Lebensdaten
um 1250 – 1318
Geburtsort
Meißen
Sterbeort
Mainz
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118535102 | OGND | VIAF: 235130534
Namensvarianten
  • Heinrich von Meißen
  • Meißner (nicht zu verwechseln mit)
  • Frauenlob
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Frauenlob, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118535102.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    F.s Beiname verweist auf den Ort seiner Herkunft. Vermutlich hat er auf der Meißner Domschule seine wissenschaftliche Ausbildung und künstlerisch technische Schulung in Poetik, Komposition, Vokal- und Instrumentalmusik erhalten. Meißnisch geprägt ist auch seine Sprache. Nicht zu verwechseln ist er mit dem „Meißner“, einem älteren Landsmann, der zwischen 1260-80 dichtete. F. war eine Frühbegabung, wie aus einem Gedicht Hermanns von Damen erhellt, das ihn als ein noch nicht 13jähriges Kind zitiert. So hat er schon in jungen Jahren seine Laufbahn als dichtender Fürstendiener begonnen. Zahlreiche, nur zum Teil datierbare persönliche und sachlich historische Anspielungen in seinen Gedichten werfen Licht auf bestimmte Stationen seines Lebensganges. Das erste zeitlich sichere Faktum ist sein Auftreten vor König Rudolf I. 1278, als dieser vor der Schlacht auf dem Marchfeld mehrere Edle zu Rittern schlug. Die Preisgedichte zeigen ihn in Beziehungen zu König Wenzel II. von Böhmen (1286), Herzog Heinrich von Breslau (1290), Herzog Heinrich von Mecklenburg, König Erich von Dänemark, Wizlav IV. von Rügen, Graf Otto von Ravensberg, Graf Ludwig von Oettingen, Gerhard von Hoya, Otto von Oldenburg, Meinhart von Kärnten, Otto von Niederbayern (1300), EB Giselbrecht von Bremen und Markgraf Waldemar von Brandenburg, vor dem er 1311 bei einem Ritterfest in Rostock auftrat. Da die meisten dieser Herren untereinander verwandt oder verschwägert sind, darf geschlossen werden, daß F. jeweils von einem Hof zum andern empfohlen worden ist. Seit etwa 1312 war er unter der Gunst des EB Peter von Aspelt in Mainz seßhaft.

    F.s Nachruf auf Konrad von Würzburg zeigt ihn als Zögling der späthöfischen Wortkunst, die er selbstbewußt zu überbieten trachtet. In dem Bemühen, sein künstlerisches Eigentum gegenüber der mächtigen Tradition zu behaupten, erhebt er sich in kühnem Selbstlob über die großen höfischen Dichter und betont die Gottunmittelbarkeit seiner Kunst. Beflissenes Epigonentum und hochgesteigerter Originalitätsanspruch stehen nebeneinander. Zugleich gehört er schon zu der neuen Gruppe bürgerlicher Meister vom Schlage Regenbogens, Rûmzlants, Marners und so weiter. Wie diese pocht auch F. auf das Rüstzeug der gelehrten Bildung und sieht im Wissen als solchem Würde und Kern seines Künstlertums. In dieser künstlerischen Zwielichtigkeit, in diesem spannungsvollen Nebeneinander von ästhetischem Eros der Form und hemmungslosem Stofftrieb liegen Reiz und Problematik seiner Dichtung. Er steht an der Grenze der sich ablösenden Welten, der versinkenden ritterlichen und der neu sich bildenden bürgerlich städtischen Kultur. Diese kontrastreiche Begegnung zweier Welten in einer Künstlerpersönlichkeit sichern F. eine allgemeine geistesgeschichtliche Bedeutung. Was Wirrnis des Geistes zu sein scheint, muß als Reichtum begriffen werden, als ein Reichtum, der es möglich macht, den höfischen Minnesinger Walther von der Vogelweide und den meistersingerischen Schusterpoeten Hans Sachs in einem großen Entwicklungszusammenhang zu sehen. Einzigartig ist F.s ästhetisches Verhältnis zur Sprache. Deckt es sich doch mit der modernen Forderung Verlaines: „De la musique avant toute chose.“ In der Tat ist Musik das Lebenselement seiner Dichtung. Sie überhöht den und hebt schließlich, ganz im Sinne der absoluten Wortmusik der Symbolisten, die rationale Mitteilungsfunktion der Sprache auf. Diese wird für F. zum reinen Medium seiner Ausdruckslust, ein musikalisches Element in der ganzen Weite des Begriffs, ein in allen Möglichkeiten der Variation durchgestaltbares Material zur Befriedigung seines bildnerischen Triebs. Das Klangspiel ist also hier nicht nur Schmuck, auch nicht nur poetisch formale Illustration der sprachlichen Aussage, es ist vielmehr selber Sprache, irrationale Sprache freilich, die nicht konkret umrissen mitteilt, wohl aber ein Inneres zum Ausdruck bringt und so im reinen Klang aussageträchtige Erregungen entlädt. Aber zugleich weiß sich F. einer technisch rationalen Kunstübung verpflichtet, die nach sorgsam ausgetüftelten Reim- und Versgebäuden Silben zählt und Reime schmiedet, worin sich der kunstgewerbliche Handwerkerfleiß der kommenden Meistersinger ankündigt.

    Der Verkennung seiner bilderreichen Sprache als Schwillst entspricht die Mißdeutung seiner dichterischen Aussagen als „Ideen- und|Gedankenassoziationen eines nicht völlig normalen Gehirns“ (Pfannmüller). Neuere Untersuchungen ergaben jedoch, daß seine Dichtung sehr genau das mittelalterliche Bild des Universums widerspiegelt, wie es sich etwa bei Thomas von Aquin oder Dante findet. In der Ausschweifung seines Denkens und Formulierens bezeugt sich die bohrende Intensität des religiösen Grüblers, der „gerade im Absurden das Übernatürliche zu fassen“ sucht und eine Antwort finden möchte auf die ihn tief bewogende Frage, „wie Gott und Welt ineinandergreifen, wie Transzendenz und Immanenz ineinander verschlungen sind, in der Schöpfung im ganzen und in der Inkarnation“ (Krayer). In dieser Richtung seines Denkens auf die Metaphysik der Natur, in diesem Hang zur Verknüpfung des Poetischen mit dem Theologischen erweist sich ihm die Allegorie als die gemäße Kunstform. So sehr seine Phantasie vom Worte lebt und sich in scheinbar richtungslosen Assoziationen entfaltet, so läßt sich doch zeigen, daß die gehäuften Bilder und Vergleiche nicht wortspielerische Zufallsprodukte sind, sondern im antiken und theologisch philosophischen Bildungsgut wurzeln. Deshalb ist F.s Dichtung eine Fundgrube für motivgeschichtliche Untersuchungen, eine ergiebige Dokumentation des Fortlebens alten Wissens. So gilt er mit Recht als ein gelehrter Dichter, dessen Bildungsehrgeiz in der Themenvielfalt seines Werkes greifbar ist. Insbesondere pflegte er den lehrhaften Spruch in allen seinen Richtungen. Als Theologe fragt er nach dem Sein Gottes, nach den Geheimnissen der Trinität und der Schöpfung, dem Heiligen Abendmahl, der rechten Beichte und Buße und vor allem nach dem Wunder der jungfräulichen Gottesmutterschaft Marias. Als Ethiker und Didaktiker wendet er sich an die einzelnen Stände (Fürsten, Kleriker, Laien und so weiter) wie an die Menschheit insgesamt und läßt Politik und Zeitgeschichte, Sozialbelehrung und Sozialkritik, Fürstenpreis und Gönnerbitte, Philosophie und Religion, Schulwissenschaft und allgemeine Moral zu Worte kommen. Als „Literarhistoriker“ zielt er auf Selbsterhellung im Sinne künstlerischer Eigenständigkeit. Auch als Minnesänger brilliert er in den gängigen Formen (Lied, Leich, Spruch) und steigert die Minne zu einem religiös empfundenen Kult der Frau. Außer ein paar Liedern umfaßt sein Werk einige hundert Sprüche sowie 3 formal sehr anspruchsvolle Kunstgebilde, nämlich den Frauenleich, Kreuzleich und Minneleich. Seine meistgebrauchten Strophenformen sind: der lange Ton, der Würgendrosselton, der goldene, neue, vergessene, zarte und grüne Ton. Auffällig ist seine Neigung, mehrere Sprüche (meist 3) durch formale und inhaltliche Verknüpfungen zu größeren Einheiten zusammenzufassen. Als Musiker steht F. noch dem klassischen Minnesang nahe, dessen Ebenmaß weithin den Stil seiner Melodik bestimmt. Er enthält sich der schwelgerisch reichen Melismatik der zeitgenössischen Liedmusik (Meister Alexander, Wizlav von Rügen). Gleichwohl stellen sich seine Weisen als Spätkunst dar, insofern sie erregter geworden sind und in stärker ausgreifenden Bögen den Ausdruck zu fassen suchen. Die Überlieferung seiner Melodien ist relativ reich (Jenaer Liederhandschrift, Handschrift Wien 2701), die Rhythmisierung noch immer umstritten. Was F. über seine Zeit- und Zunftgenossen hinaushebt, sind vor allem ästhetisch künstlerische Qualitäten, einmal seine kühn assoziierende Vorstellungskraft, die Nahes und Fernes, Banales und Heiliges zusammenfügt, zum andern sein Gefühl für die Form als das eigentliche Geheimnis der Kunstwirkung, sein Sinn für die Relationen der Teile im Bau der Strophe, sein musikalisches Gespür für Klang und Rhythmus der Verse, Eigenschaften, die diesen bürgerlichen Dichter zum höfischen Künstler qualifizieren. In seiner Weltschau und Lebenswertung hat er freilich den höfischen Boden weithin verlassen. Der Kern seiner Sittlichkeit ist nicht mehr die höfische Ritterethik, auch wenn er noch immer ihre Wunschbilder preist, sondern die von der Welt sich abwendende Frömmigkeit, die ethische Transzendenz des Christentums, der aus Geheimnis und Wunder gespeiste Glaube. Zugleich aber hat er sich im bürgerlichen Wirklichkeitsraum des Spätmittelalters heimisch gemacht. Dem entspricht ein neues genossenschaftliches Verhältnis zu den Dichtern des gleichen Standes und damit ein Bedürfnis nach Emanzipation vom höfischen Vorbild, nach Setzung neuer und eigener Normen, die Tendenz zu einer schulmäßigen Kodifizierung der Kunst. Auch die jetzt üblich werdenden Sängerwettstreite sind Symptome dieses auf kollektive Sicherheit gestellten bürgerlichen Kunstrationalismus. Und auch dies ist kein Zufall, daß die Manessische Handschrift F. als lehrenden Meister im Kreise seiner musizierenden Schüler abbildet und so die schulmäßige Form der Unterweisung in der poetisch musikalischen Kunst der Lyrik dokumentiert. Der Name F., der als programmatisches Bekenntnis zu gelten hat, ist mehrfach bezeugt: durch Selbstzitat, durch zeitgenössische Nennungen sowie durch die Inschrift seines Grabsteines in der Mainzer Domkirche (1774 zerstört, 1842 ersetzt), auf dem unter seinem blumenbekränzten Haupt die Grablegung seines Sarges durch 8 Jungfrauen reliefartig dargestellt war. Außerordentlicher Nachruhm war ihm beschieden. Die Meistersinger haben ihn als einen der 12 alten Meister gerühmt und sogar zum Doktor der Theologie und Mainzer Domherrn „promoviert“. Große Wirkung übte er als prägendes Vorbild der mit- und nachstrebenden Dichter. Die neue Hochschätzung F.s bezeugt sich in dem zunehmenden Umfang und Rang der ihm gewidmeten Untersuchungen, Übersetzungen und Neuausgaben seiner Werke.

  • Werke

    W Textausgg. u. Überss.: L. Ettmüller, Heinr. v. Meißen, 1843;
    L. Pfannmüller, Der Marienleich F.s, 1913;
    B. Nagel, F. (2sprachige Ausw. mit Nachwort), 1951;
    M. Lange, Der Minnesinger F. (Ausw. neuhochdt.), 1951;
    Neue Gesamtausg. v. H. Thomas u. K. Stackmann in Vorbereitung.

  • Literatur

    ADB VII;
    G. Roethe, Reimar v. Zweter, 1887;
    A. Frisch, Unterss. üb. d. versch. mhdt. Dichter, welche nach d. Überlieferung d. Namen Meißner führen, Diss. Jena 1887;
    H. Jantzen, Gesch. d. dt. Streitgedichtes im MA, 1896;
    R. Biedermann, Die Einwirkung d. Kolmarer Meisterliederhs. auf d. Textgestaltung d. Gedichte Heinr. v. Meißen, Diss. Berlin 1897;
    J. Krön, F.s Gelehrsamkeit, Diss. Straßburg 1906;
    H. Lütcke, Stud. z. Philos. d. Meistersinger, 1911;
    L. Pfannmüller, F.s Begräbnis, in: Btrr. z. Gesch. d. dt. Sprache u. Lit. 38, 1913;
    K. Plenio, Strophik v. F.s Marienleich, ebd. 39, 1914;
    F. Werminghoff. Der F.stein im Kreuzgang d. Mainzer Doms, in: Mainzer Zs. 14,1919;
    E. Neeb, F.s Grab u. ältester Grabstein im Dom zu Mainz, ebd.;
    F. Illert, Btrr. z. Chronol. d. hist. Sprüche F.s, Diss. Halle 1922;
    H. Kießling, Die Ethik F.s, 1926 (Rez. v. A. Hübner in: Zs. f. dt. Altertum 63, 1926);
    G. Rosenhagen, F.s Marienleich, in: Zs. f. dt. Philol. 53, 1927;
    ders., in: Vf.-Lex. d. MA I, Sp. 644-57 (L);
    O. Sächtig, Über d. Bilder u. Vergleiche in d. Sprüchen u. Liedern Heinrichs v. Meißen, Diss. Marburg 1930;
    W. F. Kirsch, F.s Kreuzleich, Diss. Bonn 1931;
    H. Kretschmann, Der Stil F.s, 1933;
    B. Nagel, Der Bildausdruck d. Meistersinger, in: Zs. f. dt. Philol. 66, 1940;
    ders., Der dt. Meistersang, 1952;
    A. Rummel, Manierist. Dichtung im 13. u. 19. Jh. (Ein Vergleich, dargest. an F. u. Rilke), Diss. Tübingen 1951;
    R. Krayer, F. u. d. Natur-Allegorese, Motivgeschichtl. Unterss., 1960;
    H. Husmann, in: MGG IV, Sp. 850-53 (W, L, Abb.).

  • Porträts

    Miniatur in d. Maness. Hs., Bl. 399 (Heidelberg, Univ.bibl.).

  • Autor/in

    Bert Nagel
  • Zitierweise

    Nagel, Bert, "Frauenlob" in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 380-382 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118535102.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Frauenlob: Dichter, mit seinem eigentlichen Namen Heinrich von Meißen; jenen von der späteren Ueberlieferung allein bewahrten führte er nach der gewöhnlichen Annahme davon, daß er in einem Streitgedichte mit seinem Kunstgenossen Regenbogen diesem gegenüber den Namen „Frau" über „Weib“ stellte. Doch wird diese Annahme dadurch unwahrscheinlich, daß er in einem Gedichte von Hermann dem Damen schon Frauenlob genannt und doch darin offenbar noch als ein junger Mann bezeichnet wird, während jenes Streitgedicht erst einer späteren Zeit seines Lebens angehört. Die Pariser Handschrift nennt ihn auch „den jungen Meißner“ zum Unterschiede von einem älteren Landsmann, dem Meißner, der von 1260—1280 dichtete. F. stammte aus Meißen und wird etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts geboren sein. Er erwarb sich eine tüchtige Schulbildung, wie Ettmüller vermuthet, durch den Besuch der Meißner Domschule. In seinen Gedichten verräth er Kenntniß des Lateinischen und zeigt sich in aller Art von damaliger Gelehrsamkeit bewandert. Er führte, worauf er durch seine an mehreren Stellen angedeutete Dürftigkeit hingewiesen war, ein wanderndes Leben und durchzog einen großen Theil des deutschen Reiches. 1278 finden wir ihn in der Umgebung König Rudolfs I. auf dem Marchfelde, als der König vor der Schlacht gegen Ottokar von Böhmen eine Anzahl Edler zu Rittern schlug. Am Hofe von Kärnten, wahrscheinlich bei Herzog Meinrad V. ( 1295) war er in den 80er oder 90er Jahren, bei Herzog Otto von Niederbaiern ebenfalls gegen das Ende des 13. Jahrhunderts oder am Anfang des folgenden; bei König Wenzel II. von Böhmen, dessen Ritterschlag zu Prag im J. 1286 er beiwohnte. Auch den Tod dieses Königs ( 1305) hat er in einem Klageliede gefeiert, wie uns Ottokar von Steier berichtet, doch ist dasselbe nicht erhalten. Im nordöstlichen Deutschland finden wir Beziehungen Frauenlob’s zu Herzog Heinrich von Mecklenburg ( 1302) und zu Witzlaw IV. von Rügen ( 1325), der selbst Dichter war. Auch nach dem nordwestlichen Deutschland führten ihn seine Wanderungen: er war bekannt mit Gerhard von der Hoye, den die Geschichte aus seinen Fehden mit Osnabrück kennt; mit Giselbrecht von Bremen, der von 1273—1306 auf dem erzbischöflichen Stuhle saß, und mit dessen Oheim Graf Otto von Oldenburg, ferner mit Graf Otto von Ravensberg. 1311 finden wir F. vor Rostock anwesend bei einem großen Ritterfeste, welches Waldemar von Brandenburg veranstaltete. Zu dieser Zeit wird er auch mit König Erich von Dänemark bekannt geworden sein, den er in einer Strophe feiert. Die letzte Zeit seines Lebens, etwa von 1312 an, verlebte F. in Mainz. Die Ueberlieferung der Meisterfänger bezeichnet ihn als Doctor der|heiligen Schrift und als Domherrn zu Mainz, was beides gänzlich unbegründet ist. Ebenso läßt sich nicht nachweisen, daß er die erste Meistersängerschule in Mainz begründet habe, wenn auch nicht unwahrscheinlich ist, daß ein Dichter von Frauenlob’s Bedeutung manchen Kunstgenossen um sich versammelt haben wird, und die Streitgedichte, wie mit Regenbogen, auf ein Zusammenleben verschiedener Dichter an derselben Stätte hinweisen. Sicher ist nur, daß er in Mainz am 29. November 1318 starb oder vielmehr begraben wurde. Albrecht von Straßburg berichtet, daß er von Frauen unter großen Klagen aus seinem Hause (hospitium sagt der Chronist und bezeugt damit, daß F. nicht wirklich ansässig in Mainz war) nach dem Dom getragen, und daß diese Ehre ihm zu Theil ward wegen des großen Lobes, das er in seinen Dichtungen dem weiblichen Geschlechte spendete. Der noch im vorigen Jahrhundert vorhanden gewesene Grabstein wurde 1774 bei einem Umbau von Arbeitern zertrümmert; ein neues Denkmal ist ihm 1842 im Dom errichtet worden. — F. ist recht eigentlich ein gelehrter Dichter; er liebt es, seine Kenntnisse in seinen Gedichten reichlich an den Tag zu legen. Sie haben sämmtlich eine schwülstige und prunkvolle Sprache und bewegen sich in überkünstelten Formen. Am meisten Einfluß auf ihn hat Wolfram von Eschenbach gehabt, zu dessen Schule ihn daher Gervinus mit Recht stellt, und dessen dunkle Sprache und Ausdrucksweise die Bewunderung der Späteren erweckte. Was aber bei Wolfram Ausfluß seines Naturells war und daher naiv wirkt, ist bei F. absichtlich und bewußt. Dabei blickt er, wie die Epigonen zu thun pflegen, mit Geringschätzung auf die älteren Meister zurück, denen er doch, was gutes an ihm ist, allein zu verdanken hat. Dieses große Selbstgefühl wurde denn auch von seinen Zeitgenossen gerügt, so von Hermann dem Damen (Ettmüller S. XXI ff. — Das eigentliche Lied hat F. so gut wie gar nicht gepflegt, auch gebricht ihm die lyrische Ader durchaus. Daher machen die wenigen Lieder, die wir von ihm besitzen (Ettmüller S. 246 264), den Eindruck verstandesmäßiger Producte, an denen das Gefühl keinen Antheil hat. Um so zahlreicher sind seine Sprüche, und in ihnen tritt Frauenlob’s Begabung auch am vortheilhaftesten hervor. Sie behandeln mit Vorliebe religiöse und ethische Gegenstände: die allgemein gehaltenen Lobreden auf die Frauen, deren sittlicher Werth gepriesen und verherrlicht wird, die ebenfalls der persönlichen Beziehungen entbehrenden Sprüche über reine und keusche Liebe, die über Freundschaft und Mannestugenden, gehören zu dem besten, was F. gedichtet. Nicht minder diejenigen, die sich mit den Aufgaben des geistlichen Standes beschäftigen, die gegen die Habsucht der Geistlichkeit eifern und den Pfaffen einen reinen Lebenswandel empfehlen; oder diejenigen, die die Aufgaben des fürstlichen Standes zum Gegenstand haben. Viel weniger günstigen Eindruck macht alles, was in das Gebiet persönlicher Beziehungen gehört, man mag nun seine Sprüche auf Gönner, oder den Spruch, in welchem er um den Tod Konrads von Würzburg klagt, oder das Streitgedicht mit Regenbogen ins Auge fassen. Die Lobsprüche sind ebenso übertrieben und geziert wie jener Klagespruch, und das erwähnte Streitgedicht läßt den ganzen Dünkel und die ganze spitzfindige Art Frauenlob’s hervortreten. Gern vereinigt F. drei Strophen zu einem Ganzen, worin ihm sein Landsmann der Meißner schon vorangegangen war: bei den spätern Meistersängern wurde diese Strophendreizahl geradezu zur Regel. Von der ungünstigsten Seite zeigt sich F. in den drei Leichen, die wir von ihm besitzen, dem auf die Jungfrau Maria, der auf dem hohen Liede beruht, dem Kreuzleich und dem Minneleich. Hier hat die Geschraubtheit des Ausdrucks, der Schwulst und die Ueberladung mit Gelehrsamkeit, endlich die Verkünstelung der Form den Höhepunkt erreicht. Sie haben auch wenig Nachahmung gefunden, wenngleich sie als Meister- und Musterwerke galten; die Form der Leiche wurde überhaupt in|der Folgezeit mehr und mehr fallen gelassen. Der Chronist Albert von Straßburg erwähnt mit hohem Lobe Frauenlob’s „Cantica canticorum“, d. h. seinen Leich auf Maria. Um so mehr Nachahmung fand Frauenlob’s Spruchpoesie und die mannigfachen zum Theil sehr kunstreichen Formen, in die sie gekleidet ist. Eine Menge von Sprüchen jüngerer Dichter wurden in seinen Tönen verfaßt und ihm beigelegt, und so enthalten die jüngeren Handschriften, wie die Kolmarer, echtes und unechtes in bunter Mischung, dessen Scheidung der Kritik erhebliche Schwierigkeiten verursacht. Mancher nimmt auch geradezu seinen Namen an, wie der Verfasser des „tougen hort oder slozhort“ (Kolmarer Meisterlieder Nr. 6), der einen Leich in Frauenlob’s Stil versuchte. Die am meisten gebrauchten Töne sind: der lange Ton, der Würgendrüssel, der goldene Ton, der vergessene Ton, der neue Ton, der zarte Ton, der grüne Ton, wozu noch eine Anzahl seltenerer kommen, und die nicht geringe Zahl derjenigen, die ihm von den späteren Meistersängern (wie Voigt und Wagenseil) beigelegt werden, ohne aber durch echte Gedichte belegt zu sein. Sicherlich ist, wie viele Lieder und Sprüche von späteren in seinen Tönen gedichtet wurden und seinen Namen annahmen, auch mancher Ton ihm beigelegt worden, um dadurch ein höheres Ansehen zu gewinnen, und wir haben keineswegs daraus auf eine größere Anzahl verlorener Gedichte, die in jenen Tönen abgefaßt gewesen, zu schließen.

    • Literatur

      Vgl. Heinrichs von Meißen des Frauenlobes Leiche, Sprüche, Streitgedichte und Lieder, erläutert und herausgegeben von L. Ettmüller, Quedlinburg und Leipzig 1843; von der Hagens Minnesinger IV. 730—742; Bartsch, Meisterlieder d. Kolmarer Handschrift S. 168—175; Schröer in Bartsch, Germanist. Studien 2, 224.

  • Autor/in

    K. Bartsch.
  • Zitierweise

    Bartsch, Karl, "Frauenlob" in: Allgemeine Deutsche Biographie 7 (1878), S. 321-323 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118535102.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA