Lebensdaten
1833 – 1906
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118604449 | OGND | VIAF: 34473501
Namensvarianten
  • Saar, Ferdinand Ludwig Adam von
  • Saar, Ferdinand von
  • Saar, Ferdinand Ludwig Adam von
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Zitierweise

Saar, Ferdinand von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118604449.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ludwig Adam (1799–1834), Beamter, zuletzt Geschäftsführer;
    M Caroline (1799–1872), Gesellschafterin d. Fürstin Elisabeth Salm-Reifferscheidt, T d. Ferdinand Edler v. Nespern (Nesper) (1749–1840, 1787 Edler v. Nespern), Hofrat, Vorstand d. Erbsteuer-Hofkomm., Dir. d. Aerarial-Frachtamts in W. (s. W. Schöny, Wiener Künstler-Ahnen II, 1975, S. 212; R. v. Bartsch-Salgast-Dyhrn, in: Adler, 1954, S. 154-58 u. 1962, S. 68-76), u. d. Franziska Theresia Feilmayr (1758–1823), aus W.;
    Ov Karl, Maler;
    Tante-m Maria Anna v. Nespern (1793–1841, Anton Pettenkoffer, 1788–1834, Handelsmann in W., Großgrundbes., 1819 Inh. d. Herrschaft Großreideben im Lavanttal, Kärnten);
    Schloß Blansko b. Brünn 1881 Melanie Lederer (1840–84, Freitod); kinderlos;
    Vt August v. Pettenkof(f)er (1822–89, 1873 Rr. v. Pettenkolen), Maler, Zeichner (s. ADB 53).

  • Biographie

    S., der nach dem frühen Tod des Vaters in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, besuchte 1843-48 das Schottengymnasium in Wien und begann 1849 auf Wunsch des Vormunds, seines Großvaters Ferdinand v. Nespern, eine militärische Laufbahn (1854 Lt.). 1859 nahm er am Italienfeldzug teil, dessen Niederlage und deren gesellschaftliche und sozialpsychologische Folgen viele seiner späteren Novellen reflektieren. 1860 quittierte er (mit finanziellen Schulden) den Dienst und versuchte, als freier Schriftsteller sein Auskommen zu finden. Trotz des Achtungserfolgs seiner von Stifter beeinflußten Novelle „Innocens“ (1866, krit. Ausg. hg. v. J. Stüben, 1987) geriet er in eine Schreibkrise. Wegen zunehmender Verschuldung – seine zweite Novelle „Marianne“ erschien erst 1873 (krit. Ausg. hg. v. R. Kopp, 1980) – war S. auf die Hilfe reicher Wiener Mäzenatinnen angewiesen; anders als seine Zeitgenossen entzog er sich literarisch-journalistischer Tagesarbeit. Als Mitglied des Salons von Josephine v. Wertheimstein (1820–94) und ihrer Tochter|Franziska (1844–1907) erhielt er Zutritt zur wohlhabenden, kunstinteressierten liberalen Gesellschaft und die Möglichkeit, an deren aristokratischem Lebensstil teilzuhaben, so z. B. durch das Dauerwohnrecht, das ihm die Familie Salm-Reifferscheidt auf ihrem mähr. Schloß Blansko einräumte. Seit längerer Zeit an einem unheilbaren Krebsleiden erkrankt, erschoß sich S. 1906.

    Obwohl er sich zum Dramatiker berufen glaubte (u. a. Ks. Heinrich IV., 2 T., 1865/67), blieb S. auf dem Theater zeitlebens ohne Erfolg. Öffentliche Anerkennung erlangte er erst in den 1890er Jahren. Als Lyriker wurde S. wegen seiner „Gedichte“ (1882, vermehrte Ausg. 1888, ³1903) und in Wien v. a. wegen seiner „Wiener Elegien“ (1893, Neuausg. hg. v. K. Wagner, 1997) bekannt. Höher einzuschätzen ist jedoch seine Bedeutung als Erzähler. Sein Zyklus „Novellen aus Österreich“ (2 Bde., 1897, Neuausg. hg. v. K. Wagner, 1998) kann als novellistisches Pendant zu den großen Romanzyklen Balzacs oder Zolas verstanden werden, mit deren Werk der belesene S. vertraut war. Seine Anfänge als Erzähler stehen indes, abgesehen von Stifter, unter dem prägenden Einfluß Turgenjews. S. wollte sein novellistisches Panorama der österr. Gesellschaft als Kulturgeschichtsschreibung der franzisko-josephinischen Epoche verstanden wissen. Die zumeist durch Rahmentechnik eingefaßten Begebenheiten beleuchten – anders als in der zeitgenössischen Historiographie – weder die großen Ereignisse noch die großen Persönlichkeiten der Epoche, sondern deren gesellschaftliche Verarbeitungs- und Verdrängungsformen. Sozial wie topographisch wird das Marginale und Ausgegrenzte in den Blick genommen. Die Wahrnehmung der Brüche und Dissonanzen soll mitunter durch konventionelle Erzählschlüsse entschärft werden, wie im idyllischen Schlußbild der oft anthologisierten Novelle „Die Steinklopfer“ (1874). In kritischer Distanz zur sozialen und ökonomischen Politik des Liberalismus interessierte sich S. v. a. für die Opfer der Modernisierungsprozesse. Eine seiner besten Novellen, „Schloß Kostenitz“ (1892), ist ein Abgesang auf die liberale Ära. In dieser Hinsicht appellierte sie auch an Interessen Jung-Wiens, mit deren Vertretern S. losen Kontakt hatte. S. verstand sich selbst neben Hamerling und Anzengruber als repräsentativ für die Epoche nach Grillparzer. Sein Werk konnte sich nach 1945 – trotz verschiedener Initiativen – in keinem Kanon dt. oder österr. Literatur behaupten. Als Figur des Übergangs zum Fin de Siècle von Hofmannsthal, Schnitzler und Hermann Bahr wahrgenommen, eröffnet sein Schaffen indes heute noch aufschlußreiche Perspektiven auf die Transformation der österr. Gesellschaft (etwa zum Verhältnis jüd. Emanzipation u. ‚modernem' Antisemitismus in d. Novelle „Seligmann Hirsch“, 1889).|

  • Auszeichnungen

    Franz-Joseph-Orden (1890);
    Mitgl. d. österr. Herrenhauses (1902);
    Saarplatz (seit 1908) u. Saarpark (seit 1990) in Döbling (Wien);
    Saar-Gedenkraum in d. Wertheimsteinvilla (heute Bez.mus. Döbling, Wien).

  • Werke

    Ausgg.: Novellen aus Österr., Erste Ausg. in zwei Bdn., 1897, ²1904;
    Sämtl. Werke, 12 Bde., hg. v. J. Minor, 1908 (Bd. 1: A. Bettelheim, F. v. S.s Leben u. Schaffen);
    Krit. Texte u. Deutungen, hg. v. K. K. Polheim u. J. Stuben, 4 Bde., 1980-87;
    Teilausgg.:
    Das erzählen Werk, hg. v. J. F. Fuchs, 3 Bde., 1959/60;
    Requiem d. Liebe u. andere Novellen, hg. v. H.-H. Reuter, 1965;
    Meisternovellen, hg. v. H. Jacobi, 1982;
    Ginevra u. andere Novellen, hg. v. K. Rossbacher, 1983;
    Sündenfall u. andere Erzz., hg. v. K. K. Polheim, 1983;
    Novellen aus Österr., hg. v. R. Rocek, 1986;
    Mähr. Novellen, hg. v. B. Bittrich, 1989;
    Camera obscura, hg. v. N. Miller, 2000;
    Briefe:
    Marie Fürstin zu Hohenlohe u. F. v. S., Ein Briefwechsel, hg. v. A. Bettelheim, 1910;
    Briefwechsel zw. F. v. S. u. Maria v. Ebner-Eschenbach, hg. v. H. Kindermann, 1957;
    Briefe an, v. u. um Josephine v. Wertheimstein, hg. v. R. A. Kann, 1981;
    E. Kobau, Rastlos zieht d. Flucht d. Jahre. …, Josephine u. Franziska v. Wertheimstein, F. v. S., 1997;
    Briefwechsel mit Abraham Altmann, hg. v. J. Charue, 1994;
    Bibliogr.:
    H. Kretzschmar, F. v. S., Eine Zus.stellung d. seit seinem Tod erschienenen Ausgg. u. Schrr. u. d. Lit. über ihn u. sein Werk, 1965;
    Personalbibliogrr. österr. Dichterinnen u. Dichter, hg. v. K. F. Stock u. a., III, ²2002, S. 1481-86;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: Stadt- u. Landesbibl., Wien.

  • Literatur

    J. Minor. F. v. S., 1898 (W, L);
    R. Specht (Hg.), Widmungen z. Feier d. siebzigsten Geb.tages F. v. S.s., 1903;
    J. Charue, F. v. S., écrivain autrichien, 1979;
    K. K. Polheim (Hg.), F. v. S., Ein Wegbereiter d. lit. Moderne, 1985;
    H. Klauser, Ein Poet aus Österr., 1990;
    K. Rossbacher, Lit. u. Liberalismus, 1992;
    ders., Lit. u. Bürgertum, 2003;
    K. Bergel (Hg.), F. v. S., Zehn Stud., 1995;
    M. Manka, Figuren- u. Konfliktdarst. b. Friedrich Spielhagen, Theodor Fontane, F. v. S., Eduard v. Keyserling, 1995 (Mikrofiche);
    BJ XI, S. 224-37 u. Tl.;
    Kosch, Biogr. Staatshdb.;
    Kosch. Lit.-Lex.³ (W, L);
    Killy;
    Lex. dt.mähr. Autoren (P);
    ÖBL;
    Biogr. Lex. Böhmen;
    Hist. Lex. Wien.

  • Porträts

    Pastell v. L. Michalek, 1888 (Wien, Hist. Mus. d. Stadt);
    Denkmal v. F. Seifert, 1914 (Wien, Wertheimsteinpark).

  • Autor/in

    Karl Wagner
  • Zitierweise

    Wagner, Karl, "Saar, Ferdinand von" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 315-316 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118604449.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA