Lebensdaten
1929 – 2016
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Grafing bei München
Beruf/Funktion
Statistiker
Konfession
katholisch
Namensvarianten
  • Weichselberger, Kurt Franz
  • Weichselberger, Kurt
  • Weichselberger, Kurt Franz
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Zitierweise

Weichselberger, Kurt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz139668.html [28.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Franz (1893–1971);
    M Paula Grabner (1893–1968);
    Wien 1955 Ingeborg Bischoff (1928–2016), aus Ostpreußen;
    2 S Andreas (* 1958), Eugen (* 1960), 3 T Annette (* 1956), Charlotte (* 1961), Bettina (* 1968).

  • Biographie

    W. wuchs in Wien auf und kam nach Einzug zum Volkssturm im März 1945 kurzzeitig in US-amerik. Gefangenschaft. Danach begann er eine Ausbildung als Elektriker, setzte dann aber seine Gymnasialausbildung fort (Matura 1947). Zuerst an der TH Wien studierend, wechselte er 1948 an die Univ. Wien, wo er Mathematik als Hauptfach und Physik zum Nebenfach wählte. Als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Statistik der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät 1951–53 war er für Leopold Schmetterer (1919–2004) und Wilhelm Winkler (1884–1984) tätig. Zu seinen Lehrern zählten auch Edmund Hlawka (1916–2009) und Johann Radon (1887–1956), bei dem W. 1953 mit der Arbeit „Die Bernstein-Polynomapproximation in höheren Räumen“ zum Dr. phil. promoviert wurde. In England absolvierte W. Kurse in Sozialstatistik und Praxis der Qualitätskontrolle, bevor er 1953 an der vom Volkswirtschaftler Walther Gustav Hoffmann (1903–71) geleiteten Sozialforschungsstelle der Univ. Münster in|Dortmund angestellt wurde. Hier arbeitete er bis 1960 zur Flüchtlings- und Vertriebenenstatistik sowie zur Messung von Sozialschichtung und veröffentlichte 1959 die theoretische Arbeit „Über Parameterschätzung bei Kontingenztafeln, deren Randbedingungen vorgegeben sind“, in der er die Maximum-Likelihood-Schätzungen unter Nebenbedingungen an die Randverteilungen behandelte.

    Anschließend war er wissenschaftlicher Assistent und später Privatdozent bei Johann Pfanzagl (* 1928) am Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Univ. Köln. 1962 mit „Kontrollen der Ergebnisse von Volkszählungen“ habilitiert, wurde er nach einsemestriger Vertretung des Lehrstuhls für Statistik an der Univ. Göttingen 1963 Ordinarius für Statistik und Direktor des Instituts für Statistik und Wirtschaftsmathematik an der TU Berlin (Dekan 1964–66). W. publizierte 1964 „Über eine Theorie der gleitenden Durchschnitte und verschiedene Anwendungen dieser Theorie“, worin er eine Methode zur Glättung von Zeitreihen fundierte und etablierte, die auch Eingang in die amtliche Statistik fand. W.s Amtszeit als Rektor 1967 / 68 war von Studentenunruhen und der außerparlamentarischen Opposition geprägt. Seine Vermittlungsbemühungen während der Osterunruhen 1968 verhinderten zunächst gewalttätige Eskalationen; als er dann doch einer Fehleinschätzung unterlag und die Durchführung der Queen’s Lecture von Studierenden verhindert wurde, trat er als Rektor zurück. Trotz anschließender Wiederwahl stellte er sich für eine weitere Kandidatur nicht mehr zur Verfügung.

    Die Angebote der Universitäten Köln (1965) und Hamburg (1967) lehnte W. ab. Den Ruf an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Univ. München auf den Lehrstuhl „Spezialgebiete der Statistik“ 1969 nahm er an (Mitgl. d. Senats 1975 / 76, em. 1997), während er einen zuvor erhaltenen Ruf an die Univ. Wien ablehnte. 1974 wurde in Folge der Erneuerung des Bayer. Hochschulgesetzes die Staatswirtschaftliche Fakultät in die Fachbereiche Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften zerteilt, während auf W.s Betreiben die Statistik mit den Philosophen und Wissenschaftstheoretikern einen Fachbereich bildete, innerhalb dessen W. mit Wolfgang Stegmüller (1923–91), dem Ordinarius für Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie, maßgeblich an der Gründung des Instituts für Statistik und Wissenschaftstheorie beteiligt war. Während W.s Zeit als Vorsitzender (1979–81) und stellv. Vorsitzender (1981–83) des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultätentags entstand die Denkschrift „Grundsätzliche Empfehlungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultätentages zum Universitätsstudium der Wirtschaftswissenschaften“, worin er sich z. B. für Konkurrenz und Transparenz zwischen den Fakultäten, wissenschaftliche Mindestniveaus sowie einen Wettbewerb bei Studieninhalten und Studienbedingungen stark machte.

    In der Münchner Zeit forschte W. auch zur Demographie, Regressionsanalyse, Fehlerrechnung, 1978 mit Axel-Rainer Wulsten zu Preisindizes sowie zur Konfidenzschätzung und durchgängig zu den Grundlagen von Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistischer Inferenz. 1990 entwickelte er mit Sigrid Pöhlmann (* 1955) eine auf Wahrscheinlichkeitsintervallen basierende Methodologie zur Kombination von Informationen in wissensbasierten Systemen, die ein Jahrzehnt später unter Mitarbeit von Thomas Augustin (* 1965) und Anton Wallner in die Grundlegung einer Verallgemeinerung der Kolmogoroffschen Wahrscheinlichkeitstheorie zu einer Theorie der Intervallwahrscheinlichkeit mündete. Nach einigen Artikeln erschien 2001 das knapp 700 Seiten umfassende Werk „Elementare Grundbegriffe einer allgemeineren Wahrscheinlichkeitsrechnung, I. Intervallwahrscheinlichkeit als grundlegendes Konzept“ unter Mitarbeit von Augustin und Wallner. Seit 1997 arbeitete W. mit Wallner intensiv an der Entwicklung eines Begriffs der logischen Wahrscheinlichkeit („Symmetrische Theorie“) als Basis einer allgemeinen Inferenztheorie, mittels derer Rückschlüsse von Daten auf statistische Modelle möglich werden, ohne subjektive Apriori-Wahrscheinlichkeiten verwenden zu müssen. Dieses Werk blieb unvollendet; neben einzelnen Konferenzbeiträgen liegt auch ein unabgeschlossenes Manuskript für eine Monographie vor. Zu W.s Schülern zählen Augustin, Pöhlmann, Siegfried Heiler (* 1938), Ulrich Kockelkorn (* 1941), Horst Rinne (* 1939), Bernhard Rüger (* 1942) und Siegfried Széby.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Dt. Statist. Ges. (1957) u. d. Internat. Statistical Institute (1968);
    Vorstandsmitgl. d. Ausbildungsausschuß d. Dt. Statist. Ges. (1969–81).

  • Werke

    Weitere W Über d. Parameterschätzung b. Kontingenztafeln, deren Randsummen vorgegeben sind (2 T.), in: Metrika 2, 1959, S. 100–30 u. S. 198–229;
    Über e. Theorie d. gleitenden Durchschnitte u. versch. Anwendungen dieser Theorie, ebd. 8, 1964, S. 185–230;
    Einige Grundprobleme d. Statistik u. d. Wahrscheinlichkeitstheorie, 1968;
    A Methodology for Uncertainty in Knowledge-Based Systems, 1990 (mit S. Pöhlmann);
    Axiomatic Foundations of the Theory of Interval-Probability, in: V. Mammitzsch| u. H. Schneeweiß (Hg.), Proceedings of the 2nd Gauss Symposium, Conference B, Statistical Sciences, 1995, S. 47–64;
    The Theory of Interval-Probability as a Unifying Concept for Uncertainty, in: Internat. Journ. of Approximate Reasoning 24, 2000, S. 149–70;
    The Logical Concept of Probability, Foundation and Interpretation, in: G. de Cooman, J. Vejnarová u. M. Zaffalon (Hg.), Proceedings of the Fifth Internat. Symposium on Imprecise Probability, Theories and Applications, 2007, S. 455–63 (unter Mitarb. v. A. Wallner);
    Symmetric Probability Theory, Präsentation b. e. Special Session d. Sixth Internat. Symposium on Imprecise Probability, Theories and Applications, 2009 (unveröff.);
    Nachlaß: Inst. f. Statistik, Univ. München.

  • Literatur

    |H. Rinne, B. Rüger u. H. Strecker (Hg.), Grundlagen d. Statistik u. ihre Anwendungen, FS f. K. W., 1995;
    Inst. f. Statistik d. Ludwig-Maximilians-Univ. München, Zum Tode v. Prof. Dr. phil. K. W.(Internet);
    B. Rüger, Nachruf auf Prof. W.(Internet);
    Th. Augustin, in: Soc. for Imprecise Probability, Theories and Applications (Internet);
    ders. u. R. Seising, K. W.s Contribution to Imprecise Probabilities and Statistical Inference, in: Internat. Journ. of Approximate Reasoning 98, 2018, S. 132–45 (W-Verz., P).

  • Autor/in

    Rudolf Seising, Thomas Augustin
  • Zitierweise

    Seising, Rudolf; Augustin, Thomas, "Weichselberger, Kurt" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 570-572 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139668.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA