Lebensdaten
1900 – 1990
Geburtsort
Bremen
Sterbeort
Stuttgart
Beruf/Funktion
Industriezeichner ; Silberschmied ; Produktgestalter
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118770594 | OGND | VIAF: 93091146
Namensvarianten
  • Wagenfeld, Wilhelm Heinrich
  • Wagenfeld, Wilhelm
  • Wagenfeld, Wilhelm Heinrich
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Zitierweise

Wagenfeld, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118770594.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1872–1941), Arb. in Walle b. B., Wachmann, später Bürger in B., S d. Wilhelm (1842–1919), beide aus Specken (Kr. Diepholz), Landmann, Erbe e. seit d. 30j. Krieg nachweisbaren Gutshofs, 1878 versteigert, Ziegenzüchter in Walle b. B., u. d. Margarethe Feldhaus (1846–1924), aus Ritterrode (Harz);
    M Elisabeth (1872–1945), Hausmädchen in B., T d. Carsten Wichmann, Arb. in B., u. d. Anna Marie Osmers;
    1) Weimar 1925 1941 Elsa (1902–94), T d. Max Heinrich (1863–1945), aus Geithain (Sachsen), Kaufm. in Weimar, u. d. Frieda Lärzer, 2) Erika (1920–2008), mit d. Stadtgde. d. Freien Hansestadt Bremen 1993 Stifterin d. W. W. Stiftung Bremen (s. A, W), T d. Karl Paulus, aus d. Hunsrück, Dir. d. Sparkasse Weißwasser, u. d. Maria Pierhalla;
    2 S aus 1) Johann (1926–45 ), Heinrich (Karsten) (1928–2005, Elma Hohlweg, Chemikerin), Physiker am Royal Melbourne Inst. of Technology (RMIT Univ.), 1 Adoptiv-S Michael (1921–83), Chirurg, 1 T aus 2) Meike (* 1943, Alfons Noll, * 1937, b. d. Internat. Fernmeldeunion in Genf), Dr. iur., LL. M., b. d. Vereinten Nationen in Genf;
    E Matthias (* 1956), Ing., Franziska (* 1958), Filmproduzentin, Malte (* 1963), Prof. f. Ind.design in Melbourne, Natalie (* 1979), Betreiberin e. landwirtsch. Domäne f. alte Pferde, Dorothea (* 1981), Doz. an e. Fachhochschule f. Weinbau, Oliver (* 1981), Gde.angest. f. Parks u. Straßen, Schafzüchter.

  • Biographie

    Nach der Volksschule 1914–18 absolvierte W. eine Lehre als Industriezeichner bei der Bremer Silberwarenfabrik „Koch & Bergfeld“, 1919–22 eine Ausbildung an der Staatlichen Zeichenakademie Hanau als Silberschmied und freier Graphiker. Frühe Holzschnitte und Radierungen sind vom Expressionismus geprägt. 1923 gründete W. in Worpswede eine kleine Werkstatt und begann eine enge Freundschaft mit Heinrich Vogeler (1872–1942). Im Herbst 1923 bewarb er sich am Staatlichen Bauhaus in Weimar, da ihm das von Walter Gropius (1883–1969) ausgegebene Motto „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ eine Zukunftsperspektive eröffnete.

    Ab Okt. 1923 arbeitete W. in der Metallwerkstatt des Bauhauses unter Leitung von László Moholy-Nagy (1895–1946), dem damaligen Formmeister, und dem Werkmeister Christian Dell (1893–1946), im April 1924 legte er seine Gesellenprüfung ab. Bis zur Schließung der Schule 1925 schuf W. Entwürfe, die zu den Inkunabeln der industriellen Moderne zählen, wie etwa die Bauhaus-Leuchten. An der Nachfolgeinstitution, der Staatlichen Bauhochschule Weimar, entwarf W. ab 1926 in der Metallwerkstatt erste industriell herstellbare Typen für eine Serienproduktion und arbeitete systematisch an ihrer Standardisierung. Als Mitglied des Dt. Werkbundes (seit 1926) engagierte er sich beim Ausbau eines breiten Netzwerkes mit dem Ziel, gemeinsam eine zeitgemäße, demokratische Industriekultur aufzubauen.

    Nach Entlassung des Lehrkörpers 1930 entwickelte W. seine Entwürfe weiter und übernahm alle sich bietenden Aufträge, u. a. eine Dozentur an der Staatlichen Kunsthochschule Grunewaldstraße in Berlin (1931, ao. Prof. 1935) und die Gestaltung des ersten „neusachlichen“ Services für die Porzellanmanufaktur Fürstenberg/ Weser (1934). Zukunftsweisend war W.s Vertrag mit dem Jenaer Glaswerk „Schott & Gen.“ (1931–35) für ein Haushaltsgeschirr aus hitzebeständigem Glas. Es markiert den Beginn der systematischen Modellentwicklung in der dt. Großindustrie; für jeden Zweck gab es nur eine Standardform. W. bezog die technischen Mitarbeiter in die Experimente ein und erkannte diese Gemeinschaftsarbeit als unverzichtbar für die Entwicklung von Industrieprodukten.

    Aufgrund des überzeugenden Erfolgs in Jena erhielt W. 1935 von Karl Mey (* 1879), dem Aufsichtsratsvorsitzenden der „Vereinigten Lausitzer Glaswerke“ (VLG) in Weißwasser (Oberlausitz), den Auftrag, als „künstlerischer Direktor“ die seinerzeit größte europ. Glashütte durch Überarbeitung des Sortiments zu sanieren. W. entschied sich für den Aufbau eines gänzlich neuen, sich ständig erweiternden Sortiments („Gläser mit der Rautenmarke“), das er eigenverantwortlich mit den engsten Mitarbeitern in seinem „künstlerischen Labor“ entwickelte. Er bezog die namhaftesten auswärtigen Glasgestalter, wie z. B. Josef Hoffmann (1870–1956), Bruno Mauder (1877–1948) und Wolfgang v. Wersin (1882–1976), in seine Arbeit ein. Die Gläser, die als Industrieware erstmals der kunsthandwerklichen Konkurrenz ebenbürtig waren, leiteten einen Geschmackswandel ein und eroberten die internationalen Märkte. W.s wichtigstes Ziel, mit einer zeitgemäßen Alltagskultur alle Schichten der Gesellschaft zu erreichen, konnte er durch die technische wie ästhetische Neukonzeption des preiswerten, in hoher Stückzahl herstellbaren Preßglases verwirklichen.

    Bereits 1939 schrieben die VLG wieder schwarze Zahlen, doch schränkte der Kriegsbeginn die zivile Produktion stark ein. Die Berufung zum Vorstandsmitglied schützte W. bis 1944 vor dem Fronteinsatz, dann führte u. a. seine Weigerung, in die NSDAP einzutreten, zur Einberufung an die Ostfront. Als er 1945 aus russ. Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, fand er die zum Werk gehörigen Hütten zerstört und demontiert vor; fast alle Arbeitsunterlagen und Dokumente waren vernichtet.

    Ende 1947 wurde W., der den Wiederaufbau der VLG, später „VEB Oberlausitzer Glaswerke Weißwasser“ begleitet hatte, Abteilungsleiter an der Dt. Akademie der Wissenschaften zu Berlin sowie 1948 Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg. Seine Erfahrungen und Erfolge machten ihn zu einem der gefragtesten Gestalter für die Industrie. 1949 schloß W. zunächst mit der „Württembergischen Metallwarenfabrik“ (WMF)/ Geislingen einen Vertrag (bis 1977) und zog nach Stuttgart um. Die zahlreichen Berufungen an Werkkunstschulen und Akademien in den Folgejahren lehnte er ab. W. stellte seine Industriearbeit auf eine breite Basis und schloß auch mit weiteren Unternehmen Beraterverträge, u. a. mit „Peill & Putzler Glashüttenwerke“/ Düren, „Rosenthal-Porzellan“/ Selb, „Ogro“/ Velbert, „Braun“/ Frankfurt, „Joh. Buchsteiner Plasticwerk“/ Gingen, „Lindner“/ Bamberg und der „Porzellanmanufaktur Fürstenberg“ in Fürstenberg/ Weser.

    1954 gründete W. seine „Werkstatt Wagenfeld, Versuchs- und Entwicklungswerkstatt für Industriemodelle“ in Stuttgart, in der er innovative Verfahren erprobte und Experimente durchführte. Seine Entwürfe, die behutsam den Geschmackswandel der Nachkriegszeit begleiteten, fanden weltweite Anerkennung. W. übernahm zahlreiche Mitgliedschaften und Ämter, war Mitherausgeber der Zeitschrift „form“ und bezog entschieden Stellung zu Fragen des öffentlichen Lebens; für sein Lebenswerk, das seit 1939 durch Ausstellungen in Museen gewürdigt wurde, erhielt er zahlreiche Preise.

    Mit der hohen Zahl millionenfach verbreiteter Produkte, die heute zu Klassikern zählen, leistete W. einen umfassenden und unverwechselbaren Beitrag zur Alltagskultur, gerade weil sich seine Entwürfe unauffällig in die Lebenswelt ihrer Käufer einfügten und dort über Jahrzehnte behaupteten. Um diese „Kultur des Brauchens“ durchzusetzen, warb W. mit Reden, Vorträgen und Aufsätzen bei Politik, Wissenschaft und Wirtschaft um Bündnispartner und führte eine breit gefächerte Korrespondenz. Er verstand seine Arbeiten als Schöpfungen einer Industriegemeinschaft, in der er als „künstlerischer Mitarbeiter“ – so seine eigene Berufsbezeichnung – das letzte Wort hatte.

  • Auszeichnungen

    |Goldmedaille d. Weltausst. in Paris (1937);
    Bronzemedaille (1937), Grand Prix (1940), Goldmedaille (1952) u. Grand Prix d. Triennale in Mailand (1957);
    Mitgl. d. Rats f. Formgebung u. d. Arbeitskreises Industrielle Formgebung im BDI (1952), d. Ausschusses Erziehung u. Ausbildung d. Rats f. Formgebung (1953), d. Ver. „Industrieform“ Essen (1955), d. Henry van de Velde Ges. (1959), d. Berater-Komitees f. d. Kaufmann Internat. Design Award, New York (1961–65), d. Ak. d. Künste Berlin (1965);
    Einladungen z. Internat. Design Conference in Aspen (Colorado) (1955, als einziger dt. Gestalter) u. z. World Design Conference in Tokio (1960);
    Teiln. an d. Weltausst. in Brüssel (1958) u. an d. documenta III Kassel (1964);
    Ehrenmitgl. d. Staatl. Ak. d. Künste, Stuttgart (1962);
    Ehrensenator d. TH Stuttgart (1964);
    Ehrenurk. d. 1. Biennale f. Industrielle Formgebung in Ljubljana (1965);
    Berliner Kunstpreis (1968);
    Heinrich-Tessenow-Medaille Hannover (1968);
    Ehrengast d. Villa Massimo in Rom (1968);
    Bundespreis Gute Form (1969 u. 1982);
    Dr.-Ing. E. h. (Univ. Stuttgart 1981);
    – Umbenennung d. Nördl. Ostertorwache Bremen in „W. W. Haus“ (1992, 1998 eröffnet);
    W. W. Stiftung Bremen (1993).

  • Werke

    |Gesamtverz. d. W u. Schrr. bis 1973 in: w. w., 50 j. mitarbeit in fabriken, Ausst.kat. Köln 1973;
    W-Verz. mit Ergg., abgedr. in: B. Manske u. G. Scholz (Hg.), Täglich in der Hand, ²1988 (P);
    W-Verz. mit Abb. 1950–77 f. WMF, in: C. Burschel u. B. Manske (Hg.), Zeitgemäß u. zeitbeständig, Industrieformen v. W. W., 1997 (P);
    W-Verz. m. Abb. 1923–1949 (außer Schmuck u. Porzellan), in: B. Manske (Hg.), Zeitgemäß u. zeitbeständig 2, Industrieformen v. W. W., 2012 (P);
    - Nachlaß: W. W. Stiftung Bremen (Schrr., Korr., Belegstücke f. Serienprodukte, Entwurfszeichnungen, Graphiken).

  • Literatur

    |Schöne Form, gute Ware, W. W. z. 80. Geb.tag, Ausst.kat. Stuttgart 1980;
    C. Steckner (Hg.), Charles Crodel, Kunst, Handwerk, Industrie, 1983, S. 74–87;
    H. Fuchs u. F. Burkhardt, Produkt – Form – Gesch., 150 J. dt. Design, Ausst.kat. Stuttgart 1985, S. 49, 53, 60 u. 84, Kat.-Nr. 4.20, 4.22, 4.25, 5.21, 5.27–31, 6.18, 6.24–27 u. 6.30–31;
    I. Schlagheck, Der Mustermacher, in: art 1986, H. 6, S. 60–67;
    H. Gassner (Hg.), Wechselwirkungen, Ungar. Avantgarde in d. Weimarer Rep., Ausst.kat. Kassel 1986, S. 320 f. u. 330;
    B. Manske u. G. Scholz (Hg.), Täglich in der Hand, Industrieformen v. W. W. aus sechs J.zehnten, 1987, ²1988 (P);
    U. Haus, W., ein Leben f. d. Formgebung, in: Dt. Bauztg. 1988, H. 1, S. 96–102;
    Experiment Bauhaus, Ausst.kat. Dessau 1988, S. 126, Kat.-Nr. 127, 128, 162 u. 164;
    W. W. z. 90. Geb.tag, Aust.kat. Dessau 1990;
    L. Kramer, W. W., Pionier „künstlerischer Mitarbeit in Fabriken“, in: werk u. zeit 38, 1990, H. 2, S. 9;
    S. Weissler (Hg.), Design in Dtld. 1933–45, Ästhetik u. Organisation d. Dt. Werkbundes im „Dritten Reich“, 1990;
    G. Ferrigno (Hg.), Il design di W. W. (1900–1990), il progetto del quotidiano, Ausst.kat. Genua 1990;
    B. Manske, Zwei Lampen sind nie gleich, in: K. Weber (Hg.), Die Metallwerkstatt am Bauhaus, Ausst. kat. Berlin 1992 (P);
    dies., „… e. Soziologie hauswirtschaftl. Gegenstände“, W. W.s Vorschlag f. e. neues Warenbuch, in: dies. (Hg.), Wie wohnen, Von Lust u. Qual der richtigen Wahl, 2004;
    dies. (Hg.), Zeitgemäß u. zeitbeständig, Industrieformen v. W. W. 2, 2012 (P);
    W. Scheiffele, W. W. u. d. mod. Glasindustrie, 1994 (P);
    ders., W. W. u. d. Vereinigten Lausitzer Glaswerke, in: Internat. Bauausst. Fürst-Pückler-Land (Hg.), Zeitmaschine Lausitz, 2003 / 04, S. 74–105 (P);
    ders., Karl Mey u. W. W., Industrie- u. Designstrategie 1935 bis 1939, 2016 (P);
    W. W. Stiftung Bremen (Hg.), W. W., gestern,|heute, morgen, Lebenskultur im Alltag, Ausst.kat. Jena/ Leipzig/ Görlitz 1995 (P);
    Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hg.), W. W., Handzeichnungen u. Druckgraphik, Œuvre-Verz. d. Holzschnitte u. Radierungen, Ausst.kat. Worpswede 1996 (P);
    K. Weber, „Dienende Geräte“, Die Metallwerkstatt d. Bauhochschule, in: D. Nicolaisen (Hg.), Das andere Bauhaus, Ausst.kat. Berlin 1996;
    H. G. Pfaender, Meine Zeit in d. Werkstatt W., 1998 (P);
    W. W. Stiftung Bremen (Hg.), Original u. Serienprodukt, Ausst.kat. Bremen 1999;
    dies. (Hg.), W. W. (1900–1990), 2000 (P);
    dies. (Hg.), W. W. Schmuck, Ausst.kat. Bremen 2001;
    dies. (Hg.), Die organ. Form 1930–1960: Produktgestaltung, Ausst.kat. Bremen 2003;
    C. Burschel u. B. Manske (Hg.), Zeitgemäß u. zeitbeständig, Industrieformen v. W. W., 1999 (P);
    J. Bulk (Hg.), Die Entdeckung d. Dinge, Fotogr. u. Design, Ausst.kat. Bremen 2015;
    ThB;
    Dict. of Art.

  • Autor/in

    Beate Manske
  • Zitierweise

    Manske, Beate, "Wagenfeld, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 193-196 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118770594.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA