Lebensdaten
erwähnt 1546, gestorben nach 1554
Sterbeort
Schlettstadt/Elsaß
Beruf/Funktion
Dramatiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119681544 | OGND | VIAF: 106891982
Namensvarianten
  • Gart, Thiebold
  • Gart, Thiebolt
  • Gart, Thiebold

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Zitierweise

Gart, Thiebolt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119681544.html [18.04.2024].

CC0

  • Biographie

    G. war Bürger von Schlettstadt und erscheint 1546, 1550 und 1554 im Rat der Stadt zusammen mit Beatus Rhenanus, Sapidus, Spiegel und Wimpfeling. Mit seinem „Joseph – Ein schoene vnd fruchtbare Comedia …“, der von Schlettstadter Bürgern am Sonntag nach Ostern 1540 aufgeführt wurde, reiht er sich thematisch und formal in die Dramatik seiner Zeit ein. Die Josephsgeschichte wird unter einem doppelten Aspekt dargestellt: einmal in ihrer heilsgeschichtlichen Bedeutung als Präfiguration Christi – als solche wird sie gedeutet von dem Chor mit Christus, Aposteln und Propheten, die von einem Winkel der Bühne aus dem Spiel zuschauen –, zum andern als Beispiel für ein Lebensverhalten aus dem reformatorischen Glauben, das den Zuschauern in Prolog, Argument und Epilog vor Augen gestellt wird. – Was G. über die Dramatiker seiner Zeit erhebt, ist seine Gestaltungskraft. Es kommt ihm auf eine lebensnahe und wirklichkeitsgetreue Wiedergabe des biblischen Berichts an, und er erreicht diese, indem er eine ganze Reihe gut beobachteter Einzelzüge aus dem bürgerlich-alltäglichen Leben seiner Vaterstadt mit in das Drama einbezieht. In der Darstellung der Personen findet er individuelle Züge in Sprechweise und Verhalten, die im 16. Jahrhundert sehr selten sind. Besonders deutlich wird G.s Darstellungskunst in der Verführungsszene, in der er den inneren Kampf der Sophora und das Geständnis ihrer Neigung zu Joseph in so feiner Weise nachempfindet, daß man von Ansätzen einer echten Charaktergestaltung sprechen kann. – Als Mittel dieser Darstellung dient eine knappe und lebendige Sprache, die der thematischen Spannweite des Dramas gerecht zu werden vermag und vom alltäglichen Umgangston bis zum Gebets- und Predigtton alle Sprachebenen beherrscht. In der kontrastierenden Darstellung der einzelnen Szenen wird die Lebendigkeit und Vielgestaltigkeit dieser Sprache immer wieder deutlich. Auch Vers und Reim ergeben sich für G. ohne besonderen Zwang. – G. vereinigt die humanistisch-gelehrten und die bürgerlich-realistischen Elemente seiner Zeit und ordnet sie ohne aufdringliche Lehrhaftigkeit seiner religiösen Absicht unter; er gewinnt seinen besonderen Rang durch die Ursprünglichkeit seiner Darstellung, die auch auf spätere Dramatiker wirkte (Diether 1544, Balticus 1556, Leschke 1571, Zyrl 1573 und spätere).

  • Drucke

    Drucke: Straßburg 1540, Augsburg 1542; 3 Nachdrucke: 1546 u. 1559 (beide Straßburg), Nürnberg o. J.; Neudrucke: v. Erich Schmidt, in: Elsäss. Lit.denkmäler aus d. XIV.-XVII. Jh. II, 1880; v. A. E. Berger, in: Dt. Lit., R. Ref., VI, 1936 (beide mit Einführung).

  • Literatur

    ADB VIII;
    A. v. Weilen, Der ägypt. Joseph im Drama d. XVI. Jh., 1887;
    W. Creizenach, Gesch. d. neueren Dramas III, ²1923, S. 265;
    F. Michael, Das MA u. s. Ausklang, in: R. F. Arnold, Das Dt. Drama, 1925, S. 65 f.;
    M. Kleinlogel, „Joseph“ eine bibl. Komödie v. Th. G. a. d. J. 1540, Diss. Gießen 1932;
    H. Brinkmann, Anfänge d. modernen Dramas in Dtld. …, 1933;
    W. Stammler, Von d. Mystik z. Barock, ²1950, S. 375 f.

  • Autor/in

    Alfons Lichter
  • Zitierweise

    Lichter, Alfons, "Gart, Thiebolt" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 74 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119681544.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Gart: Thiebold G., Bürger zu Schlettstadt und Dramatiker. Sein „Joseph“ (Straßburg 1540, Augsburg 1542, Nürnberg o. J., Straßburg 1559) gehört zu den bedeutendsten und einflußreichsten deutschen Spielen des 16. Jahrhunderts. Er folgt im allgemeinen dem Vorbilde der berühmten Comoedia sacra gleiches Namens von dem Amsterdamer Schullehrer Cornelius Crocus (1536), ist aber im einzelnen ganz selbständig. Er führt uns zur Exposition gleich in die böse Stimmung der Brüder gegen Joseph ein, zeigt, wie sie dieser durch eine unvorsichtige Traumerzählung noch verschärft, und verfolgt dann die Geschichte seines Helden bis zum Empfange Jacobs und seiner Söhne bei Pharao. Der Glanzpunkt ist der zweite Act, wo Sophora, die Gattin Potiphar's, in einem nach damaligem Maßstabe ausgezeichneten Monolog ihre Empfindungen für Joseph, aber auch ihr inneres Schwanken, ihr Bewußtsein des Unrechts, ihr schamhaftes Zagen, sich dem Geliebten zu entdecken, darlegt und schließlich durch die Gunst des Augenblickes und die Gewalt der Leidenschaft zu den Geständniß hingerissen wird, welches dann immer tiefer und tiefer in Sünde führt. Der Dichter gibt wirklich psychologische Entwicklung, er zeigt uns das Wachsthum des Bösen in ihrer Seele, und er bedient sich dabei einer nicht blos äußerlich durch Reim und ungewöhnlich sorgfältigen Versbau, sondern auch durch innere Form poetischen, überall knappen und inhaltsreichen Sprache. Auch Nebenpersonen weiß er mit ein paar Strichen vortrefflich zu charakterisiren; fast keine Situation geht verloren, er weiß etwas Empfundenes oder Beobachtetes hineinzulegen. Der Rathschluß der Brüder gegen Joseph folgt in wirksamem Contraste auf ein anmuthiges kurzes Pastorale; auch die Brüder unter sich werden contrastirt; nachdem Joseph in die Grube geworfen ist, schmeckt dem Juda das Essen nicht ("Mir ist so thörlich und so bang"); der verkaufte Joseph muß „erlaufen", was Ismael, der Käufer, reitet; Pharao redet den Jacob „mein Alter“ an und fragt ihn, wie alt er sei etc. Es fehlt nirgends an kleinen Zügen, welche dem biblischen Stoffe mehr Leben und Gegenwart verleihen. Wenn Christus mit Propheten und Aposteln „in einem Winkel“ steht und gelegentlich das Wort ergreift, um diese Begleiter Parallelen zu seinem eigenen Leiden und Auferstehen ziehen zu lassen, so gewöhnt man sich bald an solche didactische Zwischenacte, die weit weniger stören, als die leidige zu jener Zeit so gewöhnliche Manier, die innere Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Gesinnungen und Handlungen zu vernichten, indem man die Personen des Dramas selbst von Lehrhaftigkeit überfließen läßt. Das Stück hat schon auf Andreas Diether (s. diesen Art. oben 5, 164) leise gewirkt, stärker auf Christian Zyrl (1573) und durch diesen auf Johann Schlayß (1593) und Joseph Göze (1612).

    • Literatur

      Lorenz-Scherer, Gesch. d. Elsasses 2, S. 265. 266. Palm, Beiträge, S. 97.

    • Korrektur

      Korrektur: Eine neue Ausgabe von Gart's Joseph besorgte Erich Schmidt, Straßb. b. Trübner 1880 (als 2. Theil der von Schmidt und Martin herausg. Samml. elsäss. Litteraturdenkmäler des 16. Jahrh.).

  • Autor/in

    Scherer.
  • Zitierweise

    Scherer, Wilhelm, "Gart, Thiebolt" in: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878), S. 372-373 unter Gart, Thiebold [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119681544.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA