Lebensdaten
1773 – 1843
Geburtsort
Leipzig
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Mediziner ; Psychiater
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118548549 | OGND | VIAF: 62306190
Namensvarianten
  • Wellentreter, Treumund
  • Heinroth, Johann Christian August
  • Wellentreter, Treumund
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Heinroth, Johann Christian August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118548549.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. August ( 1803), Militärchirurg, später Chirurg in L.;
    M Christiana Dor. Nicolai aus L.;
    1809 Henriette, T d. preuß. Regimentsarztes Querl in Königsberg; kinderlos.

  • Biographie

    H. besuchte die Nikolaischule in Leipzig 1782–91, um sich dann dem Studium der Medizin zu widmen. 1796-1801 war er als Famulus bei Dr. Schirmer praktisch tätig, begab sich dann auf Reisen, die ihn nach Rom und Wien führten, wo er bei J. P. Frank seine Studien beendete. Mit einer Dissertation „Medicinae discendae et exercendae ratio“ wurde er 1805 in Leipzig promoviert. Mit einem Einladungsprogramm „Über das Bedürfnis des Studiums der medizinischen Anthropologie“ habilitierte er sich 1806. Zwischen 1806 und 1813 wirkte er als Militärarzt in französischen Spitälern. Nach einem Werk über die „Grundzüge der Naturlehre des menschlichen Organismus“ (1807) erschienen 1810 seine vielbeachteten „Beyträge zur Krankheitslehre“, die ihm bereits 1811 in Leipzig ein Extraordinariat für Psychische Therapie einbrachten. Seine breiten philosophischen Studien, bei denen er methodologisch auf Kant und ideologisch auf Herder fußte, setzten sich vor allem mit der Wissenschaftslehre Fichtes auseinander, wobei er sich später in seiner „Pisteodicée, oder Resultate freier Forschung über Geschichte, Philosophie und Glauben“ (1829) von Fichte und Schelling, besonders scharf aber von Hegel absetzte. Diese Studien wurden 1817 mit einer philosophischen Dissertation (Magister-Habilitation) gekrönt. Bereits 1819 erhielt H. in Leipzig eine ordentliche Professur für Psychische Heilkunde, deren Eigenständigkeit er betonte. Nach Ablehnung eines Rufes nach Dorpat (1820) und nach Petersburg (1829) wurde H. Hofrat und 1830 auch Mitglied der Medizinischen Fakultät. Während seines Dekanatsjahres ist er verstorben.

    H. widmete sich auf breiter Grundlage den Problemen der Naturphilosophie und Medizinischen Anthropologie, wobei er die „Störungen des Seelenlebens“ zu seinem Gegenstand machte. Seine fundierte Methodik erlaubte ihm genauere Untersuchungen über exogene Momente bei geistigen Störungen sowie eine Abgrenzung der psychischen Affektionen bei körperlichen Krankheiten. Er kam damit zu einer psychologischen Begründung der Psychiatrie, die erst um die Jahrhundertmitte wieder durch die Naturwissenschaften zurückgedrängt wurde. Hierbei kam er innerhalb der Überlieferung der alten Diätetik zu einer Gesundheitslehre auf rationaler Grundlage. Im Zentrum dieser Lehre stand der Begriff der Person, deren verantwortliche Selbstbestimmung Gesundheit garantiert, während jede Beschränkung der Freiheit zu Krankheit führen muß. Im einzelnen gelangen ihm innerhalb der Psychiatrie eine Klassifizierung der Seelenstörungen mit den Ordnungsbegriffen der Exaltation und Depression, eine engere Verbindung der Psychopathologie zu einer sittlich unterbauten Therapeutik sowie zahlreiche Beiträge zur Forensischen Medizin und Staatsmedizin. Vor allem auf dem Gebiet der Kriminalpsychologie, wo er den Begriff der „unfreien, aber schuldigen Person“ prägte, hat H. sich durch zahlreiche Gutachten wie auch eine Neuorganisation der Irrenhäuser große Verdienste erworben.

  • Werke

    Weitere W u. a. Lehrb. d. Anthropol., 1822;
    Lehrb. d. Seelengesundheitskde., 2 Bde. 1823 f.;
    Über d. Wahrheit, 1824;
    Anleitung f. angehende Irrenärzte zu richtiger Behandlung ihrer Kranken, 1825;
    System d. psych, gerichtl. Med., 1825;
    Die Psychol. als Selbsterkenntnislehre, 1827;
    Über d. Hypothese d. Materie u. ihren Einfluß|auf Wiss. u. Leben, 1828;
    Von d. Grundfehlern d. Erziehung u. ihren Folgen, 1828;
    Der Schlüssel zu Himmel u. Hölle im Menschen, od.: Über moral. Kraft u. Passivität, 1829;
    Gesch. u. Kritik d. Mysticismus aller bekannten Völker u. Zeiten, 1830;
    Grundzüge d. Criminalpsychol., 1832;
    Unterricht in zweckmäßiger Selbstbehandlung bei beginnenden Seelenkrankheiten, 1834;
    Über Erziehung u. Selbstbildung, 1837;
    Orthobiotik, oder die Lehre vom richtigen Leben, 1839;
    Dr. J. C. A. H.s Gerichtsärztl. u. Privat-Gutachten, hrsg. v. H. Th. Schletter, Nebst e. biogr. Skizze d. Vf. v. F. M. A. Querl, 1847 (W-Verz.). Hrsg.: F. G. Danz, Allg. med. Zeichenlehre, 1812;
    Ges. Bll., 4 Bde., 1818-27 (unter Ps. Treumund Wellentreter);
    - Übersetzer v. franz. u. engl. Monogrr.;
    - Mitredakteur: Nasses Zs. f. psych. Aerzte, seit 1818;
    - Mitarbeiter: Schmidts Jb. d. Med.;
    Friedreichs Mgz. f. Seelenkde.

  • Literatur

    ADB XI;
    Hitzigs Ann. 27, 1844, S. 345-56 (W);
    Damerow, in: Allg. Zs. f. Psychatrie 1, 1844, S. 156;
    A. Gregor, in: Große Irrenärzte, hrsg. v. Th. Kirchhoff, I, 1921, S. 58 f. (P);
    H. G. Schomerus, Gesundheit u. Krankheit d. Person in d. Med. Anthropol. J. Ch. A. H.s, Diss. Heidelberg 1965;
    Callisen, Bd. 8 u. 28;
    NND 21, S. 935-40.

  • Autor/in

    Heinrich Schipperges
  • Zitierweise

    Schipperges, Heinrich, "Heinroth, Johann Christian August" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 435-436 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118548549.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Heinroth, Joh. Christian Aug., Psychiater, geb. am 17. Januar 1773 zu Leipzig, Sohn eines Chirurgen, bezog 1791 die Universität seiner Vaterstadt, um Medizin zu studieren. 1801 begleitete er einen russischen Grafen als Reisearzt nach Italien, dessen plötzlicher Tod gab ihm Gelegenheit, auf dem Rückwege längere Zeit in Wien zu verweilen und Peter Franks Vorlesungen zu hören. Nach kurzer ärztlicher Praxis in Leipzig wandte er sich auf der Erlanger Hochschule dem Studium der Theologie zu. Aeußere Verhältnisse zwangen ihn jedoch bald zur Rückkehr nach Leipzig, wo er dann 1805 die Doctorwürde der|Medizin erwarb und mit dem Probeprogramm „Ueber das Bedürfniß der medizinischen Anthropologie“ sich als Docent habilitirte. Die folgenden Kriegsjahre unterbrachen seine akademische Thätigkeit, indem er veranlaßt wurde, als Militärarzt zu dienen. Erst 1810 nahm er seine Vorlesungen wieder auf, gleichzeitig erschien sein erstes bedeutenderes Werk ("Beiträge zur Krankheitslehre"). Im nächsten Jahre erfolgte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor der Medizin und nach drei weiteren Jahren zum Arzt am St. Georgenhause. 1819 lehnte er einen Ruf nach Dorpat ab, 1827 wurde ihm eine ordentliche Professur der psychischen Medizin verliehen, 1829 erhielt er einen sehr ehrenvollen Ruf nach Petersburg, doch blieb er auch diesmal Leipzig treu. Er starb als Decan der medizinischen Fakultät nach längerem Leiden am 26. October 1843. H. war einer der fruchtbarsten und gewandtesten Schriftsteller auf dem Gebiete der psychischen Heilkunde. Seine Werke, worunter die „Störungen des Seelenlebens“ (1818) und das „System der psychisch-gerichtlichen Medizin“ (1825), die bedeutendsten sind, haben die psychologische Begründung der Psychiatrie wesentlich gefördert. Sie besitzen noch immer großen wissenschaftlichen Werth und überraschen durch die Fülle geistvoller fruchtbarer Ideen auf dem ganzen Gebiete der theoretischen und praktischen Psychiatrie. In dem erstgenannten Werke stellt H. ausgehend von der Idee der sittlichen Persönlichkeit des Menschen, eine ethisch-religiöse Theorie der psychischen Krankheiten — nicht ohne leisen Anfing von Mysticismus — auf und wurde damit in Deutschland der Begründer einer Richtung in der Irrenheilkunde, welche eine große Zahl von Anhängern gewann und deren weitgehender Einfluß erst durch die Fortschritte der Naturwissenschaften und besonders auch durch die Regeneration der deutschen medizinischen Schule gebrochen wurde. Großes Ansehen wegen seiner vortrefflichen praktischen Belehrungen genoß Heinroth's Buch „Von den Grundfehlern der Erziehung und ihren Folgen“ (1828). Unter dem Pseudonym „Treumund Wellentreter“ hat sich H. auch auf schöngeistigem Gebiete versucht. ("Gesammelte Blätter“, 4 Bde., Leipzig 1818 bis 1826.)

    • Literatur

      Vgl. Nekrolog u. Schriftenverzeichniß in Hitzig's Annalen etc., Bd. XXVII. 1844.

  • Autor/in

    Bandorf.
  • Zitierweise

    Bandorf, "Heinroth, Johann Christian August" in: Allgemeine Deutsche Biographie 11 (1880), S. 648-649 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118548549.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA