Lebensdaten
1842 – 1934
Geburtsort
Berndorf bei Kulmbach (Oberfranken)
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Kältetechniker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11857311X | OGND | VIAF: 804246
Namensvarianten
  • Linde, Carl (bis 1898)
  • Linde, Karl von
  • Linde, Karl Paul Gottfried (bis 1898)
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Zitierweise

Linde, Carl Ritter von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857311X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich L. (1811-86), gfl. Giech’scher Konsistorialrat u. Pfarrer in B., 1849 Pfarrer u. 1852 Dekan in Kempten, 1873 Dekan in Neustadt/Aisch, seit 1853 Mitgl. d. Gen.synode, S d. Schuhmachers Ludwig in Regensburg u. d. Elisabeth Blumroeder;
    M Francisca (1810–79), T d. Kaufm. Michael Lind in Neuwied u. d. Franziska Gertrud Bianchi;
    1) Kempten 1866 Helene (1843–1919), T d. preuß. Wirkl. Geh. Rats Ferdinand Grimm (1806–95), Präs. d. preuß. Obertribunals, Mitgl. d. Herrenhauses, u. d. Maria Bianchi, 2) 1921 Elisabeth Rüthnick (N d. 1. Ehefrau);
    2 S, 4 T aus 1);
    E Friedrich (1870–1966), Dr. phil., Richard (1879–1961), Dr.-Ing., beide Kältetechniker u. Mitglieder d. Firmenleitung.

  • Biographie

    L.s Name ist verbunden mit bedeutenden Leistungen für die Entwicklung der Kältetechnik und der daraus entstandenen vielfältigen Wirtschaftszweige. Seine Jugendwelt hatte zu Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft kaum Beziehungen. Er wuchs auf – erst in oberfränk. Dörfern, dann in Kempten – in einem von ernster luth. Frömmigkeit geprägten Pfarrhause, in dem der Vater ein „gegen das eigene Behagen rücksichtsloses Pflichtgefühl“ vorlebte und in dem – bei neun Kindern, L. war das dritte –|eine „Einfachheit und Knappheit vorherrschte, wie sie nur in den Häusern der Armut zu finden sind“. Von seiner Mutter hat L. berichtet, daß sie ein starkes geistiges Element in das Familienleben einbrachte, indem sie „immer im Fluge schöpferischer Phantasie durch Darstellung höherer Güter den Wert der materiell entbehrten herabsetzte“. L. hat sich, als er später zu Wohlstand kam, trotz der bedrängten Jugendverhältnisse nicht als „sozialen Aufsteiger“ empfunden.

    Während seiner Schulzeit am Humanistischen Gymnasium in Kempten kam L. zum erstenmal mit der Technik in Berührung. In der Aktien-Baumwollspinnerei Kempten faszinierten ihn die großen Dampfmaschinen und Turbinen derartig, daß er sich entschloß, Ingenieur zu werden. In einem Brief überzeugte er den Vater, daß dessen Wunsch (Theologiestudium) für ihn nicht der richtige Weg sei. 1861-04 erhielt L. seine wissenschaftliche Ausbildung am Polytechnikum in Zürich, dessen Lehrkörper glänzende Namen aufwies: R. Clausius (Physik), R. Dedekind (Mathematik), F. Reuleaux (Maschinenbau) und G. Zeuner (Mechanik und theoretische Maschinenlehre), der L.s Hauptlehrer wurde. Auch außerhalb des Studiums empfing er mannigfache Anregungen, so in der Familie des Kunsthistorikers W. Lübke, in der u. a. Gottfried Keller verkehrte, und im Hause des Chirurgen Th. Billroth, wo er Johannes Brahms kennenlernte. Als L. kurz vor dem Examen – ohne eigene Beteiligung an der Sache – beim Rektor für nach seiner Ansicht zu Unrecht disziplinierte Mitstudenten eintrat, wurde er zusammen mit diesen aus Hochschule und Kanton verwiesen, so daß er kein Abschlußdiplom erhielt. Es wurde ihm durch private Zeugnisse einiger seiner Lehrer ersetzt.

    Nach dem Studium fand L. zunächst keine Arbeit. Auf Empfehlung Zeuners empfing ihn zwar August Borsig in Berlin, bot ihm aber nur eine unbezahlte Praktikantentätigkeit an; nach 6 Monaten erhielt er eine Stelle im Zeichenbüro. Nur die Sonntage im Hause seiner späteren Schwiegereltern, die ihm wenigstens einmal wöchentlich eine warme Mahlzeit verschafften, verschönten diese Zeit. Aufgrund einer Zeitungsnachricht, daß der Maschinenmeister Georg Krauss in München eine Lokomotivfabrik gründen wolle, bewarb sich L. als Leiter des Konstruktionsbüros und erhielt die Stelle. Obwohl Krauss meist genaue Anweisungen gab, entfaltete L. auch eigene Gedanken, z. B. den doppelt T-förmigen Querschnitt für Trieb- und Kuppelstangen zur Minderung des Biegungsmoments. Eine von ihm entwickelte Dampfrepressionsbremse wurde bald durch die Luftdruckbremse überholt. Auf die Nachricht, daß in München eine Polytechnische Schule errichtet werden solle, bewarb sich L., im Einvernehmen mit Krauss, um den Lehrstuhl für theoretische Maschinenlehre. Nachdem er durch Unterricht an einer Ingenieurschule seine Lehrbefähigung nachgewiesen hatte, wurde er 1868 als ao. und 1871, nach Ablehnung eines Rufes nach Darmstadt, als o. Professor berufen. Er übernahm auch die Schriftleitung des Bayer. Industrie- und Gewerbeblatts, des Organs des Polytechnischen Vereins.

    L. bezog als erster die Theorie der Kältemaschinen in die Maschinenlehre ein. Dabei zeigte er eine für ihn typische Verbindung der Fähigkeiten, praktische Bedürfnisse zu erkennen sowie theoretisch abgeleitete Ideen konstruktiv zu verwirklichen. Es waren verschiedene Arten von Kältemaschinen (Kaltluft-, Kaltdampf- und Absorptionsmaschine) in Gebrauch. In einer Abhandlung stellte L. 1871 fest, daß der Wirkungsgrad dieser Kältemaschinen ungenügend sei. Als für eine wirksamere Konstruktion am günstigsten erschien ihm das Kompressionsverfahren, bei dem man Dämpfe einer möglichst flüchtigen Flüssigkeit (L. verwandte zunächst Dimethylether) durch Kompression (unter Abführung der Kompressionswärme) verflüssigt und dann die Flüssigkeit durch ein Drosselventil austreten und wieder verdampfen läßt. Hierbei wird der Umgebung (durch einen Wärmeaustauscher) Wärme entzogen. Mit finanzieller Unterstützung Gabriel Sedlmayrs, des Besitzers der Münchener Spaten-Brauerei, ließ L. in der Maschinenfabrik Augsburg eine verbesserte Kompressions-Kältemaschine mit stehender Gaspumpe bauen. Auf diese Maschine erhielt er 1873 ein bayer. Patent. Ein zweiter Typ mit schneller laufender Gaspumpe, der (seit 1875) erstmals Ammoniak als Kühlmittel verwendete, wurde 1877 vom Reichspatentamt patentiert, ein dritter mit liegenden, doppelt wirkenden Gaspumpen folgte. L. entwarf in dieser Zeit auch eine verbesserte Eismaschine, die in einer Münchener Brauerei aufgestellt wurde. Inzwischen arbeitete er mit großen Brauereien in mehreren Ländern Europas zusammen. Seine Kältemaschinen, die er im In- und Ausland (u. a. Maschinenfabrik Augsburg, Gebr. Sulzer/Winterthur) bauen ließ, dienten der Kühlung der Gärkeller und der Bierwürze. Da jede einzelne|Anlage nach den örtlichen Bedingungen entworfen werden mußte und die Aufträge zunahmen, wurde diese Arbeit unvereinbar mit den Hochschullehrerpflichten. Als Krauss und einige Brauereibesitzer L. vorschlugen, seine Konstruktionen durch ein von ihm geführtes Unternehmen industriell zu verwerten, trat dieser 1878 von seinem Lehramt zurück, und es kam am 21.6.1879 zur Gründung der „Gesellschaft für Linde's Eismaschinen“ in Wiesbaden, einer AG, in die L. seine Patente einbrachte.

    L. übersiedelte nach Wiesbaden und leitete bis 1890 als Alleinvorstand das neue Unternehmen. Neben der Konstruktion von Kältemaschinen und -anlagen, die vor allem in Brauereien, Molkereien, Schlachthöfe, Schokoladefabriken und die chemische Industrie gingen, befaßte er sich mit dem Bau von Eisfabriken, die seit 1880 entstanden. 1882 baute er die erste Kunsteisbahn Deutschlands in Frankfurt/M. Die Geschäftstätigkeit dehnte sich bald auf das Ausland aus: Patente wurden verkauft und Gesellschaften zum Absatz der Kältemaschinen gegründet. Die erste Auslandsbeteiligung war die Linde British Refrigeration Co. in London (1885). In Belgien wurde die Société Anonyme des Frigorifères d'Anvers gegründet (1886). Auch in Österreich-Ungarn und Italien entstanden Unternehmen unter Beteiligung der Gesellschaft Linde. Die erste Inlandsbeteiligung erfolgte durch die Mitbegründung der Gesellschaft für Markt- und Kühlhallen in Berlin (1890). Im Wettbewerb mit anderen Herstellern mußte L. die Leistungsfähigkeit seiner Kältemaschinen nachweisen. Dies gelang ihm in der von ihm 1888 gebauten Versuchsstation in München, in der eine neutrale Kommission des Polytechnischen Vereins die dort aufgestellten Kältemaschinen prüfte und verglich. Als er 1890 die Leitung der „Gesellschaft für Linde's Eismaschinen“ aufgab und in den Aufsichtsrat übertrat, hatte er die Gewißheit, daß seine Maschinen die besten waren. Mehr als 1 000 waren inzwischen weltweit in Betrieb, davon fast ⅔ in Brauereien.

    Nun begann der zweite, noch bedeutsamere Abschnitt von L.s Wirken. Er nahm 1892 die Hochschullehrertätigkeit in München (ohne Gehalt, aber mit den akademischen Rechten eines o. Professors) wieder auf. Mittelpunkt seines weiteren Schaffens war die Versuchsstation. Bei Kälteversuchen mit Kohlensäure und Distickstoffoxid drang er in das Gebiet der Tieftemperaturtechnik ein und befaßte sich mit der Verflüssigung von tiefsiedenden Gasen. Zwar waren bereits Verfahren vorhanden, mit denen kleine Mengen flüssiger Gase gewonnen werden konnten, sie reichten aber nicht aus, um den Weg vom Labor in die Fabrik zu ebnen. Der entscheidende Schritt gelang L. 1895 mit der Verflüssigung von Luft unter Anwendung des Joule-Thomson-Effekts (ohne äußere Arbeitsleistung expandierende Gase kühlen sich je Atmosphäre Druckdifferenz um ca. 0,25° C ab). Die so erzielte Abkühlung wurde allgemein als technisch unerheblich, weil zu geringfügig angesehen. L. erkannte jedoch, daß es möglich war, durch mehrfache Wiederholung (in einem Kreislauf im Wege des sog. Gegenstromprinzips) den Effekt in einer sich vervielfachenden (nicht bloß addierenden) Weise zu kumulieren. Dabei wird die aus einem Drosselventil austretende abzukühlende Luft durch entgegenströmende, in einem vorangegangenen Arbeitsgang gekühlte Luft vorgekühlt und so auf eine niedrigere Ausgangstemperatur gebracht. Soweit erkennbar, hat L. dieses Verfahren selbständig gefunden. Allerdings stellte sich heraus, daß Wilhelm Siemens es bereits 1857 in einer (nicht weiter verfolgten) engl. Patentschrift angegeben hatte. L. hat deshalb als seine originale Leistung nur die Kombination des Joule-Thomson-Effekts mit dem Gegenstromprinzip in einer arbeitsfähigen Konstruktion bezeichnet.

    L.s Erfindung erregte großes Aufsehen. Ihre praktische Tragweite lag in der Möglichkeit, die Luftbestandteile (Sauerstoff, Stickstoff, später auch Edelgase wie Argon und Helium) in praktisch unbegrenzten Mengen durch Fraktionierung (Zerlegung) zu gewinnen. Der erste von L. konstruierte Apparat ergab eine Stundenleistung von 3 l flüssiger Luft, eine bis dahin nicht dargestellte Menge. Das 1895 erteilte Patent für ein „Verfahren zur Verflüssigung atmosphärischer Luft oder anderer Gase“ (DRP 88 824) führte zu einem Vertrag zwischen L. und der Gesellschaft für Linde's Eismaschinen, der die Auswertung des Patents unter seiner Leitung übertragen wurde. Die neugegründete Abteilung für Gasverflüssigung befaßte sich zunächst mit der Gewinnung von Sauerstoff aus Luft durch fraktionierte Destillation. Die Inbetriebnahme des entsprechenden Apparats erfolgte in der 1900 neu errichteten Versuchsstation – dem späteren Sauerstoffwerk – in Höllriegelskreuth bei München, wo erstmals 1901 ein Gemisch mit 50 % Sauerstoff – auch als „Linde-Luft“ bezeichnet – gewonnen wurde. Durch die schnelle Entwicklung der autogenen Metallbearbeitungsverfahren|verstärkte sich jedoch die Nachfrage nach reinem Sauerstoff. L. entwickelte 1902 ein neues Verfahren, mit dem es möglich war, reinen Sauerstoff wirtschaftlich zu gewinnen, und erwirkte ein Patent für „Verfahren und Apparat zur Herstellung von Sauerstoff von beliebiger Reinheit“.

    Im Sauerstoffwerk Höllriegelskreuth wurden sowohl Luftzerlegungsapparate gebaut als auch Sauerstoff produziert. Um diesen Sauerstoff zu verkaufen, war L. während des folgenden Jahrzehnts damit beschäftigt, eine geeignete Organisation im In- und Ausland zu bilden. Es kam zur Gründung verschiedener Gesellschaften: 1903 Vereinigte Sauerstoffwerke GmbH, Berlin, 1906 Beteiligung an der British Oxygen Co., London, und Mitbegründung der Internationalen Sauerstoff AG, Berlin, 1907 Gründung der Linde Air Products Co., Cleveland/USA. Weitere Gesellschaften in Dänemark, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn und Spanien folgten. In andere Länder wurden Lizenzen zur Produktion und zum Vertrieb von Sauerstoff gegeben. Der 1. Weltkrieg beendete zunächst den Ausbau einer internationalen Vertriebsorganisation. Weitere unternehmerische Aktivitäten entfaltete L. durch die Mitbegründung der Güldner-Motoren-Gesellschaft (zusammen mit Hugo Güldner) in München (1904), die ihm für den Antrieb der Kältemaschinen die Motoren lieferte. An dem 1906 nach Aschaffenburg verlegten Werk beteiligte sich die Firma Linde 1908 und übernahm es 1929 ganz.

    L. befaßte sich neben seiner Hochschullehrer-Tätigkeit, die er bis 1910 in München ausübte, auch weiter mit der Herstellung verflüssigter Gase. 1904 baute er einen Stickstoffapparat, 1910 war er an der Entwicklung des „Linde-Frank-Caro-Verfahrens“ zur Herstellung von Wasserstoff aus Wassergas mitbeteiligt, und 1913 gelang ihm die Gewinnung von Edelgasen aus der Luft. Sein Verfahren zur Argonerzeugung wurde 1914 zum Patent angemeldet. Der 1. Weltkrieg brachte für den über 70jährigen nochmals eine Zeit verstärkter Tätigkeit für das Unternehmen, das sich in seiner Produktion auf neue Aufgaben einstellen mußte: Kältemaschinen und -anlagen wurden für die Einlagerung von Lebensmitteln und für Feldlazarette benötigt, Sauerstoffapparate für Heereszwecke und Stickstoffapparate zur Herstellung von Düngemitteln. Als Folge des Krieges verlor das Unternehmen wesentliche Schutzrechte sowie Niederlassungen und Beteiligungen im Ausland.

    Noch im hohen Alter stellte L. sein Wissen und seine Erfahrung dem Unternehmen als Mitglied des Aufsichtsrats zur Verfügung, dem er bis zu seinem Tode (bis 1931 als Vorsitzender) angehörte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gesellschaft für Linde's Eismaschinen die Produktionsschwerpunkte Höllriegelskreuth, Sürth b. Köln, Mainz-Kostheim und Aschaffenburg. Die Produktpalette reichte von Luftzerlegungsapparaten und anderen verfahrenstechnischen Anlagen über technische Gase, Kältemaschinen und Kühlmöbel bis zu Dieselmotoren und Traktoren. Auch das Kühlhausgeschäft wurde betrieben. Vom 2. Weltkrieg wurde das Unternehmen durch teilweise Zerstörung wichtiger Werke und den Verlust von Schutzrechten. Beteiligungen und Niederlassungen im Ausland sowie aller auf dem Gebiet der heutigen DDR liegenden Betriebe schwer betroffen. Nach dem Krieg erfolgten ein verhältnismäßig rascher Wiederaufbau und die Wiederherstellung und erfolgreiche Ausweitung der internationalen Geschäftsbeziehungen. Im Produktprogramm und in den Aktivitäten des Unternehmens vollzog sich ein wichtiger Wandel. Mit einem Auftrag für den Bau einer petrochemischen Großanlage wurde der erste Schritt ins weltweite Anlagengeschäft getan (1965), die Motoren- und Traktorenfertigung wurde durch Hydraulik und Gabelstapler abgelöst (1969) und das internationale Gasegeschäft ausgebaut (1972). Die Stapleraktivitäten wurden durch Akquisitionen wesentlich verstärkt. Dagegen wurden die Schweißtechnik (1972), der Kolben- und Turbomaschinenbau sowie das Kühlhausgeschäft abgegeben (1984). Die Linde AG (Firmenname seit 1965) ist gegenwärtig auf folgenden Arbeitsgebieten tätig: Kältetechnik, Anlagenbau und Verfahrenstechnik, Technische Gase, Flurförderzeuge und Hydraulik. Auf allen diesen Gebieten gehört sie zu den führenden Herstellern.

    L. hat Forschung und Konstruktion mit Unternehmertum verbunden, zeigte aber als Unternehmer eigene, nicht von rationalem Gewinnstreben bestimmte Züge. Bei Gründung der Gesellschaft hielt er Reklame für überflüssig, weil er meinte, konstruktive Qualität und Zuverlässigkeit der Vertragserfüllung müßten sich von selbst durchsetzen. Als die Presse aus der Luftverflüssigung eine übertriebene Sensation machte, sagte er alle Vorträge ab, „um dem unerfreulichen Rummel ein für alle Mal ein Ende zu machen“. Dem Kaiser und der Reichsregierung hat er unter dem Titel „Die Schätze der Atmosphäre“ über seine Erfindung in einem|Vortrag berichtet, in dem das Wort „ich“ nicht vorkommt. Politisch-soziale Verantwortung hatte sich nach seiner Meinung zuerst im eigenen Lebens- und Arbeitsbereich zu bewähren. Für Stadtfahrten benutzte er aus Rücksicht ein Elektromobil. Frühzeitig (seit 1886) veranlaßte er, daß Firmengewinne auch für zusätzliche Betriebsrenten oder Wohnungen für Mitarbeiter verwandt wurden. Ehrenamtliche Arbeit leistete er in überdurchschnittlichem Maße: bei der Gründung und Verwaltung des Deutschen Museums, im Vorstand des Vereins Deutscher Ingenieure, in der Bayer. Akademie der Wissenschaften und in vielen anderen Gremien. Aus eigenen Mitteln errichtete er ein Internat für die bessere Ausbildung von Pfarrerstöchtern und – auf Anregung seiner Frau – ein Zufluchtsheim für Frauen und Mädchen. In all dem kann man – unabhängig von seiner erheblichen Beteiligung an kirchlichen Aufgaben – Züge eines oft lutherisch genannten Ethos des Berufs und der Lebensführung erkennen. Freilich lebte L. im rational-naturwissenschaftlichen Weltbild seiner Zeit, aber schon vom Elternhaus her und unter dem Eindruck christlicher Persönlichkeiten, die er eigens zu geistigem Austausch in sein Haus lud, blieb er zeitlebens davon überzeugt, daß der christliche Glaube eine reale Macht sein könne. Die Frage, ob und wie sich dieser Glaube mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild vereinen lasse, blieb für ihn – wie für viele Zeitgenossen – wohl offen.|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Göttingen 1897), Dr.-Ing. E. h. (TH Dresden 1902), Dr. techn. h. c. (TH Wien 1917);
    GR (1912);
    Mitgl. d. Kuratoriums d. Physikal.-Techn. Reichsanstalt (1895), d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1896), d. Gründungskomitees f. d. Dt. Museum, München (1903) u. d. Vorstands d. VDI, Vorsitzender d. Vorstands d. Dt. Kältever. (1909);
    Maximilians-Orden f. Wiss. u. Kunst (1907), Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1918);
    Grashof-Denkmünze (1897), Siemens-Ring (1916).

  • Werke

    u. a. Über einige Methoden zum Bremsen d. Lokomotiven u. d. Eisenbahnzüge, 1868;
    Über d. Wärmeentziehung b. niedrigen Temperaturen durch median. Mittel, in: Bayer. Industrie- u. Gewerbebl. 2, 1870, S. 205-10, 321-26, 363-67;
    Ber. üb. Versuche an e. 400pferdigen Ventil-Dampfmaschine v. Gebr. Sulzer in d. Kammgarnspinnerei zu Augsburg, ebd. 3, 1871, S. 131-51;
    Verbesserte Eis- u. Kältemaschine, ebd. S. 264-72;
    Über d. Verflüssigung v. Gasen, ebd. 25, 1893, S. 313-18;
    Maschine z. Erzielung niedrigster Temperaturen, z., Gasverflüssigung u. z. mechan. Trennung v. Gasgemischen, ebd. 28, 1896, S. 361-63;
    Theorie d. Kälteerzeugungsmaschine, in: Verhh. d. Ver. z. Beförderung d. Gewerbefleißes in Preußen 54, 1875, S. 357-67, 55, 1876, S. 185-96;
    The refrigeration machines of today, in: Transactions of the American Society of Mach. Eng. 14, 1893, S. 1414-41;
    Erzielung niedrigster Temperaturen, Gasverflüssigung, in: Ann. d. Physik u. Chemie 57, 1896, S. 328-32;
    Kälteerzeugungsmaschine, in: Luegers Lex. d. ges. Technik V, 1897, S. 353-73;
    Kältemaschine, ebd. V, ²1907, S. 257-77;
    Über d. Veränderlichkeit d. spezif. Wärme d. Gase, in: SB d. Bayer. Ak. d. Wiss. 27, 1897, S. 485-89;
    Die Entwicklung d. Kältetechnik insbes. in München während d. letzten Vierteljh., in: Festschr. d. 71. Verslg. dt. Naturforscher u. Ärzte, 1899, S. 189;
    Zur Gesch. d. Maschinen f. d. Herstellung flüssiger Luft, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 32, 1899, H. 6, Nr. 133;
    Sauerstoffgewinnung mittels fraktionierter Verdampfung flüssiger Luft, in: VDI-Zs. 46, 1902, S. 1173-78;
    Die wiss. Ergebnisse d. Münchener Kälte-Versuchsstation, ebd. 47, 1903, S. 1071-76;
    Physik u. Technik auf d. Wege z. absoluten Nullpunkt d. Temperatur (Festrede in d. Ak. d. Wiss. München), 1912;
    Technik d. tiefen Temperaturen, 1. T.: Die physikal. u. techn. Grundlagen (zum 3. Internat. Kältekongreß in Chicago), 1913;
    Aus meinem Lehen u. v. meiner Arbeit, 1916, ³1983;
    Aus d. Gesch. d. Kältetechnik, in: Btrr. z. Gesch. d. Technik u. Industrie 8, 1918, S. 1-34.

  • Literatur

    50 J. Kältetechnik, Gesch. d. Ges. f. Linde's Eismaschinen 1879-1929, 1929;
    C. v. L. z. 90. Geb.-tag, in: Abhh. u. Berr. d. Dt. Mus. 4, 1932;
    C. Matschoß, in: VDI-Zs. 78, 1934, S. 1417-20 (P);
    ders., Große Ingenieure, 1937, ⁴1954 (P);
    J. Zenneck, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1934/35, S. 62-66;
    H. Mache, in: Alm. d. Wiener Ak. d. Wiss. 1935, S. 272-84;
    R. Plank, C. v. L. u. s. Werk, in: Zs. f. d. ges. Kälte-Industrie 42, 1935, H. 9;
    H. Hausen, Gedanken u. Erkenntnisse C. v. L.s auf d. Gebiete d. Luftverflüssigung u. Gaszerlegung, ebd. H. 11;
    G. Büscher, Festes Wasser, flüssige Luft. 1942 (W, L, P);
    75 J. Linde, Jubiläumsgabe d. Ges. f. Linde's Eismaschinen AG, 1954 (P);
    R. Plank, Gesch. d. Kälteerzeugung, in: Hdb. d. Kältetechnik I, 1954, S. 1 ff.;
    ders., C. v. L., in: H. Auer u. F. Klemm (Hrsg.), Schätze d. Dt. Mus., 1969 (L, P);
    W. Meißner, in: Geist u. Gestalt II, 1959, S. 109-12;
    I. Bauert-Keetman, Dt. Industriepioniere, 1966, S. 207-19;
    F. Klemm, In: Dict. of Scientific Biogr., 1974 (W, L);
    Linde 1879-1979, Festschr. z. 100j. Bestehen d. Linde AG, 1979 (P);
    Pogg. IV-VII (Suppl.). -
    G. Michaelis, Fam.buch Linde-Grimm, 1981.

  • Porträts

    Phot. in: Geist u. Gestalt, Biogr. Btrr. z. Gesch. d. Bayer. Ak. d. Wiss., III, 1959.

  • Autor/in

    Kurt Mayer, Karl Michaelis
  • Zitierweise

    Mayer, Kurt; Michaelis, Karl, "Linde, Carl Ritter von" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 577-581 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857311X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA