Lebensdaten
1604 – 1670
Geburtsort
Karlstadt/Main (Unterfranken)
Sterbeort
Amsterdam
Beruf/Funktion
Chemiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118695304 | OGND | VIAF: 69027044
Namensvarianten
  • Glauber, Johann Rudolph
  • Glauber, J. R.
  • Glauber, Joannis Rudolph
  • mehr

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Zitierweise

Glauber, Johann Rudolph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118695304.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Küfer- u. Häckerfam.;
    V (Rudolf [ 1629], aus Hundsbach b. K.?), Barbier in K.;
    M (?) Gertraut ( 1632/33?), T d. Michael Gossenberger aus K.;
    1) Gießen 1636 ( 1639) Rebecca Jacobs, 2) Amsterdam 20.1.1641 Helene Cornelis aus Flensburg; 1. Ehe kinderlos, 8 K aus 2).

  • Biographie

    Der äußere Lebensweg G.s ist sehr bewegt. Er besucht die Lateinschule zu Karlstadt, schließt sie nicht ab und unterzieht sich auch nicht einer geregelten Studienfolge, eignet sich vielmehr den gewaltigen Erfahrungs- und Wissensschatz seines Lebens in einer dem Paracelsus sehr verwandten Weise an: kraft seiner hohen Sinneswachheit und steten Bereitschaft, Neues und Fremdes aufzunehmen, seines Blicks für das Wesentliche und der Fähigkeit, aus dem Vergleich verschiedener Sachverhalte betrachtend Schlußfolgerungen zu ziehen, hebt er sich aus den zeitgenössischen Alchimisten heraus. Diese eigenwillige Form seines Wesens und seiner Schaffensfähigkeit führt dazu, daß er Jahrhunderte hindurch im Urteil der sich mit ihm Auseinandersetzenden schwankt: noch im vorigen Jahrhundert wird er vielfach als Scharlatan bezeichnet (Adelung). Erst in diesem Jahrhundert wird man seinen überragenden Leistungen gerecht: in feierlichem Akt wird er durch Vaterstadt und Fachwelt aus Anlaß seines 350. Geburtstages geehrt; ein Brunnen vor dem Rathaus der Stadt wird gleichzeitig zum Gedächtnis errichtet.

    Frühzeitig verläßt G. seine Heimatstadt und damit die Lateinschule. 1625/26 finden wir ihn im Gebiet von Wien und Wiener-Neustadt. Hier beginnt unter anderem seine Beschäftigung mit dem „sal mirabile“. 1626 führt der Weg über Salzburg (Besuch des Grabes seines geistigen Ahnen Paracelsus) nach Paris. 1632 hält er sich kurze Zeit in Frankfurt am Main auf (Verfertigung von Spiegeln und deren Verkauf). 1635 wird in Gießen ein erster Versuch unternommen, seßhaft zu werden, er nimmt eine Tätigkeit in der dortigen Hofapotheke auf. Die 1. Eheschließung mit Rebecca Jacobs führt wegen Untreue der Frau zur baldigen Scheidung. Nach kurzem Aufenthalt in Bonn geht G. 1640 nach Amsterdam, wo er sich zu einer 2. Ehe entschließt. 1644 finden wir ihn wieder in Gießen als Apotheker tätig. 1646 erscheint sein erstes Werk „Furni Novi Philosophici“ in Amsterdam. Wenige Jahre des Wohlstandes bei beruflichem Erfolg ermöglichen ihm einen großen Haushalt. Baldiger wirtschaftlicher Ruin und menschliche Krise führen nach längerem Prozessieren zum Verlassen von Amsterdam. Über Bremen, Kassel und Hanau kommt er, wahrscheinlich Ende 1651, nach Wertheim, 1652/53 nach Kitzingen. Zu Frankfurt müssen Bindungen bestanden haben; einige seiner Werke erscheinen dort: Opus Minerale (1651), Miraculum mundi (1653), Apologetische Schriften (1655), Glauberus redivivus (1656), Mars Philosophisches Bedencken von dem kalten Fewer/oder wunderbaren Alkahest (1656), Opera Chymica (1658/59). Die endgültige Übersiedlung nach Amsterdam erfolgt 1656. Dort erscheinen bis zu seinem Tode seine weiteren Werke: unter anderem Des Teutschlandts Wohlfart (1656), Opera Omnia (1659/69), Glauberus concentratus (1668). Nach erster schwerer Erkrankung (1662) tritt 1666 eine so ernste Verschlechterung ein, daß er bis zu seinem Tode sein Lager nicht mehr verlassen kann. Schon 1668 trennt er sich demzufolge von seinen Laboreinrichtungen und Büchern.

    Das Lebenswerk G.s ist zu untergliedern in einen außergewöhnlich umfänglichen und vielgestaltigen experimentellen sowie einen die Grundlagen der materiellen Welt betreffenden Teil, der dem steten Bemühen um die Einsicht in das Wesen von Materie und bedingender Kraft gilt. Er ist in der Denkgesinnung mit Paracelsus, van Helmont und Sylvius de le Boë den iatrochemischen Prinzipien und damit zugleich der Suche nach der quinta essentia, dem alles lösenden Alkahest, der prima materia zugewendet. Er ist zugleich mit Boyle auf dem Wege zu klarer Einsicht in das Wechselspiel chemischer Stoffe. Im sinnvoll durchdachten, zielbewußt durchgeführten Experiment ist er richtungweisend und seiner Zeit weit voraus. Er ist um die Gewinnung reiner chemischer Verbindungen, zugleich um die Schaffung experimentell-technischer Möglichkeiten zu ihrer Großherstellung bemüht, wodurch er zu einem maßgeblichen Begründer der chemischen Technologie wird.

    G.s „Säureprogramm“ führt zur ersten Darstellung beziehungsweise zur Verbesserung der Methoden zur Gewinnung von Salzsäure, Schwefelsäure, schwefliger Säure, Salpetersäure, mit der Möglichkeit, größere Mengen bereitzustellen und damit die Grundchemikalien für die von ihm propagierte chemische Industrie zu beschaffen. Seine textlich niedergelegten Vorschriften zur Herstellung chemischer Substanzen, seine Beschreibungen von Prozessen, die Darlegung der von ihm entwickelten zahlreichen Apparate sind durch Klarheit und Präzision ausgezeichnet. Sein experimentelles Werk wird bei J. Fr. Gmelin „Geschichte der Chemie“ eingehend dargelegt. – Das Einwirkenlassen von Schwefelsäure auf die Alkalisalze führt ihn zu seinem sal mirabile Glauberi, dem nach ihm benannten Glaubersalz (Natriumsulfat). Ausgehend von seinen metallurgischen Arbeiten (Auflösung und Separierung von Metallen) fordert er wiederholt mit Nachdruck die Schaffung einer Hüttenindustrie im eigenen deutschen Lande, um Unabhängigkeit von anderen Nationen zu erreichen. Diese Tendenz: Stärkung der deutschen wirtschaftlichen Lage durch Schaffung eigenständiger Industrien unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Gesichtspunkte kennzeichnet sein Werk „Des Teutschlandts Wohlfart“. So kehrt er auch noch vor 1650 nach Deutschland zurück, um seinen eigenen wirtschaftlichen und beruflichen Weg mit dem allgemeinen Aufbau nach dem Abschluß des Dreißigjährigen Krieges zu verbinden (Briefwechsel Glauber-Sperling); sein Bemühen bleibt erfolglos. Eingehende experimentelle Arbeiten (auch Feldversuche) widmete er landwirtschaftlichen Problemen: Salze zur Pflanzenernährung, Samenbeizung. Die Frage nach dem Wesen des Salzes führt ihn zu eingehenden und tiefgründigen Betrachtungen über Materie und Kraft, denen er sich vor allem im Alter wieder zuwendet und die er in dem 1660 begonnenen Alterswerk Appendix generale niedergelegt hat.

  • Werke

    Verz. d. etwa 40 Schrr. s. J. F. Gmelin, Gesch. d. Chemie I, Göttingen 1797, u. K. F. Gugel, J. R. G., 1955.

  • Literatur

    ADB IX;
    P. Walden, in: G. Bugge, Das Buch d. Großen Chemiker I, 1929, S. 151-72;
    A. Kotowski, Teutschlandts Wohlfart - G.s Gedanken üb. d. Hebung d. dt. Nat.reichtums durch d. Chemie, in: FF 14, 1938, S. 384 f., wieder in: Angew. Chemie 52, 1939, S. 109-12;
    K. F. Gugel, J. R. G., Leben u. Werk 1604–70, 1955 (W-Verz., L, P);
    E. Pietsch, J. R. G., d. Mensch, s. Werk u. s. Zeit, 1956 (W-Verz.).

  • Porträts

    Stich v. A. S. (Antonis Santvoort ?), um 1654 (früher Berlin, Kupf.kab.), Abb. b. Gugel, s. L.

  • Autor/in

    Erich Pietsch
  • Zitierweise

    Pietsch, Erich, "Glauber, Johann Rudolph" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 437-438 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118695304.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Glauber: Johann Rudolph G., einer der bedeutendsten Chemiker des 17. Jahrhunderts, geboren 1604 zu Karlsstadt in Franken. Man weiß von seinem Leben nur, daß er an verschiedenen Orten Deutschlands, namentlich in Kitzingen in Baiern, in Frankfurt a. M. und Köln lebte, von Köln nach Holland zog und dort 1668 in Amsterdam starb. G. vereinigt mit den Fehlern seines Zeitalters, übertriebener Anpreisung seiner Entdeckungen und Geheimnißkrämerei, eine scharfe Beobachtungsgabe und seine Schriften sind deutlicher als die seiner Zeitgenossen. An die Alchemie glaubte er und behauptet in seinem „Miraculum mundi“ ein allgemeines Auflösungs- und Heilmitttel für alle Krankheiten, das „Alkahest“ entdeckt zu haben. Die Darstellungsmethode aber verschwieg er: „damit man sie nicht zu üppigem, hoffärtigem und gottlosem Leben, dem armen menschlichen Geschlecht zum Schaden und Nachtheil, gebrauche.“ In der reinen Chemie erwarb sich G. viele Verdienste um die Darstellung der Mineralsäuren; er stellte Salzsäure und Salpetersäure auf directem Wege dar, durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Kochsalz und Salpeter und erhielt als Nebenproducte schwefelsaures Natron und -Kali. Das erstere, von ihm seiner großen Wirksamkeit halber sal mirabile, auch nach ihm sal Glauberii genannt, ist noch jetzt unter dem Namen Glaubersalz bekannt. G. beobachtete dabei schon eine heute vielfach benutzte Einwirkung der Salzsäure auf die Verdauung, indem er angibt, daß mit Salzsäure aufgefrischte Rosinen den Magen erfrischen. Ferner stellte G. viele Chlormetalle dar, unter anderen ätzendes Chlorarsen und Chlorzink, ja selbst das Chlor scheint G. schon gekannt zu haben. Er hatte überhaupt eine seine Zeit überragende, genauere Kenntniß über die Zusammensetzung der wichtigeren chemischen Präparate, theils durch die Art ihrer Synthese, theils durch Analyse. Auch in der theoretischen Chemie hat G. eine Bedeutung, denn er ist der Erste, der eine allgemein durchgeführte Idee hatte über die Wirkung der chemischen Verwandtschaft (d. h. der Kraft, mittels der verschiedenartige Körper ungleiche Neigung haben, sich mit anderen Körpern zu verbinden). Zwar gebraucht er den Namen „Verwandtschaft“ noch nicht, doch erklärt er in seinem Hauptwerk „Novi furni philosophici“, daß die Zersetzung des Salmiaks durch Kalk oder|Kali darauf beruhe, daß der eine Bestandtheil das Zersetzungsmittel „mehr liebt und auch von ihm geliebt wird“. In der technologischen Chemie ist G. gleichfalls sehr productiv gewesen: er arbeitete über die Darstellung des Glases, über die Bereitung des Salpeters, wobei er darauf aufmerksam macht, daß ein reines Abscheiden der Edelmetalle aus ihren Verbindungen durch Zusatz von Salpeter gefördert werde; er lehrte verschiedene Beitzen bereiten und sowol mineralische als vegetabilische Farbstoffe näher kennen und verarbeiten. In einem sechsbändigen Werke: „Teutschlands Wohlfarth“ bricht er eine Lanze für die einheimische Industrie, der er manche praktische Anweisung gibt, wie durch technologische Benutzung aller natürlichen Hilfsmittel der Nationalwohlstand zu fördern sei. Ferner beschrieb G. zuerst Knall- und Schmelzpulver. In vierzig größeren Schriften mit lateinischem Titel, aber deutschem Text, legte G. seine Beobachtungen nieder. Außer den schon genannten sei noch erwähnt die „Pharmacopea spagyrica“, in deren sieben Theilen und drei Anhängen er die Zubereitung medicinisch chemischer Präparate lehrt. Gesammelt wurden seine Werke 1715 unter dem Titel: „Glauberus concentratus“.

    • Literatur

      Kopp, Geschichte der Chemie.

  • Autor/in

    Ladenburg.
  • Zitierweise

    Ladenburg, Albert, "Glauber, Johann Rudolph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 9 (1879), S. 221-222 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118695304.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA