Lebensdaten
1890 – 1965
Geburtsort
Stuttgart
Sterbeort
Berlin-Schöneberg
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Publizist
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Wandt, Heinrich Louis
  • Stenger, Heinrich (Pseudonym seit 1933)
  • Wandt, Heinrich
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Zitierweise

Wandt, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138949.html [28.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N., Buchbindermeister in St.;
    M Auguste Wörner;
    4 jüngere Geschw;
    Berlin 1950 Alice Wilhelmine Stenger (1902–82, ermordet).

  • Biographie

    W. wuchs in Stuttgart auf, wo er 1906 der SPD beitrat. 1912 arbeitete er kurzzeitig als Redaktionssekretär der sozialdemokratischen Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“. Noch im selben Jahr zum Militärdienst eingezogen, desertierte W. 1913 nach Paris. Im März 1914 stellte er sich, verbüßte acht Monate Haft in einem Militärgefängnis und kam nach seiner Entlassung an die Westfront. Im Frühjahr 1915 wurde W. als nicht mehr frontdienstfähig zur Etappen-Inspektion 4 nach Gent versetzt, wo er bis 1918 bei der Kriegszeitung der 4. Armee tätig war. Nach Kriegsende arbeitete er als Redakteur der linksradikalen Tageszeitung „Freie Presse“ in Berlin. In deren Verlag erschien 1920 W.s Buch „Etappe Gent, Streiflichter zum Zusammenbruch“ (zahlr. Nachdrr., niederl. u. franz. Übers.), in dem er am Beispiel namentlich genannter Offiziere und ihrer Verfehlungen die endemische Korruption der dt. Besatzungsherrschaft im belg. Etappengebiet anprangerte. Ein zweiter Band, der wegen seines von John Heartfield (1891–1968) gestalteten, als moralisch anstößig empfundenen Umschlags bald vom Markt genommen werden mußte, erschien 1928 (Erotik u. Spionage in d. Etappe Gent, zuletzt hg. v. J. Schütrumpf, 2014; niederl. Übers.).

    W.s Buch brachte ihm zahlreiche Beleidigungsklagen ehemaliger Offiziere ein. Nachdem der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht im Okt. 1921 ein Verfahren wegen des Diebstahls von Akten aus dem Reichsarchiv eröffnet hatte, wurde W. bis Jan. 1922 in Haft genommen, dann jedoch aufgrund mangelnden Tatverdachts entlassen. Um weiterer justizieller Verfolgung zu entgehen, floh W. in das belg. besetzte Aachen, dann nach Belgien. 1923 wurde er in Düsseldorf verhaftet und des Landesverrats angeklagt. Die Verhandlung vor dem Reichsgericht im Dez. 1923 begann mit der Verlesung von Abschnitten aus „Etappe Gent“ durch den Richter, was verdeutlicht, daß W. letztlich wegen seiner kriegskritischen Veröffentlichungen vor Gericht stand. W. wurde zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Zeitungen in Belgien und den USA bezeichneten das Verfahren als „deutschen Dreyfusprozeß“. Öffentlicher Druck, u. a. durch den SPD-Abgeordneten Paul Levi (1883–1930) im Reichstag, führte dazu, daß W. 1926 begnadigt wurde.

    Nach der Haftentlassung setzte W. seine publizistische Tätigkeit für verschiedene Zeitungen fort. Im Mai 1933 wurden er und seine spätere Ehefrau Alice Stenger kurzzeitig festgenommen. Seit 1940 hatte W. eine Stelle als Redakteur bei der „Deutschen Destillateur-Zeitung“. 1945 setzte ihn die US-Besatzungsmacht als Pressereferenten im Bezirk Berlin-Schöneberg ein. Seit 1948 arbeitete W. wieder als freier Journalist, v. a. für die bei Ullstein erscheinende „B.Z.“. In seinen letzten Lebensjahren war er demenzkrank.

    Mit einer bis 1933 verkauften Gesamtauflage der „Etappe Gent“ von rund 500 000 Exemplaren war W. einer der erfolgreichsten kriegskritischen Autoren der Weimarer Republik. Die dokumentarische Anlage und der denunziatorische Gestus von „Etappe Gent“ erschwerten eine Anerkennung des Werks im Feld der Kriegsliteratur. Wie der vergleichbare Text „Charleville“ (1919) von Wilhelm Appens (1877–1947) verweigerte W. eine Darstellung des Kriegs als Abenteuer und konzentrierte sich auf die Militärkritik. Eine kritische Rezeption W.s in der Literaturwissenschaft erfolgte punktuell erst seit den 1980er Jahren.

  • Werke

    Weitere W Die Gesch. e. dt. Fahnenflüchtigen, Von ihm selbst erzählt, 1914;
    Das Justizverbrechen d. Reichsger. an d. Vf. d. „Etappe Gent“, 1926;
    Der Gefangene v. Potsdam, 2 Bde., 1927;
    Nachlaß: nicht erhalten.

  • Literatur

    |C. de Backer, H. W. (1890–1965), auteur van het Etappenleven ete Gent, Een proeve van bio-bibliografie, in: Handelingen van de Maatschappij voor Geschiedenis en Oudheidkunde te Gent 39, 1985, S. 223–46 (P);
    B. Ziemann, Gewalt im Ersten Weltkrieg, Töten, Überleben, Verweigern, 2013, S. 198–219;
    J. Schütrumpf, Nachbem., in: H. W., Erotik u. Spionage in d. Etappe Gent, Dt. Besatzungsherrschaft in Belgien während d. Ersten Weltkriegs, 2014, S. 319–62;
    NBW X;
    Kosch, Lit.-Lex.³.

  • Autor/in

    Benjamin Ziemann
  • Zitierweise

    Ziemann, Benjamin, "Wandt, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 402 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138949.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA