Lebensdaten
1878 – 1962
Geburtsort
Budapest
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118564803 | OGND | VIAF: 17316884
Namensvarianten
  • Kolbenheyer, Erwin Guido
  • Kolbenheyer, E. G.
  • Kolbenheyer's, E. G.
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Zitierweise

Kolbenheyer, Erwin Guido, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118564803.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Franz (1841–81), Architekt d. Kultusmin. (baute Univ. Budapest u. a., s. ÖBL; ThB), S d. Moritz (1810–84), Pfarrer u. Kirchenpräs. in Ödenburg, Schriftsteller, Freund v. Hebbel u. Anastasius Grün (s. Kosch, Lit.-Lex.; ÖBL), u. d. Cornelia de Medgyaszary;
    M Amalie (1856–1923), T d. Baumeisters Gustav Josef Hein (1822–69) in Karlsbad (baute hier ev. Kirche) u. d. Marie Benigna Weczerczik, beide aus Karlsbader Fam.;
    Ur-Gvv Karl (* 1783), Tuchfabr. in Bielitz; entfernter Verwandter Arthur v. Görgey (1818–1916), Oberkommandant d. ungar. Rev.armee 1848/49 (s. ÖBL);
    Schw Leonie (* 1880, Paul Christanell, Bgm. v. Bozen);
    - Wien 1906 Marianne (1880–1957), T d. Lederforschers Wilh. Eitner ( 1921, s. NDB IV);
    2 T, u. a. Ulrike (⚭ Hans-Friedrich Rosenfeld, * 1899, Prof. d. Germanistik).

  • Biographie

    Nach dem Tod des Vaters zieht K. 1881 mit der Mutter nach Karlsbad und besucht das Gymnasium in Eger. Seit 1900 studiert er in Wien Zoologie und Philosophie, vor allem bei dem Zoologen Hatschek und dem Philosophen A. Stöhr (Dr. phil. 1904). Den Gedanken an eine Universitätslaufbahn gibt er bald auf. Es entstehen die ersten Dichtungen: Eine Tragödie (Giordano Bruno, 1903, 2. Fassung 1929 unter dem Titel „Heroische Leidenschaften“) und drei Romane (Amor Dei, 1908, überarbeitete Fassung 1937; Meister Joachim Pausewang, 1910; Montsalvasch, 1912), in denen K.s künstlerische Eigenart erkennbar wird. K. – zeitlebens ein Einzelgänger – bleibt zwar dem damaligen Literaturleben Wiens fern, sein Werk muß dennoch in jenem Rahmen gesehen werden. Die Jahre 1914-25 sind der Abfassung der drei Paracelsus-Romane (Die Kindheit des Paracelsus, 1917; Das Gestirn des Paracelsus, 1922; Das dritte Reich des Paracelsus, 1925) gewidmet, die er in Tübingen, wo er seit 1919 lebt, vollendet. 1925 erscheint „Die Bauhütte, Grundzüge einer Metaphysik der Gegenwart“ (umgearbeitete Fassung 1940), worin sich K. mit philosophischen Fragen beschäftigt. In den nächsten 20 Jahren kommt zur schriftstellerischen Arbeit eine rege Vortragstätigkeit hinzu. 1932 übersiedelt er nach München-Solln. K. faßt in 2 Bänden seine Lyrik, die an Hebbel erinnert, zusammen (Lyrisches Brevier, 1928; Vox humana, 1940), schreibt 1929-34 weitere Dramen, in denen ihm in hohem Grade künstlerisch-dramatische Verlebendigung gelingt (sie werden vor allem angeregt von Louise Dumont, die sie erfolgreich in Düsseldorf inszeniert), sodann Erzählungen und Romane. Den Abschluß seines dichterischen Schaffens bildet die dramatische Tetralogie „Menschen und Götter“ (1944). Seine betont nationale Einstellung, die durch die Erfahrungen des Grenzlanddeutschtums bestimmt ist, hindert ihn nicht, den Nationalsozialismus auch kritisch zu sehen. Aber man ehrt ihn, der lange vor 1933 ein angesehener Schriftsteller gewesen ist, als einen, der das kulturelle Niveau des nationalsozialistischen Deutschland repräsentiere; 1938 erhält er den Adlerschild des Deutschen Reichs. 1945 wird ihm sein Haus in Solln genommen. Eine Spruchkammer stuft K. 1948 als belastet, schließlich als Mitläufer ein. Die Verbindung zu rechtsgerichteten Kreisen hält jedoch an. K. widmet sich in seinen letzten Lebensjahren der Weiterführung seiner Bauhütten-Philosophie, schreibt eine große Selbstbiographie (Sebastian Karst, 3 Bände, 1957 f.) und arbeitet an einer Gesamtausgabe seines Werkes.

    Das erzählerische Werk von K. gliedert sich in kleinere Erzählungen, die unter gedanklicher Überfrachtung leiden, in Romane aus dem Gegenwartsleben (Montsalvasch) und in Geschichtsromane; diese bilden das Schwergewicht seines dichterischen Schaffens. Sie stehen in der Reihe der Geschichtsromane eines Achim von Arnim, Stifter und C. F. Meyer, auch einer Handel-Mazzetti: K. will das geistige Zu-sich-selbst-kommen des deutschen Volkes aus der Überdeckung durch die mittelmeerische Geistigkeit an besonderen Gestalten und Ereignissen darstellen. In „Amor Dei“, dem Spinoza-Roman, der ihn mit einem Schlag bekannt gemacht hat, kommt diese Intention noch kaum zum Ausdruck. Die altertümelnde Sprache soll die Authentizität des durch umfangreiche Studien vorbereiteten Romans unterstreichen. Den Begriff „amor dei“ (Liebe zu Gott und Liebe von Gott) hält K. für den Schlüssel zum Verständnis der Philosophie Spinozas überhaupt, wobei er jedoch den Spinozismus der deutschen Romantik übernimmt und den Rationalismus Spinozas verkennt. In „Meister Joachim Pausewang“ schreibt der Held des Romans, ein Schuhmachermeister in Breslau, Zunft- und Zeitgenosse Jakob Böhmes, für Sohn und Enkel die Geschichte seines Lebens nieder. In dieser Welt, die K. bis ins Detail schildert und deren Atmosphäre er auch in der Sprache – Frühneuhochdeutsch mit Dialektanklängen – wiederzugeben versucht, lebt jeder seiner inneren Bestimmung gemäß und im Vertrauen auf das Walten einer höheren Macht. Auch in der Romantrilogie „Paracelsus“ bedient sich K. des Stilmittels, die Sprache Ort und Zeit des Geschehens anzupassen – Lutherdeutsch, schweizerisch-alemannisch gefärbt. Er zeichnet das Leben des Paracelsus nach, der sich rastlos auf Wanderschaft befindet, sich immer mehr von Kirche und Gesetz entfernt und sich nach einer Freiheit im Glauben und nach der Ruhe in Gott sehnt, ohne sie je zu finden. In kraftvoller, dynamischer Sprache werden die Kämpfe zwischen Luthertum und Katholizismus, Humanismus und Wiedertäuferei vor dem kulturhistorischen Hintergrund geschildert. Jeder der drei Bände wird eingeleitet durch ein „Gespräch“ zwischen Wotan und Christus über das deutsche Volk, dessen Drang nach einem festen Glauben durch die konfessionelle Zersplitterung und leere religiöse Formeln erstickt werde. K. sieht in Paracelsus einen Repräsentanten des deutschen Volkes, dem „kein Gipfel zu hoch (ist), daß dieses Volkes wühlendes Wesen nicht ruhelos in alle Tiefen müßte“. Das „faustische Wesen“ des Paracelsus steht für die Universalität des deutschen Menschen. So schließt das Werk mit dem Satz: „Ecce ingenium teutonicum“. Geschick und Wesen des deutschen Volkes scheinen bestimmt zu werden durch die Kraft des „Artplasmas“. Auf Grund ihrer Ideologie, ihrer Mystifizierung des Deutschtums gehört diese Romantrilogie zu den Vorboten des völkisch-nationalen Ungeistes, wie er im Dritten Reich geherrscht hat.

    K. legte auf sein denkerisches Werk dasselbe Gewicht wie auf sein dichterisches. Die Grundgedanken lassen sich folgendermaßen wiedergeben: Das Leben muß sich in dauernden Anpassungsvorgängen durchsetzen. Das führt zu Auslese und Differenzierung. Die überindividuellen Einheiten der Völker und Völkergruppen wirken gemäß ihrer Art am Anpassungskampf der Menschheit mit. K. versucht so, auch die Geschichte der Völker und Volksgruppen biologisch zu sehen. Er setzt sich also von der Philosophie des deutschen Idealismus ab, greift Ansichten auf, die besonders in Österreich sich seit dem 18. Jahrhundert verfolgen lassen, und kommt zugleich dem darwinistisch-biologistischen Weltbild des Nationalsozialismus nahe. K.s naturwissenschaftliche Begründungen sind unhaltbar; seine dichterische Intention ist hier auf eine mythische Konstruktion von Leben und Geschichte gerichtet. Die Ablehnung der nationalistischen Tendenzen und die Kritik an der Bauhütten-Philosophie sollten jedoch nicht zu einer pauschalen Verurteilung des Gesamtwerkes führen. Die Gedrängtheit der Sprache, die Ballung der Bilder, die Dynamik der Erzählkunst, die Architektur der Romane sind beeindruckend. – 1951 wurde die „Gesellschaft der Freunde des Werkes von E. G. Kolbenheyer“ gegründet (später „Kolbenheyer-Gesellschaft e. V.“); sie gibt seit 1955 den „Bauhüttenbrief“ heraus und verwaltet das Kolbenheyer-Archiv in Gartenberg bei Wolfratshausen.|

  • Auszeichnungen

    Dr. med. h. c. (Tübingen 1927), Adalbert-Stifter-Preis (1926), Tschechoslowak. Staatspreis f. dt. Lit. (1929), Goethemedaille (1932), Goethepreis d. Stadt Frankfurt (1937), Kant-Plakette d. Stadt Königsberg (1941), Josef-Hofmann-Plakette (1958).

  • Werke

    Weitere W Romane: Das Lächeln d. Penaten, 1927;
    Reps d. Persönlichkeit, 1931;
    Das gottgelobte Herz, 1938. -
    Erzz.: Ahalibama, 3 Erzz., 1912;
    Drei Legenden, 1923;
    Karlsbader Novelle, 1929;
    Weihnachtsgeschichten, 1932. -
    Dramen: Die Brücke, 1929;
    Jagt ihn - ein Mensch, 1930;
    Das Gesetz in dir, 1930;
    Gregor u. Heinrich, 1934. -
    Abhandlungen: Stimme - eine Sammlung v. Aufsätzen, 1931;
    Neuland - zwei Abhh., 1934;
    Bauhüttenphilos., Abhh., 1942;
    Die Philos. d. Bauhütte, 1952 (enthält: 3. Fassung d. „Bauhütte“, die 2 Abhh. v. „Neuland“, „Dreigespräch“);
    Metaphysica viva, 1960 (in: Ausg. letzter Hand, Abt. 2, Bd. 2). -
    Ausgaben: Ges. Werke, 8 Bde., 1938-41;
    Gesamtausg. d. Werke letzter Hand, hrsg. v. d. Kolbenheyerges., 1957 ff. (I: Dichter. Werke, bisher 9 Bde., II: Theoret. Werke, 7 Bde.);
    Dichter. Nachlaß, hrsg. v. Ernst Frank, 1973;
    Kämpfer u. Mensch, theoret. Nachlaß, hrsg. v. dems., 1978.

  • Literatur

    H. Vetterlein, K.-Bibliogr., in: Dichtung u. Volkstum (Euphorion) 40, 1939, S. 94-109;
    C. Wandrey, K., 1934;
    H. Gumbel, E. G. K., 1938;
    F. Koch, K., 1953;
    E. Frank, Jahre d. Glücks, Jahre d. Leids, Eine K.-Biogr., 1969 (P). - Zur Philos.: F. Koch, E. G. K.s Bauhütte u. d. Geisteswiss., in: Dichtung u. Volkstum (Euphorion) 41, 1941, S. 269-96;
    H. Seidler, K. üb. d. Dichtkunst, ebd., S. 296-321;
    St. R. Townsend, K.s Conception of the German Spirit and the Conflict with Christianity, 1947;
    A. D. White, The Development of the Thought of E. G. K. from 1901 to 1934, 1967;
    E. Keller, Der Weg z. dt. Gott, in: ders., Nationalismus u. Lit., 1970, S. 110-21. - Zur Dichtung:
    F. Westhoff, K.s Paracelsustrilogie, 1937;
    E. H. Reclam, Die Gestalt d. Paracelsus in d. Dichtung, 1938;
    E. Fuchs, Das Individuum u. d. überindividuelle Individualität in K.s hist. Romanen, 1940;
    H. D. Dohms, Die epische Technik in K.s Roman „Das gottgelobte Herz“,|1948;
    M. L. Hadley, Paracelsus als Thema in d. dt. u. europ. Lit., 1964;
    E. Knobloch, Die Wortwahl in d. archaisierenden chronikal. Erzz., Meinhold, Raabe, Storm, Wille, K., 1971.

  • Porträts

    Federzeichnung v. R. Yelin, 1922;
    Zeichnung v. Gulbransson, 1938;
    Büste v. Rud. Schmidt-Rodaun;
    Ölgem. v. R. Bötger, 1959;
    Totenmaske v. W. Srb-Schloßbauer (alle im Kolbenheyer-Archiv in Gartenberg), alle abgebildet b. Frank, s. L.

  • Autor/in

    Herbert Seidler
  • Zitierweise

    Seidler, Herbert, "Kolbenheyer, Erwin Guido" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 453-455 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118564803.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA