Lebensdaten
1900 – 1983
Geburtsort
Mainz
Sterbeort
Berlin (Ost)
Beruf/Funktion
Schriftstellerin ; Vorsitzende des Schriftstellerverbands der DDR ; Kunsthistorikerin
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 118612743 | OGND | VIAF: 51684390
Namensvarianten
  • Reiling, Netty (geborene)
  • Radványi, Netty (verheiratete)
  • Brand, Anna (Pseudonym)
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Orte

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Zitierweise

Seghers, Anna (Pseudonym), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118612743.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Isidor (1867–1940), Kaufm., Kunst- u. Antiquitätenhändler in M., S d. David Reiling, aus Auerbach b. Bensheim/Bergstr., u. d. Jeanette (Esther) Schmalkalden, aus M.;
    M Hedwig (* 1880, 1942 in d. Ghetto Piaski b. Lublin deportiert), T d. Salomon|Fuld (1836–82), Kaufm., Antiquitätenhändler in Frankfurt/M., u. d. Helene Goldschmidt (1854–1922), aus Frankfurter Antiquitätenhändlerfam.;
    Ov Carl Reiling, Bankdir. in Kreuznach, Hermann Reiling, Kunst- u. Antiquitätenhändler in M.;
    Om Harry (Herz Salomon) Fuld (1879–1932), Gründer d. Dt. Privat-Telefonges. (s. NDB V);
    Tante-m Clementine Cramer (1874–1962), Philanthropin, engangiert in d. Soz.fürsorge in Frankfurt/M., emigrierte n. New York, Minna Fuld (1875–1944), Opfer d. Shoa;
    Mainz 1925 Johann-Lorenz Schmidt (eigtl. László Radványi) (1900–78), Wirtschaftswiss. (s. NDB 23);
    1 S Pierre (Peter) Radvanyi (* 1926), Dr. rer. nat., Physiker 1948 am College d. France, 1954 am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Orsay b. Paris, Dr. h. c. (Uppsala 1995), (s. L), 1 T Ruth Radvanyi (* 1928), Dr. med., Kinderärztin in B., stellv. Vors. d. Anna-Seghers-Stiftung; Schwägerin Lili Radvanyi ( 1986, Leopold Szondi, 1893–1986, Prof. d. Psychopathol. in Budapest, Psychotherapeut, Begr. d. „Schicksalsanalyse“, s. Killy; Schweizer Lex.; Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft; ); N d. Ehemanns Peter Szondi (1929–71), 1965 Prof. f. Lit.wiss. an d. FU Berlin (s. Killy; Bibliogr. Judaica).

  • Biographie

    S. stammt aus einer Familie des orthodoxen jüd. Großbürgertums in Mainz, wo sie eine Privatschule und eine Höhere Mädchenschule besuchte. Nach dem Abitur an der Ghzgl. Studienanstalt nahm sie 1920 ein Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Sinologie in Heidelberg und Köln auf, das sie 1924 bei Carl Neumann in Heidelberg mit einer Dissertation über „Jude und Judentum im Werk Rembrandts“ (gedr. 1980) abschloß. Lektüren von Kierkegaard und Dostojewski, der Messianismus Blochs und christl. Heiligenlegenden sowie die Idee des Kommunismus als Urchristentum prägten S.s Weltanschauung. Nach ihrer Heirat 1925 siedelte S. nach Berlin über, wo sie mit ersten Prosaveröffentlichungen hervortrat (Grubetsch, 1927). Ihre 1928 mit dem Kleist-Preis ausgezeichnete Erzählung „Aufstand der Fischer von St. Barbara“ (1928) wurde 1934 von Erwin Piscator in der Sowjetunion verfilmt (Fernsehfilm v. T. Langhoff 1988).

    S.s Schreibimpuls war es, zur Schaffung einer gerechteren Welt beizutragen; ihre Grundkonzeption war die Beschreibung von Passion und Erlösung in einem säkularisierten Verständnis. Als Kommunistin (Mitgl. d. KPD seit 1928 u. d. Bundes Proletar.-Revolutionärer Schriftst. seit 1929) und Jüdin bedroht, emigrierte S. mit ihrem Mann und ihren Kindern 1933 über die Schweiz zuerst nach Frankreich, wo sie in Bellevue bei Paris lebte. Vor der Wehrmacht floh sie 1940 in den unbesetzten Teil Frankreichs, wo der Familie von Marseille aus 1941 die Flucht nach Mexiko gelang (mexikan. Staatsbürgerin 1946). Trotz ihres starken antifaschistischen Engagements (u. a. als Präsidentin d. Heine-Clubs seit 1941) war S. in den schwierigen Exiljahren auch als Schriftstellerin außerordentlich produktiv: Neben zahlreichen Erzählungen entstanden die Romane „Der Kopflohn“ (1933), „Der Weg durch den Februar“ (1935), „Die Rettung“ (1937), „Das siebte Kreuz“ (1942), „Transit“ (engl. 1944, dt. 1948; Fernsehfilm v. R. Allio 1991) und „Die Toten bleiben jung“ (1949; Kinofilm v. J. Kunert 1968), die sich mit der Lage der Arbeiterschaft ebenso wie mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen. Die Hollywoodverfilmung des in der Mainzer Gegend spielenden Romans über das Schicksal geflohener KZ-Insassen „Das siebte Kreuz“ (1944, Regie: F. Zinnemann) machte S. zur weltberühmten Autorin.

    1947 kehrte S. nach Deutschland zurück, während ihr Mann bis 1952 in Mexiko blieb und ihre Kinder nach Frankreich gingen, wo sie aufgewachsen waren. Die ersten Jahre in Berlin erlebte sie als „Eiszeit“. Sie trat 1947 der SED bei, engagierte sich in der Weltfriedensbewegung (Mitgl. d. Weltfriedensrats seit dessen Gründung 1950), amtierte 1947–49 als Vizepräsidentin des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, 1947–50 als stellv. Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und 1955–78 als Vorsitzende des Schriftstellerverbands der DDR (seit 1978 Ehrenpräs.). Die stalinistischen Schauprozesse der Nachkriegszeit mit ihrem ausgeprägten Antisemitismus erzeugten ein Klima von Angst, Mißtrauen und Schweigen, unter dem S. litt. Neben den Zeitgeschichtsromanen „Die Entscheidung“ (1959) und „Das Vertrauen“ (1968) entstanden zahlreiche Erzählungen (u. a. Das Licht auf dem Galgen, 1961; Kinofilm v. H. Nitzschke 1975; Vierzig Jahre d. Margarete Wolf, 1960; Überfahrt, 1971; Fernsehfilm v. F. Bornemann 1984), in denen S. auch ihre Desillusionierung durch den stalinistisch deformierten Sozialismus bearbeitete. In den Essays über Dostojewski und Tolstoi – entstanden auf Reisen nach Brasilien 1961 und 1963 – vergewisserte sie sich erneut der Grundlagen ihres Schaffens. Mit Erzählungen wie „Das wirkliche Blau“ (1967; Fernsehfilm v. C. Mühl, 1986) und „Die Reisebegegnung“ (1981) gab sie der DDR-Literatur neue Anregungen im Umgang mit dem „romantischen“ Erbe. Für Autoren der nächsten Generation, v. a. Christa Wolf und Heiner Müller, war S. als faszinierende Persönlichkeit wie als Erzählerin von großer Bedeutung. Durch ihr|schriftstellerisches Werk zieht sich als lebensgeschichtliche Spur eine fortwährende Auseinandersetzung mit den Krisen und Verlusten, die die Geschichte des 20. Jh. der dt. Jüdin und Kommunistin aufzwang und die sie literarisch zu gestalten und zu bewältigen versuchte, dabei keineswegs frei von Irrtümern und politischen Verstrickungen.

  • Auszeichnungen

    Georg-Büchner-Preis (1947);
    Internat. Stalin-Friedenspreis (Moskau 1951);
    Nat.preis d. DDR (1951, 1959, 1971);
    Vaterländ. Verdienstorden (Silber 1954, Gold 1960);
    Klara-Zetkin-Medaille (1954);
    Dr. phil. h. c. (Jena 1959);
    Karl-Marx-Orden (1965, 1969);
    Kunstpreis d. FDGB (1969);
    Stern d. Völkerfreundschaft in Gold (1970);
    Lenin-Erinnerungsmedaille (1970);
    Orden d. Roten Arbeiterbanners (1970);
    Kulturpreis d. Weltfriedensrates (1975);
    Ehrenbürgerin d. Städte Berlin (Ost) (1975) u. Mainz (1981) u. d. Univ. Mainz (1977);
    sowjet. Orden d. Oktoberrev. (1981);
    Held der Arbeit (1981);
    Mitgl. d. PEN-Zentrums d. DDR u. d. Dt. Ak. d. Künste (1950);
    A.-S.-Gedenkstätte, Berlin (1983);
    A.-S.-Ges., Berlin u. Mainz (1991); A.-S.Preis d. A.-S.-Stiftung an d. Ak. d. Künste, Berlin (beides seit 1995).

  • Werke

    Ges. Werke in Einzelausgg., 14 Bde, 1977–80;
    Sämtl. Erzz. 1924–1980, 6 Bde., 1994;
    Werkausg., 21 Bde, 2000 ff.;
    – „Hier im Volk der kalten Herzen“, Briefwechsel 1947, hg. v. C. Berger, 2000;
    Christa Wolf – A. S., „Das dicht besetzte Leben“, Briefe, Gespräche u. Essays, hg. v. A. Drescher, 2003;
    „Und ich brauch' doch so schrecklich Freude“, Tagebuch 1924/25, hg. v. C. Zehl Romero, 2003 (P);
    – Mithg.: Neue Dt. Bll., 1933–35;
    Bibliogrr.: J. B. Bilke, Auswahlbibliogr. z. A. S. 1942–1972, in: A. S., hg. v. H. L. Arnold, 1973, S. 31–45 (P);
    M. Rost u. P. Weber, Veröff. v. u. über A. S., in: K. Batt (Hg.), Über A. S., Ein Alm. z. 75. Geb.tag, 1975, S. 305–410;
    M. Behn-Liebherz, Auswahlbibliogr. z. A. S. 1974–1981, in: A. S., hg. v. H. L. Arnold, ²1982, S. 129–47;
    weitere Teilbibliogrr. in Hh. d. Zs. Argonautenschiff;
    Nachlaß:
    Archiv d. Ak. d. Künste, Berlin.

  • Literatur

    Ch. Zehl Romero, A. S., 1993 (P), 2003;
    dies., A. S., Eine Biogr., 2 Bde., 2000/03 (P);
    F. Wagner u. a. (Hg.), A. S., Eine Biogr. in Bildern, 1994, ²2000 (P);
    S. Hilzinger, A. S., 2000;
    Pierre Radvanyi, Jenseits d. Stroms, Erinnerungen an meine Mutter A. S., 2005;
    BHdE II;
    Wer war wer DDR;
    Biogr. Hdb. SBZ/DDR;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Killy (P);
    Metzler Autoren Lex. (P);
    Metzler Autorinnen Lex. (P);
    Metzler Lex. dt.-jüd. Lit. (P);
    Lex. sozialist. Lit. (P);
    Munzinger;
    Krit. Lex. Gegenwartslit.;
    – Argonautenschiff, Jb. d. A.-S.-Ges. Berlin u. Mainz, seit 1992;
    – „Ich bin in d. Eiszeit geraten“, Fernsehdok. d. Westdt. Rundfunks, 2000.

  • Porträts

    Porträtslg. d. A.-S.-Archivs, Ak. d. Künste, Berlin.

  • Autor/in

    Sonja Hilzinger
  • Zitierweise

    Hilzinger, Sonja, "Seghers, Anna" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 162-164 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118612743.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA