Lebensdaten
1841 – 1917
Geburtsort
Rostock
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Jurist ; Kirchenrechtler ; Professor in Freiburg im Breisgau, Straßburg und Leipzig
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118615238 | OGND | VIAF: 59152673
Namensvarianten
  • Sohm, Rudolf
  • Sohm, Gotthard Julius Rudolph
  • Sohm, Rudolph
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Zitierweise

Sohm, Rudolph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118615238.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl Friedrich Erdmann ( 1879), Anwalt, Vorstand d. Archivs u. d. Bibl. d. meckl. Rr.- u. Landschaft (s. Leesch, Archivare);
    M Auguste Sofie Friederike Walter, aus meckl. Pfarrersfam.;
    B Albert, Landger.dir.;
    1) 1872 Clara Seidel ( 1879), 2) 1882 Charlotte (1850–1914), T d. Heinrich Friedrich Ludwig Johann Kehrhahn (1809–63), u. d. Juliane Dorothea Adelheid Petersen ( 1871);
    1 S aus 1) Friedrich (⚭ Maria Behrmann, 1953), 1 T aus 1) Maria (⚭ Heinrich Frieling, Pfarrer), 2 S aus 2) Rudolf (1880–1914 ⚔), Jur., PD an d. Univ. Würzburg), Walter (1886–1914 ⚔), Prof. f. Mittlere u. Neuere Gesch. an d. Univ. Marburg (s. Catalogus Professorum Academiae Marburgensis II, 1979), 1 T aus 2) Charlotte, Richterin am OLG Celle;
    N Margarethe (1876–1958, Franz Erhardt, 1864–1930, o. Prof. f. Philos. in R., s. NDB IV); Schwager Heinrich Seidel (1842–1906), aus Perlin b. Wittenburg (Meckl.), Ing. u. Schriftst., Vf. d. Romans „Leberecht Hühnchen“, 1882 (s. NDB 24*);
    E Rudolf Frieling (1901–86), Dr. phil., Pfarrer d. Christengemeinschaft 1922–24 in L., 1924–26 in Mannheim, 1926/27 in Nürnberg, 1927–41 in Wien, 1929 Lenker, 1949 Oberlenker in Marburg, 1949–55 in New York, 1955 in Stuttgart, 1960 Erzoberlenker d. Christengde. ebd. (s. Munzinger).

  • Biographie

    Nach Abschluß seiner Schulzeit in Rostock begann S. 1860 das Studium der Rechtswissenschaften in seiner Geburtsstadt, wechselte 1861/62 nach Berlin, dann nach Heidelberg und kehrte 1863 nach Rostock zurück, wo er 1864 mit einer von der Fakultät preisgekrönten, unter der Betreuung Georg Wilhelm Wetzells (1815–90) angefertigten Arbeit über das röm. Pfandrecht promoviert wurde. Sein Interesse an der fränk. Rechtsgeschichte führte S. 1865 nach München zu Paul (v.) Roth (1820–92) und mündete 1866 in die Habilitation für dt. Recht und Handelsrecht an der Univ. Göttingen mit einer Arbeit „Über die Entstehung der Lex Ribuaria“, deren Textgestalt S. 1883 für die MGH auch editorisch bearbeitete. 1870 zum ao. Professor in Göttingen ernannt, wurde S. im selben Jahr mit Unterstützung Karl Bindings (1841–1920) als o. Professor für dt. Recht und Kirchenrecht nach Freiburg (Br.) berufen und wechselte 1872 an die Univ. Straßburg (Rektor 1884/85). 1887 folgte S. einem Ruf an die Univ. Leipzig. 1891–96 war er nichtständiges Mitglied der zweiten BGB-Kommission und zugleich Kommissar des Bundesrates. Der bürgerlichen Sozialreformbewegung nahestehend, beteiligte sich S. 1896 an der Gründung des Nationalsozialen Vereins Friedrich Naumanns.

    Der Schwerpunkt seines Wirkens bewegte sich im Spannungsfeld von Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Rechtsdogmatik und dem röm. Recht, zu dem S. 1883 ein weitverbreitetes Lehrbuch verfaßte. Kennzeichnend für S.s Werk war die begrifflich-konstruktive Erfassung rechtlicher Normativität, auch wenn er das geltende Recht als Ergebnis historischer Entwicklungen deutete. Seinem 1909 formulierten Postulat zufolge konnte nur „die Begriffsjurisprudenz“ „die geistige Herrschaft über den in unzähligen Gesetzen angehäuften Stoff“ vermitteln. Die Arbeit über den „Prozesz der Lex Salica“ (1867, Neudr. 1971, franz. 1873) und die durch die Forschungen Roths angeregte Arbeit über die „fränk. Reichs- und Gerichtsverfassung“ (1871) bewegten sich ganz auf dieser Linie begrifflicher Rekonstruktion. Hier wurde versucht, die These zu begründen, daß schon in fränk. Zeit ein ausgeformtes Staatswesen existiert habe, in dem „ein souveränes Königtum“ lediglich „durch den Inhalt der Staatsgewalt“ beschränkt gewesen sei. Hinter dieser These, die insbesondere gegen Otto v. Gierkes (1841–1921) Konzeption einer genossenschaftlichen Herrschaftsordnung im mitteleurop. Frühmittelalter gerichtet war, stand eine zutiefst etatistische Rechtsvorstellung, für die sich „der Begriff des Staats ( . . . ) aus dem Begriff des Rechts“ ergab. In dieser Perspektive wurde der staatliche Zwang zum Inbegriff des Rechts. Dem stellte S. die Kirche gegenüber, die er 1872 als „dem Staat ethisch gleichgeordnet, rechtlich untergeordnet“ beschrieb. Dieser Dualismus von rechtlicher und geistlicher Sphäre bestimmte weite Teile von S.s Werk konzeptionell: So gestand er 1875–81 zwar in mehreren Arbeiten der kirchlichen Trauung im Verhältnis zur 1875 eingeführten obligatorischen Zivilehe Verbindlichkeit zu und plädierte 1881 sogar für die Einführung der lediglich fakultativen Zivilehe. Doch 1891 bekannte er sich zum Gegensatz zwischen „ausschließlich rechtlichem“ Gehalt der Zivilehe und „ausschließlich geistlichem“ Inhalt der kirchlichen Trauung. In seinem grundlegenden Werk „Kirchenrecht“ Bd. I (1892, Neudr. 1970) mündeten diese Überlegungen in die These, „Das Kirchenrecht steht mit dem Wesen der Kirche im Widerspruch“. Kirche in diesem Sinn war für S. keine historische Größe, sondern die Gemeinschaft der Gläubigen, die S. allein in der charismatischen Ordnung der urchristlichen Gemeinde des 1. Jh. und im Kirchenbegriff Luthers verwirklicht sah. Dieser Perspektive entsprach auch S.s 1909 einsetzende Kritik am Lehrbeanstandungsverfahren der preuß. Landeskirche, insbesondere im Fall von Carl Jatho. Vor allem aber machte S. „Wesen und Ursprung des Katholizismus“ (1909) in der Verrechtlichung der Kirche aus. Damit beschrieb er den Katholizismus als Selbstentfremdung der Kirche von ihren ideellen Ursprüngen, auch wenn er seit 1913/14 die Existenz eines „altkatholischen“ Kirchenrechts in der Zeit bis zum 12. Jh. zugestand, das, basierend auf der Sakramentsverfassung, dem charismatischen Ursprung der Kirche nahe stand. Obwohl schon zu seinen Lebzeiten insbesondere durch Adolf v. Harnack (1851–1930) heftig kritisiert, haben S.s kirchenrechtliche Thesen die Debatte über das Verhältnis von Kirche und Recht bis heute mitgeprägt.

  • Auszeichnungen

    korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1875);
    o. Mitgl. d. Sächs. Ges. d. Wiss. (1892);
    sächs. GR;
    Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1916);
    Geh. Reg.rat;
    Dr. h. c. (Königsberg, Leipzig u. Budapest).

  • Werke

    Die Lehre vom Subpignus, 1864;
    Über d. Entstehung d. Lex Ribuaria, in: Zs. f. Rechtsgesch. 5, 1866, S. 380–458;
    Die dt. Reichs- u. Ger.vfg., Bd. I: Die fränk. Reichs- u. Ger.vfg., 1911, Neudr. 1971;
    Das Verhältnis v. Staat u. Kirche aus d. Begriff v. Staat u. Kirche entwickelt, in: Zs. f. Kirchenrecht 11, 1872, S. 157–84, auch separat 1873, Neudr. 1965, Wiederabdr. in: R. S., Staat u. Kirche als Ordnung v. Macht u. Geist, Ausgew. Texte z. Verh. v. Staat u. Kirche, hg. v. H.-M. Pawlowski, 1996, S. 7–38;
    Das Recht d. Eheschließung aus d. dt. u. canon. Recht geschichtl. entwickelt, 1875;
    Trauung u. Verlobung, Eine Entgegnung auf Friedberg: Verlobung u. Trauung, 1876;
    Die obligator. Civilehe u. ihre Aufhebung, 1880;
    Fränk. Recht u. röm. Recht, Prolegomena z. dt Rechtsgesch., 1880;
    Civilakt u. Trauung, in: Allg. Ev.-luth. Kirchenztg. 14/II, 1881, Sp. 272 ff.;
    Institutionen, Gesch. u. System d. röm. Privatrechts, 1883, 151917, 171923, Neudr. 1949, poln. 1925, span. 1928, engl. 1892, ³1907, Neudr. 2002;
    KGesch. im Grundriß, 1887, 191917;
    Die soz. Aufgaben d. modernen Staates, 1898;
    Der Gegenstand, Ein Grundbegriff d. Bürgerl. Gesetzbuchs, in: Drei Btrr. z. bürgerl. Recht, FS f. Heinrich Degenkolb, 1905, 1 ff., auch separat 1905;
    Noch einmal der Gegenstand, in: Jherings Jbb. f. d. Dogmatik d. bürgerl. Rechts 17, 1908, S. 373–94;
    Über d. Begriffsjurisprudenz, in: DJZ 14, 1909, Sp. 1019–24;
    Der Lehrger.hof, in: Der Tag, Nr. 274 v. 23./24. 11. 1909;
    Autobiogr. in:
    DJZ 1909, Sp. 1017–19 (P);
    Weltl. u. geistl. Recht, in: Festgabe d. Leipziger Jur.fak. f. Dr. Karl Binding, 1914 (Kirchenrecht II, Kap. 2), erneut in: Staat u. Kirche als Ordnung v. Macht u. Geist (s. o.), S. 142–215;
    Das altkath. Kirchenrecht u. d. Dekret Gratians, hg. v. E. Jacobi u. O. Mayer, in: FS d. Leipziger Jur.fakultät f. Adolf Wach, 1918;
    Kirchenrecht, Bd. II, Kath. Kirchenrecht, hg. v. E. Jacobi u. O. Mayer, 1923;
    W-Verz.: A. Bühler, Kirche u. Staat b. R. S., 1965, S. 347–52 (z. T. fehlerhaft);
    Ergg. in: G. Lease, Der Nachlaß R. S.s, in: ZSRGK 61, 1975, S. 348–76 u. 351 m. Fn. 19;
    E.-V. Heyen, Ergänzende Feststellungen z. Nachlaß R. S.s, ebd. 65, 1979, S. 334–37.

  • Literatur

    H. Fehr, in: ZSRGG 38, 1917, S. LIX–LXXVIII;
    ders., in: DBJ II, S. 150–56 u. Tl.;
    K. v. Amira, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1918, S. 81–86;
    H. Barion, R.|S. u. d. Grundlegung d. Kirchenrechts, 1931;
    K. Mörsdorf, Altkanon. „Sakramentsrecht“? Eine Auseinandersetzung mit d. Anschauungen R. S.s über d. inneren Grundlagen d. Decretum Gratiani, in: Studia Gratiani 1, 1953, S. 483–502;
    D. Stoodt, Wort u. Recht, R. S. u. d. theol. Problem d. Kirchenrechts, 1962;
    W. Maurer, Die Auseinandersetzung zw. Harnack u. S. u. d. Begründung e. ev. Kirchenrechtes, in: Kerygma u. Dogma 6, 1960, S. 194–213;
    ders., R. S.s Ringen um d. Zusammenhang zw. Geist u. Recht in d. Gesch. d. kirchl. Rechts, in: Zs. f. ev. Kirchenrecht 8, 1961/62, S. 26–60;
    E. Ruppel, Kirche u. Staat b. R. S., ebd. 14, 1968/69, S. 225–38;
    G. Ebeling, KGesch. u. Kirchenrecht, Eine Auseinandersetzung mit R. S., ebd. 35, 1990, S. 406–20;
    K. S. Bader, R. S. als Jur. u. Rechtshist., in: Jur.-Jb. 5, 1964/65, S. 1–15;
    A. Bühler, Kirche u. Staat b. R. S., 1965;
    A. M. Ruoco Varela, Die kath. Reaktion auf d. „Kirchenrecht I“ R. S., in: Ius sacrum, Klaus Mörsdorf z. 60. Geb.tag, 1969, S. 15–52;
    W. Böckenförde, Das Rechtsverständnis d. neueren Kanonistik u. die Kritik R. S.s, 1969;
    Y. Congar, S. nous interroge encore, in: Revue des sciences philosophiques et théologiques 57, 1973, S. 203–94, erneut in: ders., Droit ancien et structures ecclésiales, 1982, S. 263–94;
    H.-J. Schmitz, Frühkatholizismus b. Adolf v. Harnack, R. S. u. Ernst Käsemann, 1977;
    R. Sebott, Fundamentalkanonistik, 1993;
    P. Landau, Sakramentalität u. Jurisdiktion, in: Das Recht d. Kirche, hg. v. G. Rau, H.-R. Reuter u. K. Schlaich, 1995, S. 58–95;
    E. W. Böckenförde, Die dt. vfg.geschichtl. Forsch. im 19. Jh., ²1995, S. 191–97;
    H.-M. Pawlowski, Staat u. Kirche als Ordnung v. Macht u. Geist, in: ders. (Hg.), R. S., Staat u. Kirche als Ordnung v. Macht u. Geist (s. W), S. 221–95;
    A. M. Ruoco Varela, Theol. Grundlegung d. Kirchenrechts, Neue Perspektiven, in: Archiv f. kath. Kirchenrecht 172, 2003, S. 23–37;
    RGG³;
    LThK²;
    HRG;
    BBKL X;
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Jur., Ein biogr. Lex., hg. v. M. Stolleis, 1995/2001, S. 587–590;
    TRE;
    Juristas Universales, hg. v. R. Domingo, Bd. 3, 2004;
    Kleinheyer-Schröder (P).

  • Autor/in

    Andreas Thier
  • Zitierweise

    Thier, Andreas, "Sohm, Rudolph" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 539-541 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118615238.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA