler seines Lebens erklärt, denn nach der Reduktion der Truppen konnte er den Schweden nicht mehr energisch gegenübertreten und mußte den drückenden Waffenstillstand vom Juli 1641 unterzeichnen. Die Verhandlungen über eine Heirat mit Königin Christine und über eine politische Allianz mit dem Gedanken, den Besitz des Kurbrandenburg durch Erbvertrag zustehenden Herzogtum Pommern zu sichern, blieben erfolglos. Der frühe Tod des in seiner Macht bereits erfolgreich bekämpften Schwarzenberg (März 1641) erleichterte dem jungen Kurfürsten die Stellung in der Mark Brandenburg. Gegen Eingriffe des Königs von Polen in die politischen und wirtschaftlichen Rechte eines preußischen Herzogs behauptete sich F. mit Geschick und Festigkeit; er entließ den polnischen Verwalter der Seezölle und schuf sich eine von der preußischen Regierung und den Ständen unabhängige finanzielle Grundlage durch|Vermehrung der Einnahmen der herzoglichen Schatulle. In den ersten anderthalb Regierungsjahrzehnten wuchs F. zur vollen Selbständigkeit staatsmännischer Leistung heran. Er war kein Mann des theoretischen Programms, sondern vielmehr ein nach der Erfahrung und den Umständen handelnder Praktiker, dessen Ziele stets sehr hoch lagen.

    Seit 1642/43 übte der Oberst Konrad von Burgsdorf einen starken Einfluß auf Person und Regierung des Kurfürsten im Sinne neuer Rüstung aus, nachdem die waffenlose Diplomatie auch in Unterhandlungen mit Frankreich und Holland versagt hatte. Im Winter 1643/44 begann F. die Werbung von Truppen, die zum stehenden Heer in Brandenburg-Preußen führte. Bei seiner Begründung spielten die in die Zukunft weisenden Pläne des Kurt Bertram von Pfuel eine Rolle, der in ausführlichen Denkschriften Grundfragen der Heeresorganisation und -finanzierung in Anlehnung an schwedische beziehungsweise niederländische Vorbilder dem Kurfürsten „ad oculos“ demonstrierte. Die überraschend schnelle Heirat mit Louise Henriette von Oranien 1646 brachte nicht die erwartete Unterstützung der Generalstaaten. Auf dem Westfälischen Friedenskongreß kämpfte F. zäh und leidenschaftlich gegen Schweden und die europäischen Mächte um den Besitz der ganzen Provinz Pommern, fast bis zur völligen Gefährdung seiner Position. Nach langem Widerstreben mußte er der französisch-schwedischen Punktation vom Februar 1647 zustimmen, in der Pommern geteilt und dem Kurfürsten als Ersatz die säkularisierten Bistümer Halberstadt, Minden und die Anwartschaft auf Magdeburg, wo noch ein Wettiner saß, zugesprochen wurden. Das große Ziel, die Odermündung und Stettin als Ausgangspunkt einer brandenburgischen Handelsmacht zu erwerben, bestimmte zunächst weiterhin die zukünftige Politik des Kurfürsten. Daß er dieses Ziel dennoch nicht erreicht hat, obwohl er es später militärisch eroberte, macht einen Teil der Tragik im Leben dieses Fürsten aus, bei dem nach dem Ausspruch seines Urenkels Friedrich die großen Talente eines Königs an das bescheidene Los eines Kurfürsten gebunden waren.

    Drei Jahre nach Friedensschluß versuchte F., die für die Protestanten günstigen Abmachungen von 1647 mit dem katholischen Pfalzgrafen in Jülich-Berg mit Gewalt zu sichern und zugleich die mit den jülich-bergischen verbündeten kleve-märkischen Stände zu Heeressteuern zu zwingen. Der militärisch, finanziell und diplomatisch negative Ausgang des Neuburger Krieges führte zum Sturz Burgsdorfs. Mit dem Reichsgrafen Georg Friedrich von Waldeck trat nun ein sehr ideenreicher und bedeutender Mann in den kurfürstlichen Dienst. Die Neuorganisation der obersten Regierungszentrale bildete eine Folge der vorausgegangenen Katastrophe; die Ordnung für den Geheimen Rat vom Dezember 1651 schloß die Periode des administrativen Aufbaus ab, den F. in seinem ersten Regierungsjahrzehnt geleistet hat. An die Stelle eines noch territorial-ständisch denkenden Beamtentums trat allmählich ein neuer Beamtentyp, der die frühabsolutistischen Bestrebungen und die militärisch-politischen Maßnahmen des Kurfürsten unterstützte. Die neue Behördenordnung versuchte, eine bessere Arbeitsteilung zu erreichen, und begann durch eine Ausgliederung des Finanz- und des Militärwesens Sonderverwaltungen zu errichten. Es wurde ausdrücklich die zweifache Regierungsform des Kurfürsten – entweder im Ratskollegium oder im Kabinett – bestätigt, die für F. charakteristisch geblieben ist. Auch seinem Nachfolger empfahl er im Politischen Testament 1667 das gemischte Regierungssystem der gewissenhaften kollegialischen Beratung und des freien persönlichen Entschlusses. Der Wille des Kurfürsten war auch in den märkischen Ständeverhandlungen zu spüren, die mit dem Landtagsabschied von 1653 durch die langfristige Bewilligung von Heeressteuern eine erste feste Grundlage für den weiteren Aufbau des Heeres brachten. Jedoch erkaufte F. diese Zugeständnisse, die auch den Verzicht einer ständischen Mitwirkung bei der zentralen politischen Willensbildung einschlossen, nur durch volle Anerkennung der wirtschaftlich-sozialen Privilegien des Junkertums in der ausgebauten lokalen politischen Herrenstellung, wobei Erbuntertänigkeit und Minderrechte des Bauernstandes bekräftigt wurden.

    Nach anfänglicher Unterstützung der kaiserlichen Politik übernahm der Kurfürst 1653 die Führung der Reichstagsopposition. Sein jetzt außenpolitisch hervortretender Minister von Waldeck entwarf den Plan einer antihabsburgischen Union unter Leitung von Kurbrandenburg, die auch Verbindung zu Frankreich suchen sollte. Aber es gelang nur, ein wenig bedeutendes Defensivbündnis mit den welfischen Herzögen und Hessen-Kassel im Juli 1655 abzuschließen. Vielmehr beanspruchte die Auseinandersetzung zwischen Schweden und Polen im Nordischen Krieg den diplomatischen und militärischen Einsatz Brandenburg-Preußens. Nach dem schnellen Vordringen Karls X. Gustav erkannte F. im Königsberger Vertrag Januar 1656 Schweden als Lehnsherrn|Preußens an, öffnete die preußischen Häfen und teilte die Zölle. In der 3tägigen Schlacht um Warschau (Juli 1656) bewährte sich zum ersten Male die brandenburgische Armee unter Führung des Kurfürsten. Erst im Vertrage zu Labiau (November 1656) gestand Schweden die vom Kurfürsten von Anfang des Krieges an erstrebte Souveränität Preußens zu. Durch Vermittlung des kaiserlichen Gesandten Franz von Lisola erlangte F. September 1657 im Vertrag von Wehlau den Verzicht Polens auf die Lehnsabhängigkeit Preußens. Waldeck machte den sich abzeichnenden vollen Frontwechsel nicht mit und verließ 1658 den brandenburgischen Dienst. Mit seinen neuen Verbündeten befreite der Kurfürst 1659 Schleswig-Holstein und Jütland von den Schweden, um dann Schwedisch-Vorpommern zu erobern. Der Friede von Oliva vom Mai 1660 brachte die Anerkennung der Souveränität in Preußen. F. konnte sie nur gewinnen durch äußersten Einsatz diplomatischer und militärischer Mittel, durch Anpassung an die vom Staatsinteresse diktierten Methoden der Großmächte, denen er – zwar unebenbürtig – dennoch große Erfolge und Achtung abtrotzte. Der Friede von Oliva brachte aber nicht den Besitz Pommerns.

    Wie der Kurfürst im Nord. Krieg persönlich die militärische Führung ergriff, so übernahm er nun auch die Leitung der Innen- und Außenpolitik; der zum Oberpräsidenten ernannte Otto von Schwerin blieb sein treuer Mitarbeiter, ohne stärkeren Einfluß auf die Entschlüsse zu gewinnen. Die kurze Friedenszeit bis 1667 ist mit Verfassungskämpfen angefüllt. Um das zunächst auf circa 12 000 Mann, dann weiter reduzierte Heer als Grundlage außenpolitischer Mitsprache im Frieden zu erhalten, mußte F. die dem miles perpetuus und dem sich in ihm zuerst verkörpernden gesamtstaatlichen Denken widerstrebenden Landstände zum Unterhalt ständiger Garnisonen und zur Steuerbewilligung zwingen. F. führte den Kampf nicht prinzipiell gegen die politische und soziale Stellung der Stände, sondern nur, soweit es das Interesse des werdenden Gesamtstaates und seine militärischen Bedürfnisse erforderten. Unter Berufung auf den Grundsatz „necessitas non habet legem“ suchte F. das formale Recht veralteter Privilegien, die in den Nöten der Kriegsjahre immer wieder verletzt wurden, zu ändern. Schwierig gestaltete sich die Auseinandersetzung mit den Ständen in Preußen, die unter dem Vorwand der vorherigen Nichtbefragung die Souveränität des Herzogs nicht zugestanden, um ihren polnischen Rückhalt zu behalten. Der Kurfürst kam 1662 selbst mit Truppen nach Königsberg, um die Opposition des Langen Landtags (1661–63), besonders der 3 Städte Königsberg unter Hieronymus Roth, zu brechen; er ließ diesen verhaften und erzwang die Anerkennung der Souveränität und Huldigung sowie eine Bewilligung von Heeressteuern. Roth wurde zu lebenslänglicher Festungshaft verurteilt. Erneut kam es zu Auseinandersetzungen 1669–71, wobei der die Polen aufhetzende, wenig erfreuliche Ch. L. von Kalkstein aus Warschau entführt, wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und enthauptet wurde. Dies ist das einzige Mal, daß der Kurfürst in den Kämpfen mit den Ständen zum äußersten Mittel gegriffen hat. In Preußen wie in der Kurmark baute F. in seiner zweiten Regierungshälfte seine fürstliche Steuerverwaltung gegen den ständischen Landkasten beziehungsweise das märkische Kreditwerk auf. In den westlichen Grenzländern Kleve-Mark konnte F. 1661 einen Kompromiß erzielen, die Unterstützung der Stände durch die Generalstaaten beziehungsweise den Kaiser abschwächen, die Anerkennung des landesherrlichen jus armorum et foederum erlangen, während er das ständische Steuerbewilligungs- und Selbstversammlungsrecht bestehen lassen mußte. Als F. in seinem Politischen Testament 1667 für seinen Nachfolger, den 1674 verstorbenen Kurprinzen Karl Emil, die persönlichen Erfahrungen einer 27-jährigen Regierungszeit niederlegte, mahnte er diesen: „Alliancen seind zwar gut, aber eigene Kräfte noch besser, darauf kann man sich sicherer verlassen und ist ein Herr in keiner consideration, wann er selber nicht Mittel und Volk hat“. Sich durch diese „konsiderabel“ zu machen, betrachtete er fernerhin als wichtigste Aufgabe; die Armee von den provinzialen Regierungskollegien wie von den Landständen unabhängig zu machen, sich selbst den Oberbefehl vorzubehalten, schärfte F. auch seinem Nachfolger ein. Für die Außenpolitik empfahl er, sich nach Möglichkeit mit allen Nachbarn gut zu stellen, kein zu enges Bündnis mit einem Staat allein einzugehen, vielmehr die „Balance“ zwischen den Mächten zu halten und durch freie Hand günstige Konjunkturen zu nutzen. Von der Eroberung Schwedisch-Pommerns sprach er nicht im Testament; in einem späteren geheimen Schriftstück 1669/70 empfahl er beim damals erwarteten Aussterben der deutschen Habsburger, Schlesien zu erwerben.

    Er selbst hat seine Vorschläge in den letzten 20 Regierungsjahren nicht restlos verwirklichen können, wenn man nicht den Begriff „Balance“ durch Lavieren ersetzen will. Mit Ludwig XIV., dessen Diplomatie und Kriegspolitik seine Zeit beherrschten, hat F. 8 Verträge in 20 Jahren geschlossen, ohne sich von ihm ganz einfangen zu lassen, obwohl F. beim Zusammengehen mit anderen Mächten immer wieder im Stich gelassen wurde. Er wahrte die Beweglichkeit seiner Politik und betrachtete vielfach solche Bündnisse als notwendige Subsidienverträge für die stärker werdenden militärischen Mittel. Sein Ziel blieb mit oder ohne französischer Hilfe Stettin. Ludwig XIV. konnte 1667 gegen Aufgabe eines französischen Thronprätendenten in Polen den Kurfürsten veranlassen, im Devolutionskrieg neutral zu bleiben; dann erklärte sich F. 1669 zur Unterstützung Frankreichs in einem Krieg um das spanische Erbe gegen jährliche Subsidien bereit. Dem französischen Angriff auf die Generalstaaten blieb er aber fern in der Erkenntnis, daß er damit die französische Hegemonie in Deutschland und Europa begründen helfen würde. Vielmehr schloß er 1672 mit den Niederlanden einen Vertrag, nach dem er gegen Zahlung von Subsidien eine Armee von 20 000 Mann stellen sollte, und sodann eine Allianz mit dem Kaiser, die ihn aber an einer aktiven Kriegführung und an der Erfüllung seiner Bündnispflicht gegen Holland hinderte. Als die Franzosen seine westlichen Territorien besetzt hatten, schloß er auf Rat von Meinders mit Ludwig XIV. am 6.6.1673 zu Vossem Frieden gegen Räumung aller besetzten Gebiete. Jedoch gelang es dem französischen Drängen nicht, den Kurfürsten zum Kampf gegen die Niederlande zu bewegen. Als in Deutschland unter dem Druck der öffentlichen Meinung, die auch dem Brandenburger „Wechselfieber“ vorwarf, der Reichskrieg gegen Frankreich erklärt wurde und der Kaiser sich um eine große Koalition bemühte, schloß sich F. im Vertrage vom 1.7.1674 dem Kampf gegen Ludwig XIV. an. Der Einfall der Schweden in die ungeschützten brandenburgischen Stammlande ließ den Kurfürsten aus dem im Elsaß an der Seite des kaiserlichen Feldherrn geführten erfolglosen Krieg nach Norddeutschland rücken. Der Sieg bei Fehrbellin, den F. am 28.6.1675 persönlich erfocht, erwies, obwohl nur ein Rückzugsgefecht der Schweden, die Überlegenheit der Brandenburger über die bisherige Militärmacht des Nordens. Die Eroberung Stettins und die Vertreibung der Schweden aus Preußen in dem berühmten Winterfeldzug 1678/79 über das Frische und Kurische Haff befestigten das Ansehen des großen Kurfürsten. Trotz aller kriegerischen Erfolge wurde F. um den ersehnten Preis Pommern durch die Separatfrieden Englands, der Niederlande und des Kaisers betrogen, die den Kurfürsten zum Verzicht-Frieden von Saint Germain (29.6.1679) zwangen.

    In dieser hoffnungslosen Situation schloß Meinders im Oktober 1679 die geheime Allianz mit Frankreich, in der Brandenburg gegen Zahlung von Subsidien französischen Truppen den freien Durchzug gestattete und die Stimmabgabe für den französischen Kandidaten bei der polnischen Königs- wie deutschen Kaiserwahl versprach. Im Schatten dieses 1681 beziehungsweise 1682 erweiterten Bündnisses konnte Ludwig XIV. die Reunionen im Westen des Reiches durchführen und Straßburg besetzen. 1684 verpflichtete sich F. schließlich, für den Vorschlag eines französischen Waffenstillstandes mit dem Reich auf Grund der Garantie des gegenwärtigen Besitzstandes zu wirken; dies erreichte er auch im August. Das Sonderinteresse Brandenburgs siegte über die Reichstreue F.s, solange er glauben konnte, den Schlüssel zu Stettin nur in Paris zu erhalten. Mit der Erkenntnis, daß diese Hoffnung trog, war der französische Bann in Berlin gebrochen. Durch das brandenburg-niederländische Bündnis vom 23.8.1685 leitete F. einen Umschwung ein, der durch Erlaß des Edikts von Potsdam (8.11.1685), das seine Glaubensbrüder, die Refugiés, zur Einwanderung nach Brandenburg einlud, sichtbar wurde und zum ersten Bündnis mit dem Kaiser im Januar 1686 zur Unterstützung der Eroberung von Ungarn führte. F. verzichtete auf das schlesische Erbe gegen Abtretung von Schwiebus, dessen Rückgabe allerdings vom Kurprinzen hinter dem Rücken des Kurfürsten dem Kaiser zugesichert wurde. Die 2 Monate später abgeschlossene geheime Defensivallianz sicherte Österreich die Unterstützung im Spanischen Erbfolgekrieg zu. Die vollständige Schwenkung der brandenburgischen Politik wurde vom Kurfürsten durch die Auswechslung der Ratgeber Meinders gegen Fuchs dokumentiert. Der Vertrag mit Schweden erforderte schließlich den Verzicht auf Pommern, das Ziel einer brandenburgischen Handelsmacht.

    F. schuf einen innenpolitisch fest gefügten, im Konzert der großen Mächte allseitig umworbenen Staat. Der Plan, die ererbten und erworbenen Territorien als „membra unius capitis“ zusammenzuschweißen, war erfolgreich in Angriff genommen worden. Dennoch ließen Tradition, historische Entwicklung und staatsrechtliche Bindung in den einzelnen Landesteilen keine einheitliche Verwaltung zu. Mit der testamentarisch verfügten Versorgung der Kinder aus 2. Ehe mit Dorothea von Holstein-Glücksburg durch halbselbständige Fürstentümer gefährdete F. sein|Werk schwer. Die ständige Vergrößerung des stehenden Heeres vermehrte die landesherrliche Macht, die sich in der von ihr unmittelbar abhängigen Kriegskommissariatsverwaltung für die Steueraufkommen der Akzise und Kontributionen eine neue Stütze schuf. In der Wahl seiner Mitarbeiter bewies F. eine glückliche Hand sowohl für das neue Generalkriegskommissariat (Platen und J. E. von Grumbkow) wie auch für die ältere Domänenverwaltung, die D. von Knyphausen reorganisierte. F. bevorzugte als tief gläubiger Mensch bei seinen Räten das reformierte Bekenntnis, was er auch im Politischen Testament seinem Nachfolger empfahl. Er sorgte für die Verstärkung seiner Kirche, aber nicht in engem Konfessionalismus, sondern weil er bei den Calvinisten auch ein größeres Verständnis für den modernen Staat als im orthodoxen Luthertum fand, das einem altständischen Denken verbunden blieb. Die in den ersten beiden Jahrzehnten seiner Herrschaft stärker zu Tage tretende reformierte Aktivität, die von seiner ersten Gemahlin und O. von Schwerin beeinflußt wurde, wich später einer weitgehenden Toleranz. Sie gründete nicht nur in der Staarsraison der konfessionell gemischten Territorien, sondern auch in den naturrechtlichen Überzeugungen maßgebender Ratgeber wie Fuchs. Den bedeutendsten Naturrechtslehrer seiner Zeit, S. Pufendorf, berief F. schließlich als Geschichtsschreiber seiner Taten nach Berlin. Persönliche Interessen zeigte er nicht nur auf medizinischem, naturwissenschaftlichem wie auch historischem Gebiet, er begründete die Berliner Bibliothek und die Naturaliensammlung, aber auch die Gemäldegalerie und das Münzkabinett.

    Folgte F. zuerst dem holländischen Vorbild bei dem bedeutenden Wiederaufbau nach dem 30jährigen Kriege in seiner Siedlungs- und Einwanderungstätigkeit wie auch in seiner Wirtschafts-, Verkehrs-, ja Kolonialpolitik, im Bau eines Oder-Spree-Kanals wie in der Gründung von Groß-Friedrichsburg an der Westküste Afrikas, so übernahm er am Ende seiner Regierung die Grundsätze des französischen Merkantilismus zur planmäßigen Förderung der Manufakturen. Zu den weitgesteckten dynastischen Zielen gehörten selbst ernsthafte Bemühungen, den polnischen Thron für sich (1661) oder den Kurprinzen Karl Emil (1674) zu gewinnen, beide Male jedoch ohne den Preis eines Bekenntniswechsels. Wegen der Schwäche seines Staates, der durch die Grenzländer Kleve und Preußen immer wieder in die große Politik verstrickt wurde, paßte sich F. den wechselnden Konjunkturen bei gefährlichem diplomatisch-militärischem Spiel in Selbstbehauptung und Machtvermehrung an. In ständiger Anstrengung hat er mit gewaltiger Energie die militärische Unterlegenheit und finanzielle Schwäche seiner Anfänge weit überwunden und dem Staat ein neues Gesicht gegeben. Gleichsam als ein europäischer Souverän, nicht allein als deutscher Reichsfürst suchte F. Politik zu treiben; als Kaiserwähler und polnischer Königsmacher, als möglicher König von Schweden im Anfang seiner Regierung und später als Thronkandidat von Polen fühlte sich F., gestützt auf das Machtinstrument seines immer stärker vervollkommneten Heeres, bereits in europäischer Stellung. So hinterließ der rastlose, oft cholerische Herrscher seinen Nachfolgern einen starken Antrieb, der Sohn und Enkel auf verschiedene Weise bewegen sollte.

  • Literatur

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  • Porträts

    Zeichnung v. M. Merian (München, Staatl. Graph. Slg.), Abb. in: Propyläen-Weltgesch. V, 1930;
    Stich v. S. Blesendorff, Abb. ebd. VI;
    Gem. v. G. Flinck, 1653, Abb. in: Die Gr. Deutschen im Bild, 1937, Foto Marburg;
    Bronzerelief v. G. Leygebe, 1671, Abb. ebd.;
    Reiterstandbild, entworfen v. A. Schlüter, ausgeführt v. J. Jakoby (Berlin, Schloß Charlottenburg;
    Foto Marburg).

  • Autor/in

    Gerhard Oestreich
  • Zitierweise

    Oestreich, Gerhard, "Friedrich Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 495-501 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11853596X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, geb. in Berlin 16. Febr. 1620, gest. in Potsdam 9. Mai 1688. Dieser Fürst, dem die Zeitgenossen schon den Namen des „Großen Kurfürsten“ beilegten, den die deutsche Geschichte als den eigentlichen Begründer des brandenburgisch-preußischen Staates nennt, trat ins Leben ein unter Verhältnissen, die von Glück und Größe wenig zu versprechen schienen. Die Regierungszeit seines Vaters, des Kurfürsten Georg Wilhelm, ist die Epoche brandenburgischer Geschichte, in welcher dieser Staat am hoffnungslosesten darniederlag; eigenes Unvermögen des Fürsten und die Uebermacht verhängnißvoller Zeitereignisse wirkten dabei zusammen, und das Resultat der zwanzigjährigen Regierung unter den Stürmen des großen deutschen Krieges war Verwüstung, Erschöpfung und Ohnmacht bis zum äußersten, tobende Anarchie in einem Theil der Lande, Lockerung oder Auflösung jedes staatlichen Zusammenhangs in allen, gänzliche Preisgebung an eine fremde, im Grund feindselige politische Führung, eine völlig den eigenen Interessen unheilvolle Stellung in Mitten der großen Gegensätze des Zeitalters. Nicht häufig tritt in der Geschichte so helles Licht neben so dunkeln Schatten, wie in der Regierung des Kurfürsten F. W. neben der seines Vaters.

    Ein einfaches und doch an maßgebenden Eindrücken reiches Jugendleben. Um den Knaben einigermaßen sicher zu stellen vor dem wechselnden Kriegstreiben der Zeit, schickte man ihn 1627 mit seinem Erzieher Joh. Friedr. v. Calcum, gen. Leuchtmar nach Cüstrin, wo er mehrere Jahre verblieb; dann hat er einige Zeit in Wolgast bei seiner Tante Marie Eleonore, der Gemahlin Gustav Adolfs, verlebt (1631); zwei Jahre später stand er mit seinen Eltern an dem Sarge des großen Schwedenkönigs und war Zeuge der feierlichen Einschiffung desselben zur Ueberführung in die nordische Heimath. Das wichtigste aber war, daß im Sommer 1634 beschlossen wurde, den jungen Kurprinzen zur Vollendung seiner Erziehung für längere Zeit nach den Niederlanden zu schicken. Die vier Jahre, welche er hier verlebte, sind vor allen entscheidungsvoll für ihn geworden. Der Anblick dieses niederländischen Freistaates, mit seiner eigenartigen Verfassung, mit seinem hochentwickelten Handelsleben, mit dem blühenden Reichthum seines starken Volkes in Mitten eines langjährigen Krieges gewährte dem offenen Blick des jungen Fürsten Anschauungen freierer und größerer Art, wie sie in dem Deutschland jener Tage nirgends zu gewinnen waren, und der Verkehr mit den nahe verwandten Oraniern, dem Prinzen Friedrich Heinrich, dem weltkundigen Johann Moritz, mit manchen der hervorragendsten holländischen Staatsmänner gab seinem früh aufs Ernste gerichteten Geiste eine Reife und Festigkeit, die den Jahren seines Alters weit voraus war. Die politischen Grundansichten, die für die wichtigen Entscheidungen seiner ersten Regierungsjahre maßgebend wurden, sind ihm in diesen Kreisen aufgegangen. Aber eben weil diese Anschauungen vollständig der politischen Richtung widerstrebten, welche Brandenburg jetzt unter der vorwiegenden Leitung des österreichisch gesinnten Grafen Adam von Schwartzenberg eingeschlagen hatte, so war es dessen eifriges Bemühen, den Kurprinzen bald wieder diesen unwillkommenen Einflüssen zu entziehen; sehr gegen seinen Wunsch wurde F. W. im Sommer 1638 in die Heimath zurückberufen und verlebte die nächsten Jahre bis zum Tode seines Vaters an dessen Hof in Königsberg, von jeder Theilnahme an den Geschäften zurückgehalten, aber doch schon jetzt im Stillen die Hoffnung aller derer, die aus persönlichen oder patriotischen Gründen einen entschlossenen Bruch mit der jetzigen Politik von der künftigen Regierung erwarteten. Brandenburg war seit dem Prager Frieden von 1635 im Bündniß mit dem Kaiser, im Kriegszustand mit Schweden; Kurfürst Georg Wilhelm hatte 1638 eine eigene Armee aufzustellen unternommen, um gemeinsam mit den Kaiserlichen das ihm durch Erbfall zustehende Pommern den Schweden zu entreißen; aber dieser Versuch war aufs kläglichste gescheitert, und seitdem hauste in den Marken eine zügellose Soldateska, ebenso gewaltsam und aufzehrend wie der Feind, aber gefährlicher fast als dieser, weil sie, auf das kaiserliche Bündniß und einen auf dieses gerichteten Eid gestützt, dem Landesherrn selbst zum Theil den Gehorsam versagte. Nicht minder bedenklich waren die Zustände in den clevischen Landen, wo seit Jahren niederländische, kaiserliche, hessische Truppen die wichtigsten festen Plätze wechselnd|behaupteten, auf Kosten des Landes lebten und die Regierung des Landesherrn zu einer fast imaginären machten; ein Zustand, der um so bedrohlicher wurde durch die heftigsten unausgeglichenen Zerwürfnisse der kurfürstlichen Regierung mit den dortigen Landständen und durch die weitverbreitete Neigung in den Kreisen des eingesessenen Adels, im engsten Anschluß an die Niederlande, vielleicht gar im wirklichen Anschluß an die Union Rettung aus ihren Bedrängnissen und Sicherung vor allzu anspruchsvoller Fürstengewalt zu suchen. Nur in dem Herzogzogthum Preußen war seit einer Reihe von Jahren (1629) ein vorläufiger Friedenszustand und damit erträgliche ökonomische Verhältnisse begründet; hieher hatte der Kurfürst in seinen letzten Jahren sich zurückgezogen; von hier, als dem allein wenigstens relativ gesicherten Boden, begann sein Nachfolger die Regeneration des Staates.

    Am 1. Decbr. 1640 starb Kurfürst Georg Wilhelm. Der politische Umschwung, der nun erfolgte, konnte zunächst sich nur beschränkte Ziele setzen; das Nöthigste war, aus den falschen Verbindungen sich loszureißen, den falschen Gegnerschaften zu entsagen, in welche die Politik Schwartzenbergs den Staat gebracht hatte. Neutralität und freie Hand war die Losung fürs nächste. Und dieses Ziel wurde mit Glück und Geschick erreicht. Es gelang der aufsässigen Soldateska in den Marken Herr zu werden; eine günstige Fügung war es, daß Graf Schwartzenberg, dessen Beseitigung Schwierigkeiten gemacht haben würde, eben jetzt starb (14. März 1641); der neue Kurfürst ließ entschieden seinen Willen erkennen, nicht länger im Schlepptau der österreichischen Politik an einem Kriege Theil zu nehmen, der für Brandenburg nur Leiden und Gefahren ohne jede Aussicht auf wirkliche Vortheile bot. Er trat sofort mit Schweden in Unterhandlung, und das Resultat war ein zweijähriger Waffenstillstand (Juli 1641), der dann stillschweigend bis zum allgemeinen Frieden verlängert wurde. Zugleich wurde in Polen die Belehnung mit dem Herzogthum Preußen erreicht, nicht ohne mancherlei peinliche Bedingungen, deren sich der Kurfürst erst allmälig zu erledigen wußte. Auch in den clevischen Landen wurde wieder festere Stellung genommen, die Beziehungen zu den Niederlanden, bald auch die zu Frankreich auf einen besseren Fuß gebracht. Ganz besonders auf die enge Verbindung mit den Niederlanden und mit dem verwandten Hause der Oranier gedachte F. W. sich in diesen westlichen Bereichen zu stützen; zuletzt besiegelte dieses Verhältniß sein eigener Ehebund mit einer oranischen Prinzessin. In seinen ersten Regierungsjahren hatte die Aussicht auf eine andere Eheverbindung im Vordergrund gestanden, die politisch viel folgenreicher zu werden versprach: noch bei Lebzeiten Gustav Adolfs war der Gedanke angeregt worden, die künftige Erbtochter von Schweden Christine dereinst mit dem brandenburgischen Kurerben zu vermählen; die Vereinigung dieser beiden Persönlichkeiten und ihrer Reiche würde ein für den deutschen und den europäischen Norden gleich bedeutsames Ereigniß von unberechenbaren Folgen geworden sein, für Brandenburg allerdings zugleich eine sehr bedenkliche Abirrung von den natürlichen Bahnen seiner Entwicklung. Aber einige Jahre lang hat auch F. W. den doch verlockenden Plan nicht ganz aufgeben mögen, ebenso wie man am schwedischen Hofe mit mehr oder weniger Aufrichtigkeit Aussichten zu eröffnen und den Brandenburger daran festzuhalten fortfuhr. Ein paar Jahre lang blieb die Angelegenheit in der Schwebe; die Gefahren einer so glänzenden Verbindung entgingen dem Kurfürsten so wenig, wie die seit Gustav Adolfs Tod in Schweden herrschende Aristokratie die bedrohlichen Folgen verkannte, die für sie selber daraus erwachsen konnten. Mit raschem Entschlusse wandte sich endlich F. W. von dem Plane ab; in den Niederlanden fand er bei Friedrich Heinrich von Oranien und besonders bei seiner staatsklugen Gemahlin bereitwilliges Entgegenkommen; am|7. Decbr. 1646 vermählte er sich mit ihrer Tochter Louise Henriette. Eine wesentlich politische Heirath auch diese; aber während die darauf gegründeten politischen Berechnungen durch die folgenden Ereignisse zumeist vereitelt oder verändert wurden, brachte sie dem Kurfürsten den Segen einer zwanzigjährigen ungetrübt glücklichen Ehe.

    Inzwischen waren zu Osnabrück und Münster die allgemeinen Friedensverhandlungen in Gang gekommen. Für Brandenburg stand neben dem allgemeinen Friedensinteresse besonders die pommerische Frage im Vordergrund. Nachdem 1637 mit Bogislav XIV. das eingeborene Herzogshaus erloschen war, war das Erbrecht des Hauses Brandenburg auf Pommern ebenso zweifellos, wie anderseits die schwedische Politik sich entschlossen zeigte, die werthvolle und wohlgelegene Eroberung nicht wieder aus der Hand zu geben. Mit der äußersten Zähigkeit wurde der diplomatische Kampf zwischen Schweden und Brandenburg geführt; zuletzt sah der Kurfürst sich doch gezwungen, dem mächtigeren Gegner zu weichen und sich mit dem Besitz von Hinterpommern zu begnügen; wenigstens erkämpfte er sich in den Bisthümern Minden, Halberstadt und Camin, sowie in der Anwartschaft auf das Erzbisthum Magdeburg eine ansehnliche territoriale Entschädigung, die dem Staatsgebiet eine willkommene Abrundung gab. So kam der westfälische Friede zu Stande, von dessen allgemeinen Bestimmungen namentlich der wichtige Art. VII, der die Gleichberechtigung des reformirten Bekenntnisses neben dem lutherischen aussprach, zum guten Theil den Bemühungen des Kurfürsten F. W. verdankt wurde.

    Noch brachten freilich auch die nächsten Zeiten nicht in vollem Maße die gehofften Segnungen eines gedeihlichen Friedenslebens; noch mehrere Jahre verzögerte sich die Einrichtung der neuen Besitzverhältnisse, erst nach fünf Jahren wurde Hinterpommern von den Schweden geräumt; der Abzug der niederländischen Garnisonen aus den clevischen Festungen wurde ebenfalls von Jahr zu Jahr verschoben, und als nun 1650 mit dem Tode des jungen Wilhelm II. von Oranien die Macht des engbefreundeten Hauses in den Niederlanden für mehr als zwei Jahrzehnte zu Ende ging und dagegen die Brandenburg wenig geneigte Aristokratenpartei von Holland dort das Regiment ergriff, so ergaben sich daraus in den westlichen Provinzen des Kurfürsten Zustände, die in Verbindung mit der wachsenden Unbotmäßigkeit der clevischen Stände das landesherrliche Regiment in diesen Bereichen in immer zweifelhaftere Lage brachten. Zu dem allen kam das scharfe Zerwürfniß mit dem Miterben der jülich-clevischen Lande, dem Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg, der mit allen Mächten der katholischen Partei und Propaganda in enger Verbindung stand und unterstützt von seinem ehrgeizigen und energischen Sohn Philipp Wilhelm trotz allen abgeschlossenen Verträgen nie den Gedanken aufgab, die Gesammtheit dieser niederrheinischen Herzogthümer dereinst noch seinem Hause und dem katholischen Bekenntniß zu gewinnen. Im Sommer 1651 kam es so weit, daß der Kurfürst F. W. sich genöthigt glaubte, selbst zu den Waffen zu greifen, um womöglich seinerseits den Mitbesitzer zu beseitigen, oder ihn zu vertragsmäßigem Verhalten zu zwingen. Ein kurzer Kriegslärm war die Folge, bei welchem der Kurfürst sich von allen Freunden und Helfern verlassen sah, während dem Gegner militärische und diplomatische Hülfe von allen Seiten zuströmte. F. W. mußte zufrieden sein, den allzu kühn unternommenen Versuch mit einem Vergleich zu beendigen, der im wesentlichen alles beim alten beließ (Octbr. 1651).

    Die Unzulänglichkeit der vorhandenen Kräfte hatte sich bei dieser Gelegenheit eindringlich gezeigt; ehe man mit Erfolg die Bahnen einer kühnen und|activen Politik noch außen einschlagen konnte, wie sie wol in den Wünschen des jungen Kurfürsten lag, bedurfte es vor allem gründlicher Reformen im Innern und gesicherter Alliancen. In dieser Richtung bewegten sich die Bemühungen der nächsten Jahre. Auf allen Gebieten des inneren Staatslebens liegen hier die Anfänge oder wenigstens Versuche eingreifender Neuordnungen; eine Reform des gesammten oberen Verwaltungsorganismus wurde entworfen, für Finanz- und Domainenwesen wesentliche Verbesserungen ins Werk gesetzt, überall Mißbräuche beseitigt, überall Ersparnisse durchgeführt, für die Unterhaltung einer stehenden Armee jetzt der erste Grund gelegt. Manches mißlang oder ging in dem Sturm der folgenden Kriegszeiten wieder unter; aber vor allem die Armee bestand und wuchs unter der Pflege des Fürsten und unter der Führung tüchtiger zum Theil von außen her gewonnener Offiziere, wie Sparr, Derfflinger, Waldeck u. A. Bei dem Krieg von 1651 verfügte F. W. über eine Armee von etwa 16000 Mann, im Anfang des J. 1656 waren es bereits gegen 26000; von hier an datirt der feste Bestand und das stetige Wachsthum des preußischen Heeres. Allen diesen Bestrebungen standen freilich die hochentwickelte provinzielle Autonomie der einzelnen Landestheile, die eifrig gewahrten landständischen Privilegien und die schroffe Ausschließlichkeit der landschaftlichen Indigenatsrechte als mächtige Hemmnisse im Weg; aber schon gelang es doch manchen Widerstand zu beugen; die Idee des einheitlichen Staates, über die provinzialen Sonderrechte hinweg, begann langsam sich Bahn zu brechen.

    Es entsprach dem beginnenden inneren Erstarken, wenn nun auch nach außen hin der Kurfürst bald mit wachsender Zuversicht und Sicherheit aufzutreten vermochte. In dieser Beziehung gewann jetzt namentlich der seit 1651 in brandenburgische Dienste getretene Graf Georg Friedrich von Waldeck hervorragenden Einfluß. Die auswärtige und Reichspolitik Friedrich Wilhelms stand einige Jahre lang wesentlich unter seiner Leitung, und kühn, ideenreich, erfüllt von dem Glauben an den brandenburgischen Staat und an seinen Fürsten, suchte er denselben auf Bahnen einer neuen deutschen und europäischen Politik zu führen, wie sie doch erst viel später mit Erfolg beschritten werden konnten, aber hier wie in früher Ahnung späteren Könnens vorausgezeigt wurden. Nun wurde bei den Verhandlungen des Regensburger Reichstags 1654 die lastende Bevormundung des kaiserlichen Hofes kräftig abgeschüttelt; in allen Fragen der inneren Reichspolitik trat Brandenburg an die Spitze der Opposition; mit einer Anzahl gleichgesinnter Reichsstände wurden Verbindungen zu gemeinsamem Handeln geschlossen; der Gedanke einer reichsfürstlichen Union unter Brandenburgs Führung zum Schutz gegen kaiserliche Uebermacht wurde gefaßt; der Kampf gegen den Pfalzgrafen von Neuburg um den Alleinbesitz der jülich-clevischen Lande sollte wieder aufgenommen, sollte in Verbindung gesetzt werden mit dem noch währenden großen Krieg zwischen Spanien und Frankreich; Brandenburg sollte in die Kreise der großen europäischen Politik eintreten, gestützt auf eine große deutsche Politik.

    Welches immer das Schicksal dieser mit Geist entworfenen und von F. W. mit lebhaftem Eifer aufgenommenen Pläne unter günstigen Verhältnissen hätte sein können, sie und manche andere mußten zurücktreten, als das Ereigniß eintrat, welches nun für die nächsten fünf Jahre den europäischen Norden in Flammen setzte und namentlich auch alle Kräfte des brandenburgischen Staates nach der einen Seite hin zu concentriren nöthigte. Im Sommer 1655 begann König Karl Gustav von Schweden den Krieg gegen Polen. Kurfürst F. W. konnte, als Inhaber des Herzogthums Preußen und als Lehnsträger der Krone Polen für dasselbe, nur mit Besorgniß auf die schwedischen Eroberungspläne blicken, welche einen allgemeinen Umsturz der bestehenden Herrschaftsverhältnisse im Nordosten Europa's drohten und welche überdies in sehr unwillkommener Weise seine eigenen nach anderer Richtung hin gekehrten Pläne durchkreuzten. Für Preußen stellten sich sofort die größten Gefahren vor Augen, wenn es dem Schwedenkönig gelang, Polen zu erobern und zu behaupten; die Beherrschung der preußischen Küste und ihrer Häfen war für ihn dann unerläßlich; Pillau und Memel, die beiden wichtigen Hafenplätze des Kurfürsten, wurden als die gelegensten Ausgangspunkte dafür sofort von den Schweden ins Auge gefaßt. Diesem Wunsche konnte F. W. sich unmöglich fügen; seine ganze Stellung in den Ostseegebieten und die Sicherheit des Herzogthums Preußen selbst beruhte wesentlich auf dem Besitz dieser beiden Seehäfen. Eine Zeit lang wurde der Plan erwogen, ob angesichts der völligen Schutzlosigkeit, worin der ohnmächtige polnische Lehnsherr jetzt seinen preußischen Vasallen ließ, es nicht erlaubt und angezeigt sei, zu eigenem Nutzen und zu erklecklicher Erweiterung des eigenen Gebiets mit dem Eroberer gemeine Sache zu machen. Aber der Siegesübermuth Karl Gustavs machte zunächst eine solche Einigung unmöglich, und da der Kurfürst ebenso wenig gesonnen war, für Polen sich in einen aussichtslosen Kampf zu werfen, so blieb ihm nur die bewaffnete Neutralität übrig, zu deren Aufrechterhaltung er sich mit den Ständen des polnischen Antheils von Preußen verband; vorzüglich aber rechnete er, um den Zumuthungen Schwedens widerstehen zu können, auf die Unterstützung der Niederlande, mit denen er bereits im Sommer 1655 ein Defensivbündniß abgeschlossen, und die von der Alleinherrschaft der Schweden in der Ostsee alles schlimmste für ihren Handel dort befürchten mußten.

    Die Ereignisse brachten aber bald alle Berechnungen zu Falle. Im Fluge eroberte Karl Gustav ganz Polen; König Johann Casimir flüchtete über die Grenze; ein großer Theil der polnischen Stände huldigte dem neuen Herrn, das alte Polenreich schien die unbestrittene Beute des stürmischen Siegers sein zu sollen, der höchstens etwa mit den Russen über ihre Theilung noch zu kämpfen, oder sich zu verständigen hatte. Unter diesen Umständen war die von dem Kurfürsten F. W. ergriffene Neutralitätsstellung schwer zu behaupten, zumal die gehoffte Hülfe der Niederländer ebenso ausblieb wie die von dem Kaiser erbetene. Isolirt und noch ungenügend gerüstet mußte er sich der Uebermacht beugen; in dem Königsberger Vertrag (17. Jan. 1656) erkannte er das Herzogthum Preußen als Lehen des Schwedenkönigs an, der ihm das Bisthum Ermland noch hinzugab; dagegen mußte er polnisch Preußen und Marienburg räumen, sich zu einer Kriegshülfe von 1500 M. verpflichten, Schweden die Hälfte der preußischen Seezölle überlassen und die Benutzung der preußischen Häfen für die schwedische Flotte gestatten.

    Dieser Königsberger Vertrag war eine empfindliche Niederlage. Aber bald änderten sich die Verhältnisse. Das durch Ueberraschung bezwungene Polen erhob sich zum Volks- und Religionskrieg gegen die räuberischen und ketzerischen Schweden; bald war die Stellung Gustavs schwer bedroht, er mußte dem brandenburgischen Vasallen einen neuen Vertrag unter vortheilhafteren Bedingungen bieten, um seine Bundesgenossenschaft für die Fortsetzung des Krieges zu gewinnen. Mit dem Marienburger Vertrag vom 25. Juni 1656 trat F. W. in enge Waffengemeinschaft mit dem schwedischen König. Er schloß sich jetzt der Eroberungs- und Theilungspolitik desselben gegen Polen völlig an; vier Woiwodschaften von Großpolen sollten sein Antheil an der zu erstreitenden Beute sein. Vier Wochen später kämpfte die brandenburgische Armee an der Seite der schwedischen in der dreitägigen Schlacht bei Warschau (27.—30. Juli 1656); mit einem glänzenden Siege legte sie ihre erste Waffenprobe ab. Hiermit war fürs nächste dem drohenden Heranstürmen der auch gegen Brandenburg ganz besonders erbitterten Polen gewehrt; aber von nachhaltigen Folgen ist der Sieg doch nicht gewesen; die|polnischen Aufgebote begannen sofort sich wieder zu sammeln, von Littauen her bedrohten sie die Grenzen des preußischen Herzogthums, in Livland nahm der russische Czar Alexei jetzt nachdrücklich den Krieg gegen Schweden auf, der Kurfürst durfte sich auch von dort her nicht sicher fühlen, und die niederländische Flotte, die nun in der Ostsee erschienen war, flößte, in Hinsicht auf das von den Holländern immer mit begehrlichem Auge betrachtete Pillau, fast ebenso viel Argwohn ein, als sie die Nähe mächtiger Freunde bedeutete. Bald war ersichtlich, daß weniger auf Angriff und Eroberung als auf Vertheidigung zu sehen war. König Karl Gustav sah sich genöthigt, um den Brandenburger bei seinem Bündniß festzuhalten, ihm eine neue wichtige Concession zu machen. In dem Vertrag von Labiau (20. Novbr. 1656) wurde der Hinblick auf große gemeinsame Eroberungen in Polen zwar noch nicht definitiv aufgegeben, aber, für den Kurfürsten wenigstens, trat er in zweite Reihe neben dem Hauptzugeständniß, welches er jetzt forderte und erlangte: die Auflösung des Lehnsverhältnisses wurde ausgesprochen, F. W. trat in den souveränen Besitz des Herzogthums Preußen nebst Ermland. Damit war, zunächst der Zustimmung Schwedens abgerungen, das Ziel erreicht, was von Anfang dieser Verwicklungen an der brandenburgischen Politik vorgeschwebt hatte, die Souveränität von Preußen; ein drückendes, oft demüthigendes Vasallenthum war hinweggenommen, die deutsche Herrschaft in dem alten Ordenslande erschien nun wie neubegründet.

    Die Vollendung des Werkes aber konnte erst durch fortgesetzte schroffe politische Wechselfälle herbeigeführt werden. Eine andere Phase des Krieges begann, als im Sommer 1657 gleichzeitig zwei neue Kämpfer als Gegner Schwedens die Waffen erhoben. Von der einen Seite her begann Dänemark, ermuthigt durch die mißliche Lage Karl Gustavs in Polen, den lang gedrohten Krieg gegen den schwedischen Erbfeind. In derselben Zeit überschritten die Oesterreicher als Verbündete des Polenkönigs die Grenze. Und indem nun Karl Gustav sich entschloß, vorerst dem dänischen Feinde zu begegnen und den Kampf in Polen und Preußen bis auf weiteres fallen zu lassen, so glaubte auch F. W. in Betreff seiner Bundesverpflichtung jetzt wieder freie Hand zu haben. Rasch wurde der Parteiwechsel vollbracht; als Karl Gustav nun in stürmischem Siegeslauf Dänemark, so wie früher Polen, zu Boden warf, und mit diesem Siege die schwedische Alleinherrschaft in den Ostseebereichen sich noch drohender unmittelbar vor Augen stellte als zuvor, so trug F. W., in Preußen aufs höchste gefährdet, kein Bedenken, auf die andere Seite zu treten. Die Aussöhnung mit Polen wurde bewirkt; in den Verträgen von Wehlau und Bromberg (19. Septbr. und 6. Novbr. 1657) sprach nun auch der Polenkönig Johann Casimir die Anerkennung der Souverainität von Preußen aus. Zugleich damit vollzog sich ein Umschwung der politischen Parteistellung auch nach anderer Seite hin. Mit Oesterreich, unter dessen Vermittelung die Aussöhnung mit Polen zu Stande gekommen war, trat F. W. nun in ein enges Bündniß; als jetzt Kaiser Ferdinand III. starb, gab die brandenburgische Kurstimme den Ausschlag zu Gunsten des habsburgischen Candidaten, des neuen Kaisers Leopold I., und beide Mächte einigten sich, um im Bunde mit Polen, Dänemark und den Niederlanden der schwedischen Gewaltpolitik im Norden die Stirn zu bieten. Es galt zunächst das fast schon bezwungene Dänemark zu retten. Im September 1658 begann dieser neue Krieg. F. W. selbst trat an die Spitze der aus brandenburgischen, kaiserlichen und polnischen Regimentern gebildeten Armee. Rasch wurden die Schweden aus Holstein und Schleswig verdrängt, während eine niederländische Flotte das von Karl Gustav belagerte Kopenhagen von der Seeseite her entsetzte; noch im December 1658 wurde die Insel Alsen erstürmt, nach kurzer Winterrast im Frühjahr der Kampf fortgeführt. Mit der Eroberung von Fridericia (Mai 1659) gewannen die Verbündeten den letzten festen Punkt der Schweden auf dem dänischen Festland, und inzwischen mühte sich Karl Gustav vergeblich ab, durch immer neue Stürme auf das heldenmüthig vertheidigte Kopenhagen das von ihm weichende Kriegsglück zu zwingen. Wol wäre es der Wunsch des Kurfürsten gewesen, dem Gegner nach Seeland selbst zu folgen und dort die Entscheidung herbeizuführen; aber die Schwäche der dänischen, der Mangel einer eigenen und die Unzuverlässigkeit der niederländischen Flotte vereitelte alle Versuche dieser Art. Vielmehr wandte sich F. W. im August 1659 nach Vorpommern, wo, ursprünglich gegen seinen Wunsch, die Kaiserlichen bereits den Angriff gegen Schweden begonnen hatten. Bald war der größte Theil des Landes ihnen entrissen bis auf Stettin und der Kurfürst durfte die Hoffnung hegen, daß der Feldzug des nächsten Jahres ihm auch dieses und somit ganz Pommern in die Hand geben werde. Aber eben da trat eine neue Wendung ein. Eine lebhafte diplomatische Action war besonders in der letzten Zeit neben der kriegerischen hergegangen; die Schweden befreundeten Mächte Frankreich und England hatten unter Mitwirkung der Niederlande in den sogenannten „Haager Concerten“ wiederholt versucht, diplomatisch zu Gunsten Karl Gustavs zu interveniren und einen ihm günstigen Frieden zu erzwingen. Das hatte zu nichts geführt; aber nun wurde im November 1659 durch den pyrenäischen Frieden dem langjährigen Krieg zwischen Spanien und Frankreich ein Ende gemacht; Cardinal Mazarin, entschlossen den Ruin der schwedischen Macht nicht zu dulden, deren Bundesgenossenschaft für Frankreich bei allen deutschen Verwicklungen so werthvoll war, hatte jetzt freie Hand und trat sofort in drohender Weise Brandenburg gegenüber. Auf Grund des von Frankreich gewährleisteten westfälischen Friedens forderte er die Rückgabe von Pommern an Schweden, und weder Polen, welches den Frieden herbeisehnte, noch Oesterreich, welches im eigenen Interesse zuerst den Kampf in Pommern provocirt hatte, zeigten sich Willens an der Seite des Brandenburgers der französischen Kriegsdrohung zu trotzen. F. W. sah sich verlassen und somit genöthigt, die französische Friedensvermittelung zuzulassen. Damit aber war bereits ausgesprochen, daß, wenn gleich Karl Gustav jetzt selbst vom Schauplatz abtrat ( Februar 1660), doch die Stellung Schwedens in Norddeutschland unberührt bleiben sollte, und in dem Frieden von Oliva (3. Mai 1660) mußte F. W. auf die eroberten vorpommerischen Lande verzichten. Die Mündungen der Oder blieben in der Hand der fremden Macht, und, was vor allem die Situation bezeichnete, der Machtwille des jetzt immer gebieterischer emporstrebenden Frankreich war es gewesen, der diese Entscheidung gefordert und durchgesetzt hatte. Reichen Gewinn trug immerhin auch so F. W. aus diesem Kriege davon; militärisch und diplomatisch hatte er sich eine achtunggebietende Stellung erkämpft, wie sie Brandenburg unter den großen Mächten der Welt noch nie besessen hatte; vor allem aber die Souveränität des Herzogthums Preußen, sowol Schweden wie Polen gegenüber, war nun definitiv gewonnen, dem slavischen Vasallenthum in diesem alten deutschen Colonialland für immer ein Ende gemacht.

    Mit dem J. 1660 beginnt eine neue Epoche in dem Leben des Kurfürsten F. W. Die unterbrochene Friedensarbeit wurde wieder aufgenommen; neue Aufgaben hatten sich hinzugefunden, aber auch neue Kräfte zu ihrer Lösung. Vorerst führten die veränderten Verhältnisse im Herzogthum Preußen zu langjährigen und schwierigen Verwickelungen. F. W. hatte Polen und Schweden die Souverainität des Landes abgerungen; aber die preußischen Stände, die in dem Zusammenhang mit Polen bisher immer einen erwünschten Rückhalt gegen die fürstliche Gewalt des Landesherrn besessen hatten, und ohne deren Zustimmung die Auflösung des Lehnsverbandes vollzogen worden war, weigerten sich aufs lebhafteste, das neue Herrschaftsverhältniß des Kurfürsten anzuerkennen.|Adel wie Städte bestanden darauf, daß ohne ihren Willen eine solche Aenderung nicht Statt finden könne; die einflußreiche, streng lutherische Geistlichkeit, besorgt vor weiterer Ausbreitung des reformirten Bekenntnisses unter der neuen Regimentsform in der Hand des reformirten Fürsten, stand ihnen mit Eifer zur Seite. Das formale Recht der verbrieften Landesprivilegien sprach in vielen Stücken für die ständische Auffassung; die Krone Polen selbst, wurde erklärt, sei nicht befugt, über das gegründete Anrecht der preußischen Stände auf ihren Zusammenhang mit Polen durch einseitigen Verzicht zu verfügen; man scheute sich nicht, Verbindungen in diesem Sinne mit dem polnischen Hofe zu unterhalten, die auch von diesem nicht ganz zurückgewiesen wurden, die aber in den Augen des Kurfürsten nicht anders als hochverrätherisch erscheinen konnten. Nach langen vergeblichen Verhandlungen, die sich besonders um die Frage des stehenden Heeres, der Steuern und der von dem Kurfürsten octroyirten neuen Landesverfassung drehten, sah sich dieser veranlaßt, endlich thätlich einzugreifen; mit militärischer Gewalt erschien er selbst in Königsberg; vor seinem persönlichen Auftreten verstummte der Widerspruch der aufsässigen Hauptstadt; der Hauptagitator, der Schöppenmeister Hieronymus Roth, wurde verhaftet, wegen hochverrätherischer Verbindungen mit dem Ausland zum Tode verurtheilt und zu lebenslänglichem Gefängniß begnadigt. Dieses entschlossene Verfahren hatte die Wirkung, daß nach einiger Zeit wenigstens äußerlich sich die Stände dem neuen Rechte des Kurfürsten fügten; im October 1663 leisteten sie dem neuen Landesherrn die feierliche Erbhuldigung auf Grund der neuen Landesverfassung, welche mit möglicher Schonung der alten Verhältnisse doch die Souverainitätsrechte in allen wesentlichen Stücken sicher stellte. Jahre lang freilich gährte die Unzufriedenheit noch weiter, besonders bei einem Theil des preußischen Adels, der nur mit dem äußersten Widerstreben die Aufrichtung eines straffen fürstlichen Regimentes duldete und den Gewöhnungen polnischer Adelsfreiheit nicht entsagen wollte. Auch diesem Elemente gegenüber, welches selbst nach der geschehenen Huldigung nicht darauf verzichtete, verrätherische Verbindungen mit Polen zu unterhalten, mußte F. W. noch einmal zur Gewalt greifen; es war in dem Fall des Obersten Christian Ludwig v. Kalkstein, der der leidenschaftlichste und gefährlichste Agitator in dieser Richtung von Anfang an war und im November 1672 als Hochverräther hingerichtet wurde (vgl. d. Art. Kalkstein und Eusebius v. Brandt). Es muß zugegeben werden, daß in allen diesen Conflicten die Strenge des formalen Rechtes auch von dem Kurfürsten und seiner Regierung nicht selten gebeugt oder gebrochen worden ist; daß aber ein höheres Recht staatlicher und nationaler Nothwendigkeit ihnen dabei zur Seite stand, daß nur mit starken Mitteln hier dem zerrüttenden Einfluß polnischer Staatslosigkeit ein Ende bereitet werden konnte, dafür gewährt die fernere Geschichte Preußens sowol wie Polens volles Zeugniß.

    Kämpfe ähnlicher Art, wenn auch meist von minder acutem Charakter, hatte Kurfürst F. W. in den meisten Landestheilen zu bestehen. Ueberall war die Zähigkeit des privilegirten ständischen Provinzialgeistes der erbitterte Widersacher strafferer staatlicher Ordnung im Sinne eines einheitlichen Staatsgefüges, wie es F. W., mit immerhin sehr gemäßigtem Anspruch, aber mit Bewußtsein anstrebte. Ueberall stehen die Fragen über Reform der Steuerverfassung und über die damit zusammenhängende Unterhaltung des stehenden Heeres im Mittelpunkt des Streites, und nicht leicht waren die Anforderungen, die an die erschöpften Lande gestellt wurden. In der Hauptsache trug überall der energische Wille des Fürsten den Sieg davon, und mehr und mehr bequemten sich allmählich die ständischen Sonderinteressen dem Interesse des Gesammtstaates, für dessen Verwaltung ein einsichtiges und rechtschaffenes Beamtenthum sich heranbildete. Besonders wichtig war es, daß es dem Kurfürsten gelang, auch in den clevischmärkischen Landen feste Zustände anzubahnen. Hier hatte die Widerwilligkeit der Stände den doppelten Rückhalt an dem noch immer aufrecht erhaltenen Condominat der Pfalzgrafen von Neuburg und an den benachbarten Niederlanden, mit denen sie von jeher in naher Verbindung gestanden. Nach langen Kämpfen erzwang hier der Kurfürst durch die den Ständen aufgenöthigten Landtagsrecesse von 1660 und 1661 zuerst den factischen Besitz der vollen Landeshoheit, und dieser Sieg über die ständische Libertät wurde vollendet, als 1666 mit dem Pfalzgrafen Philipp Wilhelm von Neuburg der definitive Erbvergleich abgeschlossen wurde, in welchem beide Prätendenten dem bisher festgehaltenen Anspruch auf die Gesammtheit der jülich-clevischen Erbschaftslande entsagten und eine formelle Theilung der Lande nach Maßgabe des bisherigen provisorischen Besitzstandes eintreten ließen. Der Zusammenhang dieser altverbundenen Lande wurde dadurch zerrissen, aber wenigstens in seinem Antheil, Cleve, Mark und Ravensberg, war F. W. nun unbestrittener Herr, und die Segnungen eines einsichtigen Regimentes, welches sofort an eine umfassende Reform der gesammten Verwaltung ging, machten sich bald fühlbar.

    Hier und an anderen Stellen war der Kurfürst nicht ohne gelegentliche Anwendung oder Androhung von Gewalt zu seinem Ziele gelangt. In demselben Jahre 1666 zwang er durch eine starke militärische Demonstration die Stadt Magdeburg, die bis dahin beharrlich die Huldigung verweigert hatte, ihm diese zu leisten und brandenburgische Garnison aufzunehmen. Aber im Ganzen sind die großen Umwandlungen auf dem Gebiet des inneren Staatslebens, welche diese Regierung bezeichnen, doch mit verhältnißmäßig geringem Aufwand von Zwangsmitteln durchgeführt worden.

    Den Bemühungen zur Kräftigung der Staatsgewalt aber entsprach die andere Seite der Reformbestrebungen des Kurfürsten, die durch sorgsame Pflege der materiellen Interessen des Landes demselben neue Kräfte zuzuführen und die alten zu entwickeln suchte. Mit den ersten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms beginnt die systematische Colonisation verödeter Landstriche durch Heranziehung von Einwanderern aus anderen deutschen Landschaften und besonders aus Holland; sie kam besonders der Mark Brandenburg zu Gute. Durch geeignete Vergünstigungen wurde überall auf dem flachen Land und in den Städten der Wiederanbau der durch den Krieg herrenlos gewordenen wüsten Hufen und Bauplätze erleichtert. Neben den Bauern wurden fremde Handwerker ins Land gezogen und der in Verfall gekommenen Industrie wirksamer Schutz und Anregung geschaffen; staatliche Concessionen und pecuniäre Unterstützung halfen neu begründeten Industriezweigen über die Schwierigkeit der ersten Anfänge hinweg, während in anderen Zweigen der Kurfürst selbst mit fiscalischen Geldmitteln als Unternehmer auftrat. Für die Entwickelung des Verkehrs sorgte die von F. W. geschaffene und gegen den Widerspruch des kaiserlichen Postregals wie gegen den Einspruch Polens behauptete brandenburgische Post, welche die entferntesten Landestheile in regelmäßige Verbindung setzte, und deren musterhafte Verwaltung bald in ganz Deutschland als Vorbild galt. Allgemeine Brücken- und Wegeordnungen kamen hinzu; der 1662—68 erbaute Friedrich-Wilhelms-Canal schuf einen Wasserweg zwischen Oder, Spree, Havel und Elbe, der für die Entfaltung des Binnenhandels von der höchsten Bedeutung wurde. Ueberhaupt war auf die Pflege der Handelsinteressen im weitesten Sinne das Bemühen des Kurfürsten mit besonderer Vorliebe gerichtet, und angeregt von dem Vorbild der Niederlande strebte er hier zum Theil über das zu seiner Zeit Erreichbare hinaus, wie wenn er schon 1647 den Plan einer ostindischen Handelsgesellschaft unter brandenburgischer Flagge entwarf oder 1650 mit Dänemark über den Ankauf|von Tranquebar auf der Küste Koromandel als brandenburgischer Colonie und Handelsstation verhandelte. Für die mittleren Lande war ihm durch die Herrschaft der Schweden in Stettin und an den Odermüdungen jede Möglichkeit zu Größerem abgeschnitten; nur die preußischen Häfen boten einen geeigneten Ausgangspunkt für umfassendere mercantile Unternehmungen. Unablässig hat F. W. von hier aus, besonders in seinen späteren Lebensjahren, an der Erfüllung seines Lieblingswunsches gearbeitet, seinem Staate den Eintritt in die Kreise des Welthandels zu selbständiger Theilnahme an demselben zu erwirken; aber noch fehlte es in den Landen selbst zu sehr an gewecktem Unternehmungsgeist und an großen kaufmännischen Capitalien, als daß diese Versuche von nachhaltiger Wirkung hätten sein können. Die Hoffnung, in Pillau ein zweites Saardam erblühen zu sehen, erfüllte sich nicht; die an der Guineaküste errichteten Niederlassungen hatten nur kurzen Bestand, und die 1682 gegründete afrikanische Handelscompagnie, ursprünglich als Actienunternehmen ins Werk gesetzt, dann von dem Kurfürsten selbst auf Regierungskosten übernommen, erwies sich bald als ein völlig unproductiver Versuch, der von dem Nachfolger Friedrich Wilhelms bald fallen gelassen wurde. Am erfolgreichsten waren die maritimen Bestrebungen des Fürsten noch da, wo sie sich mit den militärischen Interessen berührten. Die kleine Kriegsflotte, die von 1675 an, zunächst für den Bedarf des Krieges gegen Schweden, mit Hülfe des holländischen Unternehmers Raule geschaffen wurde, that gute Dienste, und der kleine Kaperkrieg, den 1681 der Kurfürst zur Beitreibung schuldiger Subsidienreste gegen Spanien führte, machte die brandenburgische Flagge für einige Zeit weithin bekannt; dreißig größere und kleinere Kriegsschiffe fuhren damals unter dieser Flagge; aber mit dem Tode des Kurfürsten ist auch diese Schöpfung bald wieder verfallen.

    Auch der regsamsten Pflege der geistigen Interessen ist hier zu gedenken. In der Geschichte des preußischen Unterrichtswesens nimmt die Regierung Friedrich Wilhelms eine ehrenvolle Stelle ein, wenn auch die Schäden der 30jährigen Zerrüttung erst langsam ausheilen konnten. Besonders den mittleren und höheren Unterrichtsanstalten kamen seine Bemühungen zu Gute; die Gymnasien nahmen neuen Aufschwung, und zu den bestehenden Universitäten Frankfurt und Königsberg, die er in aller Weise förderte, gründete F. W. eine neue für die clevischen Lande in Duisburg (1655), die freilich zu dauernder Bedeutung nicht gelangt ist. Auch die Errichtung der Universität Halle wurde von ihm bereits in Aussicht genommen, der Plan aber erst von seinem Nachfolger ausgeführt. Anregung und Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten wurde nach vielen Seiten hin gewährt, viele ansehnliche Kräfte nach Berlin gezogen. Der vaterländischen Geschichte besonders ließ F. W. eifrige Förderung zu Theil werden; durch die Berufung Pufendorf's zum Geschichtschreiber seines eigenen Lebens gab er die Veranlassung zur Entstehung eines der bedeutendsten historischen Werke des 17. Jahrhunderts. Die nachmalige große königliche Bibliothek in Berlin dankt F. W. ihre Begründung. Entsprechend der fürstlichen Mode der Zeit und den eigenen Neigungen widmete er auch den Künsten eine verständnißvolle Pflege, wobei freilich meist ausländisches Personal heranzuziehen war. Eine rege Bauthätigkeit ward entfaltet, die Hauptstadt vergrößert und geschmückt. Zahlreiche Maler, Bildhauer, Kupferstecher, Stempelschneider arbeiteten im Dienste des Kurfürsten, und durch gute Ankäufe wurde der Grund gelegt zu den nachmaligen großen Kunstsammlungen.

    Vorzüglich bethätigte sich der freie und große Sinn des Kurfürsten auch in der Behandlung der kirchlichen Angelegenheiten. Der Gedanke der Toleranz hat in ihm einen aufrichtigen und thätigen Bekenner gehabt, so schwer der Geist des Zeitalters auch noch seine Durchführung machte. Vermöge dieses streng|durchgeführten Grundsatzes ist das Verhältniß des reformirten Fürsten und seiner Regierung zu seinen zahlreichen katholischen Unterthanen ein fast durchweg ungetrübtes geblieben. Dagegen gaben die unablässigen Zerwürfnisse zwischen Lutheranern und Reformirten um so mehr Anlaß zu peinlichen Störungen des öffentlichen Friedens. Die versöhnliche Richtung, die angeregt von Georg Calixt, John Durie u. A. an anderen Stellen damals nicht ganz ohne Wirkung blieb, gewann zwar die Zustimmung des Kurfürsten, aber nur wenig die der brandenburgischen Geistlichkeit, und die starre Unduldsamkeit besonders der lutherischen Prediger machte trotz der Bestimmung des westfälischen Friedens, welche die Gleichberechtigung der Reformirten aussprach, ein friedliches Nebeneinander dauernd unmöglich; der Krieg in Streitschriften und von der Kanzel herab wurde unablässig und in der gehässigsten Weise geführt. Ein 1662 von dem Kurfürsten in Berlin veranstaltetes Religionsgespräch blieb natürlich erfolglos. Die Toleranz, die F. W. von den Andersgläubigen ebenso verlangte, wie er selbst sie übte, konnte nur äußerlich erzwungen werden durch eine Reihe von Verordnungen, in denen die Aufrechterhaltung des Friedensstandes zwischen den beiden Bekenntnissen wenigstens nach außen hin zum strengen Gesetz gemacht wurde. Mit der Absetzung und Ausweisung des widerstrebenden Berliner Predigers Paul Gerhard, des bekannten Liederdichters, zeigte der Kurfürst den ganzen Ernst seines auf den kirchlichen Frieden gerichteten Willens; eine wirkliche innere Versöhnung ist doch nicht erreicht worden, erst der veränderte Zeitgeist einer folgenden Epoche konnte Besserung bringen.

    Kehren wir zu dem Gang der allgemeinen politischen Ereignisse zurück, so tritt uns nun von den sechziger Jahren ab das dominirende Uebergewicht Frankreichs als die Signatur des Zeitalters entgegen, und F. W. von Brandenburg gebührt der Ruhm, daß er zu denen gehörte, die am ersten und am tapfersten sich dieses Verhängnisses zu erwehren suchten. In dem 1658 gegründeten Rheinbund hatte Ludwig XIV. sich eine dienstbereite Clientel unter den deutschen Fürsten geschaffen; Oesterreich war durch den Türkenkrieg und durch ungarische Empörungen in Anspruch genommen; überdies wußte die französische Diplomatie die Action des kaiserlichen Hofes in den westeuropäischen Angelegenheiten bald zu lähmen durch den geheimen Theilungsvertrag (1668) für den in Aussicht stehenden Aussterbefall der spanischen Habsburger; Spanien war erschöpft, die Niederlande diplomatisch gewonnen — alles war aufs günstigste vorbereitet, um den Eroberungsplänen des französischen Königs freies Feld zu machen. Die Erwerbung der spanischen Niederlande war das nächste Ziel dieser Politik. Aber die Weise, wie unter dem Deckmantel des Rheinbundes die Franzosen militärische Position im Reich nahmen, wie die Reichsstädte im Elsaß dem westfälischen Frieden zuwider unter französische Hoheit gebracht wurden, und viele andere Uebergriffe zeigten, was Deutschland von ferneren Erfolgen Ludwigs XIV. zu gewärtigen hatte. Die kriegerischen Verwickelungen des Bischofs Christoph Bernard von Münster mit den Vereinigten Niederlanden bei Gelegenheit des holländisch-englischen Krieges (1665) brachten die Gefahr eines französischen Eingreifens auf deutschem Reichsgebiet zuerst in unmittelbare Nähe; aber hier war es auch, wo Kurfürst F. W. zum ersten Male durch energisches Einschreiten die Gefahr abwandte, die den Frieden des Reichs und seine eigenen Besitzungen am Niederrhein bedrohte. Gestützt auf eine schnell zusammengezogene Armee von 18,000 Mann nöthigte er den kriegslustigen Bischof, seine Vermittlung bei den Generalstaaten anzunehmen und machte so die schon begonnene französische Intervention gegenstandslos.

    Im Frühjahr 1667 erfolgte der erste thätliche Versuch Ludwigs XIV., sich der spanischen Niederlande zu bemächtigen. In dem überaus verworrenen Getriebe diplomatischer Actionen, welches neben diesem sogenannten Devolutionskrieg herging, war auch Kurfürst F. W. auf das lebhafteste betheiligt. Er erkannte vollständig die Gefahr, die auch für Deutschland das Gelangen der spanischen Niederlande an Frankreich mit sich brachte; aber da Spanien selbst machtlos, die Generalstaaten durch Bündniß, der Kaiser durch die Verhandlung über den geheimen Theilungsvertrag, die wichtigsten Reichsfürsten durch den Rheinbund an Frankreich gefesselt waren, so war er um so weniger in der Lage, allein den Franzosen die Stirn zu bieten, als zu gleicher Zeit er nach der entgegengesetzten Seite hin sich der Gefahr zu erwehren hatte, daß ein französischer Prinz auch die Krone von Polen gewann. Es war für das ganze Reich, wie für den Kurfürsten speciell eine Sache von äußerster Wichtigkeit, daß Frankreich verhindert wurde, auch noch von der polnischen Seite her Mitteleuropa zu umklammern; F. W. versprach seine Neutralität in dem Kampf um die spanischen Niederlande und erlangte dafür, daß Ludwig XIV. die polnische Thronbewerbung aufgab. Die Beendigung des Krieges aber wurde dann in dem Aachener Frieden (2. Mai 1668) durch die lockere und schnell vorübergehende diplomatische Combination der Triplealliance von England, den Niederlanden und Schweden in dem Sinne erwirkt, daß Frankreich sich vorläufig mit dem Erwerb der flandrischen Grenzfestungen begnügen, seine übrigen Eroberungen herausgeben mußte.

    Hieraus entsprang nun im Verlauf der nächsten Jahre die neue politische Constellation, daß Ludwig XIV. mit Leichtigkeit zwei von den Mächten, die ihm in den Weg getreten waren, gewann, um mit ihrer Hülfe oder Zulassung die dritte zu vernichten. England und Schweden ergaben sich gänzlich der französischen Führung, und Ludwigs Ziel wird nun die Eroberung der Vereinigten Niederlande. Meisterhaft hat er diesen Krieg diplomatisch vorbereitet, um dem erlesenen Opfer Feinde von allen Seiten zu erwecken und ihm jede Möglichkeit einer Hülfe von außen her abzuschneiden — nur F. W. von Brandenburg widerstand allen seinen Lockungen und hat in dieser für die Sache der europäischen Freiheit und des Protestantismus so gefahrdrohenden Situation sich einsichtsvoll und entschlossen auf die Seite der bedrohten Macht gestellt, die seine Warnungen bis zum letzten Moment verschmäht hatte und fast ungerüstet dem ungeheuren Angriff gegenüberstand. Als im Frühjahr 1672 Ludwig XIV. und seine Verbündeten den Krieg begannen, war F. W. der einzige Bundesgenosse, auf den Holland zu rechnen hatte. Es erfolgte der erste in leicht errungenen Siegen glänzende Feldzug der Franzosen, der bis auf Holland und Seeland das ganze Staatsgebiet in ihre Hände brachte; es erfolgte die Katastrophe in den Niederlanden selbst, der Sturz der herrschenden Aristokratenpartei, die Erhebung Wilhelms III. von Oranien. F. W. stand zur Hülfe bereit. Da die Franzosen bei ihrem Angriff ungescheut auch das deutsche Reichsgebiet verletzt hatten, konnte Kaiser Leopold nicht umhin, wenigstens zum Schein dem Brandenburger ein Hülfscorps zu schicken, freilich nur in der zweifellosen Absicht, dessen Action zu lähmen und dem Krieg die Spitze abzubrechen. Der Erfolg war dem entsprechend. Der Feldzug der Brandenburger und Kaiserlichen am Rhein und in Westfalen hatte allerdings die Wirkung, daß ein beträchtlicher Theil der französischen Armee von den Niederlanden abgezogen und diesen dadurch Luft gemacht wurde; aber er blieb ohne alle eigenen Thaten, und der Kurfürst mußte es geschehen lassen, daß die Franzosen in seinen clevischen Landen sich festsetzten, ohne daß er die nöthige Unterstützung fand, um ihnen dort entgegenzutreten. Es war ein schwerer Entschluß für ihn, nach dem ersten Anlauf von dem muthig begonnenen Kampfe abzustehen; aber da er nirgends Unterstützung und allerseits Anfeindung auf seinem Wege fand, sah er sich gezwungen, auf das Eigene zu denken. Er schloß mit Frankreich den Frieden von Vossem (16. Juni 1673), in welchem er von|dem Kriege zurücktrat und ihm dafür die clevischen Lande und Festungen ausgeliefert wurden. Nur für den Fall eines Reichskriegs gegen Frankreich hielt F. W. sich in dem Vertrag die Hände frei. In diesen aber wurde nun doch Kaiser Leopold fast wider seinen Willen durch den wachsenden Uebermuth der Franzosen, durch den Hinblick auf seine Stellung im Reich, durch die Rücksicht auf seine Beziehung zu Spanien hineingedrängt. Nun trat für den Kurfürsten jene Clausel in Kraft; nach langwierigen Verhandlungen wurde die neue Alliance mit dem Kaiser, Spanien und den Niederlanden abgeschlossen (Juli 1674); im October überschritt F. W. an der Spitze einer Armee von 20,000 Mann den Rhein, um im Elsaß an der Seite der Kaiserlichen unter Bournonville noch einmal Turenne entgegenzutreten. Allein so günstig die militärische und politische Lage im Anfang war, auch dieser Feldzug sollte dem Kurfürsten keine kriegerischen Lorbeern bringen. Daß der österreichische General in verrätherischen Verbindungen mit den Franzosen stand, ist nicht als erwiesen zu betrachten, so fest man auch daran in dem brandenburgischen Hauptquartier damals glaubte. Jedenfalls aber fehlte das nöthige Einverständniß zwischen den beiden Verbündeten Armeen völlig, und durch Fehler von beiden Seiten kam es dahin, daß der Feldzug mit gänzlichem Mißerfolg endete. Nach einem letzten unentschieden gebliebenen Treffen bei Türkheim (10. Jan. 1675) gingen die deutschen Truppen über den Rhein zurück, gaben den Elsaß auf und bezogen die Winterquartiere. Dem Kurfürsten F. W. hatte der Feldzug überdies auch seinen hoffnungsvollen ältesten Sohn gekostet, den Kurprinzen Karl Emil, der in Straßburg an einem hitzigen Fieber plötzlich gestorben war (7. Dec. 1674).

    F. W. hatte hier, wo der lähmende Einfluß eines eifersüchtigen Kampfgenossen auf ihm lastete, nicht zu zeigen vermocht, was er als Feldherr zu leisten im Stande war. Er zeigte es, als nun ein neuer Kampf sich bot, wo er ausschließlich auf sich selbst gestellt war. Es galt der schwedischen Invasion in die Mark, welche französisches Geld und französische Diplomatie dem lang widerstrebenden Verbündeten im Norden abgerungen hatte, um durch einen Angriff im Rücken den Brandenburger von dem Krieg am Rhein abzuziehen. Im Januar 1675 hatten die Schweden die Grenze der Marken überschritten; verheerend und aussaugend hatten sie sich in den folgenden Monaten über das Land ausgebreitet. F. W. hatte gegen diesen Feind von keinem seiner nominellen Bundesgenossen Unterstützung zu erwarten, während zu gleicher Zeit Ludwig XIV. ihm den Herzog Johann Friedrich von Hannover in der Flanke, den Polenkönig Johann Sobieski im Rücken als neue Feinde aufzurufen sich bemühte. So unternahm er seinen berühmten Feldzug gegen die Schweden. Anfang Juni 1675 aus den Winterquartieren in Franken aufbrechend, vollbrachte er den glücklich geheim gehaltenen Geschwindmarsch in die Mark; am 25. Juni erfolgte der Ueberfall von Rathenow an der Havel, wodurch das Centrum der schwedischen Aufstellung durchbrochen wurde, drei Tage später errang der Kurfürst mit der kaum 6000 Mann starken, meist aus Reiterei bestehenden Vorhut seiner Armee den glänzenden Sieg bei Fehrbellin über die 11,000 Mann starken Schweden (28. Juni). Von hier an ist, in deutschen Liedern zuerst, der Name des „Großen Kurfürsten“ gehört worden, und weithin erscholl die Kunde von dem herzerfrischenden deutschen Waffensieg über die seit langem unbesiegte schwedische Armee. Nun wurde am Reichstag in Regensburg der Reichskrieg gegen Schweden beschlossen, der Kurfürst durfte die Vertreibung der Schweden aus Pommern offen als Ziel bekennen, die braunschweigischen Herzöge und der Bischof von Münster schlossen sich an, um dasselbe in Bremen und Verden zu bewirken, der Kaiser schickte ein Hülfscorps, der König von Dänemark trat den Verbündeten bei. Noch im Herbst 1675 begann der Kampf in Vorpommern, wo in hartem Streit der Kurfürst Boden|gewann, während die Dänen Wismar eroberten. Im Frühjahr 1676 wurde der Krieg wieder aufgenommen, die Eroberung der Inseln Usedom und Wollin vollendet, auf dem Festland nach harter Belagerung Anklam (29. Aug.) und Demmin (10. Oct.) zur Uebergabe gezwungen; gleichzeitig vollbrachten braunschweigische und münstersche Truppen die Eroberung von Bremen und Verden. Die Belagerung von Stettin, von dessen Bezwingung alles abhing, konnte erst im Sommer 1677 in regulärer Weise unternommen werden; schon leistete dabei die neugeschaffene brandenburgische Flottille ansehnliche Dienste; aber hartnäckig widerstanden Garnison und Bürgerschaft; erst als nach viermonatlicher Beschießung (Ende August bis 26. December) die Stadt fast in Trümmer gelegt und alle Munition verbraucht war, erfolgte die Capitulation, und triumphirend hielt F. W. seinen Einzug in die bezwungene Festung, die wichtigste Besitzung der Schweden auf deutschem Boden. Der Feldzug des folgenden Jahres brachte, während schon die diplomatischen Verhältnisse sich immer bedenklicher verwirrten, die glänzend durchgeführte Landung auf Rügen (24. Sept. 1678) und die Eroberung der Insel; in Folge davon capitulirte Stralsund nach kurzer Beschießung (22. Oct.), und nachdem einige Wochen später auch Greifswald gefallen (16. Nov.), so war die gänzliche Vertreibung der Schweden aus Deutschland glücklich vollbracht. Noch an einer Stelle aber mußte ihnen der Kurfürst mit den Waffen begegnen. Von Livland her, jetzt ihrer letzten Besitzung am Südrande der Ostsee, unternahmen die Schweden, von Polen begünstigt, Ende November den Einfall in das Herzogthum Preußen, wo nur geringe Vertheidigungsmaßregeln getroffen waren. Aber auch hier sollte ihnen nichts gelingen; der bewunderungswürdige Feldzug, den F. W. im Januar 1679 nach Preußen unternahm, bereitete der schwedischen Invasion das schmählichste Ende; mit unvergleichlicher Schnelligkeit und Tapferkeit wurden auch hier alle Anschläge der Feinde zu Falle gebracht.

    Aber auf dem diplomatischen Felde waren inzwischen die Erfolge um so weniger günstig gewesen. Auf dem Friedenscongreß, der schon seit dem J. 1676 in Nimwegen tagte, war Brandenburg mehr und mehr in eine isolirte Stellung gerathen. Während die meisten Betheiligten nach Frieden strebten, bot der Kurfürst alles auf, ihn nicht zu Stande kommen zu lassen, bis die Eroberung Pommerns als vollendete Thatsache vorläge; aber gerade die schweren Niederlagen der Schweden waren für Ludwig XIV. Grund, diesen Krieg gern beendigt zu sehen, und am kaiserlichen Hof wie bei der Mehrzahl der deutschen Reichsstände erfreute sich die Aussicht auf beträchtliche Machtvergrößerung des Brandenburgers sehr geringer Gunst. Vergebens ließ F. W. sich in geheimen Verhandlungen mit Frankreich zu sehr weitgehenden Concessionen herbei, um die Zustimmung des Königs zum Erwerb von Schwedisch-Pommern oder wenigstens dem wichtigsten Theil desselben zu erlangen; ebenso vergeblich erbot er sich anderseits dem Kaiser zur umfassendsten Hülfsleistung für die Fortsetzung des Krieges gegen Frankreich; vergebens bemühte in den Niederlanden sich Prinz Wilhelm von Oranien, einen einseitigen Abschluß zu verhindern — die entscheidenden Friedensschlüsse erfolgten in Nimwegen, und alle Bundesgenossen gaben die Sache des Kurfürsten auf. Die Niederlande und Spanien gingen voran (August und September 1678); dann schloß am 5. Febr. 1679 der Kaiser für sich und das Reich den Frieden mit Frankreich und Schweden ab, auf der Basis des westfälischen Friedens und der Wiedereinsetzung Schwedens in alle seine deutschen Besitzungen. So stand nun F. W., den errungenen Siegespreis in der Hand und doch in verzweifelter Lage, allein dem mächtigen Willen Ludwigs XIV. gegenüber, nur Dänemark noch an seiner Seite. Es folgten einige Monate, erfüllt von den lebhaftesten, mit der äußersten Zähigkeit geführten Verhandlungen; selbst die Möglichkeit wurde|erwogen, ob Brandenburg allein es wagen könne, mit den Waffen in der Hand dem französischen Machtwillen zu trotzen und so die treulosen Bundesgenossen vielleicht zur Erneuerung des Kampfes zu zwingen. Alles war vergeblich, nur die Ergebung blieb übrig; am 29. Juni 1679 wurde zu St. Germain bei Paris der Frieden unterzeichnet, kraft dessen Vorpommern nebst Stettin an die Schweden zurückgestellt werden mußte; nur einige geringfügige Vergünstigungen waren dem Kurfürsten gewährt worden.

    Die Erbitterung, womit F. W. das nun zweimal eroberte Pommern abermals in die Hände des besiegten Feindes zurückfallen sah, ist ebenso begreiflich, wie daß diese Stimmung sich weniger gegen Frankreich wandte, welches in seinem Sinne loyal gegen Schweden handelte, als gegen die Bundesgenossen, die minder loyal ihn im Stiche gelassen hatten. Mit den Niederlanden, zu deren Schutz er sich zuerst in den Kampf geworfen, und die zuerst im Separatfrieden ihr Heil gesucht, kam es zu der feindseligsten Spannung; nicht minder mit dem kaiserlichen Hof, dem in bitterer Weise der übereilte Abschluß des Friedens von Nimwegen vorgeworfen wurde, und der inzwischen (1675) die Gelegenheit des Aussterbens des piastischen Herzogshauses von Liegnitz benutzt hatte, um die drei schlesischen Fürstenthümer Liegnitz, Brieg und Wohlau einzuziehen, unbekümmert um die Erbansprüche des Hauses Brandenburg. Dagegen trat F. W. nun in enge Beziehung zu Frankreich, welches allein seinen Freunden und Verbündeten Schutz und Sicherheit zu gewähren schien. Der Alliancevertrag vom 25. Oct. 1679, der in den folgenden Jahren mehrfach erneuert und modificirt wurde, verband die brandenburgische Politik aufs engste mit der französischen; der Kurfürst verstattete Ludwig XIV. für alle Bedürfnißfälle freien Durchzug durch sein Gebiet, ja den Schutz seiner Festungen; er versprach künftig für seine oder des Dauphin's Kaiserwahl zu wirken; er nahm eine Jahrespension von 100,000 Livres von dem französischen König an. Und nur zu bald bekam das Reich es zu empfinden, was das Fehlen dieses Degens und dieses Rathes in Tagen der Noth ihm bedeutete, als Ludwig XIV. nun begann, die schrankenlose Suprematie, die der Frieden von Nimwegen ihm zugestanden, thätlich auszuüben. Die Zeiten der Reunionskammern, des Raubes von Straßburg fanden den Kurfürsten F. W. als den Verbündeten Frankreichs, der zwar an diesen Unternehmungen keinen Theil hatte und ihre für Deutschland verhängnißvolle Bedeutung wol erkannte, aber der auch entschieden alle deutschen oder niederländischen Aufforderungen zu einer neuen Coalition gegen Frankreich ablehnte, für die er nur neue Niederlagen voraussah, und für die er sich nicht noch einmal den Demüthigungen von 1679 aussetzen wollte. Das Verhältniß zum kaiserlichen Hofe war von der Art, daß, als 1682 gegenüber der Wien selbst bedrohenden Türkengefahr der Kurfürst ein Hülfscorps von 12,000 Mann zur Verfügung stellte, man dies in der angebotenen Stärke ablehnte, in der Befürchtung, daß F. W. die Gelegenheit nur dazu benutzen werde, die von ihm beanspruchten schlesischen Fürstenthümer zu occupiren. Und wiederum, in dem Sinne jenes verzweifelnden Unglaubens an die Widerstandsfähigkeit des Reiches war es, wenn vornehmlich auf Betreiben des Kurfürsten am 15. Aug. 1684 der schmachvolle Waffenstillstand mit Frankreich abgeschlossen wurde, in welchem Kaiser und Reich Straßburg und die gesammte Beute der Reunionskammern für die nächsten zwanzig Jahre den Franzosen zu überlassen erklärten.

    Es war eine Politik des gerechten Grolls und der Verbitterung, die aber allmählich doch besseren Erwägungen Zutritt gewähren mußte. Die Rückkehr in die natürlichen Bahnen wurde F. W. um so näher gelegt, als nun in den achtziger Jahren die Politik Ludwigs XIV. sich mehr und mehr durchdrang mit jenem Fanatismus katholischer Bekehrungssucht, der es immer einleuchtender|machte, welche Gefahr von dort her nicht nur der Freiheit Europa's, sondern auch dem evangelischen Bekenntniß drohte. Die Verfolgungen der französischen Protestanten nahmen immer größere Dimensionen an, Frankreich begann sich zu enthüllen als die streitfertige Vormacht der katholischen Propaganda. Und jetzt schien auch England diesem System zufallen zu sollen; im Februar 1685 bestieg den englischen Thron Jacob II., der katholische Stuart, der völlig den Impulsen Ludwigs XIV. folgte, und die damit vor Augen gestellte Aussicht auf ein katholisirendes England im Bunde mit einem jesuitischen Frankreich mußten alle schlimmsten Befürchtungen aus den Zeiten der Religionskriege wieder wachrufen. F. W. begann sich seinen alten Bundesgenossen wieder zu nähern; am 23. Aug. 1685 erfolgte die Erneuerung der alten Defensivalliance mit den Niederlanden, erleichtert durch die nahe persönliche und verwandtschaftliche Beziehung des Kurfürsten zu Wilhelm III. von Oranien, der nun als der entschlossenste und neben F. W. ebenbürtigste Gegner der französischen Suprematie immer mehr in den Mittelpunkt der europäischen Politik sich stellt. Während der Kurfürst bereits auch mit Schweden und mit dem kaiserlichen Hofe unterhandelte, trat das Ereigniß ein, welches vor allem den Umschwung rasch vollenden half: am 18. Oct. 1685 wurde das Edict von Nantes, nachdem es schon längst aufgehört hatte, den französischen Protestanten wirksamen Schutz zu gewähren, auch formell aufgehoben. Dieser Gewaltact eines sinnlosen Fanatismus vernichtete bei dem Kurfürsten die letzte Möglichkeit eines ferneren Zusammengehens mit Frankreich; in demonstrativer Weise antwortete er auf denselben mit dem Potsdamer Edict vom 8. Nov. 1685, durch welches er allen aus Frankreich flüchtenden Reformirten in seinen Landen sichere Zuflucht bot, und über 15,000 französische Flüchtlinge sind dem Rufe des hochherzigen Fürsten gefolgt. Nun wurde die Vereinbarung mit Kaiser Leopold bald zum Abschluß gebracht; energische Hülfeleistung gegen die Türken wurde zugesagt, um der österreichischen Macht so bald als möglich von dieser Seite her die Hände frei zu machen; der Kurfürst entschloß sich für diesen Zweck zu den außerordentlichsten Opfern; um den Kaiser ganz zu gewinnen verzichtete er jetzt gegen die alleinige Abtretung des kleinen Schwiebuser Kreises auf sämmtliche Ansprüche seines Hauses in Schlesien; daraufhin kam am 22. März 1686 der geheime Alliancevertrag zu Stande, der Oesterreich und Brandenburg aufs engste vereinigte. Mit eigener Hand entwarf F. W. kurz darauf den Kriegsplan für den bevorstehenden Kampf gegen Frankreich, und in dem Augsburger Bündniß vom 29. Juni 1686 traten die wichtigsten deutschen Fürsten, auch Spanien für Burgund und Schweden für seine deutschen Lande der Vereinigung bei. Mit Wilhelm III. von Oranien aber wurde im tiefsten Geheimniß der Plan gegen England verabredet, der das Regiment der Stuarts dort zu Falle bringen und damit das protestantische Inselreich aus seiner falschen und verderbendrohenden Verbindung mit dem Frankreich Ludwigs XIV. lösen sollte.

    Nur die Vorbereitungen zu allen den großen Wandelungen der nächsten Jahre war F. W. zu erleben beschieden. Die letzten Zeiten seines Lebens waren neben vielem Erhebenden auch von manchem Leidwesen getrübt. Das schlimmste freilich blieb ihm verborgen: der treulose Streich, den hinter seinem Rücken die österreichische Diplomatie ihm bei dem eigenen Sohn und Erben spielte. Durch trügliche Vorspiegelungen wurde der Kurprinz Friedrich gewonnen, einen geheimen Revers darüber auszustellen, daß er alsbald nach seines Vaters Tode den Schwiebuser Kreis, das einzige mit Mühe durchgesetzte Aequivalent für die schlesischen Ansprüche des Hauses, dem Kaiser zurückgeben werde; erst nachdem dieser Revers dem übelberathenen Kurprinzen mit arger Perfidie abgelockt worden war, unterzeichnete der Kaiser das Bündniß vom 22. März 1686; F. W. aber hat von diesem an ihm begangenen Betrug keine Kenntniß mehr erhalten.|Daneben spielten peinliche Familienzerwürfnisse. Der Kurfürst hatte bald nach dem Tode seiner ersten Gemahlin ( 1667) sich zum zweiten Mal vermählt mit der Herzogin Dorothea von Holstein-Glücksburg, verwittweten Herzogin von Braunschweig-Lüneburg (1668). Diese Ehe, welche an sich eine glückliche war und dem Kurfürsten noch reichen Kindersegen brachte, trübte doch insofern seine letzten Lebensjahre, als eine sehr gehässige Spaltung zwischen der Kurfürstin und den Kindern aus erster Ehe, besonders dem Kurprinzen Friedrich, sich immer heftiger entwickelte. Es knüpft sich an dieses Zerwürfniß, in dessen Schuld sich wol beide Parteien theilten, die vielberufene Geschichte von dem Testament des Großen Kurfürsten, in welchem derselbe der gewöhnlichen Ueberlieferung nach unter dem Einfluß seiner zweiten Gemahlin Verfügungen getroffen haben sollte, welche durch Landestheilungen zu Gunsten der jüngeren Söhne und im Widerspruch mit den Hausgesetzen die Einheit der Monarchie thatsächlich aufgelöst haben würden. Die Grundlosigkeit der an sich unwahrscheinlichen Ueberlieferung ist durch neuere Forschungen nachgewiesen worden (vgl. d. Art. „Dorothea“, Bd. V. 355).

    Auch von schweren körperlichen Leiden waren die letzten Lebensjahre Friedrich Wilhelms vielfach heimgesucht; als sie zuletzt von Anfang 1688 an sich zu einer Wassersucht entwickelten, stand ihm selbst die Rettungslosigkeit seines Zustandes vor Augen. Bis zu den letzten Augenblicken lebte sein Geist in den großen politischen Entwürfen, an deren Vorbereitung er so hervorragenden Antheil hatte. Noch am 7. Mai 1688 hielt er in Potsdam eine Sitzung des geheimen Staatsrathes ab; zwei Tage später ging dieses große Leben zu Ende. F. W. hatte von seinem Vorgänger in sturmbewegter Zeit ein Wirrsal staatlicher Bruchstücke übernommen, an dem es schwer war nicht zu verzweifeln. Er übergab der Zukunft ein wohlgefügtes starkes Gebilde, das den heftigsten Stürmen gewachsen und der höchsten Entwickelung fähig war.

    • Literatur

      Pufendorf, De rebus gestis Friderici Wilhelmi ... libri XIX. Berolini 1695. v. Mörner, Kurbrandenburgs Staatsverträge von 1601—1700. Berlin 1867. Urkunden und Actenstücke z. Gesch. des Kurf. Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Berlin 1864 ff. Stenzel, Gesch. des preußischen Staats, Bd. II (1837). v. Orlich, Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. Nach bisher noch unbekannten Original-Handschriften. Berlin 1836. v. Orlich, Gesch. des preuß. Staates im 17. Jahrh. Berlin 1838 f. 3 Bde. Droysen, Geschichte der preußischen Politik. Bd. III, 1—3. v. Ranke, Genesis des preußischen Staates (Sämmtl. W. 25., 26. Bd.).

  • Autor/in

    Erdmannsdörffer.
  • Zitierweise

    Erdmannsdörffer, Bernhard, "Friedrich Wilhelm" in: Allgemeine Deutsche Biographie 7 (1878), S. 480-497 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11853596X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA