Lebensdaten
1774 – 1845
Geburtsort
Baindkirch bei Aichach (Oberbayern)
Sterbeort
Barmen
Beruf/Funktion
theologischer Schwärmer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 117025941 | OGND | VIAF: 32763187
Namensvarianten
  • Lindl, Ignaz

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Zitierweise

Lindl, Ignaz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117025941.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Urban ( 1815), Wirt in Baindlkirch;
    M Monica N. N. ( 1782);
    Stief-M (seit 1783) Maria Elisabeth Wäßl aus München;
    St. Petersburg 1820 Elisabeth ( 1841), T d. Leonhard Völk in Eismannsberg Pfarrei Baindlkirch; Schwager Martin Völk (1787–1848), aus Baindlkirch, Kaplan;
    1 S.

  • Biographie

    Nach dem Studium bei den Exjesuiten zu St. Salvator in Augsburg und dem Empfang der Priesterweihe 1799 war L. erst als Kaplan, dann als Pfarrer in seiner Heimatgemeinde tätig. Wohl über seinen nachmaligen Kaplan Martin Völk wurde er mit dessen Lehrer Johann Michael Sailer bekannt. Sailers „Theologia cordis“ und verinnerlichte Frömmigkeit scheinen L. tief berührt zu haben. Doch unter dem Einfluß Johann Ev. Goßners und pietistischer Kreise in der Schweiz öffnete er sich ganz den Anschauungen der Allgäuer Erweckungsbewegung und entwickelte sich, einmal „erweckt“ (1812), zu deren wohl radikalstem Vertreter. L.s zündende apokalyptische Predigten hatten einen ungeheuren Zulauf. Seine Anhängerschaft vermehrte sich noch, als er nach einer scharfen Maßregelung durch das – unter exjesuitischem Einfluß im Umgang mit den Allgäuer „Erweckten“ jeder Klugheit entbehrende – Bischöfl. Ordinariat Augsburg wegen „Abweichung von der herkömmlichen Gottesdienstordnung und aftermystischen Treibens“ 1818 Baindlkirch mit der Pfarrei Gundremmingen b. Dillingen|vertauschen mußte. Zu Tausenden sollen hier Katholiken und Protestanten von nah und fern zusammengeströmt sein, um ihn zu hören.

    Inzwischen hatte aber ein an den Berliner Rechtsgelehrten Friedrich Karl v. Savigny gerichteter und durch Clemens Brentano verbreiteter begeisterter Erlebnisbericht des jungen Mediziners Johann Nepomuk v. Ringseis über L.s Wirken in Baindlkirch dessen Ruf über Deutschlands Grenzen hinausgetragen. Durch Vermittlung Juliane v. Krüdeners und des Fürsten Alexander Golízyn erhielt L. von Kaiser Alexander I. die Predigerstelle an der St. Petersburger Malteserkirche angeboten. Um einem auch mit der bayer. Regierung drohenden Konflikt auszuweichen, entschloß er sich 1819, das Angebot anzunehmen. Auch in St. Petersburg scharte sich um L. eine starke Zuhörerschaft; zum erbitterten Jesuitenfeind geworden, trug er sein Teil zur Ausweisung der Gesellschaft Jesu aus Rußland und zur Konfiszierung ihrer Güter bei. Es hielt ihn allerdings nicht lange. 1821 trat er seine Predigerstelle an Goßner ab und begab sich nach Südrußland, um als Propst und Visitator der kath. Pfarrsprengel in und um Odessa aus Bayern und Württemberg einwandernde Kolonisten zu betreuen, darunter zahlreiche Familien aus seiner Gundremminger Anhängerschaft, die sich durch seine anfeuernden Sendschreiben zur Auswanderung hatten bewegen lassen. 1822 zog er, nunmehr verheiratet, mit 70 Familien weiter in das ihm von Alexander I. übereignete Kronland Sarata in Bessarabien. Als er jedoch seine Absicht kundtat, aus der kath. Kirche auszutreten und die in Sarata von ihm organisierte Kolonie nach herrnhutischem Vorbild in eine Katholiken und Protestanten verschmelzende apostolische Brüdergemeinde auf gütergemeinschaftlicher Grundlage umzubilden, wurde er 1823 zusammen mit Goßner vom Kaiser des Landes verwiesen.

    Nachdem er in Leipzig formell zum Protestantismus übergetreten war, fand er mit seiner Familie Aufnahme in Barmen-Gemarke im Wuppertal, wo er seit 1824 als Prediger und Inspektor einer neugegründeten Missionsanstalt wirkte, sich mehr und mehr in seine chiliastisch-apokalyptischen Vorstellungen verstieg und schließlich in Verbindung mit dem Basler Seidenweber Johann Jakob Wirz (1778–1858) eine eklektische Sekte formierte. Mit seiner weit verstreuten Anhängerschaft blieb er durch seine Sendschreiben in Kontakt. Im Bistum Augsburg schlossen sich nach seinem Tod die „Lindlianer“ dem Irvingianismus an. Die Kolonie Sarata ging zum Protestantismus über und bestand bis in die Wirren der Revolution von 1917.

  • Werke

    Der uralte kath. Glaube, 1819;
    Mein Glaubensbekenntniß, 1824;
    Über d. Sünde wider d. hl. Geist, 1824;
    Leitfaden z. einfachen Erklärung d. Apokalypse, 1826.

  • Literatur

    ADB 18;
    H. Roemmich, I. L., Ein Btr. z. Gesch. d. Dt. Bessarabiens, 1927;
    H. Schiel, J. M. Sailer, Leben u. Briefe I-II, 1948-52;
    H. Turtur, Chiliast.-schwärmer. Bewegungen in Bayern im frühen 19. Jh., Diss. München 1953 (ungedr.);
    H. Dussler, Joh. M. Feneberg u. d. Allgäuer Erweckungsbewegung, Ein kirchengeschichtl. Btr. aus d. Qu. z. Heimatkde. d. Allgäus, 1959;
    ders., Die Allgäuer Erweckungsbewegung in d. Sicht d. Freisinger Moraltheologen M. Jocham, 1961;
    ders., Der Nuntiaturber. üb. d. Sekte d. I. L. v. 18.7.1819, in: Jb. d. Ver. f. Augsburger Bistumsgesch. 2, 1968, S. 129-38 (P);
    H. Witetschek, Stud. z. kirchl. Erneuerung im Bistum Augsburg in d. ersten Hälfte d. 19. Jh., 1965;
    H. Petri, I. L. u. d. dt. Bauernkolonie Sarata, in: Südostdt. Archiv 8, 1965;
    Wetzer - Weite VII;
    PRE, Bd. 6, S. 771, 15, S. 745;
    RGG³;
    LThK².

  • Autor/in

    Manfred Weitlauff
  • Zitierweise

    Weitlauff, Manfred, "Lindl, Ignaz" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 604-605 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117025941.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lindl: Ignaz L., Schwärmer, geb. am 8. October 1774 zu Baindlkirch in Altbaiern, 1834 in Barmen. Er wurde im J. 1799 zum Priester geweiht und zuerst Kaplan, dann Pfarrer in seiner Heimath. Im J. 1812 wurde er durch Goßner (s. Bd. IX, S. 407) „erweckt“. Er stand in freundschaftlichen Beziehungen zu Zimmer und Sailer; letzterer hielt am 27. December 1812 bei der Primiz des gleichfalls aus Baindlkirch gebürtigen Martin Völk, der neben L. in gleichem Sinne als Kaplan wirkte, die Predigt. In der nächsten Zeit knüpfte L. auch Verbindungen mit Jung-Stilling, Frau v. Krüdener und den Baseler Pietisten an. 1817 wurde er wegen „Abweichungen von der herkömmlichen Gottesdienstordnung und aftermystischen Treibens“ von dem Augsburger Ordinariate in Untersuchung gezogen, einige Monate in Haft gehalten und dann im Mai 1818 auf die Pfarrei zu Gundremmingen bei Lauingen an der Donau, zwei Stunden von der württembergischen Grenze, versetzt. Hier knüpfte er Verbindungen mit den württembergischen Pietisten an. Zu seinen Predigten strömten dort so viele Zuhörer zusammen, Katholiken und Protestanten, — angeblich mitunter 5—10,000, — daß er sie oft im Freien halten mußte. (Ein interessanter Bericht darüber von Ringseis steht in den Historisch-politischen Blättern 77. Bd. S. 409.) Von einer neuen Untersuchung bedroht, begab er sich im October 1819 zu dem russischen Gesandten nach München und dieser zeigte dann der baierischen Regierung an, L. sei von dem Kaiser — wahrscheinlich auf Veranlassung der Frau v. Krüdener — nach St. Petersburg berufen. Er reiste im November dorthin ab und wurde als Prediger an der katholischen Malteserkirche angestellt. Im Juli 1820 übernahm Goßner diese Stelle und L. wurde mit dem Titel „Propst“ als Seelsorger für die in Südrußland angesiedelten Süddeutschen nach Odessa gesandt, erhielt auch in Bessarabien ein Stück Landes für weitere Colonisten angewiesen. Einige Hunderte seiner früheren Pfarrkinder folgten ihm dorthin; manche kehrten aber bald enttäuscht zurück. L. richtete in Südrußland seinen Gottesdienst in protestantischer Weise ein und verheirathete sich mit der Schwester seines Freundes Völk. 1824 wurde L., wie Goßner, aus Rußland ausgewiesen. Er trat nun in Leipzig förmlich zur lutherischen Confession über und begab sich nach Barmen, wo er eine Zeit lang als Inspector an der Missionsschule angestellt, dann als Hülfsprediger in mehreren Gemeinden des Wupperthales beschäftigt wurde. Seine Neigung zur Schwärmerei und Sectirerei trat hier immer stärker hervor; namentlich verlor er sich in allerlei chiliastische Träumereien. Für eine kleine Schaar von Anhängern — „Lindlianer“ — hielt er in einem Privathause in Barmen Gottesdienst. Mit Anhängern an den Orten seiner früheren Wirksamkeit in Baiern blieb L. bis zu seinem Tode in Correspondenz. Noch 1852 und 1853 wurden gegen 50 Personen, die sich weigerten, die Lindl’schen Ansichten abzuschwören und das tridentinische Glaubeusbekenntniß abzulegen, von dem Bischof von Augsburg excommunicirt. — L. hat als Pfarrer in Baiern und später einige seiner Predigten und andere kleine erbauliche Schriften drucken lassen, zum Theil anonym, die in mehreren Auflagen erschienen — seine Abschiedspredigt in Gundremmingen unter dem Titel „Der uralte katholische Glaube", 1819 —, ferner „Mein Glaubensbekenntniß" (über seinen Uebertritt) und „Ueber die Sünde wider den heiligen Geist“, 1824, „Leitfaden zur einfachen Erklärung der Apokalypse“, 1826.

    • Literatur

      Gieseler, Kirchengeschichte V, 337. G. Aichinger, J. M. Sailer, 1865, 302, 310. J. Salat, Versuche über Supranaturalismus und Mysticismus, 1823, S. 502. Pastoralschreiben des Generalvicariats von Augsburg in Betreff der neuen schwärmerischen aftermystischen Lehren u. Secten vom J. 1820 (abgedruckt in Mastiaux' Lit.-Ztg. 1820, Nr. 35, interessant wegen des angehängten Verzeichnisses der von Lindl u. A. verbreiteten Schriften). F. W. Krug, Krit. Gesch. der protest. Schwärmerei etc., 1851, S. 290. V. Thalhofer, Beitr. zur Gesch. des Aftermysticismus, 1857, S. 75.

  • Autor/in

    Reusch.
  • Zitierweise

    Reusch, Heinrich, "Lindl, Ignaz" in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 698-699 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117025941.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA