Lebensdaten
1875 – 1942
Geburtsort
Düsseldorf
Sterbeort
Locarno
Beruf/Funktion
evangelischer Theologe ; Kirchenhistoriker ; Neutestamentler
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118572865 | OGND | VIAF: 59209861
Namensvarianten
  • Lietzmann, Hans
  • Lietzmann, D. Hans
  • Lietzmann, H.
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Porträt(nachweise)

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Zitierweise

Lietzmann, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118572865.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (1836–85), preuß. Hauptsteueramtsrendant in Mühlberg/Elbe, S d. Tuchmachers Joh. Gottlob in Crossen u. d. Charlotte Elisabeth Ulber;
    M Hanna ( 1875), T d. Kürschnermeisters Funcke;
    Stief-M Elise Funcke ( 1924); entfernt verwandt Carl, Bertold u. Karl Litzmann (s. NDB 14);
    - Jena 1919 Jutta Höfer (1887–1978);
    1 S (⚔), 2 T Sabina (* 1919), Dr. phil., Journalistin, Regina ( Karl Korn, * 1908, Mithrsg. d. Frankfurter Allg. Ztg. bis 1973).

  • Biographie

    Nach dem Abitur in Wittenberg 1893, wohin die Familie nach dem Tod des Vaters gezogen war, studierte L. Theologie und klassische Philologie in Jena (1893–94), dann in Bonn (1894–98), wo er durch den Religionshistoriker Hermann Usener und den klassischen Philologen Franz Buecheler bleibende Anregung erhielt. Schon während des Studiums (1898 Staatsexamen für Lateinisch, Griechisch, Religion und Hebräisch mit abschließender Referendarausbildung) legte L. mit Preisarbeiten den Grund für die akademische Karriere (1896 Lic. theol. in Bonn auf Grund der Dissertation „Der Menschensohn, Ein Beitrag zur neutestamentlichen Theologie“; 1897 Beauftragung durch die Göttinger Akademie mit Katenenforschung). Seine Textforschung zu den Apollinarisfragmenten trug ihm 1899 den Preis der Göttinger Akademie ein (Apollinaris von Laodicea und seine Schule, 1904). Nach der Habilitation für „Alte Kirchengeschichte, Patristik, Text- und Kanonsgeschichte“ an der ev. Fakultät Bonn (1900) folgten Jahre intensiven Arbeitens und Planens. 1902 begann L. mit der Herausgabe der „Kleinen Texte für Vorlesungen und Übungen“ zu allen philologischen Disziplinen (bis 1942 170 Hefte). Im Jahr der Berufung zum ao. Professor für Kirchengeschichte nach Jena (1905) beschloß er mit anderen Fachgenossen das „Handbuch zum Neuen Testament“ zu schaffen. Mit dem ersten Band zum Römerbrief des Paulus (1906) gab L. für die weiteren von ihm bearbeiteten Kommentare (1. Kor. 1907; 2. Kor. 1909; Gal. 1910, zuletzt 1971) und die seiner Mitarbeiter das mittlerweile klassische Vorbild einer Verbindung von philologisch exakter Methode der Textbearbeitung mit religionshistorischer Einordnung der Texte. Gleichzeitig begann L. mit seinen „Tabulae in usum scholarum“ (Bd. 1 „Specimina codicum graecorum Vaticanorum“, 1910) eine neue Reihe, die 1930 mit dem 10. Band beendet wurde. Die Ernennung zum o. Professor (1908) ließ die freie Wahl von Reisezielen zu. Eine Reise nach Griechenland (Frühjahr 1912), die der Bonner Freund und damalige Direktor am Archäologischen Institut in Athen Georg Karo inauguriert haben dürfte, brachte L. jene Welt näher, die er bereits in Bonn durch einen archäologischen Handapparat sich angeeignet hatte und in Jena, darin durch die Carl-Zeiß-Stiftung unterstützt, in einem Seminar durch Übungen vorgestellt hatte. 1913 trat er die nächste Reise nach Tunis und Sizilien an. Resultat seiner archäolog. Bemühungen war die Monographie „Petrus und Paulus in Rom“ (1915), die „Liturgische und archäologische Studien“ zum Nachweis vereinte, daß die Tradition vom Märtyrertod der beiden „Apostelfürsten“ in Rom historische Evidenz habe. Erst recht in seiner 2. Auflage 1927 (durch einen Fundbericht zu S. Sebastiano durch den Archäologen A. v. Gerkan ergänzt) ist dieses Werk für L.s Methode repräsentativ, Spezialdisziplinen in den Dienst einer zusammenfassenden Darstellung der christlichen Spätantike zu stellen. Inzwischen trieb er die Handschriftenforschung zum Sakramentar Gregors d. Gr. voran, woraus seine Handausgabe des „Sacramentarium Gregorianum nach dem Aachener Urexemplar“ (1921) hervorging. Verfassungs- und Symbolstudien (seit 1913 bzw. 1922) zeigen, daß ihm auch an der Spezialisierung der Forschung lag. Dagegen wurde seine liturgische Untersuchung „Messe und Herrenmahl“ (1926) zum Musterbeispiel retrospektiver Analyse liturgischer Quellen, um Probleme ihres Ursprunges im Neuen Testament zu lösen.

    L., der bereits 1906 Leiter der „Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger“ und 1914 Mitglied des Jenaer Stadtgemeinderates geworden war, wurde im 1. Weltkrieg nicht eingezogen und konnte daher seine wissenschaftliche Arbeit fortsetzen. 1917/18 war er auch Leiter der Landwirtschaft des Roten Kreuzes in Jena, die für die Kranken und Verwundeten Milch und Butter lieferte, 1919 wurde er Mitbegründer und 1. Vorsitzender der „Gesellschaft für Kirchengeschichte“, 1921 übernahm er die Redaktion der „Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft“. Diese vielfältigen Tätigkeiten machen es verständlich, daß L. zunächst den ehrenvollen Ruf als Nachfolger Adolf v. Harnacks ablehnte. Erst 1923 ging er als Professor für Kirchengeschichte, Neues Testament und Christliche Archäologie nach Berlin, vor allem seinem Freund K. Holl zuliebe. Die nächsten 10 Jahre befand sich L. auf der Höhe seines Schaffens, wobei er als Mitglied des Hauptausschusses der „Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaft“ (1923) weit über seine Fakultät hinaus wirken konnte, so bei der Neugründung wissenschaftlicher Organe wie der „Antike“ (1925-44) und des „Gnomon“ (1925-44, 1949 ff.). Gemeinsam mit R. Delbrück, später mit G. Rodenwaldt, begann er die „Studien zur spätantiken Kunstgeschichte“ (1925 ff.), mit K. Holl, später mit Em. Hirsch, die „Arbeiten zur Kirchengeschichte“ (1925 ff.), mit K. Weidel die „Religionskundlichen Quellenhefte“ (1925 ff.). Dem Beirat der „Theologischen Literaturzeitung“ seit 1926 angehörend, hatte L. auf das Rezensionswesen für alle theologischen Disziplinen Einfluß. Mit seinen halbjährlichen „Notizen“ in der „Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft“ nahm er zur neutestamentlichen Forschung laufend Stellung. Der Eintritt in die Berliner Kirchenväter-Kommission (1926), deren Vorsitzender er nach Harnacks Tod 1930 wurde, und die Wahl zum Mitglied der Berliner Akademie (1927) verpflichteten noch mehr zu alljährlichen Berichten und Akademiebeiträgen. Diese Arbeitsüberlastung war u. a. der Grund, warum L. 1927 Auseinandersetzungen innerhalb der „Gesellschaft für Kirchengeschichte“ zum Anlaß nahm, den Vorsitz niederzulegen. Dafür fand er seit 1928 Zeit, sich an der Vermessung der Landmauer von Konstantinopel aktiv zu beteiligen, nachdem er bereits seit 1926 an den Vorberatungen für eine „Zweiganstalt des Deutschen Archäologischen Instituts in der Türkei“ (Istanbul) teilgenommen hatte; ebenso war er an der Publikation von „Die jüd. Katakombe der Villa Torlonia in Rom“ (1930) durch H. W. Beyer beteiligt.

    L., der Mitglied der Lutherkommission war, redigierte zum Reformationsjubiläum 1930 die „Bekenntnisschriften der ev. luth. Kirche“ und verfaßte darin einen symbolgeschichtlichen Beitrag. Hatte er schon in Jena zu Tagesfragen in Zeitungen Stellung genommen, so auch in Berlin. Diese Öffentlichkeitsarbeit erreichte in den Diskussionsbeiträgen zum preuß. Staatsvertrag ev. Landeskirchen (Fakultätsklausel) und zu den Pädagogischen Akademien 1930 einen Höhepunkt. Dadurch wurde auch das Interesse der Öffentlichkeit an der wissenschaftlichen Arbeit L.s gefördert, wie das vielfache Presseecho auf „Der Prozeß Jesu“ – ursprünglich eine Akademievorlage – zeigt (1931). – Solcher Breitenwirkung setzte das Jahr 1933 ein Ende. L., der das Marburger Gutachten zur Bekenntniswidrigkeit des Arier-Paragraphen unterschrieb, der „Bekennenden Kirche“ beitrat (1934) und sich von seinem langjährigen Freunde Em. Hirsch, jetzt „Deutscher Christ“, trennte, versagte sich allerdings den Beschlüssen der Augsburger Bekenntnissynode (1935). So konnte er nur noch hinter der Bühne wirken. Dabei kam ihm seine Freundschaft zum preuß. Finanzminister Popitz zustatten. Dieser galt als „eigentlicher Kultusminister Preußens“ (P. Fechter) und als „Kanzler“ der Mittwochsgesellschaft, der L. seit 1924 angehörte. Vielfach wurde L. im Kirchen- und Kulturkampf dieses letzten Lebensjahrzehnts gerade dieser Verbindung wegen um Hilfe angegangen, wenn man nicht gar ihm selber zutraute, verhaftete jüdische Kollegen aus der sog. Schutzhaft zu befreien, wie mit Erfolg im Falle von Paul Friedländer. Die Entwicklung der Mittwochsgesellschaft zur Widerstandsbewegung, die Popitz inaugurierte, hat auch er bejaht. Mit Popitz arbeitete er eine, in dem von Hitler befreiten Deutschland durchzuführende, Hochschulreform aus. In dieser Zeit hat L. seine bereits 1932 begonnene „Geschichte der Alten Kirche“ bis zum 3. Band (1938) fortgeführt (Bd. 4 wurde 1944 von W. Eltester aus dem Nachlaß herausgegeben). Bis heute immer wieder nachgedruckt, bleibt sie die Meisterleistung L.s. Im Gegensatz zu Harnacks „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ wollte L. mit ihr nicht eine streng auf neuere theologische Prämissen gegründete, sondern eine voraussetzungslose Darstellung der alten Kirche geben, die nur beschreibend sein wollte und auf Anschaulichkeit bedacht war. Darin ist sie die reifste Frucht des Historismus auf kirchengeschichtlichem Gebiet geworden.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Göttingen (1914), Berlin (1927), München (1932), Athen (1935), Stockholm (1938), Wien (1940) u. Lund;
    Mitgl. d. Zentraldirektion d. Dt. Archäolog. Inst. (1921), d. „Bezan Club“ (internat. Vereinigung neutestamentl. Textkritiker, 1924), d. Fortsetzungsausschusses d. „Confederation for Faith and Order“ (1931);
    griech. Phönixorden, schwed. Nordsternorden.

  • Werke

    Bibliogr.: K. Aland, Zs. f. neutestamentl. Wiss. 41, 1942, S. 12-33;
    erg. in: Glanz u. Niedergang …, s. u. Briefe S. 1194-1222. -
    Autobiogr. in: E. Stange (Hrsg.), Die Rel.wiss. d. Gegenwart in Selbstdarst. II, 1926, S. 77-117 (verkürzt in: H. L., Kleine Schrr. III, 1962, S. 331-68);
    SB d. Berliner Ak., phil.-hist. Kl., 1927, S. LXXXIII-VI (dass. in: Kleine Schrr., s. o.). -Briefe:
    K. Aland (Hrsg.), Glanz u. Niedergang d. dt. Universität, 50 J. dt. Wiss.gesch. in Briefen an u. v. H. L. (1892-1942), 1979, S. 157-1035, 1036-93 (Anm.).

  • Literatur

    B. Litzmann, Im alten Dtld., 1923, S. 3-34;
    K. Litzmann, Lebenserinnerungen I, 1927, S. 132-35;
    H. Bornkamm, in: Zs. f. neutestamentl. Wiss. 41, 1942, S. 1-12;
    K. Aland, in: Eckart 18, 1942, S. 246-50;
    L. Fendt, in: Theol. Lit.ztg. 67, 1942, S. 193-200;
    W. Eltester, ebd. 68, 1943, S. 1-10;
    G. Rodenwaldt, in: Jb. d. Dt. Archäolog. Inst., 1942, S. 507-12;
    P. Fechter, Menschen u. Zeiten, 1949, S. 365-417;
    G. Karo, Fünfzig J. aus d. Leben e. Archäologen, 1959, S. 48-50;
    K. Aland, H. L. u. d. kath. Patristiker s. Zeit, in: Kyriakon, Festschr. f. J. Quasten, 1970, S. 615-35;
    ders., Aus d. Blütezeit d. Kirchenhist. in Berlin, in: Saeculum 21, 1970, S. 235-63;
    ders., Glanz u. Niedergang …, s. W, S. 1-155;
    K. Bittel, Zur Gesch. d. Abt. Istanbul d. Dt. Archäolog. Inst. v. 1929–79, 1980, S. 73-80;
    K. Scholder, Die Mittwochs-Gesellschaft, Protokolle aus d. geistigen Dtld. 1932–44, 1982, S. 85 ff., 378;
    RGG;
    RGG³;
    Ev. Kirchenlex. II, ²1962;
    LThK²

  • Autor/in

    Carl Andresen
  • Zitierweise

    Andresen, Carl, "Lietzmann, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 544-546 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118572865.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA