Lebensdaten
1937 – 1986
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Kritiker ; Dramaturg ; Theaterregisseur ; Hörspielregisseur
Konfession
lutherisch
Namensvarianten
  • Wendt, Ernst Rudolf Richard
  • Wendt, Ernst
  • Wendt, Ernst Rudolf Richard

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Zitierweise

Wendt, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140447.html [27.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann Friedrich Ernst (1900–81), Buchhalter in H.;
    M Anneliese Marie Spindler (1910–96);
    1) Hannover 1961 Erika Stadtmann (1937–2015), 2) Berlin 1973 Elke Kummer (* 1941, 2] Peter Zlonicky, * 1935, Architekt, Stadtplaner, Prof. an d. RWTH Aachen, Univ. Dortmund, TU Hamburg-Harburg, BVK 2010), Dokumentarfilmerin, Film- u. Lit.kritikerin, Übers. v. ca. 50 Theaterstücken;
    1 S aus 1) Simon (* 1964), Computerfachmann, 1 T aus 1) Katharina (* 1963), Physiotherapeutin, 1 T aus 2) Marianne (* 1974), Architektin, Regisseurin, Schriftst.

  • Biographie

    Nach dem Abitur 1956 studierte W. zunächst in Hamburg, kurz in Wien und dann an der Univ. Hannover Volkswirtschaft und Soziologie. 1960 begann er seine Theaterkarriere als Kritiker und Redakteur bei der im selben Jahr von Henning Rischbieter (1927–2013) mit dem Verleger Erhard Friedrich (1927–2005) gegründeten Zeitschrift „Theater heute“, geleitet von dem Bestreben, Theater als „ein Untersuchungsfeld“ zu begreifen. W.s Lehrmeister waren außer Rischbieter die Kritiker Herbert Ihering (1888–1977), Albert Schulze-Vellinghausen (1905–67) und der Galerist Adam Seide (1929–2004). Als Kritiker setzte er sich vorzugsweise für nicht vom Stadttheater geprägte junge Regisseure wie Peter Stein (* 1937), Claus Peymann (* 1937) und die Stücke neuer Autoren wie Thomas Bernhard (1931–89), Botho Strauß (* 1944) oder Heiner Müller (1929–95) ein. 1967 wurde W. von Intendant Helmut Henrichs (1907–75) als Dramaturg ans Münchner Residenztheater geholt, wo die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Intendanten Hans Lietzau (1913–91) begann, dessen Dramaturg er auch am Schauspielhaus Hamburg (1969 / 70) und ab 1971 an den Staatl. Bühnen Berlin war. Von Lietzau ermuntert, sich als Regisseur zu versuchen, inszenierte W. 1973 in der Werkstatt des Schillertheaters Becketts „Nicht ich“, 1974 „Herakles“ von Heiner Müller. Als Gast übernahm W. 1975 am Burgtheater in Wien die Regie bei Thomas Bernhards „Der Präsident“ und im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses „Die Schlacht“ von Heiner Müller.

    Zur Trennung von Lietzau führte 1976 W.s Solidarität mit dem Regisseur Dieter Dorn (* 1935) in dessen Auseinandersetzung mit Lietzau um künstlerische Fragen und Inszenierungskonzepte. Beide wurden an die von Hans-Reinhard Müller (1922–89) geleiteten Münchner Kammerspiele verpflichtet, W. als Chefdramaturg und Regisseur. 1976–83 entstanden hier um die 20 Inszenierungen, die oft wegen ihrer Eigenwilligkeit und Sprödigkeit umstritten waren, aber letztlich durch schauspielerische Intensität und klare Arrangements überzeugten, u. a. Wedekinds „Frühlings Erwachen“, Lorcas „Dona Rosita bleibt ledig“, „Lovely Rita“ von Thomas Brasch, Schillers „Maria Stuart“, „Susn“ von Herbert Achternbusch, „Medea“ von Hans Henny Jahnn, Goethes „Torquato Tasso“ und Tschechows „Der Kirschgarten“. Unter Müller blieb die sich bald abzeichnende Rivalität der Regisseure Dorn und W. für das Theater und das Ensemble produktiv, als jedoch Dorn die Intendanz übernahm, fehlte der Vermittler zwischen ihren konträren künstlerischen Auffassungen. W. verließ die Kammerspiele definitiv.

    1979 hatte W. als Gast am Bremer Theater „Antigone“ von Sophokles inszeniert (eingeladen zum Berliner Theatertreffen); seit 1981 arbeitete er als freier Regisseur außer in München am Bremer Theater (Tartuffe), am Hamburger Schauspielhaus (Gyges u. sein Ring, Der zerbrochne Krug, Die Räuber, Troerinnen) und an den Staatl. Bühnen Berlin (Was ihr wollt v. Shakespeare, Stella v. Goethe, Phädra v. Racine u. Gespenster v. Ibsen).

    Nach der Inszenierung von Claudels „Das harte Brot“ am Zürcher Schauspielhaus ging W. 1986 mit Boy Gobert (1925–86), der als Intendant von den Berliner Bühnen an das Theater in der Josefstadt wechselte, nach Wien. Dort inszenierte er bis zur Generalprobe Tschechows „Drei Schwestern“; die Premiere nach den Theaterferien erlebte er nicht mehr.

    Mit seinen Regiearbeiten bestimmte W. in den 1970er und 1980er Jahren die ästhetischen Leitlinien und die geistige Strahlkraft des dt.sprachigen Theaters mit. Als Künstler empfand er die Verpflichtung, den Spektakeln, „die sich als die Wirklichkeit aufspielen“, etwas entgegenzusetzen und sich den Vermarktungsstrategien des Trivialen zu entziehen. Sein 1985 erschienenes Buch mit Reden, Essays und Programmheftbeiträgen, „Wie es euch gefällt geht nicht mehr“, enthält die|Essenz seiner Theaterarbeit und seiner -obsessionen.

    Von 1974 an war W. auch ein erfolgreicher Hörspielregisseur; er bearbeitete und inszenierte viele Hörstücke und selten gespielte Dramentexte u. a. von Benno Meyer-Wehlack (1928–2014), Robert Pinget, Marguerite Duras, Slawomir Mrozek, „Der Stern auf der Stirn“ von Raymond Roussel, „Gertrud“ von Hjalmar Söderberg sowie Prosatexte von Max Frisch (1911–91), Emmanuel Bove und Christa Wolf (1929–2011). Besonders die Rundfunkfassung von deren Günderode-Erzählung „Kein Ort. Nirgends“, in der er auch als Sprecher mitwirkte, fand große Beachtung.

  • Auszeichnungen

    |Dt. Kritikerpreis (1980).

  • Werke

    Weitere W u. a. Schrr.: Dt. Dramatik in West u. Ost, 1965 (mit H. Rischbieter);
    Bertolt Brecht, 1966 (mit E. Leiser, K. Völker u. M. Walser);
    Eugène Ionesco, Friedrichs Dramatiker d. Welttheaters, 1967;
    Moderne Dramaturgie, 1974;
    Materialien zu Max Frischs „Andorra“, 1978;
    Theater f. München, Ein Arb.buch d. Kammerspiele, 1973–1983, 1983 (mit D. Dorn u. H.-R. Müller);
    Nachlaß: Archiv d. Ak. d. Künste Berlin.

  • Literatur

    L Nachrufe: R. Michaelis, Der Endspieler, Zum Tode v. E. W., Kritiker u. Regisseur, Praktiker d. Theorie, in: Die Zeit v. 22. 8. 1986;
    Gestorben, E. W., in: Der Spiegel v. 18. 8. 1986;
    Wie es euch gefällt geht nicht mehr, H. Rischbieter über E. W., in: Theater heute 9, 1986, S. 1–4 (P);
    – Ch. Haberlik, Dieter Dorn – E. W., Ordnung u. Chaos, in: dies., Theaterpaare, 12 kreative Begegnungen, 2004, S. 64–77 (P);
    D. Dorn, Spielt weiter! Mein Leben f. d. Theater, 2013;
    Munzinger;
    Theater-Lex., hg. v. H. Rischbieter, 1983;
    Kosch, Theater-Lex.

  • Porträts

    |Photogr. v. O. Sternberg, 1982, Abb. in: Haberlik (s. L), S. 65;
    Photogr. v. B. J. Holzner (Hopi), o. J., Abb. in: Theater heute 9, 1986, S. 1.

  • Autor/in

    Klaus Völker
  • Zitierweise

    Völker, Klaus, "Wendt, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 778-779 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140447.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA