Lebensdaten
1873 – 1964
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin-Wilmersdorf
Beruf/Funktion
politischer Publizist ; Schriftsteller
Konfession
andere
Normdaten
GND: 116873310 | OGND | VIAF: 92880916
Namensvarianten
  • Lehmann-Rußbüldt, Otto
  • Lehmann-Russbüldt, Otto
  • Lehmann, Otto Gustav Albert Willy
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Lehmann-Rußbüldt, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116873310.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gustav L., Steuerbeamter;
    M Amalie Helfer, aus Liebau (Riesengebirge);
    1) N. N., 2) Berlin 1926 Lucie Piontkowski (1907–37), aus Seeheim Kr. Briesen, 3) London 1940 Jeanette Saphir (1894–1969);
    1 S, 1 T aus 1), 1 T aus 2).

  • Biographie

    L. kam im Alter von elf Jahren als „Begabten-Freischüler“ auf die Realschule. Nach dem Schulabschluß absolvierte er eine Lehre im Buchhandel. Der 18jährige fand in der meckl. Familie Rußbüldt ein zweites Zuhause; er fügte deren Namen später seinem eigenen hinzu. – L. schloß sich in jungen Jahren der Gemeinde der Neuen Kirche Swedenborgs an, die, nach seiner eigenen Aussage, „Darwinismus, Kriegsdienstverweigerung, Spiritismus, urchristliche Ethik in sich zu vereinen“ suchte. Dem 1900 von Wilhelm Bölsche und Bruno Wille gegründeten Giordano-Bruno-Bund, der später in die monistische Bewegung einging, gehörte L. dann als dessen Sekretär an. Seinen Unterhalt verdiente er als selbständiger Versandbuchhändler (für freigeistige, monistische Literatur) und als freiberuflicher parlamentarischer Berichterstatter. In seinen ersten Veröffentlichungen (Novellen, Flugschriften usw.) kämpfte er gegen die Orthodoxie der institutionellen Kirchen und trat für die Kirchenaustrittsbewegung ein. Seine Aktivitäten, u. a. im Komitee „Konfessionslos“, trugen ihm 1913 eine Verurteilung zu einer Woche Gefängnis wegen Gotteslästerung ein. L.s geistiger und politischer Mentor war in der Anfangszeit der Reitsportler Kurt v. Tepper-Laski. Mit ihm und anderen gründete er im Nov. 1914 den Bund Neues Vaterland. Der Bund bekämpfte im 1. Weltkrieg in Flugschriften, Broschüren, Aufrufen und Manifesten eine Annexionspolitik des Alldeutschen Verbandes und verlangte einen sofortigen Verständigungsfrieden. L. verfaßte eine der ersten Programmschriften des Bundes unter dem Titel „Die Vereinigten Staaten von Europa“ (1914). Zu den Mitgliedern des Bundes, der 1916 für einige Zeit vom Oberkommando in den Marken verboten wurde, gehörten Gg. Graf v. Arco, E. Bernstein, Hans Delbrück, Albert Einstein, Kurt Eisner, Hellmut v. Gerlach, Rob. Kuczynski, Ernst Reuter und Hans Wehberg. – Seit Herbst 1915 arbeitete L. als Krankenträger in einer Sanitätskompanie, die an fast allen Fronten zum Einsatz kam. Nach dem Krieg verfaßte er – auf Grund eigener Erfahrungen – eine erste Schrift gegen die sog. Dolchstoßlegende (Warum erfolgte der Zusammenbruch an der Westfront?, 1918). – Bis 1926 war L. Generalsekretär der Deutschen Liga für Menschenrechte, die 1922 aus dem 1918 neugegründeten Bund Neues Vaterland hervorgegangen war. Programmpunkte dieser pazifistischen Liga waren u. a.: Völkerversöhnung durch internationale Zusammenarbeit, Aufbau eines neuen Europa, Abschaffung von Gewalt- und Klassenherrschaft und Kampf für die Verwirklichung der Menschenrechte. L.s Schrift „Die Brücke über den Abgrund“ (1922), eine der ersten Programmschriften der Liga, setzte sich besonders für die deutsch-franz. Verständigung ein. 1927 erschien aus seiner Feder eine Geschichte der Liga und ihrer Vorläuferorganisation. Er wandte sich zunehmend gegen den wiedererstarkten deutschen Militarismus, die illegale Aufrüstung und gegen die Existenz einer sog. Schwarzen Reichswehr (Die blutige Internationale der Rüstungsindustrie, 1929, in 11 Sprachen übersetzt). Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Antimilitarist und Pazifist wurden mehrere Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen ihn durchgeführt. Nach der Machtergreifung Hitlers war L. Mitinitiator des u. a. von Heinrich Mann und Rudolf Olden gegründeten Komitees „Das Freie Wort“, dem es noch am 19.2.1933 gelang, einen antifaschistischen Kongreß in Berlin zu organisieren. L., der lange Zeit ständiger Mitarbeiter der „Weltbühne“ gewesen war, wurde am Tag nach dem Reichstagsbrand (28.2.1933) verhaftet. Gemeinsam mit Carl v. Ossietzky saß er im Spandauer Gefängnis. Dem nach einer zweiten kurzen Gefängnishaft irrtümlich Freigelassenen gelang Ende März 1933 die Flucht ins Ausland. Im Nov. 1933 kam der 60jährige, dem im Aug. 1933 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden war. nach England.

    In seinem Londoner Exil schrieb er u. a. für deutsche Emigrantenzeitungen, wie die „Pariser Tageszeitung“, das „Pariser Tageblatt“, „Das Andere Deutschland“, wobei er vor allem gegen die von den Nationalsozialisten betriebene Aufrüstung Stellung bezog. Der Emigrantenorganisation der Deutschen Liga für Menschenrechte gehörte L. als „Ehrensekretär“ an; er gab 1941-46 deren „Rundbriefe des Flüchtlings“ heraus. Praktisch spielte die Liga in der deutschen politischen Emigration in Großbritannien jedoch keine wesentliche Rolle. – 1935/36 hatte sich L., der Mitglied der Exilorganisation des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller (SDS) war, neben Max Braun, Georg Bernhard, Wilhelm Koenen, Heinrich Mann u. a. an Bestrebungen zur Begründung einer Deutschen Volksfront beteiligt. Es kam zeitweise zu einer Zusammenarbeit zwischen L. und Karl Höltermanns Gruppe der Parlamentarier, Kurt Hillers Freiheitsbund deutscher Sozialisten, Hans Jaegers Volkssozialistischer Bewegung und Wickham Steed, einem prominenten brit. Journalisten. Etwa seit 1943 löste sich L. von den Kommunisten, mit denen er vorher im Sinne eines allgemeinen antifaschistischen Kampfes zusammenzuarbeiten bereit gewesen war. Er betätigte sich auch in der Schulungsarbeit für deutsche Kriegsgefangene in Großbritannien.

    1951 kehrte L. auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter, in seine Heimatstadt zurück. In Anerkennung seiner Verdienste um den Frieden und die Menschenrechte erhielt er den Ehrensold durch den Berliner Senat; 1953, anläßlich seines 80. Geburtstags, wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen. 1954 trat L., inzwischen Ehrenpräsident der Deutschen Liga für Menschenrechte, wegen Differenzen über den politischen Kurs und über das finanzielle Geschäftsgebaren aus der Liga aus. Anläßlich seines 90. Geburtstags wurde der „Veteran der deutschen Friedensbewegung“ mit der erstmals von der Internationalen Liga für Menschenrechte verliehenen Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet.

  • Werke

    Weitere W u. a. Weckruf an Dtld.s junge Geister, 1901;
    Venus Madonna, Zwei Novellen, ³1909;
    Der geistige Befreiungskrieg, ⁴1913;
    Der Gotteslästerungsprozeß wider Friedrich d. Gr., 1914;
    Jung-Frühling, Eine hist. Märchendichtung, 1919;
    Vom dt. Michel zum Weltbürger, 1920;
    Republik Europa, 1925;
    Weißbuch üb. d. Schwarze Reichswehr, 1925 (mit E. J. Gumbel u. a.);
    Die dt. Militärpol. seit 1918, [Offener Brief] An d. Dt. Reichspräs., 1926 (mit C. Mertens u. a.);
    Der Kampf d. Dt. Liga f. Menschenrechte, vormals Bund Neues Vaterland, f. d. Weltfrieden 1914–27, 1927;
    Die Reichswehr, 1930;
    Die Rev. d. Friedens, 1931;
    Germany's Air Force, 1935;
    Wer rettet Europa? Die Aufgabe d. kleinen Staaten, 1936;
    Landesverteidigung ohne Profit, 1936;
    Der Krieg als Geschäft, 1938;
    Neues Deutschtum, 1939;
    Aggression, The Origin of Germany's War Machine, 1942;
    Should and could the Jews return to Germany? 1944;
    Landesverteidigung, Vortrag vor dt. Kriegsgefangenen in England, 1947;
    Reiter durch Jahrhunderte, Jugendphantasien e. Rev.soldaten, 1947;
    Europa den Europäern, 1948 (mit A. Hirsch);
    Interviews im Jenseits - Plaudereien, Satiren u. Visionen e. Weltbürgers, 1948;
    Dt. Gen.-Feldmarschälle u. ihr Gen.-Geldmarschall, 1953;
    Wie gewinnen wir d. Frieden, 1956. -
    Mein Leben (unveröff. Memoiren, Bonn, Archiv d. soz. Demokratie).

  • Literatur

    J. Stöcker, Männer d. dt. Schicksals, 1949;
    A. Anders, Höchstes Menschenrecht: Frieden! Zum 90. Geb.tag v. O. L. in: Berliner Stimme Nr. 1 v. 5.1.1963;
    R. Greuner, Gegenspieler, Profile linksbürgerl. Publizisten aus Kaiserreich u. Weimarer Republik, Berlin (Ost) 1968;
    K. R. Großmann, Emigration, Gesch. d. Hitler-Flüchtlinge 1933–45, 1969;
    W. Röder, Die dt. Sozialist. Exilgruppen in Großbritannien 1940–45, 1973;
    U. Langkau-Alex, Volksfront f. Dtld?, Bd. 1, 1977;
    BHdE I.

  • Porträts

    6 Phot. (Bonn, Archiv d. soz. Demokratie).

  • Autor/in

    Wolfgang Gröf
  • Zitierweise

    Gröf, Wolfgang, "Lehmann-Rußbüldt, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 99-101 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116873310.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA