Lebensdaten
1705 – 1775
Geburtsort
Freiburg (Breisgau)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Jurist ; Kanonist
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 100391168 | OGND | VIAF: 76660562
Namensvarianten
  • Riegger, Paul Joseph (bis 1764)
  • Riegger, Paul Joseph Ritter von
  • Riegger, Paul Joseph (bis 1764)
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Riegger, Paul Joseph Ritter von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100391168.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Breisgauer Patrizierfam., verschwägert mit d. Adelsfam. Kühne bey Weyland;
    V Johann Baptist R. (* 1671), Lic. iur. utr., Kanzleibeamter in vorderösterr. Staatsdienst, bewahrte während d. Span. Erbfolgekriegs 1713 d. landesfürstl. Archiv in F. vor d. Vernichtung durch d. franz. Armee, S d. Johann Baptist (um 1640–1712), Gastwirt, Stadthptm. v. Villingen (Br.);
    M Maria Antonia Kühne (1692–1715);
    Innsbruck 1741 Johanna Maria Dorn v. Heidenburg ( 1790), aus Innsbruck;
    20 K u. a. Joseph Anton (s. 2; W).

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Jesuitengymnasiums in Freiburg studierte R. hier 1720-26 Philosophie (M. A. 1722) und Rechtswissenschaften. 1726 absolvierte er die Examina, anschließend eine dreijährige Praxis in der vorderösterr. Verwaltung und kehrte 1729 an die Universität zurück, um den Grad eines „Licentiatus Iuris“ zu erwerben. Er setzte sein Studium an der Univ. Leiden bei Johann Jacob Vitriarius (1679–1745) fort (bes. Öff.-, Natur- u. Völkerrecht) und kehrte zurück an die Univ. Freiburg (Dr. iur. utr. 1733). Im selben Jahr wurde er auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, für dt. Geschichte und Naturrecht an der Univ. Innsbruck berufen (1733 Rektor). Hier war sein bedeutendster Schüler Karl Anton v. Martini (1726–1800), an dessen Berufung 1754 auf den Lehrstuhl für Naturrecht und Institutionen an der Univ. Wien er maßgeblich beteiligt war. 1749 wechselte R. an die Savoy. Ritterakademie in Wien und übernahm auch Lehrverpflichtungen am Collegium Theresianum. Seit 1753 wirkte er als Professor für Kirchenrecht an der Wiener Juristenfakultät, wo er einen methodischen Neuansatz im Sinne des aufgeklärten Absolutismus (Josephinismus) präsentierte. Grundlage für den Unterricht waren seine „Institutiones iurisprudentiae ecclesiasticae“ (4 T., 1765/73, ²1777/78-80), die Ksn. Maria Theresia 1768 offiziell approbierte, die seitens der Kirche aber abgelehnt wurden. Mit der Ernennung zum Professor erhielt R., „Lieblingskanonist“ (F. Maaß) Maria Theresias, auch die Ehrenstelle eines Hofrats bei der böhm.-österr. Hofkanzlei; für einige Jahre war er auch Mitglied der Zensurkommission. Er spielte eine bedeutende Rolle im Universitätsleben und trug – gemeinsam mit Martini – wesentlich zum Aufschwung der Wiener Juristenfakultät bei.

    Unter Aufgabe der Systematik des traditionellen Dekretalenrechts und unter Einbindung des naturrechtlichen Systems von Christian Wolff entwickelte R. die Konzeption einer naturrechtlichen Kanonistik. Er identifizierte den Begriff „Kirche“ mit einer naturrechtlichen Religionsgesellschaft, deren relative Autonomie durch die Zuständigkeit des imperium politicum im Sinne der theresian.-josephin. Staatskirchenhoheit begrenzt wird (Ius publicum ecclesiasticum). Das positive Kirchenrecht wurde allerdings nicht konstruktiv aus dem natürlichen Kirchenrecht, sondern aus dem Corpus Iuris Canonici abgeleitet. R., der den Toleranzgedanken als dem Naturrechtsgedanken nicht völlig rechtswidrig (omnino iniusta) bejahte und die Toleranzlehre des Würzburger Kanonisten Kaspar Barthel (1697–1771) übernahm, wurde zum eigentlichen Wegbereiter des Toleranzpatents Josephs II.

  • Werke

    Weitere W Systema historicae Romano-Germanicae in tabulas contractum et in certos distinctum, 2 T., 1745/47;
    Corpus iuris publici et ecclesiastici Germaniae academicum od. Akadem. Slg. d. dt Staats- u. Kirchenrechts, 1764;
    Spermien corporis iurisprudentiae ecclesiasticae regni Hungariae et partium eidem adnexarum secundum ordinem decretalium Gregorii IX. Papae digesti, 2 T., 1768/73;
    Principia iuris ecclesiastici Germaniae, 1771, Nachdr. 1773;
    Elemente iuris ecclesiastici, 2 T., 1774/1775.

  • Literatur

    ADB 28;
    J. W. Monse, Pii manes et eximia in rem litterariam merita Pauli Josephi a Riegger, 1776;
    J. V. Eybel, Oratio funebris ad solennes exequias Pauli Josephi a Riegger, 1776 (tendenziös);
    Joseph Anton Riegger, Rieggeriana, 2 Bde., 1792;
    F. Valjavec, Der Josephinismus, ²1945;
    E. Winter, Der Josefinismus, 1962;
    F. Maaß, Der Frühjosephinismus, 1969;
    W. M. Plöchl, Gesch. d. Kirchenrechts, V, 1969;
    E. Seifert, P. J. R. (1705-1775), Ein Btr. z. theoret. Grundlegung d. josephin. Staatskirchenrechts, 1973 (W-Verz.) (grundlegend);
    P. Landau, Zu d. geistigen Grundlagen d. Toleranz-Patents Ks. Josephs II., in: Österr Archiv f. Kirchenrecht 32, 1981, S. 187-203;
    ders., Jur. Methodenlehre zw. Humanismus u. Naturrecht, in: ZNR 21, 1999, S. 7-28;
    M. R. Di Simone, Aspetti della cultura juridica austriaca nel settecento, 1984;
    R. Palme, in: W. Brauneder (Hg.), Jur. in Österr. 1200-1980, 1987, S. 67-70, 346 f.;
    ders., Der naturrechtl. Hintergrund Martinis, in: H. Barta, R. Palme u. W. Ingenhaeff (Hg.), Naturrecht u. Privatrechtskodifikation, 1999, S. 122 ff.;
    N. Grass, Österr.s Kirchenrechtslehrer d. Neuzeit, 1988, S. 9-11, 266 f., 277 ff.;
    M. Hebeis, Karl Anton v. Martini (1726–1800), Leben u. Werk, 1996;
    Wurzbach, C. Schott, in: HRG IV, 1990;
    BBKL;
    G. Kleinheyer u. J. Schröder (Hg.), Dt. u. Europ. Jur. aus neun Jh., ⁴1996.

  • Porträts

    Kupf. v. J. G. Haid, Abb. u. weitere Nachweise b. Seifert, S. 30 f.;
    Ölgem., 1765 (Rechtswiss. Fak. Innsbruck), Abb. in: N. Grass, Die Kirchenrechtslehrer d. Innsbrucker Univ. v. 1762 bis z. Gegenwart, in: Veröff. d. Mus. Ferdinandeum 31, 1951, Tafel XXIV.

  • Autor/in

    Herbert Kalb
  • Zitierweise

    Kalb, Herbert, "Riegger, Paul Joseph Ritter von" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 581-582 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100391168.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Riegger: Paul Josef Ritter v. R., Kanonist, geb. zu Freiburg i. B. am 29. Juni 1705, am 2. (nach anderer Angabe 6.) December 1775 zu Wien. R. war der Sohn eines Registrators bei der Regierung, legte in seiner Geburtsstadt die Gymnasial- und Universitätsstudien zurück, wurde daselbst am 19. August 1722 magister phil., am 15. Juli 1733 Dr. juris und im selben Jahre zum Professor des Natur-, Völker- und öffentlichen deutschen Rechtes und der deutschen Geschichte an der Universität Innsbruck ernannt. In den 20 Jahren seines Lehramtes an dieser Universität widmete er sich ganz dem mühevollen Amte, genoß das Vertrauen seiner Amtsgenossen dergestalt, daß er achtmal das Decanat der Juristenfacultät, zweimal das Amt eines Rectors verwaltete und wiederholt mit der Besorgung wichtiger Universitätsangelegenheiten betraut wurde. Im J. 1753 wurde er nach Wien berufen als Hofrath, Professor des geistlichen Rechtes mit 2500 fl. und Mitglied der Büchercensurcommission, alsbald auch an der 1751 reorganisirten Theresianischen Akademie Professor des Staatsrechts, später auch des kanonischen und zugleich Referent der geistlichen Angelegenheiten bei der böhmischen Hofkanzlei. Seine kirchenrechtliche Richtung hatte ihn bereits zu Innsbruck in Vielfache Kämpfe mit den Jesuiten gebracht und zog ihm fortwährend Angriffe zu. Um so höher stand er in Ansehen bei der Kaiserin Maria Theresia, die ihn mit Diplom vom 8. Januar 1764 in den erblichen Ritterstand erhob. Als er dem Tode nahe war,|versuchte ein Prälat unter dem Vorgeben, von der Kaiserin entsandt zu sein, ihn zum Widerrufe einzelner Ansichten zu bewegen, richtete aber nichts aus. Er hinterließ eine zahlreiche Familie und bedeutende Schulden, deren Uebernahme seitens der beiden ältesten Söhne erfolgte und diesen sehr hart wurde. — R. hat für die Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse Oesterreichs in jener Zeit eine ausschlaggebende Bedeutung. Wie das möglich wurde, ist aus zwei Momenten erklärlich. Er war erstens zweifelsohne einer der besten Kenner des positiven Kirchenrechts, wohl in Oesterreich der tüchtigste. Sodann vereinigte er in merkwürdiger Mischung den modernen Standpunkt mit fast scholastischer Orthodoxie. Er eignet sich die von den Vertretern des Territorialsystems in der protestantischen Kirche, sowie von den Naturrechtslehrern dem Regenten bei' gelegten Befugnisse an, vertritt die Omnipotenz des Staates auch gegenüber der Kirche, begründet diese aber dadurch, daß der katholische Landesherr innerhalb der Kirche eine hervorragende Stellung einnimmt, infolge seiner Advocatie über die Kirche von dieser alles Schädliche fern halten könne. Während er dem Staate jedes Recht abspricht, über den Glauben zu urtheilen, in rein geistlichen Dingen Bestimmungen zu treffen, hält er den katholischen Regenten für berechtigt, Ketzerei und Schisma zu verhindern, daher Concilien zu berufen, die Schädiger der kirchlichen Ordnung zu bestrafen, Religionsgespräche und religionsschädliche Bücher zu verbieten, für päpstliche Erlasse das Placet vorzuschreiben, das Alter für den Eintritt in den Clerus, weil die Geistlichen Bürger bleiben, vorzuschreiben und gegen Besetzungen Einspruch zu erheben, legt er ihm die Pflicht bei, für die Geistlichen den nöthigen Unterhalt zu beschaffen, den Erwerb geistlicher Güter zu beschränken u. s. w. Das ist der Standpunkt, wie ihn die österreichischen Regenten, insbesondere die Kaiserin Maria Theresia festhielt. Man darf seine Theorie mit Recht als jene bezeichnen, welche in den Gesetzen dieser Kaiserin ausgeführt wurde, ihn selbst als den geistigen Vater der meisten Verordnungen aus jener Zeit. Mit dieser Theorie konnte man sich zu gleicher Zeit schmeicheln gut katholisch zu sein und unumschränkt zu regieren für befugt halten. Für die Wissenschaft hat er durch einzelne gute historische Arbeiten sich Verdienste erworben, ohne daß für die Bearbeitung des positiven Stoffes ein Fortschritt vorliegt; erwähnt sei noch, daß er kräftig gegen Aberglauben, Hexenwesen u. dgl. gekämpft hat. Seine Schriften (aufgezählt von Wurzbach) umfassen theils die Geschichte des kanonischen Rechts: „Exercitatio de collectionibus juris ecclesiastici antiqui, sive ante Gratianum“, 1757; „Diss. de sensu canonis VI. Concilii Nicaeni"; „Diss. de Decreto Gratiani“,1760; theils die Theorie der Quellen: „Exerc. de scriptura sacra, primo jur. eccles. fonte“, 1755 (vertheidigt die Vorschriften bezüglich der Vulgata und der Uebersetzungen). „Exerc. de jur. eccles. origine, natura et principiis“, 1756; „Exerc. de conciliis jur. eccl. altero fonte“, 1757; theils die Darstellung des positiven Rechtes: „Introductio in universum jus ecclesiasticum“, P. I, 1758, 4°; übergegangen in: „Institutionum jurisprudentiae ecclesiasticae Pars I: Principia juris eccles. continens“, 1765 u. ö. P. II. 1770. P. III u. IV. 1772. Ueber einzelne Vorgänge bei der Herausgabe bezw. Publication der neuen Auflage und die Versuche die Beschwerden der geistlichen Behörde zu beseitigen enthält A. B. Schlözer's Briefwechsel im 6., 7. und 10. Bande Mittheilungen. „Elementa, jur. eccl.“, 2 P. 1774 ff.; „Diss. de poenitentiis et poenis ecclesiasticis“, 1772. 4°; „Diss. de magia“, 1773. 4°. Dazu kommen andere historische Arbeiten und Quellensammelwerke: „Corpus juris publici et ecclesiastici Germaniae academicum“, 2 P. 1757, 60. 2. Aufl. 1775; „Corpus juris ecclesiastici austriaci“, 1764; „Specimen corporis juris eccles. regni Hungariae etpartium eidem adnexarum secundum ordinem decretalium Greg. IX. digesti“, 2 P. 1773.

    • Literatur

      Rieggeriana, 2 Bde., Wien, Freiburg. Prag 1792. II, 1 u. 9. — Jos. Wander v. Grünwald, Biogr. der beiden R. v. Riegger, Prag 1791. 4°. — J. V. Eybel, Oratio funebris ad sol. exequias cet. Vien. 1776. —
      Meusel, Lex. XI, 327. —
      Schreiber. Gesch. d. Univ. Freiburg III, 172. —
      v. Wurzbach, Biogr. Lex. XXVI. 129 ff. — v. Schulte. Gesch. d. Quellen und Lit. des can. R. III, 1, S. 208 ff.

  • Autor/in

    v. Schulte.
  • Zitierweise

    Schulte, von, "Riegger, Paul Joseph Ritter von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 551-553 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100391168.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA