Lebensdaten
1868 – 1946
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
Fischbach (Riesengebirge)
Beruf/Funktion
Philosoph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 116589817 | OGND | VIAF: 100302190
Namensvarianten
  • Kühnemann, Eugen
  • Kühnemann, Eugen
  • Cühnemann, Eugen

Objekt/Werk(nachweise)

Porträt(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Kühnemann, Eugen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116589817.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Eugen (1833–1904), Geh. Reg.rat in H., S d. Eugen (1805–77), aus Ratibor, Geh. Finanzrat, Hauptkassenjustitiar in Berlin, u. d. Dorothea Adermann;
    M Ida (1834–1913), T d. Apothekers Stahr in Gnoien (Mecklenburg);
    Vt Herbert (1899–1962), Präs. d. Dt. Patentamts;
    - 1) Berlin 1895 Klara (1869–1935), T d. Musikprof. Wilhelm Pfeiffer u. d. Adolfine Riedel, 2) Breslau 1935 Elisabeth (1899–1945), T d. Reichsbahnbeamten Alfred Reinboth;
    3 T aus 1), 2 S, 1 T aus 2).

  • Biographie

    K. begann 1886 in Marburg das Studium der Philosophie, Altphilologie und Germanistik. Von Hermann Cohen wurde er in die Philosophie Kants eingeführt, den er zeitlebens als seinen „größten Lehrer“ bezeichnete, während er Goethe als dessen „Erfüllung“ ansah. Er verkannte dabei, daß Goethe sein eigenes Denken gerade als Gegensatz zur Philosophie Kants verstand. 1887 setzte K. sein Studium in München fort. Bei Karl v. Prantl hörte er Geschichte der Philosophie, bei H. Brunn Archäologie, bei Mich. Bernays deutsche Literatur. Nach einem Zwischensemester in Berlin kehrte er nach München zurück und wurde mit einer Arbeit über „Die Kantischen Studien Schillers und die Komposition des Wallenstein“ (1889) im Juli 1889 zum Dr. phil. promoviert. In freien Studien hörte er 1889/90 in Göttingen bei Wilamowitz-Moellendorff, 1890 in Berlin bei Treitschke. Dazwischen – im Frühjahr 1890 – hielt er sich in Paris auf. Vor allem waren es hier Werk und Persönlichkeit H. A. Taines, die auf K. einen nachhaltigen Eindruck machten. Taine führte ihn ein in das Werk von Balzac, Stendhal, Flaubert und Zola sowie in eine neue Art des geistigen Erfahrens, weg von einer sterilen „Verbücherung“. Nachdem 1894 bei Wilh. Dilthey in Berlin sein erster Versuch, sich zu habilitieren, gescheitert war, gelang es K. 1895, in Marburg unter Cohen Privatdozent zu werden. Seine Habilitationsschrift handelt über „Kants und Schillers Begründung der Ästhetik“ (1895). – K. bediente sich der ganzheitlich-synthetischen Methode. Es kam ihm stets darauf an, die Philosophie mit dem Leben, den Gedanken mit der Tat, das Werk mit der Persönlichkeit zu verbinden. „Persönlichkeit, Werk und Schicksal sind fast derselbe Begriff“. Für diese Synthese hat er den Begriff der „lebendigen Wahrheit“ geprägt; sie ist für ihn der eigentliche Gegenstand der Philosophie. Nicht ein begrifflichabstraktes Denken, sondern nur „das schauende Erkennen“ vermag die „lebendige Wahrheit“ zu erfassen. Von dieser Konzeption ausgehend, wollte K. die Philosophie und darüber hinaus das Leben überhaupt von Grund auf erneuern. „Leben aber im Ende seines Wissens ist Religion“. Auf Grund seines Sendungsbewußtseins und dank seiner brillanten Rednergabe entfaltete er bereits während seiner Marburger Dozentenzeit eine rege Vortragstätigkeit. Seine „Botschaft für das Leben“ war das „Evangelium der Freiheit“, die sich am reinsten dann verwirkliche, wenn deutscher und griech. Geist und Idealismus eine Einheit miteinander bildeten.

    Im Sommersemester 1903 las K. in Bonn und Frankfurt a. M. und wurde dann auf Vermittlung Frdr. Althoffs, seines besten Freundes, Gründungsrektor der im Spätjahr 1903 eröffneten Akademie in Posen, die als eine Art Volkshochschule ein Mittelpunkt für das Bildungswesen von Stadt und Provinz Posen werden sollte. K., der seine Aufgabe als Dienst für das Deutschtum verstand, wurde seines Amtes jedoch nicht froh, so daß er 1906 Posen wieder verließ. 1905 ging er im Auftrag des preuß. Kultusministeriums zum|ersten Mal nach Amerika, um auf Vortragsreisen geistige Beziehungen mit Auslandsdeutschen anzuknüpfen und – wie er sich ausdrückte – einen „geistigen Durchbruch zum Weltdeutschtum“ zu erreichen. Bis 1932 folgten fünf weitere Reisen (1906 und 1908 Austauschprofessor in Harvard, 1912 Carl-Schurz-Professor in Wisconsin, 1914-17 und 1932 Vortragsreisen). Im Sommer 1906 wurde K. o. Professor für Philosophie in Breslau (bis 1935). Hier entstand der größte Teil seines Lebenswerks, die sechsbändige Schriftenreihe „Eine Erziehung zum deutschen Geiste“; es ist dies eine Auseinandersetzung mit Herder, Schiller, Kant und Goethe. Mit Herder teilt K. die Überzeugung, zwischen Persönlichkeit und Gedanken eines Autors bestehe ein lebendiger Zusammenhang; diese These erklärt er zur Grundlage einer neuen Wissenschaft, der „Biologie des Geistes“. Blieb er auch zeitlebens dem Gedankengut des deutschen Idealismus verbunden, ergaben sich doch Berührungspunkte mit den Anschauungen des Nationalsozialismus, zumal es K. begrüßte, daß Hitler die Massen für den nationalen Gedanken gewonnen habe. Er erfreute sich der Wertschätzung Bernhard Rusts, des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Als 1941 die Akademie in Posen, deren Gründungsrektor er gewesen war, zur Universität erklärt wurde, gehörte K. zu den Festrednern. Eine Fortsetzung seiner Lehrtätigkeit nach seiner Emeritierung wußte der Breslauer NS-Studentenbund jedoch zu unterbinden. Seine rege Vortragstätigkeit konnte K. ungeschmälert fortführen. Anfang 1945 verließ er Breslau, um seine letzten Tage in Fischbach im Riesengebirge zu verbringen, freundschaftlichen Umgang mit Gerhart Hauptmann, der ihn um nur drei Wochen überlebt hat, im nahen Agnetendorf pflegend.|

  • Auszeichnungen

    Goethemedaille d. Stadt Frankfurt/Main 1932;
    Dr. h. c. (Harvard 1908 u. Wisconsin 1912).

  • Werke

    Weitere W u. a. Turgenjew u. Tolstoj, 1893;
    Herders Persönlichkeit in s. Weltanschauung, 1893;
    Herders Leben, 1895;
    Grundlehrer d. Philos., Stud. üb. Vorsokratiker, Sokrates u. Platon, 1899;
    Sokrates u. d. Päd., 1901;
    Über d. Grundlagen d. Lehre d. Spinoza, 1902;
    Schiller, 1905, ⁶1920 (engl. 1912);
    Herder, 1912;
    Vom Weltreich d. dt. Geistes, 1914;
    Dtld. u. Amerika, 1917, ³1918;
    Gerhart Hauptmann, Aus d. Leben d. Dt. Geistes in d. Gegenwart, 1922;
    Kant, 2 Bde., 1923 f.;
    Aus d. Weltreich d. dt. Geistes, 1926;
    Zur Frage d. dt. Gegenwart, 1927;
    Die Philos. d. Gegenwart in Selbstdarst. IV, 1927 (Autobiogr., W, P);
    Mit unbefangener Stirn, Mein Lebensbuch, 1937 (P);
    Der Freiheitskampf d. Deutschen, 1941.

  • Literatur

    E. Ulrich, in: Schles. Bergwacht 19, 1946, S. 369 (P: Gem. v. E. Ulbrich, 1946);
    ders., Gerhart Hauptmann u. d. letzte Porträt, 1955;
    Ziegenfuß.

  • Autor/in

    Friedbert Holz
  • Zitierweise

    Holz, Friedbert, "Kühnemann, Eugen" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 205-206 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116589817.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA